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Veröffentlicht am 23.06.2020

"Es ist kompliziert..."

Das eiserne Herz des Charlie Berg
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Charlie Berg und ich - das ist eine schwierige Beziehung, man könnte auch sagen: "es ist kompliziert", denn der Roman hat sozusagen zwei Gesichter.

Das Buch hat mich mit seiner unglaublich schönen Sprache ...

Charlie Berg und ich - das ist eine schwierige Beziehung, man könnte auch sagen: "es ist kompliziert", denn der Roman hat sozusagen zwei Gesichter.

Das Buch hat mich mit seiner unglaublich schönen Sprache begeistert und verzaubert. Es gibt so viele sprachliche Bilder, die überraschen, Wortkombinationen und Gefüge, die man nicht erwartet, und die einen staunen lassen. Und das alles wirkt in keiner Weise gekünstelt. Was also die sprachliche Ebene (dies bezieht sich nur auf die Teile 1, 2 & 5) anbelangt, hätte Charlie Berg fünf Sterne mehr als verdient gehabt und sogar das Zeug dazu gehabt, eines meiner Lieblingsbücher zu werden.

Inhaltlich konnte ich die oben genannten Teile über weite Strecken ebenso genießen. Letztlich ist Charlie Berg für mich in gewisser Weise ein moderner Schelmenroman und allein dieses alte Genre mal auf diese Art anzufassen, ist sehr erfrischend und innovativ. Die Story ist interessant, ungewöhnlich, mitreißend und spannend und beeindruckt durch viele Rückblenden, die virtuos in die Gesamthandlung eingebunden sind. Manchmal fragt man sich schon leicht verblüfft, wie man nun in dieser oder jener Szene gelandet ist, aber die Orientierung verliert man hier (noch) nicht. Auch der letzte Teil des Romans ist (bis auf ein paar Seiten) richtig gut gemacht, da die Ereignisse schlüssig und überzeugend aufgeklärt werden. Die Figuren sind in diesen Teilen eigenwillig, aber nicht zu seltsam, und der Text besitzt das richtige Maß an Verrücktheit.

So - und nun zum ABER oder zum zweiten Gesicht: für mich sind dies das Ende von Teil 2 und die Teile 3 & 4. Ich bin absolut kein Freund von derber Sprache, rustikaler Handlung und komplett sinnfreien Aktionen. Und leider, leider passiert genau dies fortgesetzt und gefühlt fast ohne Pause im gesamten Mittelteil des Romans. Hier fühlte sich der Text an wie eine American Pie-Mega-Extended-Director's Cut-Version an und hat mir alles an Durchhaltevermögen abverlangt, eigentlich war jede Seite zuviel. Im Grunde geht es hier nur um Sex und sexuelles Coming-of-Age, alles gespickt mit brachialem Humor, überflüssig, sinnfrei und regelrecht abstoßend. Das Ganze trägt dabei in diesen Ausmaßen nicht zur Figurenentwicklung bei - wenn es denn unbedingt hätte sein müssen, wäre es völlig ausreichend, gewesen maximal drei Seiten darauf zu verschwenden, statt 300! Beherrscht wird der Mittelteil von der unsäglichen Figur David, bei der ich schon bei ihrem ersten Auftreten darauf gehofft hatte, dass sie schnellstmöglich wieder verschwindet...Darüber hinaus werden die Rückblenden in diesen Teilen zunehmend verwirrend, sodass man nun manchmal doch ein bisschen verloren in der Chronologie der Storyline zurückgelassen wird. Um hier im Bewertungssystem zu bleiben: Teil 3&4 würden bei mir einen Stern bekommen, aber nur weil null Sterne nicht vergeben werden können...

Ich werde den Roman sicher nicht so schnell vergessen und ich würde aufgrund des außergewöhnlichen Sprachgefühls des Autors auch wieder etwas von Sebastian Stuertz lesen, wenn es denn kürzer wäre und ohne Derbheit und Niveauverlust auskäme....Ganz ehrlich: alles, was man in dieser Hinsicht zu Sex sagen kann, ist in Charlie Berg ja auch schon ausgiebig erläutert worden. Das war fürs Leben genug.

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Veröffentlicht am 19.05.2020

Simon Leyland - der Liebhaber der Sprache(n)

Das Gewicht der Worte
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Die Handlung von Das Gewicht der Worte zu beschreiben, fällt mir sehr schwer, denn ich habe selten einen Roman gelesen, für den die Handlung so sekundär war. Eigentlich passiert, abgesehen von einer dramatischen ...

Die Handlung von Das Gewicht der Worte zu beschreiben, fällt mir sehr schwer, denn ich habe selten einen Roman gelesen, für den die Handlung so sekundär war. Eigentlich passiert, abgesehen von einer dramatischen ärztlichen Fehleinschätzung, mit der der Protagonist nicht fertig werden kann, nichts, außer Dingen, die an Alltäglichkeit und Normalität kaum zu überbieten sind.

