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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.04.2017

Ein Spinnennetz

Die Zeit der Ruhelosen
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Zum Inhalt:
Drei Männer in Frankreich befinden sich an ihrem persönlichen Scheideweg:

Francois - ein erfolgreicher Manager, begeht einen Fauxpas, der die Inquisition der politischen Korrektheit auf den ...

Zum Inhalt:
Drei Männer in Frankreich befinden sich an ihrem persönlichen Scheideweg:

Francois - ein erfolgreicher Manager, begeht einen Fauxpas, der die Inquisition der politischen Korrektheit auf den Plan ruft. Seine Frau Marion hat ein Verhältnis mit

Romain - Afghanistan-Heimkehrer, traumatisiert von den Erlebnissen dort und zu einem normalen Leben in Paris unfähig, immer noch befreundet mit

Osman - ein französischer Farbiger, der es in den Dunstkreis des Präsidenten gebracht hat, nur um dort umso schmerzhafter auf den Boden der Tatsachen zurückzufallen, dass in der Politik keine Freundschaften, sondern Seilschaften zählen. Deshalb bemüht er sich um

Francois - und der Kreis schließt sich.

Mein Eindruck:
Wie ein Spinnennetz hat die Autorin ihre Geschichte gewoben, - so exakt, so fein, so präzise und so tödlich. Ihr Buch teilt sie in vier große Abschnitte, welche ihrerseits Kapitel von zumeist relativ wenigen Seiten enthalten. Diese Kapitel schildern die Sicht einer der drei Hauptpersonen, auch dann, wenn mehrere der Männer in ihnen agieren. So bleibt das Buch immer spannend, immer in Bewegung, selbst, wenn gar nicht so viel passiert.
Ein weiteres Plus ist die Fähigkeit von Tuil, Sympathien für ihre Figuren zu wecken. Egal wie schäbig sich einer der drei verhält, - immer kann man ihn verstehen bzw. steht fassungslos vor der Wucht der Ereignisse, die ihn treffen und hat danach zumindest Mitleid. Die starken Nebencharaktere sind nie nur Staffage, sondern bringen die Geschichte voran, schenken neue Perspektiven und zeigen echte Persönlichkeit – im Guten wie im Schlechten.
Zu guter Letzt sei noch der Schreibstil Tuils gelobt. Sie weiß, die Wörter zu setzen, - ohne zu langweilen, aber auch nicht zu überfordern. So fliegt man förmlich durch die Geschichte und ist trotz der vielen Seiten überrascht, wie schnell sie ihr differenziertes Ende findet.

Mein Fazit:
Großartig! Ohne Wenn und Aber!

Veröffentlicht am 30.03.2017

Nachbarn, die unbekannten Wesen

The Couple Next Door
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Zum Inhalt:
Trotz Bedenken lassen Anne und Marco ihre Tochter Cora alleine zu Hause, als sie bei den Nachbarn einen gemütlichen Abend verbringen. Schließlich ist man nur durch eine Wand getrennt, sieht ...

Zum Inhalt:
Trotz Bedenken lassen Anne und Marco ihre Tochter Cora alleine zu Hause, als sie bei den Nachbarn einen gemütlichen Abend verbringen. Schließlich ist man nur durch eine Wand getrennt, sieht zu jeder Stunde nach dem Kind - was soll schon passieren? Aber dann ist das Unmögliche Wirklichkeit, das Bett leer, das Baby verschwunden. Die folgenden Tage sind nicht nur von wachsender Verzweiflung geprägt, sie zeigen auch die Brüchigkeit von Beziehungen und die Unkenntnis über das, was hinter den Fassaden von Häusern und Köpfen passiert.

Mein Eindruck:
Nicht immer bedeutet ein Verkaufsschlager auch ein gutes Buch, - bei diesem Debüt wird die Erwartungshaltung „Kasse = Klasse“ jedoch nicht enttäuscht. Die Autorin ist Anwältin und Englischlehrerin – und beides kommt der Geschichte zugute. Lapenas Schreibstil ist fesselnd, ihre Charaktere facettenreich. Dabei legt sie viel Wert auf die Entwicklung innerhalb der Familie, lässt die Leser an den Gedanken ihrer Figuren teilhaben, ohne zuviel zu verraten. Die Polizisten agieren zurückhaltend, außerhalb der Ermittlungen erfährt man nichts über sie, - eine angenehme Abwechslung zu den ganzen wie auch immer gestörten Beamten, denen man sonst oft als Leser ausgesetzt ist. Das ist aber sowieso nicht nötig, die von dem Verbrechen mittel- und unmittelbar Betroffenen bieten genügend Angriffsfläche für die Gefühle der Betrachter vor dem Buchdeckel: Mitleid, Unverständnis, Hass – alles weiß die Autorin zu erzeugen, indem sie ihrer Leserschaft einen echten Sympathieträger verweigert und fast alle als Opfer und/oder Täter präsentiert, manche mehr, manche weniger. Dazu bedient sie sich einer wendungsreichen Story, die nicht nur mit ihrem Ende die Leser schockt.

