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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.07.2020

Bewegende Geschichte

Die Sehnsucht der Tulipane
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„...Seit jenem Tag vor vier Jahren sehnte sie sich nicht mehr nach der Sonne, die irgendwo hinter den leise zischenden automatischen Glastüren strahlte. Es war ihr gleichgültig, ob es regnete, ob Frühling ...

„...Seit jenem Tag vor vier Jahren sehnte sie sich nicht mehr nach der Sonne, die irgendwo hinter den leise zischenden automatischen Glastüren strahlte. Es war ihr gleichgültig, ob es regnete, ob Frühling in der Luft lag oder die Wolken Schneeflocken ausspien...“

Janna verkauft in einem Einkaufscenter Blumen. Jeden Samstag kommt Großvater Gerd, so nennt sie den alten Mann heimlich, um eine Blume für seine Flora zu kaufen. Er zaubert ihr ein Lächeln auf die Lippen. Und das ist selten. Vor vier Jahren hat Janna das Lächeln verlernt.
Am Abend steht sie am Grab ihres Sohnes Nick. Da spricht sie ein Mann an. Sie weiß nicht, was sie von ihm halten soll. Sie macht sich Sorgen, als er sie begleiten will. Dann erklärt er ihr:

„...Du musst dich nicht fürchten, Janna. Gott hat mich zu dir geschickt. Er will durch mich mit dir reden...“

Natürlich glaubt sie ihm nicht. Sie hält ihn für einen Spinner.
Die Autorin hat einerseits ein berührendes, andererseits ein humorvolles Buch geschrieben. Das ist kein Widerspruch. Es gibt Szenen, die bewegen grundlegende Fragen des Glaubens. Andererseits erweist sich der Engel Manuel als humorvoll.
Im Gespräch an der Haustür fordert Janna Manuel ganz schön heraus. Dann lässt sie ihn vor der Tür stehen.

„...Ein Verrückter in einem Kleid, auch das noch. Ein Engel? Die einzigen Engel, an die sie glaubte, waren klein, pausbäckig und aus Kunststein...“

Zu den stilistischen und Inhaltlichen Höhepunkten gehören die Gespräche zwischen Janna und Manuel. Er erlaubt ihr eine neue Sicht auf ihre Trauer und lehrt sie, wieder auf Menschen zuzugehen. Das alles geschieht nicht von Heute auf Morgen. Es braucht Zeit und es gibt Rückschläge. Eines der wichtigsten Zitate ist für mich das Folgende:

„...Denn Gott hat sich dafür entschieden zu lieben. Und man kann nicht lieben und zugleich jede Regung und jeden Wimpernschlag des anderen beherrschen. Er hat die Liebe gewählt und die Kontrolle aufgegeben, denn beides gleichzeitig ist nicht möglich. Er hat euch die Macht gegeben, Nein zu sagen...“

An vielen Stellen arbeitet Manuel mit einer sehr bildhaften Sprache. Doch ich möchte das Buch hier nicht zerreden. Um seine Feinheiten zu entdecken, muss man es selbst lesen und auf sich wirken lassen.

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Veröffentlicht am 03.07.2020

Tolles Kinderbuch

Hops & Holly 1: Die Schule geht los!
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„...Denn Herr Nimmersatt schien Nerven wie Drahtseile zu haben. Er ließ sich durch rein gar nichts aus der Ruhe bringen...“

Hasenmädchen Holly versucht ihren Zwillingsbruder Hops zu wecken. Es wird Zeit, ...

„...Denn Herr Nimmersatt schien Nerven wie Drahtseile zu haben. Er ließ sich durch rein gar nichts aus der Ruhe bringen...“

Hasenmädchen Holly versucht ihren Zwillingsbruder Hops zu wecken. Es wird Zeit, sich für die Schule fertig zu machen. Der will aber nicht aufstehen. Erst das Versprechen eines besonderen Frühstücks kann ihn aus dem Bett locken. Es ist das erste Mal, dass sie den Schulweg allein zurücklegen. So ganz wohl ist ihnen dabei nicht.
So beginnt die erste von zehn Geschichten. Die Autorinnen lassen ihr Zwillingspärchen nicht nur in der Schule eine Menge erleben.
Der Schriftstil ist für die Altersgruppe angemessen. Das Buch eignen sich gut zum Vorlesen.
Beim Eingangszitat geht es darin, dass die beliebte Lehrerin in eine Nachbarschule abgeordnet worden ist. Herr Nimmersatt soll sie vertreten. Und der ist nicht mehr der Jüngste. Bei ihm hatten schon die Eltern der Hasenkinder Unterricht. Also versucht man alles, um ihn zu vergraulen. Am Ende aber müssen die Kinder feststellen:

