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Veröffentlicht am 02.07.2020

Internat so genannt

Staub zu Staub
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Siem Coburg hat den Tod seiner Freundin gegen Ende des zweiten Weltkriegs nie verwunden. Als der alte Bauer Tammens in bittet nachzuforschen, wieso dessen Enkel gestorben ist, macht er sich nur widerwillig ...

Siem Coburg hat den Tod seiner Freundin gegen Ende des zweiten Weltkriegs nie verwunden. Als der alte Bauer Tammens in bittet nachzuforschen, wieso dessen Enkel gestorben ist, macht er sich nur widerwillig auf den Weg zu dem Heim für geistig behinderte Jungen. Das Heim wird Internat genannt und von katholischen Mönchen geleitet. Sie geben Siem, der sich als Journalist getarnt hat, zunächst bereitwillig Auskunft. Doch bald merken sie an seinen bohrenden Fragen, dass mehr hinter seinen Nachforschungen steckt. Und bald kommt das Gesetz des Schweigens zum Tragen. Auch im Dorf sind viele von den Mönchen abhängig, so dass Siem immer mehr auf Schweigen trifft.

Schon der erste Weltkrieg war an Grausamkeit kaum zu überbieten, doch im zweiten musste man erleben, dass es immer noch eine Steigerung geben kann. Siem Coburg, der im niederländischen Widerstand gekämpft hatte, war ebenso von seinen Erlebnissen geprägt, wie Bruder Felix, der im ersten Weltkrieg ein Tagebuch schrieb, und dann zu den Mönchen kam. Doch wie kann es sein, dass in dem Internat, in dem für das Wohl der eingeschränkten Jungen gesorgt werden sollte, eines der Jugendlichen plötzlich zu Tode kam. Schnell hegt Coburg einen Verdacht. Doch kann er auch nachweisen, was geschehen ist. Denn nur dann wird die Polizei eingreifen.

Die Erfahrungen, die man aus Kriegen mitbringt, sind meist negativ und häufig prägend. Grausamkeiten und Verluste lassen die Menschen nicht mehr los. Da besteht kaum Offenheit für anderes und es ist nur der Dankbarkeit Coburgs Tammens gegenüber zu verdanken, dass er dem Tod des Jungen nachgeht. Ein klassischer Kriminalroman ist das nicht. Vielmehr geht es zum großen Teil auch um die unbewältigten Kriegererlebnisse und das Verhalten der verschworenen Mönchsgemeinschaft, in der sich unterschiedlichste Charaktere zusammengefunden haben. Dieses macht die Lektüre nicht ganz leicht. So düster wie das Umschlagbild, so düster ist letztlich auch der Inhalt des Romans. So manches Mal liest man ungläubig erschrocken. Schnell setzt ein ein Prozess des Nachdenkens ein, über die Gräueltaten, von denen man gelesen hat. Das Buch ist zwar anders als erwartet, doch so bald lässt es einen nicht mehr los.

Veröffentlicht am 28.06.2020

Texas Ranger

Bluebird, Bluebird
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Einer der wenigen schwarzen Texas Ranger ist Darren Matthews. Sein Beruf ist ihm eine Berufung, dennoch arbeitet er eigentlich nicht direkt in seiner Heimat. Eigentlich ist er gerade wegen einer anderen ...

Einer der wenigen schwarzen Texas Ranger ist Darren Matthews. Sein Beruf ist ihm eine Berufung, dennoch arbeitet er eigentlich nicht direkt in seiner Heimat. Eigentlich ist er gerade wegen einer anderen Sache vom Dienst suspendiert, macht er sich auf Geheiß eines weiteren Beamten auf den Weg nach Lark. Ein kleiner Ort in der Nähe, in dem kurz nacheinander zunächst ein toter Schwarzer und dann eine tote Weiße aufgefunden worden sind. Wäre es andersherum gewesen, wäre es beinahe normal. Aber so? Matthews will den Fall unbedingt lösen und sei es nur, um seinen eigenen Job zu retten.

