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Veröffentlicht am 19.09.2020

Interessantes Thema, zu schlicht und oberflächlich erzählt

Kranichland
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„Kranichland“ behandelt einen traurigen und gut ausgewählten Aspekt des Lebens in der DDR. Es wird gezeigt, wie grausam das System war und welche Entscheidungen jene treffen mussten, die in ihm lebten. ...

„Kranichland“ behandelt einen traurigen und gut ausgewählten Aspekt des Lebens in der DDR. Es wird gezeigt, wie grausam das System war und welche Entscheidungen jene treffen mussten, die in ihm lebten. Die Geschichte wird, wie in momentan fast jedem historischen Roman, auf mehreren Zeitebenen berichtet. Im „Heute“ erfährt Theresa von einem dunklen Geheimnis in ihrer Familie, in den Vergangenheitskapiteln wird uns dieses Geheimnis nach und nach aufgedeckt. Dieser in der Gegenwart spielende Teil wirkt ein wenig konstruiert. Zwei Menschen in der Familie möchten nicht, daß die Lüge länger aufrechterhalten wird, beide schreiben zu diesem Zweck Briefe, die auf eine solche Lüge hinweisen, sonst aber völlig kryptisch sind. Wenn solch unrealistischen Kniffe angewandt werden, fühle ich mich als Leser immer nicht ernst genommen. Trotzdem ist das erste Drittel des Buches interessant.

Die Rückblicke beginnen im Jahr 1936, führen uns durch die Kriegsjahre und die Anfänge der DDR. Wir lernen Johannes und Elisabeth kennen und es liest sich unterhaltsam, wie sie zueinander finden und sich nach den Kriegsjahren allmählich etwas aufbauen, wie Johannes zum Stasimitarbeiter wird. Der Schreibstil ist leider sehr schlicht und das hat mich beim Lesen zunehmend gestört, auch wenn es zu Beginn noch durch den Inhalt der Geschichte wettgemacht wird. Umso mehr aber auch die Geschichte abnimmt, desto mehr wurde mein Lesevergnügen von dem zu einfachen Schreibstil beeinträchtigt.

Das Familiengeheimnis wird etwa nach der Hälfte des Buches aufgedeckt. Es ist, wie bereits erwähnt, mit einem dunklen Teil der DDR-Geschichte verbunden und war teilweise anrührend beschrieben, im Großteil aber blieb alles zu sehr an der Oberfläche, um mich richtig hineinzuziehen. Das ist ein Aspekt, der mir auch beim zweiten Buch der Autorin nicht zugesagt hat: wichtige Themen bleiben oberflächlich, unwichtige Themen werden detailliert behandelt. Mir blieben zudem einige der Charaktere fremd. Charlotte, die systemtreue Tochter von Johannes und Elisabeth, bleibt eine Randerscheinung, ihre und ihres Vaters Motive, deren Gedanken nach der Wende, werden rasch und nebenbei abgehandelt.

Sobald das Geheimnis ans Licht kommt, wird das Buch leider langweilig. Im letzten Drittel wird hauptsächlich berichtet,wie die diversen Charaktere einander über das Familiengeheimnis informieren, immer und immer wieder erfahren wir, was passiert ist. Es wird ständig wiederholt, in Gesprächen, in Gedanken, so daß dieses letzte Drittel wie eine Art Endlosschleife wirkt. Auch die Rückblicke werden irrelevanter, verlieren sich im Belanglosen. Das Buch fing gut an, steigerte sich bis zur Hälfte, um ab dann immer weiter abzufallen.

Gut gefallen hat mir das Titelbild (keine Frau in historischer Kleidung vor einem Gebäude, welche Erholung vom Titelbildeinerlei historischer Romane!) und die gelungene Innengestaltung. Unten steht auf jeder zweiten Seite die Jahreszahl des jeweiligen Kapitels, die einzelnen Abschnitte sind durch kleine Kraniche unterteilt, die wichtigsten Figuren stehen mit Kurzbiographien innen im Einband. Das ist sehr ansprechend gemacht.

So erzählt „Kranichland“ eine wichtige und interessante Geschichte, aus der so viel mehr hätte gemacht werden können. Der schlichte Schreibstil und der sich dahinschleppende letzte Teil mit seinen zahlreichen Wiederholungen, der mangelnde Tiefgang relevanter Aspekte haben mir das Lesevergnügen leider doch getrübt.