Mein Fazit:
Erschreckende Grundidee, bis zum Ende formidabel umgesetzt

5 Sterne

  • Einzelne Kategorien
  • Figuren
  • Handlung
  • Atmosphäre
  • Spannung
  • Cover
Veröffentlicht am 03.03.2017

Copy-Suizid

Schwarzes Netz
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Zum Inhalt:
Nach einem Schicksalsschlag hat sich Carol Jordan zurückgezogen, renoviert ein Haus und trinkt zu viel. Zwei Männer eilen ihr zu Hilfe: Der eine bietet ihr einen fantastischen Job an (und bricht ...

Zum Inhalt:
Nach einem Schicksalsschlag hat sich Carol Jordan zurückgezogen, renoviert ein Haus und trinkt zu viel. Zwei Männer eilen ihr zu Hilfe: Der eine bietet ihr einen fantastischen Job an (und bricht dafür das Recht), der andere – Tony Hill – setzt sie auf die Fährte eines Mörders, der Selbstmorde inszeniert, welche sich an denen berühmter Schriftstellerinnen orientieren.
Carol stellt das perfekte Team zusammen und macht sich mit Feuereifer ans Werk.

Mein Eindruck:
Trotz einiger Morde und Ermittlungsarbeit ist dieses Buch eher Roman, als dass es die Nerven wirklich zum vibrieren bringt. Zu sehr liegt der Fokus auf der Selbstfindung Carols und ihrem Kampf gegen den Alkohol. Auch um den Rest des Teams macht sich die Autorin viele Gedanken: Es ist schon fast absurd politisch korrekt zusammengestellt – ein Dunkelhäutiger, eine Asiatin, eine Lesbe – aber diese Zusammenstellung passiert so nebenher, dass es nicht wie gewollt wirkt, sondern einfach gekonnt ist. Durch die Zeit, die sich MacDermid dafür nimmt, erhält man Einblicke in die Gedankenwelt jedes einzelnen Ermittlers.
Aber für die Blut-und-Tränen-Fangemeinde fehlt dadurch höchstwahrscheinlich das letzte Quäntchen zum Glücklichsein, - mir hat jedoch gefallen, dass nicht nur an der Oberfläche gekratzt, sondern eben in die Tiefe gegangen wird. So viele Ermittler der heutigen Krimiwelt haben Probleme, aber meistens stehen diese Probleme im Raum und müssen von der Leserschaft gefuttert und verdaut werden. Hier werden die Gründe dargelegt und sind plausibel genug, um sich als Leser damit auseinanderzusetzen, sie nachzuvollziehen und die Ecken und Kanten der Ermittler zu verstehen.
Kurioserweise findet sich ein Stück dieses Verständnisses auch für den Täter – so meisterhaft versteht es die Autorin, seinen Hintergrund für die Taten darzustellen.

Stil und Story nehmen gefangen und lassen einen bis zum Ende nicht mehr los, so dass die Zeit mit diesem Buch nur so verfliegt. Und da das Team jetzt gut eingeführt ist, kann man sich schon auf die nächste Geschichte freuen, dann vielleicht auch wieder mit dem stärkeren Blick auf die Story.

Mein Fazit:
Trotz fehlender (Krimi-)Spannung überaus unterhaltsam

Veröffentlicht am 25.01.2017

Die Tücken der permanenten Überwachung

Alleine bist du nie
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Zoe, geschieden, zwei (fast) erwachsene Kinder, lebt mit ihrem Lebensgefährten in einem Londoner Vorort und fährt täglich mit der U-Bahn zur Arbeit. Als sie in einer Gratiszeitung ihr Porträt unter einer ...

