Beeindruckender historischer Roman
Der Tuchfuchs„...In der feinen Gesellschaft kämpft man mit Dolchen, nicht mit Spießen, Aidan. Bis du das verstanden hast, achtest du besser auf deinen Rücken...“
Wir befinden uns in Manchester im Jahre 1773. Aidan ...
„...In der feinen Gesellschaft kämpft man mit Dolchen, nicht mit Spießen, Aidan. Bis du das verstanden hast, achtest du besser auf deinen Rücken...“
Wir befinden uns in Manchester im Jahre 1773. Aidan Towell hat es geschafft. Er hat sich nicht nur ein Handelsimperium aufgebaut, sondern gehört nun zum Magistrat der Stadt. Zu verdanken hat er das den Tuchproduzenten Hugh Wilson, der an ihn geglaubt und ihn auf seinen Weg in den letzten zehn Jahren unterstützt hat. Allerdings hat sich Aidan mit John Weston einen mächtigen Feind geschaffen. Der ist der Meinung, jeder hat zu bleiben, wo seine Wurzeln sind, und Aidans waren nun einmal in der Unterschicht. Für John ist er eine Niemand.
In Marlow lebt Gillian Pollett in ihrem Elternhaus. Sie ist Witwe. Ihr Mann war Verleger in Manchester, hat durch einen Brand alles verloren und ist kurze Zeit später gestorben. Gillian hat es satt, sich zu langweilen und will in Manchester eine Manufaktur eröffnen. Als Frau hat sie schlechte Karten, obwohl sie durch irhen Vater beste Voraussetzungen mitbringt. Sie kennt das Geschäft aus den Effeff. .
Der Autor hat einen spannenden und abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Beeindruckt bin ich vom Schriftstil. Es gibt Sätze, die sollte man ob ihrer Formulierung zwei Mal lesen. Hier wurde jedes Wort gut überlegt. Ein Beispiel möchte ich hier zitieren:
„...Doch womöglich war ich nur ein kurzer, heißer Funke, der hell leuchtete, um gleich darauf wieder zu verglühen...“
Aidan kennt nur zu gut die Wechselfälle des Lebens. Und als Ich – Erzähler wird seine Sicht der Dinge besonders klar. Das Besondere allerdings ist, dass der Erzähler regelmäßig wechselt und jeder für seinen eigenen Part verantwortlich zeichnet. Das ermöglicht einen guten Einblick in die Gedankenwelt der Protagonisten und ihre Vielschichtigkeit.
Die wirtschaftliche Lage ist schwierig. Die Lager sind voll, die Preise fallen, die Manufakturen produzieren trotzdem weiter. Hugh formuliert Johns Geschäftsgebaren so:
„...Rezessionen sind wie harte Winter. Er nutzt sie, um weiter durchzusieben...“
Aidan und John sind Gegner im Spiel um Handelswege und Profit. Im Laufe der Handlung aber zeigt sich, dass sie charakterlich völlig unterschiedlich sind. Aidan hat nicht vergessen, wo er herkommt, auch wenn er mit harten Bandagen spielt. John lässt sich allein von Hass leiten. Er will seinen Gegner demütigen, koste es, was es wolle.
Aidans Ideen werden eiskalt abgeschmettert. Dadurch ist er gezwungen, eigene Wege zu gehen. Er will in den Überseehandel einsteigen, weiß aber, dass er dabei alles verlieren kann.
Gillian ist eine junge Frau, die genau weiß, was sie will und was nicht. Und sie will Aidans Unterstützung bei der Gründung der Manufaktur. Sie kann sehr hartnäckig sein, aber auch sehr sperrig. Die Gespräche zwischen beiden gleichen eher einen Schlagabtausch. Keiner ist bereit, dem anderen etwas zu schenken. Sie hat einen sehr realistische Blick auf die Situation:
„...Die Zukunft gehörte den Banken und Kaufleuten, die Ware verknappten, um sie zu verteuern, und die in Grundbesitz spekulierten, der reichlich frei wurde, wo Pachten und Steuern nicht mehr bezahlt wurden...“
Während Aidan nach und nach erkennt, was er an Gillian hat, kann John nicht über seinen Schatten springen. Das klingt dann so:
„..Dasselbe gilt für den Markt. Er sollte sich auf den Kreis deren beschränken, die seine Gesetze verstehen. Das schließt all jene aus, die nicht in der Lage sind, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken und das gilt […] im Besonderen für Frauen….“
Sehr detailliert darf ich das Agieren der Gegner mit erleben. Dabei wird Recht und Gesetz nicht nur einmal gebeugt, allerdings aus völlig unterschiedlichen Motiven. Für Aidan war der Brand des Lagerhauses von Hugh verbunden mit dessen Tod ein einschneidendes Erlebnis. Fast am Ende sagt er gegenüber Gillian:
„...Hugh war mehr für mich gewesen, als nur ein Lieferant. Er stand mir näher, als mein eigener Vater. Sein Tod hob meine Welt aus den Angeln...“
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Der Spannungsbogen ist hoch, die gesellschaftlichen Verhältnisse wurden exakt recherchiert und die Protagonisten gut charakterisiert. Ich habe gleichzeitig eine Menge über den historischen Tuchhandel, aber zum Beispiel auch über das Färben von Stoffen gelernt.