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Veröffentlicht am 15.09.2016

Eona: Beeindruckend, faszinierend, magisch!

Eona
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Alison Goodman entführt uns mit Eona - Drachentochter in eine wunderbare Welt: Das Reich der Himmlischen Drachen, das an das alte China und Japan angelehnt ist. Eona ist Teil dieser faszinierenden Welt, ...

Alison Goodman entführt uns mit Eona - Drachentochter in eine wunderbare Welt: Das Reich der Himmlischen Drachen, das an das alte China und Japan angelehnt ist. Eona ist Teil dieser faszinierenden Welt, doch das Schicksal hat ihr bereits viele Steine in den Weg gelegt. Sie wurde früh von ihren Eltern an eine Saline verkauft und erlitt dort einen schweren Unfall, der ihre Hüfte zertrümmerte. Seitdem ist sie ein Krüppel, unantastbar, verflucht und ein Unglücksbringer. Nachdem ihr Meister, ein ehemaliges Drachenauge, Eona in seine Obhut nimmt, muss das junge Mädchen lernen, ein Junge zu sein und ein Drachenauge zu werden.

Die Geschichte beginnt ein wenig ruhiger, da die Autorin wert darauf legt, dass sich der Leser erst einmal in ihrer Welt einfindet und die Strukturen kennen lernt. Dafür steht man Eona von Anfang an sehr nahe, sie ist als Charakter sehr vielseitig und authentisch. Sobald sie als Drachenauge in den Palast eingezogen ist, merkt man allerdings, dass sie eigentlich ziemlich uneigenständig und hilflos ist. Ihr mangelt es am nötigen Selbstbewusstsein und akzeptiert ihr Wesen selbst nicht. Ihr innerer Konflikt macht sie in meinen Augen so charaktervoll und tapfer, denn sie schlägt sich trotzdem durch alle Aufgaben hindurch und findet schließlich sich selbst - auch wenn Eona das zu Anfang nicht wirklich bemerkt. An ihrer Seite stehen eine Reihe interessanter Nebencharaktere, die alle ihre ganz eigenen Züge haben und genauso lebendig wirken wie Eona selbst.

Wenn die Geschehnisse mit der Auswahlzeremonie richtig anlaufen, kann man das Buch nicht mehr aus den Händen legen. Die vielen Konflikte, Intrigen und Geheimnisse, die das Buch bereithält, schüren die Spannung, da man genau weiß, dass Eona zwangsläufig als Mädchen entlarvt werden muss ... Einige weitere Schwierigkeiten tauchen am Horizont auf, die nur Unheil verheißen können, denn die Menschen um Eona herum sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen und so kann es passieren, das mich die eine oder andere Wendung überrascht hat, die ich so nicht für möglich gehalten hätte.

Zu guter Letzt trägt Alison Goodmans großartiger Schreibstil dazu bei, Eonas Welt soviel Lebendigkeit und Glaubwürdigkeit einzuhauchen, die den Leser in die Geschichte hinein zieht, das er gerade zu an den Seiten klebt und nicht loslassen kann, bis man die letzte Seite umgeschlagen hat - die zwar einen Abschluss bildet und dennoch sehr neugierig auf die Fortsetzung macht.

Fazit: Mit Eona - Drachentochter ist es Alison Goodman gelungen, eine magische, faszinierende Welt mit einer mutigen und realistischen Heldin zu erschaffen. Eona wird mit Intrigen und Konflikten einer Gesellschaft konfrontiert, die sie bisher nicht kannte. Von der ersten bis zur letzten Seite herrscht in diesem Buch eine unglaublich packende Atmosphäre, die einen nicht mehr loslässt.

5 von 5 Sternen

Veröffentlicht am 25.02.2017

300 Seiten weniger und es wäre ein atmosphärisch dichter Krimi

Purpurne Rache
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Grégoire Morvan hat in den 70er Jahren während der Zeit seiner Strafversetzung im Kongo einen brutalen Serienmörder, den Nagelmann, aufgespürt und hinter Schloss und Riegel gebracht. Dadurch hat er sowohl ...