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Veröffentlicht am 16.06.2020

Viele Details, wenig Handlung, kein überzeugendes Konstrukt

City of Girls
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Es gab wenige Bücher, bei denen mich die Leseprobe so begeistert hat. Die 19jährige Vivian berichtet, warum sie 1940 von ihren Eltern nach New York geschickt wird und dieser Überblick ist so spritzig, ...

Es gab wenige Bücher, bei denen mich die Leseprobe so begeistert hat. Die 19jährige Vivian berichtet, warum sie 1940 von ihren Eltern nach New York geschickt wird und dieser Überblick ist so spritzig, mit so viel Wortwitz geschildert, daß das Lesen richtig Spaß macht. Mit scharfem Blick beobachtet Vivian ihre Mitmenschen, skizziert treffend Vassar-Mitstudentinnen mit "wichtigtuerischem Haar" (ein herrlicher Ausdruck!), entwirft das Bild ihrer Oberschichteltern, des perfekten Bruders und der exzentrischen Großmutter. Es gibt hier so viel Originelles, daß ich es kaum erwarten konnte, mit Vivian die ersten Schritte in New York zu erleben und auch ihr Umfeld besser kennenzulernen. Vivian versprach, eine unterhaltsame und scharfsinnige Protagonistin zu werden. Ich beschreibe das so genau, weil dieser Anfang so hohe Erwartungen weckte, die leider dann sehr enttäuscht wurden. Der spritzige Schreibstil blitzt nach diesem Anfang nur noch vereinzelt durch und Vivian erweist sich als blasse Protagonistin. Irgendwann sagt ihr jemand, daß sie nicht interessant ist und es nie werden wird, und das stimmt leider.

Nach dem flotten, vielversprechenden Anfang sinkt das Erzähltempo stark. Vivian zieht in das heruntergekommene Theater ihrer Tante Peg und zunächst lesen wir noch recht unterhaltsame Beschreibungen der dort lebenden und arbeitenden skurrilen Leute - talentierte Musiker, aufregende Revuegirls, ein verzweifelnder Stückeschreiber. Es ist eine recht gute Spiegelung der Kunst- und Theaterwelt New Yorks in jenen Jahren, auch einige von Vivians Erlebnissen zeigen dieses New York unterhaltsam. Leider verliert die Autorin sich dann aber sehr in diesen Beschreibungen. Wir erfahren en detail, welche Shows das Theater zeigt - inklusive genauer Informationen über Musik, Geschichten, Kulissen, Kostüme. Das ist anfangs noch interessant, hört aber gar nicht mehr auf, wiederholt sich und wird langweilig. Seitenlange Beschreibungen der einzelnen Kleidungsstücke einer Schauspielerin und langatmige Unterhaltungen über die Kleider tragen nichts zur Geschichte bei und sind regelrecht zäh.
Auch Vivans eigenes Leben befindet sich bald in einem recht einseitigen Kreislauf. Vivian verbringt ihre Zeit hauptsächlich damit, auszugehen und mit Männern ins Bett zu gehen. Viele gleichlautende Passagen des immergleichen Geschehens. Das machte leider wenig Lesespaß. Es wird generell gerne wiederholt - Dinge werden nicht einmal erklärt, sondern gleich mehrfach hintereinander. Wo ein Satz alle notwendigen Informationen vermittelt, folgen noch vier weitere. Manche Fakten erfahren wir alle paar Seiten erneut. Ich mußte mich hier oft zwingen, weiterzulesen.

Als das Theater die Show "City of Girls" vorbereitet und aufführt, geht es um die 80 Seiten fast nur um diese Show - Handlung bis hin zur detaillierten Beschreibung einzelner Szenen, Charaktere, Liedtexte, unzählige ähnlich lautende Zeitungskritiken. Auch hier sind die Details für den Fortgang der Geschichte nicht relevant und lesen sich zäh. Das war der schwächste Teil des ganzen Buches. Der im Klappentext erwähnte Skandal bringt dann kurzfristig ein wenig Tempo in die Geschichte und es folgt ein Teil, den ich hervorragend fand: die direkten Auswirkungen des Krieges auf die Familie. Das ist mit so wenigen Worten so eindrücklich beschrieben, daß ich manche Sätze mehrfach las und tief berührt war. Leider verliert sich dieser prägnante Stil schnell wieder in der detailverliebten Geschwätzigkeit ohne wirkliche Handlung.

