Wassermanns Abstieg trotz Aufstieg
Wassermann„...Deshalb ist es besser, man presst die Lippen zusammen, damit man nichts sagt. Wer nichts sagt, sündigt nicht in Worten, die Gedanken sieht man ja nicht...“
Er nennt sich Wassermann, weil er 20 Jahre ...
„...Deshalb ist es besser, man presst die Lippen zusammen, damit man nichts sagt. Wer nichts sagt, sündigt nicht in Worten, die Gedanken sieht man ja nicht...“
Er nennt sich Wassermann, weil er 20 Jahre als Ingenieur in Afrika und Lateinamerika gearbeitet hat. Er hat unter anderen Trinkwasseranlagen gebaut. Jetzt wird er zurück nach Deutschland gerufen und soll seine Gedanken in etwa einhundert Worten formulieren. Dazu fordert ihn die Psychologin Isabella auf.
Der Autor hat ein sprachlich ausgereiftes Buch geschrieben. Eigentlich sind es zwei Geschichten. Am Anfang legt Wassermann seine Gedanken dar. Danach wird er als Vertreter des BND nach Brasilien beordert.
Im ersten Teil, aus dem auch das obige Zitat stammt, wird in Wassermanns Aufzeichnungen deutlich, was er getan hat und was er denkt. Dabei hangelt er sich von einem Wort zum anderen. Es ist ein gekonntes Spiel mit Worten. Manche haben philosophische Tiefe.
„...Die Uhr, sagt man, misst die Zeit. Aber was macht sie, wenn sie stehen bleibt? Dann steht sie und die Zeit geht weiter. […] Wenn die Uhr geht, vergeht die Zeit im Tick – Tack. Wenn sie nicht geht, geht die Zeit an der Uhr vorbei...“
Gesellschaftskritik in jedweder Form wird geschickt verschleiert.
„...War etwas dran, an dem Gerede von der germanischen Seele? Die ist noch älter als die Deutschen, die es erst seit Bismarck so richtig gibt, aber das auch nur ohne die Österreicher, die bis heute nicht zugeben, dass sie Deutsche sind, aber das lassen wir mal...“
Im zweiten Teil treffe ich dann auf einen zerrissenen Menschen. Man hat ihm seine Arbeit genommen. Der neue Job befriedigt ihn nicht. Er kann damit nichts anfangen. Ab und an erhält er einen Auftrag, der scheinbar wenig Sinn macht. Dafür muss er gegen die Langeweile kämpfen. In Gedanken ist er häufig bei Isabella. Doch was will sie wirklich von ihm?
Als Leser bekomme ich allerdings einen Einblick in die Lebensverhältnisse in Brasilien. Sehr bildhaft werden die Orte beschrieben. Wassermann wurde mit der neuen Aufgabe ins kalte Wasser geschmissen. Das geht schon damit los, das er nicht weiß, welchen Beruf er gegenüber der Vermieterin angeben soll. Immer mehr spitzt sich für ihn die Frage zu:
„...Wer war ich eigentlich wirklich? Noch nie hatte ich mir diese Frage gestellt….“
Ohne das er weiß, warum, steigt er in der Hierarchie auf. Dabei führt ihn sein Weg auch nach Kolumbien. Jede Tätigkeit ist besser, als das lange Nichtstun, das Zeit zum Grübeln lässt.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, wie ein Mensch zerbrechen kann, den man aus dem gewohnten Leben reißt.