Grégoire Morvan hat in den 70er Jahren während der Zeit seiner Strafversetzung im Kongo einen brutalen Serienmörder, den Nagelmann, aufgespürt und hinter Schloss und Riegel gebracht. Dadurch hat er sowohl großes Ansehen als auch Reichtum erworben, der seiner Familie heute ein sorgenfreies und unbeschwertes Leben ermöglicht. Aber Grégoire Morvan ist auch ein Patriarch wie er im Buche steht und jeder hat nach seiner Pfeife zu tanzen (was bedauernswerterweise auch alle tun). Die fast tyrannische Herrschaft des Familienvaters hat Spuren hinterlassen: Der jüngste Sohn ist drogenabhängig, die Tochter eine Prostituierte und der Älteste Erwan lässt gern die Fäuste sprechen anstatt Diplomatie einzusetzen. Als die zersprengte Leiche eines jungen Offizieranwärters in einem Bunker auf dem Gelände einer Militärflugschule gefunden wird, soll Erwan dort "Schadensbegrenzung" betreiben. Dabei kommt ein Fall zu Tage, der Grégoire Morvans sorgfältig aufgebaute Ordnung kräftig durchrüttelt...


Von Beginn an war ich mir unsicher, was für eine Art Geschichte mich erwartet: Ein Krimi? Ein Thriller, wie es auf dem Einband steht? Ein Familiendrama? Nach dem Lesen kann ich sagen, es ist mehr Krimi als Thriller, und auch mehr Familiendrama als Krimi. Die Geschichte beginnt mit einem Einblick in die Familie Morvan. Die Charaktere sind authentisch gezeichnet, keinesfalls oberflächlich. Jeder hat seine eigenen Macken und Päckchen zu tragen. Die größten Geheimnisse allerdings hat der alte Morvan und ich hätte zu gern erlebt, wie ihm das Handwerk gelegt wird. Diese Genugtuung hat der Autor mir allerdings verweigert.

Man erlebt es oft, dass die Meinungen bei einem Buch stark auseinander gehen können. So ergeht es mir mit Purpurne Rache. Auf der einen Seite haben wir diesen großartigen und spannenden Fall, der - auf der anderen Seite - durch das Drama der Familienmitglieder teilweise stark in den Hintergrund gedrängt wird. Erwan ist der Leiter des Ermittlungsteams und ist fast nur damit beschäftigt im Auftrag seines Vaters seinen jüngeren Geschwister hinterher zu rennen. Zusätzlich dazu erhalten der alte Morvan, Loic (der Bruder) und Gaelle (die Schwester) zahlreiche extra Kapitel, die sich mit ihren Lebenskrisen befassen. Das war durchaus interessant, aber nicht zielführend für die Mordermittlung. Es scheint, als hätte sich Grangé nicht entscheiden wollen, worauf er seinen Roman fokussieren möchte: Auf den Kriminalfall oder auf den Morvan-Clan.

Das hatte zur Folge, dass sich für mich die Kapitel, bei denen es ausschließlich um die Familienmitglieder ging, zunehmend gezogen haben wie Kaugummi, denn wirklich weiterentwickelt haben sich die Figuren nicht. Am Ende blieben so viele Fragen unbeantwortet und die spannendsten Geheimnisse im Dunkel. Der letzte Abschnitt lässt zudem vermuten, dass ein zweiter Band folgen könnte.

Fazit: Im Grunde hat Purpurne Rache alles, was einen guten Kriminalroman ausmacht: Einen leitenden Kommissar mit Ecken und Kanten, der auf keinen Fall perfekt ist, einen interessanten und spannenden Fall, schöne und unerwartete Wendungen... Nur zu viele Seiten, die nichts für die Charaktere und die Handlung getan haben. Mit 300 Seiten weniger hätte Purpurne Rache ein atmosphärisch dichter Krimi werden können, der Familie und Fall verbunden hätte und sie nicht wie zwei Romane in einem aussehen lassen.

3,5 von 5 Sternen

Veröffentlicht am 15.09.2016

Zorn und Morgenröte: Der Zauber von 1001 Nacht

Zorn und Morgenröte
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Jeden Morgen, wenn sich die Sonne über den Horizont hebt, muss eine junge Frau sterben. So hat es der König befohlen. Jeden Abend heiratet er ein neues Mädchen, das im Morgengrauen zu ihrer Hinrichtung ...