„...Wenn man genauer hinsah, war Herr Nimmersatt nämlich eine ziemlich coole Socke...“

Die Geschichten werden humorvoll erzählt. Das liegt auch begründet in den ungewöhnlichen Einfällen, die dahinter stecken. Es ist eben nicht ungefährlich, wenn einer der Freunde ein Wiesel als Gast mit in den Hasenbau bringt.
Auch ernste Themen werden angesprochen. So kann es durchaus schwierig sein, wenn man einen berühmten Vater hat. Man wird daran gemessen.
Viele sehr schöne und kindgerechte farbige Illustrationen veranschaulichen das Geschehen. Ein besonders Highlight ist das Lesebändchen. Das findet man bei Kinderbüchern nicht oft.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es bietet eine gute Mischung aus Ernsthaftigkeit und Humor und zeigt ab und an ungewöhnliche Lösungen auf.

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Veröffentlicht am 02.07.2020

Beeindruckender historischer Roman

Der Tuchfuchs
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„...In der feinen Gesellschaft kämpft man mit Dolchen, nicht mit Spießen, Aidan. Bis du das verstanden hast, achtest du besser auf deinen Rücken...“

Wir befinden uns in Manchester im Jahre 1773. Aidan ...

„...In der feinen Gesellschaft kämpft man mit Dolchen, nicht mit Spießen, Aidan. Bis du das verstanden hast, achtest du besser auf deinen Rücken...“

Wir befinden uns in Manchester im Jahre 1773. Aidan Towell hat es geschafft. Er hat sich nicht nur ein Handelsimperium aufgebaut, sondern gehört nun zum Magistrat der Stadt. Zu verdanken hat er das den Tuchproduzenten Hugh Wilson, der an ihn geglaubt und ihn auf seinen Weg in den letzten zehn Jahren unterstützt hat. Allerdings hat sich Aidan mit John Weston einen mächtigen Feind geschaffen. Der ist der Meinung, jeder hat zu bleiben, wo seine Wurzeln sind, und Aidans waren nun einmal in der Unterschicht. Für John ist er eine Niemand.
In Marlow lebt Gillian Pollett in ihrem Elternhaus. Sie ist Witwe. Ihr Mann war Verleger in Manchester, hat durch einen Brand alles verloren und ist kurze Zeit später gestorben. Gillian hat es satt, sich zu langweilen und will in Manchester eine Manufaktur eröffnen. Als Frau hat sie schlechte Karten, obwohl sie durch irhen Vater beste Voraussetzungen mitbringt. Sie kennt das Geschäft aus den Effeff. .
Der Autor hat einen spannenden und abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Beeindruckt bin ich vom Schriftstil. Es gibt Sätze, die sollte man ob ihrer Formulierung zwei Mal lesen. Hier wurde jedes Wort gut überlegt. Ein Beispiel möchte ich hier zitieren:

„...Doch womöglich war ich nur ein kurzer, heißer Funke, der hell leuchtete, um gleich darauf wieder zu verglühen...“

Aidan kennt nur zu gut die Wechselfälle des Lebens. Und als Ich – Erzähler wird seine Sicht der Dinge besonders klar. Das Besondere allerdings ist, dass der Erzähler regelmäßig wechselt und jeder für seinen eigenen Part verantwortlich zeichnet. Das ermöglicht einen guten Einblick in die Gedankenwelt der Protagonisten und ihre Vielschichtigkeit.
Die wirtschaftliche Lage ist schwierig. Die Lager sind voll, die Preise fallen, die Manufakturen produzieren trotzdem weiter. Hugh formuliert Johns Geschäftsgebaren so:

