Interessantes Thema, zu schlicht und oberflächlich erzählt
Kranichland„Kranichland“ behandelt einen traurigen und gut ausgewählten Aspekt des Lebens in der DDR. Es wird gezeigt, wie grausam das System war und welche Entscheidungen jene treffen mussten, die in ihm lebten. ...
„Kranichland“ behandelt einen traurigen und gut ausgewählten Aspekt des Lebens in der DDR. Es wird gezeigt, wie grausam das System war und welche Entscheidungen jene treffen mussten, die in ihm lebten. Die Geschichte wird, wie in momentan fast jedem historischen Roman, auf mehreren Zeitebenen berichtet. Im „Heute“ erfährt Theresa von einem dunklen Geheimnis in ihrer Familie, in den Vergangenheitskapiteln wird uns dieses Geheimnis nach und nach aufgedeckt. Dieser in der Gegenwart spielende Teil wirkt ein wenig konstruiert. Zwei Menschen in der Familie möchten nicht, daß die Lüge länger aufrechterhalten wird, beide schreiben zu diesem Zweck Briefe, die auf eine solche Lüge hinweisen, sonst aber völlig kryptisch sind. Wenn solch unrealistischen Kniffe angewandt werden, fühle ich mich als Leser immer nicht ernst genommen. Trotzdem ist das erste Drittel des Buches interessant.
Die Rückblicke beginnen im Jahr 1936, führen uns durch die Kriegsjahre und die Anfänge der DDR. Wir lernen Johannes und Elisabeth kennen und es liest sich unterhaltsam, wie sie zueinander finden und sich nach den Kriegsjahren allmählich etwas aufbauen, wie Johannes zum Stasimitarbeiter wird. Der Schreibstil ist leider sehr schlicht und das hat mich beim Lesen zunehmend gestört, auch wenn es zu Beginn noch durch den Inhalt der Geschichte wettgemacht wird. Umso mehr aber auch die Geschichte abnimmt, desto mehr wurde mein Lesevergnügen von dem zu einfachen Schreibstil beeinträchtigt.
Das Familiengeheimnis wird etwa nach der Hälfte des Buches aufgedeckt. Es ist, wie bereits erwähnt, mit einem dunklen Teil der DDR-Geschichte verbunden und war teilweise anrührend beschrieben, im Großteil aber blieb alles zu sehr an der Oberfläche, um mich richtig hineinzuziehen. Das ist ein Aspekt, der mir auch beim zweiten Buch der Autorin nicht zugesagt hat: wichtige Themen bleiben oberflächlich, unwichtige Themen werden detailliert behandelt. Mir blieben zudem einige der Charaktere fremd. Charlotte, die systemtreue Tochter von Johannes und Elisabeth, bleibt eine Randerscheinung, ihre und ihres Vaters Motive, deren Gedanken nach der Wende, werden rasch und nebenbei abgehandelt.
Sobald das Geheimnis ans Licht kommt, wird das Buch leider langweilig. Im letzten Drittel wird hauptsächlich berichtet,wie die diversen Charaktere einander über das Familiengeheimnis informieren, immer und immer wieder erfahren wir, was passiert ist. Es wird ständig wiederholt, in Gesprächen, in Gedanken, so daß dieses letzte Drittel wie eine Art Endlosschleife wirkt. Auch die Rückblicke werden irrelevanter, verlieren sich im Belanglosen. Das Buch fing gut an, steigerte sich bis zur Hälfte, um ab dann immer weiter abzufallen.
Gut gefallen hat mir das Titelbild (keine Frau in historischer Kleidung vor einem Gebäude, welche Erholung vom Titelbildeinerlei historischer Romane!) und die gelungene Innengestaltung. Unten steht auf jeder zweiten Seite die Jahreszahl des jeweiligen Kapitels, die einzelnen Abschnitte sind durch kleine Kraniche unterteilt, die wichtigsten Figuren stehen mit Kurzbiographien innen im Einband. Das ist sehr ansprechend gemacht.
So erzählt „Kranichland“ eine wichtige und interessante Geschichte, aus der so viel mehr hätte gemacht werden können. Der schlichte Schreibstil und der sich dahinschleppende letzte Teil mit seinen zahlreichen Wiederholungen, der mangelnde Tiefgang relevanter Aspekte haben mir das Lesevergnügen leider doch getrübt.