Jeden Morgen, wenn sich die Sonne über den Horizont hebt, muss eine junge Frau sterben. So hat es der König befohlen. Jeden Abend heiratet er ein neues Mädchen, das im Morgengrauen zu ihrer Hinrichtung geführt wird. Eines Tages meldet sich die Tochter des Wesirs freiwillig, um dem König die Stirn zu bieten. Die Geschichte von Scheherazade, die dem König jede Nacht eine Geschichte erzählt und so am Leben bleibt, ist weltweit bekannt. Renée Ahdieh hat sich die tausend Jahre alte Geschichte als Inspiration für ihren Jugendroman Zorn und Morgenröte genommen. Ebenso wie Scheherazade meldet sich auch Shahrzad freiwillig, um die Braut des Kalifen zu werden, mit dem Ziel sich zu rächen. Rache zu üben an dem kaltblütigen Tyrannen, der ihre beste Freundin und vor ihr so viele andere junge Mädchen hinrichten ließ. Ebenso wie ihre Märchen-Vorlage erzählt Shahrzad dem Kalifen Geschichten und überlebt. Während ihrer Zeit im Palast lernt sie den Mann auf dem Thron kennen und kommt ihm letztendlich immer näher. Nur wie kann man sich in einen herzlosen Mörder verlieben?

Während man als Leser Stück für Stück in die wundervolle arabische Welt gezogen wird, wartet man voller Spannung auf die Auflösung des Konflikts, auf die Lüftung von Chalids Geheimnis. Unterwegs verliert man sich in detailreichen Beschreibungen, in Farben und Gerüchen, in Mustern und Mosaiken. Renée Ahdies Schreibstil ist märchenhaft, bildgewaltig, leicht ohne anspruchslos zu sein und gleichzeitig fesselnd. Es fiel mir schwer mit dem Lesen aufzuhören, um beispielsweise solche simplen Dinge zu tun, wie an der richtigen Haltestelle aus der Tram auszusteigen. Man hat beim Lesen seine wahre Freude an den schlagfertigen, teils humorvollen Dialogen, romantischen Szenen, an höfischen Intrigen und spannenden Kampfszenen. Die Perspektivwechsel lockern die Geschichte auf, bringen neue Spannung und mehr Tiefe und Vielseitigkeit in die Geschichte.

Shahrzad hinterlässt gleich zu Beginn einen starken und bleibenden Eindruck. Sie ist tough, nicht auf den Mund gefallen, erfrischend und markant. Sie ist eine Protagonistin, die man sehr schnell ins Herz schließt, jedoch handelt sie manchmal sehr impulsiv, beinahe unberechenbar, dass man fast glaubt, sie ist sich der Tatsache nicht (mehr) bewusst, dass ihr Schicksal in der Hand eines Mörders liegt. Vereinzelt wirkt sie auch wie ein überhebliches und trotziges Kind, das gerade seinen Willen nicht bekommt. Es macht ihren Wesenszug aus, dass sie sich nichts gefallen lässt, jedoch hätte ich von einer klugen, jungen Frau – die sie auch ist – erwartet, dass sie sich in manchen Situationen zusammenreißt, überlegt, die Konsequenzen abwägt und nicht einfach handelt und das zum Teil sehr unangebracht. Schnell wird einem klar, dass Shahrzads ursprünglicher Plan nicht so schnell und einfach umgesetzt werden kann. Shahrzads innerer Konflikt tritt immer stärker zu Tage und langsam wird ihr bewusst, dass sie sich mit ihrer Entscheidung gegen ihre Überzeugung und ihre Vergangenheit auflehnt. Ihr stetes Wackeln ist sehr gut beschrieben und in die Geschichte eingeflochten.