„...Rezessionen sind wie harte Winter. Er nutzt sie, um weiter durchzusieben...“

Aidan und John sind Gegner im Spiel um Handelswege und Profit. Im Laufe der Handlung aber zeigt sich, dass sie charakterlich völlig unterschiedlich sind. Aidan hat nicht vergessen, wo er herkommt, auch wenn er mit harten Bandagen spielt. John lässt sich allein von Hass leiten. Er will seinen Gegner demütigen, koste es, was es wolle.
Aidans Ideen werden eiskalt abgeschmettert. Dadurch ist er gezwungen, eigene Wege zu gehen. Er will in den Überseehandel einsteigen, weiß aber, dass er dabei alles verlieren kann.
Gillian ist eine junge Frau, die genau weiß, was sie will und was nicht. Und sie will Aidans Unterstützung bei der Gründung der Manufaktur. Sie kann sehr hartnäckig sein, aber auch sehr sperrig. Die Gespräche zwischen beiden gleichen eher einen Schlagabtausch. Keiner ist bereit, dem anderen etwas zu schenken. Sie hat einen sehr realistische Blick auf die Situation:

„...Die Zukunft gehörte den Banken und Kaufleuten, die Ware verknappten, um sie zu verteuern, und die in Grundbesitz spekulierten, der reichlich frei wurde, wo Pachten und Steuern nicht mehr bezahlt wurden...“

Während Aidan nach und nach erkennt, was er an Gillian hat, kann John nicht über seinen Schatten springen. Das klingt dann so:

„..Dasselbe gilt für den Markt. Er sollte sich auf den Kreis deren beschränken, die seine Gesetze verstehen. Das schließt all jene aus, die nicht in der Lage sind, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken und das gilt […] im Besonderen für Frauen….“

Sehr detailliert darf ich das Agieren der Gegner mit erleben. Dabei wird Recht und Gesetz nicht nur einmal gebeugt, allerdings aus völlig unterschiedlichen Motiven. Für Aidan war der Brand des Lagerhauses von Hugh verbunden mit dessen Tod ein einschneidendes Erlebnis. Fast am Ende sagt er gegenüber Gillian:

„...Hugh war mehr für mich gewesen, als nur ein Lieferant. Er stand mir näher, als mein eigener Vater. Sein Tod hob meine Welt aus den Angeln...“

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Der Spannungsbogen ist hoch, die gesellschaftlichen Verhältnisse wurden exakt recherchiert und die Protagonisten gut charakterisiert. Ich habe gleichzeitig eine Menge über den historischen Tuchhandel, aber zum Beispiel auch über das Färben von Stoffen gelernt.

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Veröffentlicht am 01.07.2020

Empfehlenswert für Erstleser

Josef - Immer Ärger mit den Brüdern
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„...Aber gerade haben sich doch Sonne, Mond und elf Sterne vor ihm verbeugt! Josef reibt seine Augen. Dann hat er also wieder geträumt?...“

Josef und seine Träume – selbst der Vater schüttelt den Kopf ...

„...Aber gerade haben sich doch Sonne, Mond und elf Sterne vor ihm verbeugt! Josef reibt seine Augen. Dann hat er also wieder geträumt?...“

Josef und seine Träume – selbst der Vater schüttelt den Kopf über die Einfälle seines Lieblingssohnes, von seinen Brüdern gar nicht zu reden. Dabei wird Josef so schon bevorzugt. Das weckt Neid. Die wenigen Sätze sollen zum Inhalt des Buches genügen.
In kindgerechter Sprache und illustriert mit vielen farbigen Bildern bringen Autorin und Zeichner den Kindern hier die biblische Geschichte um Josef dar. Gut gefallen hat mir vor allem, dass die Erzählung nahe am Original bleibt, Josef auch mit seine Schwächen dargestellt wird und der Wandlungsprozess von ihm und seinen Brüdern für die Zielgruppe nachvollziehbar ist.
Das Buch stammt aus der Reihe „Lies mit mir“ und ist hervorragend zum Lernen und Üben des Lesens geeignet. Im Text finden sich zwei Schriftgrößen. Zur kleineren gehören auch die längeren Abschnitte. Sie sind dem Vorlesen vorbehalten, bis die Lesefähigkeit des Kindes ausreicht, es auch hier selbst zu versuchen. Jeweils ein Satz ist deutlich größer geschrieben. Der ist außerdem mit einer süßen Leseeule gekennzeichnet. Das fordert das Kind, an der Stelle selbst zu lesen.
Zu Beginn des Buches werden schwierige Worte aufgelistet und farbig in Wortsilben getrennt. So können sie vorab geübt werden.
Inhalt und Aufbau des Buches haben mir ausgezeichnet gefallen.