Im letzten Teil tauchen plötzlich lauter neue Charaktere auf, die teilweise ausführlich beschrieben werden, um dann nie wieder vorzukommen. Mehrere neue Entwicklungen werden halbherzig und rasch in die Geschichte geworfen, während die eigentliche Handlung behäbig voranschreitet. Auch hier habe ich mich leider sehr gelangweilt.

Die Prämisse des Buches ist, daß Vivian als 90jährige Frau einer uns unbekannten Angela erklärt, was Angelas Vater ihr bedeutet hat. Das Buch richtet sich wie ein Brief an diese Angela, was sich eigentlich nur dadurch bemerkbar macht, daß Angela manchmal direkt angesprochen wird. Wer sie ist, wer ihr Vater ist - das erfahren wir erst am Ende des Buches und deshalb funktioniert das Konstrukt für mich nicht. Vivian behauptet, Angela von ihrem Vater erzählen zu wollen. Zu 90 % erzählt sie ihr aber Dinge, die in dieser Hinsicht völlig irrelevant sind. Was sollte Angela mit den Details über Schauspielerkleidungsstücke, einem 1940 aufgeführten Stück und insbesondere mit den vielen, vielen (völlig unnötigen) Details über Vivians Liebesleben anfangen können? Warum sollte Vivian das alles einer ihr fast Unbekannten erzählen? Die Geschichte von Angelas Vater wirkt dann am Ende wie draufgepfropft. Dafür, das sie das Thema des Buches sein sollte, erhält sie zu wenig Beachtung und spielt zu spät eine Rolle.

Äußerlich ist das Buch sehr ansprechend gestaltet. Das Titelbild fängt die Stimmung gut ein, fällt auf angenehme Weise auf. Die Schrift findet sich in den Kapitelüberschriften wieder - ebenfalls sehr gelungen. Weniger erfreut war ich über einige verunglückte Übersetzungsformulierungen. So wurde sich oft zu sehr an den englischen Originaltext angelehnt, was bei einer guten Übersetzung nicht passieren sollte. Zum Beispiel findet sich der Satz "Peg war entsetzt von den Kosten" - da blitzt das "shocked by the costs" durch, im Deutschen würde man das aber nie sagen, da wäre man "entsetzt über die Kosten". Dann wechseln zwei Leute mitten in einer Unterhaltung vom "Sie" zum "Du", ohne daß es nachvollziehbar ist, warum plötzlich von einem Satz zum anderen die Form der Anrede gewechselt wird. Solche Fehler haben mich bei einem Verlag vom Format des Fischer Verlags doch überrascht. Es sind nur einzelne Punkte in einer Übersetzung, die sich sonst gut lesen läßt, aber es kam doch öfter vor, als es wünschenswert gewesen wäre.

So haben wir hier eine sehr handlungsarme detailverliebte Schilderung, deren Prämisse nicht zum Inhalt paßt. Es gibt witzige und auch berührende Passagen. Es gibt auch originelle, gut getroffene Charaktere und interessante Informationen über New York im zweiten Weltkrieg. Leider ersticken die guten Aspekte in unnötigen Details und Wiederholungen, kranken außerdem an einer wenig mitreißenden Protagonistin.

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Veröffentlicht am 18.03.2020

Für meinen Geschmack viel zu überzogen und teils unlogisch

Unter der Erde
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Ich habe eine große Schwäche für Bücher, in denen ein ganzes Dorf (oder mehrere Leute dort) dunkle Geheimnisse verbergen. Insofern hat mich „Unter der Erde“ sofort interessiert. Der Anfang war auch gleich ...