Obwohl die Charaktere eine große Stärke des Buches sind, sind sie gleichzeitig auch eine Schwäche. Sieht man sich die Beziehung zwischen Shahrzad und Chalid genauer an, kommt die Sympathie zwischen den beiden – so romantisch sie auch inszeniert sein mag – und Shahrzads daraus resultierendes konsequentes Handeln sehr plötzlich, nahezu aus dem Nichts. Ich kann die Kritik anderer Leser sehr gut verstehen, die hier an der Authentizität der Liebesgeschichte zweifeln. Wenn man die rosarote Brille absetzt, scheint die Geschwindigkeit, in der sich Shahrzad in Chalid verliebt sehr ungewöhnlich. Sie, die einfache Tochter, die sich aus dem Wunsch nach Rache freiwillig als Braut für den Kalifen stellt, sich aber nicht dazu durchringt ihren Plan in die Tat umzusetzen, obwohl sie den Kalifen über alles hasst. Und der „wahnsinnige“ junge Kalif, so nachsichtig mit der aufsässigen Shahrzad ist und davor jeden Morgen ein Mädchen töten ließ. Ja, die Liebe wirkt künstlich konstruiert. Renée Ahdieh hat es trotzdem geschafft, dass nicht nur Shahrzad, sondern viele Leser am Stockholm-Syndrom erkrankt sind und ihr Herz rettungslos an Chalid verloren haben.

Fazit: Trotz einiger kleinerer und größerer Schwächen ist es der Autorin gelungen mich mit ihrer Geschichte vollkommen in den Bann zu schlagen. Ich war bezaubert von der orientalischen Atmosphäre, von der Spannung und der Romantik, die in der Luft knisterten. Eine klare Leseempfehlung für Zorn und Morgenröte!

4 von 5 Sternen

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Schreibstil
  • Charaktere
  • Fantasie
Veröffentlicht am 15.09.2016

Gelöscht: Ein solider Auftakt mit einigen Ecken und Kanten

Gelöscht
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Kyla ist nervös, denn heute wird sie ihre neue Familie kennen lernen. Sie wird das Krankenhaus verlassen, in dem sie die letzten Monate verbracht hat, um wieder laufen, sprechen und die alltäglichen Dinge ...

Kyla ist nervös, denn heute wird sie ihre neue Familie kennen lernen. Sie wird das Krankenhaus verlassen, in dem sie die letzten Monate verbracht hat, um wieder laufen, sprechen und die alltäglichen Dinge des Lebens zu erlernen. Kyla wurde geslatet, ihre Persönlichkeit, ihre Fähigkeiten ausgelöscht. Ein Schicksal, dass alle Jugendlichen im England der Zukunft erwarten, wenn sie ein Verbrechen begangen haben oder durch rebellisches Verhalten aufgefallen sind. Eine zweite Chance, sich lückenlos in die Gesellschaft zu integrieren. Ein kleines Gerät namens Levo hält die Jugendlichen davon ab, rückfällig zu werden, aggressiv und gewalttätig. Denn wenn der Wert des Levo zu tief fällt, wird sein Träger ausgeschaltet. Doch bei Kylas Operation muss etwas schiefgegangen sein. Immer wieder hat sie Flashbacks. Erinnerung oder Einbildung? Kyla beginnt Fragen zu stellen, denn sie möchte eines unbedingt herausfinden: Warum wurde sie geslatet? Ein großartige und einzigartige Grundidee, die viel Spannung verspricht. Leider kam gerade die an vielen Stellen zu kurz.

Action, Verfolgungsszenen, Eskalationen, herzergreifende Romantik, tiefe Emotionen, Nervenkitzel ... sucht man hier vergeblich. Die Handlung bleibt konstant, hält eine gewisse Grundspannung, wird aber an manchen Stellen etwas langatmig, da das gleiche Plotmuster immer wiederholt wurde. Die Neugierde, was es mit Kylas Flashbacks genau auf sich hat, lässt einen trotzdem die Seiten umblättern. Um das Forschen nach Kylas Identität dreht sich die zentrale Handlung des Buches. Die Autorin hat diesen Punkt sehr gut ausgearbeitet, dreht sich dabei allerdings etwas zu sehr im Kreis und lässt andere Aspekte dabei schleifen. Ein gutes Stichwort ist das Setting: Man erfährt sehr wenig von Kylas Welt. Wie und wohin sich England in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat, wird angerissen und grob erklärt, trotzdem bleiben viele Fragen offen. Besonders störend war für mich die Tatsache, dass die Lorder als staatliche Organisation stark verallgemeinert und als böse dargestellt wurde. Dort wurde überhaupt nicht differenziert. Ich hoffe, dass Teri Terry dies in den folgenden Bänden noch ändert. Die Idee des Slating dagegen ist gut durchdacht und bringt Einzigartigkeit in die Geschichte.