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Veröffentlicht am 30.06.2020

Tiefgründiges Jugendbuch

Flugmodus
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„...Seit unserer Party am letzten Schultag ist unser Verhältnis besonders. Eine Portion Vorsicht, in Scheiben geschnitten, mit Neugier verziert und in einen Mixer geschmissen...“

Als Pauline heute in ...

„...Seit unserer Party am letzten Schultag ist unser Verhältnis besonders. Eine Portion Vorsicht, in Scheiben geschnitten, mit Neugier verziert und in einen Mixer geschmissen...“

Als Pauline heute in die Schule kommt, ist es für sie ein Schock. Spießrutenlauf ist angesagt. Dann wird sie als Klassensprecherin zum Direktor bestellt. Dort klappt sie zusammen.
Was war passiert? Bevor ich das genauer erfahre, erfolgt eine Rückblende. Am letzten Schultag der neunten Klasse treffen sich Pauline, Eli, Mia und Frieder im Baumhaus bei Elis Opa.Vor ihnen liegen die Ferien. Das klingt so:

„...Ab jetzt sind Uhren Werkzeuge anderer Galaxien und hängen eine Zeit lang verstaubt im Keller...“

Das Leben ist Spaß. Noch scheint alles möglich. Schon hier spürt man, dass die Freundschaft zwischen den Vieren etwas Besonderes ist. Jeder hat seine Eigenheiten. Die Dialoge sind mal humorvoll, mal ernst. Wo man den folgenden einordnen, ist jedem selbst überlassen.

„...“Was interessiert dich an einem Mädchen am meisten?“ „Der Notendurchschnitt. Ich möchte gutes Erbmaterial für meine Nachfahren“...“

Doch hier wird auch deutlich, dass das Interesse am anderen Geschlecht schnell über Freundschaft hinausgehen könnte. Pauline mag Eli. Sie zeigt es ihm aber nicht, weil sie die Freundschaft nicht gefährden will. Sie hat Angst, ihn zu verlieren.
Gemeinsame Erlebnisse der Freunde werden schon mal auf Instagram gepostet. Und als im Urlaub in Südafrika Paulines Handykabel kaputtgeht, grenzt das an Katastrophe. Erste Anflüge von Eifersucht sind spürbar, als sie Fotos ihre Freunde am Strand sieht.
Das Lebensgefühl der jungen Leute wird sehr gut eingefangen und wiedergegeben. Alles ist möglich, aber nichts muss. Der ausgefeilte und doch jugendlich leichte Schriftstil macht das Lesen zum Vergnügen.
Pauline schreibt im Internet in einer Gruppe Poetry Slam. Dort drückt sie mit berührenden Worten ihre Gefühle aus.
Und nun hat ein Bild von Pauline, dass sie eigentlich nur an Eli gepostet war, die Runde gemacht. Jetzt zeigt sich, was Freundschaft wert ist. Mia, Eli und Frieder stehen ihr bei. Frieder, das Computergenie, macht sich auf digitale Spurensuche.
Zu den inhaltlichen und stilistischen Höhepunkten gehört für mich das Gespräch von Eli mit seinem Opa. Hier kommt ein Zitat daraus:

„...Weißt du, Eli, ich glaube, die Liebe hat sich nicht sehr verändert. Sie war schon immer ein Spiel, das mal funktioniert und mal richtig kompliziert ist...“

Der Opa rät Eli, das Leben in der Wirklichkeit zu genießen und nicht in den Räumen der sozialen Netzwerke.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Für mich als Leser ist es nachvollziehbar erzählt, dass es einiges in den Köpfen der jungen Leute durcheinander bringt, wenn aus jahrelanger Freundschaft plötzlich Liebe wird. Es ist eine vage Angst vor Verlust und unwiederbringlichen Veränderungen. Gleichzeitig thematisiert der Autor die Gefahren der modernen Technik. Nicht alles, was privat ist, ist wirklich sicher.

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