Ich habe eine große Schwäche für Bücher, in denen ein ganzes Dorf (oder mehrere Leute dort) dunkle Geheimnisse verbergen. Insofern hat mich „Unter der Erde“ sofort interessiert. Der Anfang war auch gleich vielversprechend. Der Schreibstil liest sich angenehm, das bleibt auch im ganzen Buch so. Wenn wir den Hauptcharakter Elias zu Beginn im Auto auf die Fahrt in das kleine Dorf in der Lausitz begleiten, dann ist das herrlich farbig beschrieben. Kleine Eindrücke fließen ein und tragen zur bildhaften Erzählweise bei. Man sieht es alles vor sich und spürt die flirrende Sommerhitze. Elias selbst ist ein ziemlicher Antiheld – man stellt sich einen übergewichtigen unfitten Althippie vor, was ich mal ganz angenehm fand. Auch das Dorf, das letztlich nur aus einer Straße besteht, ist in seiner ganzen Trostlosigkeit wunderbar eingefangen. Man spürt die Beklemmung geradezu und das Dorfleben, der Geburtstagskaffee von Elias Großvater Wilhelm sind sehr realistisch beschrieben.

Schon ziemlich zu Beginn wird klar, daß im Dorf etwas nicht stimmt und diese Verdachtsmomente schrauben sich gelungen nach und nach hoch. Elias fallen Unstimmigkeiten auf und ich habe sehr gebannt gelesen, um zu erfahren, wie das alles zusammenhängt. Der Autor flicht einige Gespräche von zwei unbekannten Leuten ein, die diese per Funkgerät führen, wodurch wir noch einige Informationen erhalten, die Elias nicht bekommt. Außerdem reisen wir immer wieder mal in die Vergangenheit, einerseits durch Elias‘ Kindheitserinnerungen, andererseits durch Textpassagen, die 1946 spielen. Das ist alles abwechslungsreich gemacht und gibt uns verschiedene Möglichkeiten, unser Bild zu vervollständigen. Auch als Elias anfängt, ein wenig nachzuforschen, war das genau mein Geschmack. Ich erwartete mir eine interessant geschilderte schrittweise Aufdeckung, neue Puzzleteile, neue Erkenntnisse.

Nach dem vielversprechenden Anfang wurde diese Erwartung aber leider dann größtenteils nicht erfüllt. Ein wenig störend fand ich die anfänglich Überbenutzung von „Schockmomenten“ – ständig taucht überraschend jemand auf, ruft überraschend jemand an, bricht überraschend was zusammen. Elias kann kein Papier lesen, keinen Anruf machen, ohne nicht von so etwas unterbrochen zu werden. Diese inflationäre Mini-Cliffhanger-Praxis hat mir schon Fitzeks Bücher verleidet und nutzt sich schnell ab. Das hat hier aber das Lesevergnügen nicht wesentlich beeinträchtigt. Für mich schlug das Buch exakt ab Kapitel 13 eine Richtung ein, die mir dann immer weniger gefiel. Die Handlung wird dann aber leider auch immer abgedrehter und teilweise unlogisch.

Mit den interessanten Nachforschungen und Puzzlestücken ist es dann auch fast vorbei. Fast die gesamte zweite Hälfte des Buches besteht in einem langgezogenen Showdown und das ist nicht mein Geschmack. Erfreulicher waren in diesem Buchabschnitt die Rückblicke in das Jahr 1946, die historisch interessant und zudem anschaulich geschildert waren. Leider werden diese zum Ende hin immer holzhammermäßiger. Sie sollen uns aufzeigen, wie hart und mitleidlos jemand wird und das wird uns nicht nur in immer neuen Beispielen geschildert, sondern auch noch mehrfach mitgeteilt, obwohl der Leser es schon begriffen hat. Das war unnötig und beim Lesen eher ärgerlich. Auch der Showdown hat zwar einige spannende Momente – gerade bei einem Charakter gelingt es dem Autor hervorragend, uns bis fast zum Ende rätseln lassen, auch welcher Seite dieser steht – und es kommt auch durch Elias‘ Erinnerungen eine Entwicklung ans Licht, mit der ich nie gerechnet hatte und die ausgezeichnet geschildert wird. Aber sonst folgt der Showdown in großen Teilen dem üblichen Showdownverlauf und birgt wenig Überraschungen. Dafür werden einige ausgesprochen skurrile Szenen eingebaut, die teilweise auf mich letztlich albern wirkten. Insofern war diese zweite Hälfte fast nur in den Rückblicken erfreulich zu lesen.