Kyla war mir von Beginn sehr symphatisch. Als Slaterin ist sie für die Gesellschaft ein unbeschriebenes Blatt. Zunächst möchte sie sich auch nahtlos in ihr neues Leben einfügen und nichts von ihrer Vergangenheit wissen. Doch je mehr Erinnerungen erwachen, desto neugieriger wird Kyla, beginnt erste Fragen zu stellen und bleibt dennoch vorsichtig. Sie will wissen, was da vor sich geht, was verheimlicht wird, weiß aber auch, dass es gefährlich ist, was sie, für ihre eigentlich nicht vorhandene Persönlichkeit, sehr stark und klug macht. Sie beobachtet ihre Umgebung, lässt sich ungern von anderen sagen, was sie denken soll, handelt aber sehr instinktiv, ohne sich bewusst für eine Sache zu entscheiden. Mir hat hier definitiv die Eigeninitiative von Kyla gefehlt, der Wille selbstständig Entscheidungen zu treffen.

Ben, der männliche Protagonist, dagegen war zu oberflächlich und träumerisch, ein typischer Slater - wunschlos glücklich und zuvorkommend, immer ein Lächeln im Gesicht. Seine beste Freundin Tori hatte er kurz nach deren Verhaftung vollkommen vergessen und Kyla muss ihn regelmäßig an ihre Existenz erinnern. Auch die aufkeimende Liebe zwischen Kyla und Ben wirkt sehr unglaubwürdig, aus dem einfachen Grund, dass sie in ihrer Beziehung viel zu schnell voranschreiten. Gerade erst haben sie sich in den Gruppensitzungen, die Slater regelmäßig besuchen müssen, kennengelernt, im nächsten Moment wird von unsterblicher Liebegesprochen. Warum? Einerseits nachvollziehbar, denn haben wir mit 16 nicht auch geglaubt, jeder Typ, in den man sich verliebt hat, wäre DER Eine, andererseits fühlen sich diese Liebesgeschichten überhastet an. Zudem macht Ben am Ende eine unglaubwürdige und ruckartige Entwicklung durch, die nur schwer nachzuvollziehen war. Ich hoffe, Teri Terry wird auch diese Frage im nächsten Band lüften und Ben mehr Tiefe verleihen.

Fazit: Trotz einiger Ecken und Kanten konnte mich Teri Terry mit ihrer Geschichte überzeugen. Die Idee ist großartig und interessant, Kyla eine starke und neugierige Protagonistin. Die Handlung brauchte ihre Zeit, um Fahr aufzunehmen und hat ihr Potenzial für spannende Szenen, die überall versteckt waren, letztendlich nicht voll ausgeschöpft. Alles in allem ein solider, aber ruhiger Auftakt einer neuen Jugendbuch-Reihe, die einen Thriller mit dystopischen Elementen vereint.

4 von 5 Sternen

Veröffentlicht am 15.09.2016

Young World 01: Filmreifes Endzeitabenteuer mit kleinen Ecken und Kanten

Young World - Die Clans von New York
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Seit ein verheerender Virus im Raum New York ausgebrochen ist, ist die Stadt nicht mehr dieselbe. Kleine Kinder und Erwachsene sterben, zurück bleiben nur die Jugendlichen. Unter ihnen auch Donna und Jefferson. ...

Seit ein verheerender Virus im Raum New York ausgebrochen ist, ist die Stadt nicht mehr dieselbe. Kleine Kinder und Erwachsene sterben, zurück bleiben nur die Jugendlichen. Unter ihnen auch Donna und Jefferson. Beide gehören zum Clan, der den Washington Square ihr Eigen nennt. Zwei Jahre nach dem Ausbruch des Virus ist es ihnen gelungen, zu überleben und so etwas wie eine Gesellschaft aufzubauen.


