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Was perfekt warDas Buch startet mitten im Geschehen. Graham und Quinn lernen sich kennen, als sie ihre Partner miteinander beim Fremdgehen erwischen. Kein schöner Moment, aber was daraus folgt ist eine wunderschöne Liebesgeschichte. ...
Das Buch startet mitten im Geschehen. Graham und Quinn lernen sich kennen, als sie ihre Partner miteinander beim Fremdgehen erwischen. Kein schöner Moment, aber was daraus folgt ist eine wunderschöne Liebesgeschichte. Bis diese im Laufe der Jahre getrübt wird und sich die Frage stellt: "Wie lange können sich zwei Menschen an eine Vergangenheit klammern, in der beide glücklich waren, um damit eine Gegenwart zu rechtfertigen, in der beide unglücklich sind?" Das ist ein direktes Zitat aus dem Buch und ich finde, es passt perfekt zur Geschichte.
Der Schreibstil ist so, wie ich ihn von Hoover gewohnt bin. Sie schreibt angenehm unkompliziert, ohne dabei zu einfach oder langweilig zu formulieren und das Buch lässt sich wirklich super weglesen. Die Kapitel haben die perfekte Länge, ohne zu kurz oder zu lang zu sein und durch den Wechsel zwischen "Jetzt" und "Damals" erhält man einen perfekten Eindruck darüber, wie sich die Beziehung im Laufe der Jahre verändert hat. Viele Dinge, die in den "Jetzt" Kapiteln angeschnitten werden, werden in dem darauffolgenden "Damals" Kapitel erklärt, was ich irgendwie charmant finde. So ist man direkt in der Situation dabei, die zuvor angesprochen wurde und liest nicht nur eine Erinnerung daran.
Man liest das komplette Buch aus der Sicht von Quinn, bekommt zum Ende hin aber auch einen umfangreichen Eindruck aus Grahams Sicht, was mir ebenfalls gut gefiel. Dennoch wünsche ich mir in Hoovers Büchern sehr oft, dass sie auch mal die männliche Perspektive schreiben würde, weil ihre Figuren so spannend sind, dass ich mehr als nur eine Perspektive kennenlernen möchte.
Auch wenn ich nicht all zu sehr auf die Thematik des Buches eingehen werde, kann ich sagen, dass ich sie sehr authentisch umgesetzt finde. Obwohl einige meinen, dass Quinn früher das Gespräch hätte suchen müssen, sehe ich das anders. Für mich ist es verständlich, woher ihre Gedanken und Gefühle kommen und wieso sie ihre Entscheidungen trifft. Genauso kann ich auch Grahams Seite absolut nachvollziehen. Auch hier möchte ich zu einem Zitat aus dem Buch greifen, was es wirklich auf den Punkt bringt: "Das rechtfertigt zwar in keinster Weise, was er getan hat, aber etwas nicht entschuldigen zu können, heißt nicht, dass man es nicht trotzdem verstehen kann." Dieser Satz ist wunderschön und in ihm steckt so viel Wahrheit. Wenn man Dinge nur in schwarz und weiß betrachtet, wird man mit diesem Buch nicht glücklich, das kann man soweit schon mal sagen.
Hoover zeigt in angenehmem Tempo, dass das Leben mehr als nur schwarz-weiß ist, sondern aus endlos vielen Graustufen besteht. Gerade wenn man in einer ähnlichen Situation wie Quinn ist, kann man aus dem Buch so viel mitnehmen. Es regt zum Nachdenken an und viele Dinge haben mich inspiriert und mir gewisse Gedanken wieder in den Sinn gerückt, die man manchmal vergisst.
Für mich ist es ein leises Buch. Es konnte mich emotional nicht tief greifend packen. Zwar konnte ich nüchtern die Gefühle und Gedanken der Figuren verstehen, aber ich habe selten mitgefühlt. Für mich war es einfach nicht überwältigend, aber das stört mich auch nicht wirklich. Das liegt zum Großteil auch einfach an der gesamten Thematik, die nicht so mein "cup of tea" ist.
Die Stimmung ist die meiste Zeit sehr schwer und traurig. Trotzdem schafft es Hoover mit ihren Worten den Nagel auf den Kopf zu treffen und die Emotionen perfekt zu transportieren. Zumindest fiel es mir nie schwer, nachzuvollziehen, warum Quinn so denkt/fühlt.
Man hat in den "Damals" Kapiteln eine gewisse Leichtigkeit, die im Kontrast zu der Schwere der Kapitel in der Gegenwart steht. Der Wechsel nach jedem Kapitel sorgt dafür, dass man nicht völlig in dieser Trauer versinkt und einige Stellen sind wirklich witzig. Es gibt z.B. eine Milli Vanilli Anspielung, bei der ich wirklich lachen musste - wobei ich mir vorstellen kann, dass die nicht jeder versteht, vor allem gerade jüngere Leser.
Das Einzige, was mich an dem Buch minimal störte, war ein Gedankenumschwung, der, meines Erachtens, zu wenig Grundlage hatte und mich zugleich überrascht und verwirrt hatte, weil er gefühlt aus dem nichts kam. Ansonsten gibt es für mich nicht viel an diesem Buch zu kritisieren - bis auf die Tatsache, dass der englische Titel mal wieder so viel besser zur Geschichte passt, weil der Grammatikfehler von "All your perfects" im Buch erklärt wird. So ist diese kleine Geschichte, um diesen Fehler, in der deutschen Fassung und hat eigentlich keinen tieferen Sinn.
Die Geschichte ist wunderschön, die Figuren sind authentisch und es gibt viele Dinge, die einen zum Nachdenken anregen. Trotzdem konnte es mich nicht vollends erreichen. Ich mag die Geschichte um Graham und Quinn total gerne und konnte beide Figuren auch wirklich nachfühlen, aber durch die Einseitigkeit der Geschichte ist sie mir doch irgendwie ferner geblieben, als ich mir erhofft hatte. Zwar habe ich am Ende ein paar Tränchen vergossen, aber gerade zum Ende hin haben mich die "Damals" Kapitel aus meiner Spannung gerissen und ich hätte mir gewünscht, dass man vor allem am Ende, eher in dieser Atmosphäre bleibt, damit man sie richtig auf sich wirken lassen kann.
Nichtsdestotrotz und auch wenn es nicht mein liebster Hoover Roman ist, ist er absolut gelungen und definitiv empfehlenswert.