Der ärztliche Fehler überschattet quasi den ganzen Roman, und es ist furchtbar anstrengend zu erleben, wie wenig es Simon Leyland, der Hauptfigur, gelingt, sich von diesem Ereignis zu lösen - für mich sprengt das ein wenig die Glaubwürdigkeit des gesamten Textes. Anstatt darüber zu jubilieren, ein zweites Leben geschenkt bekommen zu haben, und die Leichtigkeit und Freude zu feiern, wird auf über 500 Seiten ein melancholisches Porträt der Vergangenheit, Introspektion und Freundschaft ausgebreitet, dessen Ziel nicht wirklich erkennbar ist. Von der Handlung bin ich also alles andere als begeistert, ich hatte an ihr schon nach spätestens 150 Seiten das Interesse verloren, da sich die Gedankenwelt Simons auch nur so graduell entwickelt, dass es manchmal kaum spürbar ist. Außerdem werden viele Ereignisse mehrfach vom Protagonisten berichtet, weil er die immer gleichen Themen mit unterschiedlichen Figuren bespricht und dann noch das Erlebte in Briefen an seine verstorbene Frau verarbeitet. So entsteht zeitweise der Eindruck eines unendlichen Zirkels.

Man mag sich nun fragen, warum ich diesen Roman in seiner Gänze dennoch gelesen habe. Ganz einfach: mir ist selten ein Buch untergekommen, dass sprachlich und stilistisch so sensibel und sinnhaft mit Sprache umgeht, Wörter und Syntax so umfassend versteht und so sanft und umsichtig in Szene zu setzen vermag. Das ist die Stärke und das Alleinstellungsmerkmal dieses Werks und deshalb hat es für mich Gewicht. Allerdings würde ich es nicht noch einmal lesen wollen.

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Veröffentlicht am 22.03.2022

Mit Alkohol durch die Nacht

Love in the Big City
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Für „Love in the Big City” habe ich leider nicht allzu viel Liebe zu verschenken. Nach 250 Seiten mit Alkohol (in Strömen) durch die Nacht, einem Protagonisten auf der Suche nach der Liebe und dabei immer ...

Für „Love in the Big City” habe ich leider nicht allzu viel Liebe zu verschenken. Nach 250 Seiten mit Alkohol (in Strömen) durch die Nacht, einem Protagonisten auf der Suche nach der Liebe und dabei immer nur weitere Sexpartner verschleißend, konfrontiert mit Krebs und Aids, stehe ich der koreanischen Jugend doch eher skeptisch gegenüber und kann auch nicht behaupten, dass ich den Roman gern gelesen hätte. Das ziellose Segeln der Hauptfigur durch das Seouler Nachtleben, von Club zu Club und von Mann zu Mann mag ja durchaus etwas über die Befindlichkeiten jungen homosexuellen Lebens in Korea aussagen, für einen Roman mit literarischem Anspruch und aussagekräftiger Tiefe ist es mir aber einfach zu wenig. Das haben andere Autoren in anderen Ländern schon hundert Mal anders und leider auch literarisch besser, ansprechender und schöner gemacht. Das, was der Klappentext erahnen lässt – die Konfrontation zwischen Tradition und Moderne und einen Blick in die gesellschaftlichen Erwartungen Koreas – habe ich auch sehr vermisst. Die interessante Figur der Jaehee, deren Lebensweg eine finale Verhaftung in den überkommenen Normen erahnen lässt, taucht nach dem ersten Teil fast vollkommen ab, der Protagonist bleibt sich selbst überlassen und taumelt weiter ziellos durch die Welt. Inhaltlich kann man nur eine ziemliche Eintönigkeit konstatieren, die der Roman durch seine leider nicht wirklich geglückte Struktur wieder wettmachen will. Die Gliederung in unterschiedliche Teile, die nur lose verbunden sind, führt dazu, dass die Handlung nicht immer zeitlich logisch erscheint, dass wesentliche Aspekte, die einen Teil beherrschen, später überhaupt keine Relevanz mehr haben und nicht einmal mehr erwähnt werden – so als hätten sie überhaupt keinen Einfluss mehr – und dass andere bekannte Aspekte detailliert wiederholt werden. Dadurch, dass die Teile so nebeneinanderstehen, kommt auch kein übergreifender Handlungsfluss zustande – sieht man mal vom Alkoholgenuss und Sex ab. Auf Seoul und Korea als Setting hatte ich mich sehr gefreut, aber sehr viel mehr als koreanisches Essen, die Namen verschiedener koreanischer Viertel und Universitäten und der Währung erfährt man eigentlich nicht. Die kleinen politischen Bezüge, die an zwei Stellen aufblitzen, sind dazu noch für deutsche Leser in der Regel kein Begriff, da hätte ich mir eine Anmerkung ebenso gewünscht wie für die verschiedenen Sprachstufen des Koreanischen, die zwar im Text selbst angesprochen werden, aber für den Leser ein mit wenig Information gefülltes Konzept bleiben.
Leider trotz des mit seiner Melancholie noch recht überzeugenden letzten Teils keine Leseempfehlung von mir.

