Sex always sells: Zugleich bildend als auch unterhaltend!
Vorbei an Ächtung und ZensurDer international bekannte Hamburger Linguist Christoph Gutknecht lehrte bis 2002 an der dortigen Universität Anglistik bzw. Linguistik, er selbst ist auch studierter Germanist und veröffentlicht seit ...
Der international bekannte Hamburger Linguist Christoph Gutknecht lehrte bis 2002 an der dortigen Universität Anglistik bzw. Linguistik, er selbst ist auch studierter Germanist und veröffentlicht seit mehr als 40 Jahren zu verschiedenen Aspekten und Themen der Sprachgeschichte. Seine Bücher stehen sogar in Bibliotheken in Los Angeles. Das kann man nicht von vielen deutschen Sprachwissenschaftlern sagen und spricht als Faktum bereits für sich.
Sein neuestes Werk "Vorbei an Ächtung und Zensur" (ISBN 9783947218103) behandelt die Rolle literarischer Anspielungen im erotischen Schrifttum. Das Buch hat 86 Seiten in erfrischendem Großdruck und ist im kleinen, aber feinen Hamburger Verlag "Auf der Warft" (bzw. dem "Geheimsprachen-Verlag") im Frühjahr 2020 erschienen. Es kostet 24,80 €, wobei ich gern anmerken möchte, dass ich mir grundsätzlich glatte Buchpreise wünsche: Man hätte besser 25,00 € veranschlagen sollen, wie es beispielsweise Bastei Lübbe als Betreiber dieses Forums bereits seit einiger Zeit macht - zumindest bei körperlichen Veröffentlichungen.
Gutknecht konstatiert in dem insgesamt exzellent aufgemachten Werk in einer subtilen Analyse, dass erotische Publikationen häufig von Mythen umwoben sind, die bisweilen ebenso spannend erscheinen wie die Texte selbst und verdeutlicht die Wirkung einschlägiger Lektüre an luziden Schilderungen. Dabei erläutert er, dass alle von ihm zitierten Werke, deren Autoren aus dem 16. bis 20. Jahrhundert stammen, eine bewegte Publikationsgeschichte hinter sich haben.
Beleuchtet werden neben Thomas Bowdler (1754-1825), Pietro Aretino (1492-1536), Nicolas-Edme Restif de la Bretonne (1734-1806), Alfred de Musset (1810-1857), Guy de Maupassant (1850-1893) und Arthur Schnitzler (1862-1931) auch einige Autoren, die sich - verständlicherweise - hinter Pseudonymen verbargen. Eine hochgezogene Augenbraue bekam ich dann doch bei E. T. A. Hoffmann (1766-1822), der (Stichwort: Schwester Monika) offenkundig auch ein Freund des Erotischen war! Wer hätte das gedacht?
Was offenbar alle von Gutknecht genannten Verfasser verbindet, ist "die feste Überzeugung, dass sie den Lesern ihrer freizügigen Romane und Erzählungen nicht nur mit ihrer eigenen Darstellung erotischer Szenen, sondern […] auch durch Anspielungen auf einschlägige Arbeiten anderer Schriftsteller ein erregendes Lesevergnügen bereiten können."
Fazit: Eine sowohl bildende als auch amüsante Publikation, die sich meines Erachtens bestens als Sommerlektüre - coronabedingt vorzugsweise auf dem heimischen Balkon oder an einer einsamen deutschen Küste - eignet. Von mir gibt es dafür fünf Sterne und eine klare Kaufempfehlung. Nebenbei lohnt sich auch der Blick in Gutknechts zahlreiche andere Veröffentlichungen.