Das dunkle Geheimnis des Dorfes war mir dann auch einfach zu übertrieben, zu unglaubwürdig. Es bleiben auch einige Fragen unbeantwortet und es gab mehrere Logiklöcher. Insofern entsprach das Buch leider aus mehreren Gründen nicht meinen Erwartungen. Wer nichts gegen eine überzogene Handlung hat und gerne längere Showdowns liest, wird hier auf seine Kosten kommen und man muß auch loben, daß der Autor sich absolut einiges hat einfallen lassen und sich nicht scheut, ungewöhnliche Wege zu gehen. Mein Geschmack war es aber leider größtenteils nicht.

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Veröffentlicht am 02.03.2020

Handlungsarm und distanziert - der Zauber fehlt

Konzert ohne Dichter
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Nachdem ich von "Keyserlings Geheimnis" des gleichen Autors sehr angetan war, habe ich "Konzert ohne Dichter" mit hohen Erwartungen gelesen. Der Vergleich zwischen beiden Büchern bleibt nicht aus, liegt ...

Nachdem ich von "Keyserlings Geheimnis" des gleichen Autors sehr angetan war, habe ich "Konzert ohne Dichter" mit hohen Erwartungen gelesen. Der Vergleich zwischen beiden Büchern bleibt nicht aus, liegt beiden doch ein ähnliches Konzept zugrunde.

"Konzert ohne Dichter" führt uns ins die Künstlerkolonie Worpswede zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Aufhänger ist das Gemälde "Das Konzert" des Malers Heinrich Vogeler, welches vorne im Buch farbig abgedruckt ist. Das ist eine gute Idee und ich habe es mir beim Lesen oft angesehen, da es in der Geschichte eine tragende Rolle spielt und Details davon immer wieder beschrieben werden.

Die Rahmenhandlung spielt im Jahr 1905, als ebendieses Gemälde in einer Ausstellung gezeigt werden soll und Vogeler an die Zeit zurückdenkt, in der er das Bild malte. Zahlreiche Rückblicke führen uns in dieses Zeit, durch die Freundschaft zwischen Vogeler und dem Dicher Rainer Maria Rilke. Leider tun sie das aber ziemlich blutarm. Vogeler sinniert ausgesprochen viel, wir sind selten bei einer Handlung wirklich dabei, sondern erfahren sie durch Vogelers Gedanken oder bekommen sie im Fließtext fast reportageartig erzählt. Gerade zum Ende hin hatte ich fast das Gefühl, daß der Autor rasch fertig werden wollte, denn die letzten Geschehnisse werden ein wenig lieblos heruntererzählt. Bei "Keyserlings Geheimnis" war ich beeindruckt, wie lebendig Charaktere, Orte und Geschehnisse wirkten, oft hatte ich beim Lesen fast das Gefühl, vor Ort zu sein. In "Konzert ohne Dichter" hatte ich das nie. Die Charaktere bleiben mir fremd, blieben fast nur Namen. Die Schönheit von Worpswede wird nicht spürbar.

Die sehr handlungsarme, sinnierende Erzählweise schleppt sich dahin, da leider für mich auch die Atmosphäre fehlte, die auch handlungsarmen Büchern etwas Besonderes geben kann. Ich habe zwischendurch eine Woche mit dem Lesen aufgehört, weil es mich nicht gereizt hat. Während ich bei "Keyserlings Geheimnis" von der Sprache des Autors ganz hingerissen war, findet sich hier dieser Zauber nicht wieder. Natürlich ist der Schreibstil gut, aber das gewisse Etwas fehlte mir hier.

Das Buch, einige Jahre vor "Keyserlings Geheimnis" verfaßt, erschien mir wie eine blassere, kraftlosere Aufwärmübung, als ob die Kraft und der Zauber, die "Keyserlings Geheimnis" so herausheben, hier noch nicht erweckt worden wären.

Informativ ist aber auch "Konzert ohne Dichter", die sorgfältige Recherche merkt man durchaus, die sorgfältige Arbeitsweise ebenso. Die Thematik ist ebenfalls durchaus interessant und wer etwas über die Hintergründe dieses Bildes oder über Vogeler und Rilke erfahren möchte, wird hier viele Informationen finden. In diese Welt eintauchen konnte ich aber leider keineswegs und so bin ich froh "Keyserlings Geheimnis" zuerst gelesen habe, weil ich nach "Konzert ohne Dichter" auf weitere Bücher des Autors nicht neugierig gewesen wäre.