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Veröffentlicht am 02.10.2024

Lust und Frust in Schweden

Three Swedish Mountain Men (Why Choose)
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Schweden, Winter, Lovestory – was kann da schief gehen? Offenbar für mich persönlich so einiges, denn ich hatte wohl völlig falsche Erwartungen an den Roman. Erhofft hatte ich mir ein bisschen Eskapismus ...

Schweden, Winter, Lovestory – was kann da schief gehen? Offenbar für mich persönlich so einiges, denn ich hatte wohl völlig falsche Erwartungen an den Roman. Erhofft hatte ich mir ein bisschen Eskapismus auf dem Weg in die dunkleren Jahreszeiten, eine schöne, etwas ungewöhnliche Liebesgeschichte mit viel Gefühl und ein bisschen Humor und Unterhaltung. „Three Swedish Mountain Men“ hat zwar einen witzigen Titel und ein niedliches Cover, aber abgesehen davon habe ich mich immer wieder zum Durchhalten zwingen müssen – obwohl ich ein großer RomCom-Fan bin.

Dass es in RomComs die ein oder andere spicy Szene gibt, gehört dazu, ist sehr erwünscht und belebt das Geschehen, bei den „Mountain Men“ entsteht allerdings der Eindruck, dass die Story völlig zweitrangig ist. Es gibt ein „Problem“, das letztlich nicht so recht überzeugt und letztlich nur dazu dient, eine erotische Passage an die nächste zu ketten, denn es gibt kaum ein Kapitel, in dem es nicht richtig zur Sache geht – und wenn ich „richtig“ schreibe, dann meine ich „RICHTIG“. Die Szenen sind äußerst explizit geschildert. Da die Handlung so mager ist und die Figurenzeichnung bis auf Äußerlichkeiten und männliches Höhlenmensch-Gehabe rudimentär ist (es wird sehr viel gegrunzt und geknurrt, die Frau muss beschützt werden, denn sie heißt Daisy (!) und so ein Blümchen ist zart und verletzlich), kommt man sich vor wie in einer ausgedehnten Männer-Fantasie oder einem P*-Film - von Gefühl oder Romantik leider keine Spur. Nordschweden selbst ist leider auch kaum mehr als eine holzschnittartige Kulisse mit Holzhäusern, sehr viel Schnee, Elchen, Huskies und natürlich Nordlichtern.

Dieser Roman und ich passen leider überhaupt nicht zusammen und ich kann nichts wirklich Positives ausmachen. Ich kann mir aber dennoch vorstellen, dass der Roman die Wünsche von Lesern, die ein Faible für heiße und ausufernde erotische Szenen haben und über eine quasi nicht existente Story hinwegsehen können, erfüllen kann.

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Veröffentlicht am 06.06.2023

Wenn der Hund spricht und Alice im Wunderland dich berät

Wie Sisi sich verwirrte
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Was hatte ich bei dem Cover, dem Titel und dem Klappentext erwartet? Eine humorvolle, komödiantische, spritzige Auseinandersetzung einer Frau in den besten Jahren mit ihrem Alter, ihrer Vergangenheit und ...

Was hatte ich bei dem Cover, dem Titel und dem Klappentext erwartet? Eine humorvolle, komödiantische, spritzige Auseinandersetzung einer Frau in den besten Jahren mit ihrem Alter, ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft. Bekommen habe ich stattdessen eine unglücklicherweise recht behäbige, alberne (aber nicht im lustigen Sinne), unrealistische und vor allem grenzenlos naive Jagd nach einem Job bzw. Lebensinhalt. Selbst als Satire gelesen verfängt der Text kaum. Sprachlich ist er nichts Besonderes, er liefert keine Situationskomik oder gut getimten Pointen. Inhaltlich wandert er von einem mehr oder weniger aus der Luft gegriffenen verzweifelten Berufswunsch zum nächsten – meist ist durch die Überschrift schon klar, dass die nächste Pleite droht.

Neben den bereits genannten Schwachpunkten gleitet die Handlung ständig in abstruse Traumsequenzen ab. Träume in Romanen sind an sich schon eine heikle Angelegenheit – oftmals wirkt es so, als suche man nach einem Ausweg aus einem etwas verfahrenen Handlungskonstrukt – wenn sie dann aber noch mit einem sprechenden Hund (!) und als immer wiederkehrender Begleiterin/Ratgeberin Alice im Wunderland (!!) gepaart werden, kommt man als Leser schon mal an seine Grenzen, zumal die Handlung an sich leider auch recht langatmig ist und die Kapitel in ihrer Ausrichtung auf das Ausprobieren eines weiteren ungeeigneten Jobs sich auch vom Aufbau mehr oder weniger ähneln. Allein die Namensverwandtschaft der Protagonistin mit der österreichischen Kaiserin schafft bedauerlicherweise noch keinen mitreißenden und überzeugenden Roman.
So bleibt der Text möglicherweise ein netter Zeitvertreib für Leute, deren Humor durch die Umtriebigkeit und Unreife der Hauptfigur und die überzogenen Szenen, in denen sich Sisi wiederfindet, getroffen wird, aber ein must-read oder eine Leseempfehlung ist er ganz sicher nicht.

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