Zoe, geschieden, zwei (fast) erwachsene Kinder, lebt mit ihrem Lebensgefährten in einem Londoner Vorort und fährt täglich mit der U-Bahn zur Arbeit. Als sie in einer Gratiszeitung ihr Porträt unter einer Kontaktanzeige zu erkennen glaubt, denkt ihr Umfeld an eine Verwechslung. Aber dann passieren ihr und anderen Benutzerinnen des öffentlichen Nahverkehrs mysteriöse Dinge, die Zoe zuerst in Angst und später in Schrecken versetzen.

Mein Eindruck:
Clare Mackintosh hat selber als Polizistin gearbeitet und bringt ihre Erfahrungen von Routineabläufen, der polizeilichen Rangordnung und vor allem der Befugnisse und Übertretungen der Beamten auf angenehm unaufgeregte Weise ein. In ihrem Buch konzentriert sie sich auf zwei Hauptpersonen – ein potenzielles Opfer und eine Polizistin – und stellt diesen eine nicht zu kleine, aber für die Leserschaft gut überschaubare Schar von Charakteren zur Seite. Privatleben und polizeiliche Zusammentreffen halten sich dabei die Waage.
Die Entwicklung der Geschichte gelingt der Autorin für mein Dafürhalten perfekt und für einen Psychothriller angemessen. Für mich steht dabei Angst und nicht Drama und Gemetzel im Vordergrund. Zuerst ist da nur ein unterschwelliges Gefühl von Unwohlsein und Ärger, welches nach einer Weile in Angst und schließlich in kopflose Panik mündet, immer wieder unterbrochen von Einblicken in die Polizeiarbeit. Dabei sind die Vergangenheit der Ermittlerin und Verbrechen, bei denen nicht klar ist, ob sie mit dem hier behandelten Stalking-Fall in Verbindung stehen oder nicht, Teilaspekte des Buchs. So liest sich „Alleine bist du nie“ als Pageturner, da – bei aller Liebe zu diesen Details – Zoes Schicksal am meisten interessiert und der Leser bald nicht mehr entscheiden kann, was Wahn und was Wirklichkeit ist.
Das Ende kommt überraschend, ist aber nachvollziehbar und lässt einen mit mildem Gruseln zurück.

Mein Fazit:
Das Grauen kommt auf leisen Sohlen aber dann unerbittlich mit der Wucht eines Tsunamis

5 Sterne


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Recherche
  • Spannung
  • Schreibstil
Veröffentlicht am 03.01.2017

Es gibt Angebote, die man doch besser ablehnen sollte...

Im dunklen, dunklen Wald
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…. wie zum Beispiel diese unerwartete Einladung zu einem Fest.

Zum Inhalt:
Nora ist überrascht: Nach zehn Jahren Funkstille wird sie zum Junggesellinnenabschied ihrer Jugendfreundin Clare eingeladen. ...

…. wie zum Beispiel diese unerwartete Einladung zu einem Fest.

Zum Inhalt:
Nora ist überrascht: Nach zehn Jahren Funkstille wird sie zum Junggesellinnenabschied ihrer Jugendfreundin Clare eingeladen. Nach kurzem Zögern sagt sie zu und findet sich mitten im Wald in einem mondänen Ferienhaus wieder, - ohne Verbindung zur Außenwelt, dafür mit inneren Dämonen, welche den Weg an die Oberfläche suchen … und finden …

Mein Eindruck:
Ruth Ware ist mit diesem Buch ein fantastisch gutes Debüt gelungen. Zwar ist der Plot „Hauptperson mit Amnesie sucht Erinnerung nach Todesfall und ihrer Beteiligung dabei“ nicht neu, die Autorin zeigt in ihrer Interpretation des Themas ein großes Können in Charakteraufbau, Storyline und Setting.
Obwohl die Ich-Erzählerin mit einigem hinter dem Berg hält versteht Ware es, dass die Leser sich davon weder verschaukelt, noch hingehalten fühlen. Vielmehr verspüren sie das gleiche Entsetzen, wie es Leonora selbst nach den Ereignissen des Wochenendes erlebt.
Dazu hat die Autorin einen interessanten Schauplatz für den größten Teil ihrer Geschichte gewählt. Ein gläsernes Haus, einsam und von der Zivilisation abgeschnitten gelegen. Die unterschwellige Bedrohung spiegelt sich nicht nur im Cover des Buchs, sondern zerrt ganz offen an den Nerven von Protagonisten und Lesern.
Die Auflösung und die Hinführung zum Finale sind stimmig und von hoher sprachlicher Güte, ohne langatmig oder zu ausschweifend zu werden.

Mein Fazit:
Ein Thriller, wie man ihn sich wünscht: Geheimnisvoll, spannend und berührend