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Veröffentlicht am 08.01.2020

Interessante Themen, die Erzählweise ließ mich leider kalt

Die Wunderheilerin
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Ich habe mich gefreut, einen in Leipzig spielenden historischen Roman zu entdecken. Leider vermerkt die mir vorliegende Ausgabe nirgendwo, dass es Band 3 einer Trilogie ist, das habe ich nur zufällig beim ...

Ich habe mich gefreut, einen in Leipzig spielenden historischen Roman zu entdecken. Leider vermerkt die mir vorliegende Ausgabe nirgendwo, dass es Band 3 einer Trilogie ist, das habe ich nur zufällig beim Lesen anderer Rezensionen entdeckt. Das erklärt, warum das Buch gleich mit einem Mordversuch beginnt, dessen Hintergründe nachher nie erklärt werden. Ansonsten aber merkt man im positiven Sinne nicht, daß es schon zwei Vorgängerbände gibt. Notwendige Hintergründe werden - leider sehr wiederholt - erklärt, ansonsten ist es eine eigenständige Geschichte.

Wir befinden uns in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts und es werden mehrere interessante Themen jener Zeit behandelt. So heiratet die Hauptperson Priska den Arzt Adam, der so seine Homosexualität verbergen möchte. Priska und Adam befassen sich mit gesundheitlichen Fragen, so die Behandlung der Syphilis und Möglichkeiten der Empfängnisverhütung. Auch die Anfänge der Reformation und ihre Auswirkungen werden geschildert. Dies ist eine gute Themenvielfalt, die auch nicht schon in zahllosen anderen historischen Romanen behandelt wurde.

Leider aber hat mich das Buch trotz dieser Themen nicht packen können. Es liest sich recht leicht, der Stil ist einfach. Historische Hintergründe sind teils gelungen eingebracht und, soweit ich das beurteilen kann, gut recherchiert. Allerdings ließen mich alle Charaktere kalt. Es gibt eigentlich nur fünf Hauptpersonen, aber denen wird kein Leben eingehaucht. Man liest beschreibend über sie, nimmt die Informationen zur Kenntis, aber die Charaktere bleiben fast durchweg Namen auf Papier. Auch tragische Geschehnisse konnten mich so nicht berühren. Die Geschehnisse selbst sind irgendwie blutleer berichtet. Es werden keine Emotionen erweckt. Symptomatisch ist unter anderem auch der Tod eines noch halbwüchsigen Charakters. Er kommt im Buch nur in Nebensätzen vor, hat selbst keine eigene Dialogzeile. Irgendwann, nach über 200 Seiten, findet er einen gewalttätigen Tod. Das kann kaum anrühren, da er kaum Teil der Geschichte war.

Auch sind viele Handlungen und Motivationen nicht nachvollziehbar. Das zeigt sich inbesondere an der Hauptperson Priska. Diese ist schon fast zu gut für diese Welt. Ihre Schwester, Regina, von Anfang an eher schablonenhaft dargestellt, ist Priska übel gesonnen. Das hindert diese aber nicht, die Schwester regelmäßig zu besuchen, ihr Dinge zu bringen und sich dabei beleidigen zu lassen. Sie zeigt darauf kaum eine Reaktion, setzt ihre Besuche fort - ein weiteres Beispiel für die blutleere Erzählweise. Auch nachdem Regina ihr etwas wirklich Schlimmes, Gravierendes antut, beeinflusst das Priskas Verhalten ihr gegenüber nicht nachhaltig. Später bedroht, erpresst Regina Priska - die ergreift weder Gegenmaßnahmen noch Konsequenzen, überlegt sogar noch, wie sie der Schwester eine kleine Freude machen kann und entschuldigt sich am Ende, Regina keine gute Schwester gewesen zu sein. Da konnte ich beim Lesen nur mit dem Kopf schütteln.

So gab es hier sicher gute Ansätze, gelungen ausgewählte Themen, über die zu lesen hier teilweise interessant war. Aber ich kann mich an wenige Bücher erinnern, deren Charaktere und Ereignisse mich emotional so wenig berührt haben.

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