Bereits nach den ersten Seiten dieser Endzeitgeschichte war ich begeistert. Chris Weitz ist der erste Autor (den ich bisher gelesen habe), der es schafft seinen Charakteren unterschiedliche Stimmen zu geben. Jeff liest sich nicht wie Donna, und Donna liest sich nicht wie Jeff. Ich "fühle" ihre unterschiedlichen Charakterzüge heraus, einfach nur durch die Art und Weise wie der Autor die beiden in ihren Kapiteln sprechen lässt. Donna hat eine harte Schale, ist etwas ruppig und grob in ihrer Art, hat aber einen weichen Kern und eine verständnisvolle Seite, und sie ist verdammt realistisch und spricht die Dinge so aus wie sie sind. Jeff dagegen ist ruhiger, besonnen und kopflastig. Da er im Clan im Schatten seines großen Bruders steht, ist er zurückhaltend, steht mehr am Rand und muss sich erst noch zum Anführer entwickeln. Der Wechsel zwischen den beiden gibt dem Anfang seine ganz eigene Dynamik, ein Wechsel zwischen Jeffs ruhigen, ausgewählten Sätzen und Donnas zackigen "Frei-Schnauze"-Art. Das hat mich am Anfang, der noch nicht so actionreich ist, bei der Stange gehalten.

Sobald wir Donna und Jefferson ein wenig besser kennen gelernt haben, dauert es nicht lange bis wir von einer nervenaufreibenden Szene in die nächste stürzen - und sowohl ich als Leser als auch die Charaktere kaum zu Atem kommen können. Doch Chris Weitz' Debütroman kann nicht nur mit tollen Figuren und spannender Action aufwarten, sondern auch mit einen unglaublich realistischem Setting. Ich hatte meine wahre Freude daran, die unterschiedliche Clans von New York kennen - und fürchten - zu lernen. Einige Clans haben sich erschreckend grausame Rituale und Eigenheiten zugelegt.

Nichtsdestotrotz kommt die Gewalt und Brutalität der Glaubwürdigkeit der Geschichte nur zu Gute. Es gibt keinen Strom mehr, kein fließendes Wasser, Nahrungsmittel sind knapp. In den Straßen der Stadt herrscht das Gesetz des Stärkeren, dass sich viele Clans uneingeschränkt zu Nutze machen und die Schwächeren unterdrücken und ihre Überlegenheit ausnutzen. Chris Weitz verherrlicht die Gewalt jedoch nicht. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Schonungslos zeigt er ihr wahres, hässlichen Gesicht und reflektiert sie durch seine Charaktere.

Dadurch, dass der Leser durch die Charaktere immer wieder in ihre Erinnerungen an die Zeit DAVOR abtaucht, mehr über ihre Familien erfährt, die sie verloren haben und die Annehmlichkeiten der Moderne vermissen, entsteht ein emotionaler und sehr kontrastreicher Mix aus Vergangenheit und Gegenwart, in dem Chris Weitz' Themen anspricht, die sehr aktuell sind, und mit denen man sich in der globalisierten Welt in der wir nun einmal leben auseinandersetzen sollte. Chris Weitz schafft es auf sehr eindrucksvolle und spannende Weise seinen Lesern die aktuellen Probleme unserer Zeit bewusst zu machen und vor Augen zu führen.

Ganz ohne Ecken und Kanten blieb Chris Weitz' Debütroman jedoch nicht. Es gab einige Aspekte und Handlungsverläufe mit denen ich nicht zufrieden, allen voran das verunglückte Liebesdreieck. Es wirkte leider viel zu aufgesetzt, ruppig und lieblos. So haben sich einige Passagen sehr zäh gelesen und ich konnte manchmal nur die Augen verdrehen, weil es stellenweise sehr genervt hat. Das Ende wiederum hat so einige Überraschungen parat gehalten und mich durch eine wahre Achterbahn der Gefühle gejagt - Angst um meine Helden, Frustration, Wut und Erleichterung.

Fazit: Chris Weitz' ist als Regisseur von Twilight bekannt, Vampire sucht man in Young World - Die Clans von New York vergeblich. Dafür erwartet den Leser ein rasantes und spannendes Endzeitabenteuer, das wichtige und aktuelle Themen unserer Zeit anspricht und sehr gut für Jugendliche aufarbeitet. Ich hatte sehr viel Freude und schöne Lesestunden, sodass die kleinen Schwächen nicht weiter gestört haben. Wer also in ein Endzeit-Szenario abtauchen möchten, Spannung und Gefühle erleben möchte, ist bei Young World an der richtigen Adresse.

4 von 5 Sternen