Trotzdem begeistert
Schwarzer JasminIn einer Vorankündigung dieses Buches stand „Ein vielschichtiger Thriller zwischen Arabischem Frühling und europäischem Lifestyle“. „Klingt spannend“, dachte ich.
Die Geschichte fängt ganz allmählich ...
In einer Vorankündigung dieses Buches stand „Ein vielschichtiger Thriller zwischen Arabischem Frühling und europäischem Lifestyle“. „Klingt spannend“, dachte ich.
Die Geschichte fängt ganz allmählich an, spielt zunächst in Tunesien, dann in Deutschland. Zuerst sieht es überhaupt nicht nach einem Thriller aus, sondern nach einem Roman mit verschiedenen Lebenserfahrungen, die hier abwechselnd dargestellt werden. Ich fand es trotzdem überaus interessant und war sofort gefesselt von den Charakteren und dem, was sie erlebten.
Da sind die Tunesier: Der Junge Eymen, Haupt-(Anti-)Held, denn seine Handlungen sind nicht heldenhaft, sondern eher kriminell. Dann ist da sein Freund Ahmed – das ganze Gegenteil von ihm. Bei den „krummen Dingern“ fühlt der sich eigentlich gar nicht wohl, die macht er nur aus Loyalität zu seinem Freund mit. Die beiden flüchten dann nach Europa.
In Berlin lernen wir Jakob, einen aus Österreich stammenden Weinexperten, kennen – und seine Freundin oder Ex-Freundin oder eben auch nicht – Julia. Deren Probleme erscheinen zunächst ziemlich banal zu sein im Vergleich zu denen der Tunesier oder überhaupt der Flüchtlinge.
Die Handlung wechselt zuerst zwischen Tunesien und Deutschland, aber nicht nur örtlich, sondern auch zeitlich. In Tunesien ist gerade der Arabische Frühling ausgebrochen. In Deutschland ist es die Zeit kurz vor dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember 2016.
Das Ganze gewinnt recht schnell an Dynamik. Es wird zum Thriller. Als weitere Hauptpersonen kommen Polizisten aus einer speziellen Anti-Terror-Abteilung hinzu. Eine ziemlich bunte und sympathische Truppe. Unkonventionell professionell, denn leider bekommen sie so etliche politisch motivierte Knüppel „von höherer Stelle“ zwischen die Beine geworfen.
Die Handlungsstränge überschneiden sich immer mehr. Die Wechsel werden dramatischer. Die Personen sind überzeugend dargestellt. Der Autor schafft es, dass ich regelrecht in den Kopf der handelnden Personen hineinsehen kann und von jedem auch eine menschliche Seite sehe, auch wenn ich mich ansonsten nicht mit der Person identifiziere.
Zum Ende hin werden die Wechsel immer schneller. Die Zeit, in der die beschriebenen Szenen spielen, mäandert sich regelrecht an den 19. Dezember 2016 heran. So viel darf ich sagen: Es geht letzten Endes nicht um den Anschlag aus der Realität. Aber am Ende gibt es durchaus ein „Wow!“.
Was ich allerdings überaus schade finde und dem Autor übelnehme, ist seine nachlässige Recherchearbeit. Durch einen Blick auf einen alten Kalender von 2016 hätte sich der Fehler mit den Wochentagen, der sich durch das ganze Buch zieht, vermeiden lassen. Der 19. Dezember 2016 war ein Montag und kein Sonntag, wie im Buch dargestellt. Dementsprechend war der 17. Dezember ein Samstag und kein Freitag usw. Hinzu kommt noch, dass man aus dem Skykitchen in der Landsberger Allee, wo Jakob und Julia gespeist haben, doch eher den Berliner Fernsehturm als den Funkturm sieht. Ich habe den Eindruck, der Autor kennt den Unterschied nicht.
Dass ich dennoch vier von fünf Sternen vergebe, spricht für die sonstige Qualität, die dieser Thriller in meinen Augen hat. Denn ich bin trotzdem begeistert davon.