Auch heutzutage ist es wohl nicht alltäglich, in Texas einen farbigen Ranger zu finden. Eigentlich wollte Darren Matthews den Bundesstaat verlassen. Er begann Jura zu studieren. Doch dann zog es ihn doch ins Feld, wo er die Ungerechtigkeit direkt bekämpfen wollte. Seine Mutter hat er erst spät kennengelernt und seine Mentoren haben seine Entscheidung nicht so ganz verstanden, aber doch gebilligt. Doch nun geht es um alles, sein Job steht auf dem Spiel und der neue Fall ist wirklich verzwickt. Nicht ungewöhnlich im amerikanischen Süden stehen sich Schwarz und Weiß unversöhnlich gegenüber und sind doch irgendwie durch ihre Vergangenheit verbunden.

In dieses Buch taucht man nach und nach immer tiefer ein. Fragt man sich zunächst, was sind das denn für welche, erfährt man bald, sie sind ganz anders. Auch wenn der Süden der USA von Rassismus geprägt ist und dieses Buch in diesem Rahmen seinen Anfang nimmt, hat bald schon einen vielschichtigeren Kriminalroman, in dem durchaus nicht alles so ist, wie man zunächst denkt. Und Darren Matthews ist ein akribischer und hartnäckiger Ermittler, der manchmal trotz seiner Polizeimarke von den Bewohnern des Ortes nicht sehr respektvoll behandelt wird. Hautnah bekommt er mitunter mit, wie es ist, wenn man wegen seiner Hautfarbe diskriminiert wird. Doch obwohl er so manchen Stein in den Weg gelegt bekommt, er lässt nicht locker. Und damit fesselt er die, die ihm beim Ermitteln über die Schulter schauen. Es ist eine Geschichte des Rassismus, aber auch der Familienbande. Ein Überraschungserfolg, der eine Leseempfehlung verdient.

Veröffentlicht am 22.06.2020

Solo-Sie

Tote Hand
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Der Lintinger, ein Kumpel vom Kreuthner, hat bei einem Unfall seine rechte Hand eingebüßt. Und der Kreuthner will eben dieser Hand ein ehrenvolles Begräbnis verschaffen. Doch als er bei einer Kapelle das ...

Der Lintinger, ein Kumpel vom Kreuthner, hat bei einem Unfall seine rechte Hand eingebüßt. Und der Kreuthner will eben dieser Hand ein ehrenvolles Begräbnis verschaffen. Doch als er bei einer Kapelle das Handgrab ausheben will, stellt er fest, dass der Platz bereits belegt ist. Schnell wird die KTU herbei gerufen und ganz unerwartet haben sie einen ungeklärten Todesfall. Ein Mann, der nicht vermisst wird. Die Identifikation der Leiche ist nicht einfach, denn offensichtlich war der Leichnam schon länger unter der Erde. Allerdings fällt bald auf, dass ungefähr zum Todeszeitpunkt ein Fahrzeug gestohlen und verunfallt wurde.

Es ist bereits der achte gemeinsame Fall von Kreuthner und Wallner. Und auch Opa Manfred wandelt mal wieder abseits aller ausgetretenen Pfade. Das soll ihm mit 88 Jahren erstmal einer nachmachen. In dem Leichenfund zu ermitteln, erweist sich als nicht so einfach. Der Tote, nachdem man herausgefunden hat, wer es war, scheint nicht sehr beliebt gewesen zu sein und etliche Personen haben einen Grund, ihm Übles zu wollen. Doch muss es der Tod sein? Natürlich stellt sich auch die Frage, wieso niemand ihn als vermisst gemeldet hat. War seine Frau etwa froh, ihn los zu sein.?

Auf sein kauzige Art macht Kreuthner seine Arbeit auf sehr eigene Weise manchmal am Rande des Gesetzes, aber doch irgendwie gut. Als Leser kann man sich freuen ihn und seinen Kripo-Leiter Wallner zu haben. Ihre Fälle stehen immer für gute Unterhaltung. Auch wenn hier die grobe Richtung von vornherein klar ist, bleibt man neugierig und gespannt, denn die Aufbereitung des Falles ist spannend und abwechslungsreich. Freude macht auch die schriftliche Begegnung mit Opa Manfred, der sich trotz seines Alters wacker durchs Leben schlägt und wahrscheinlich einiges dazu beiträgt, dass sein Enkel Wallner nicht nur an seine Fälle denkt. Zu dieser Reihe kehrt man in jedem Fall gerne wieder.

Veröffentlicht am 20.06.2020

Münster nicht Dom

Der Turm aus Licht
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Im 13. Jahrhundert beschließt der Graf von Freiburg den Bau des Münsters fortzusetzen. Ein Baumeister aus dem nahen Straßburg soll seine Kunst beweisen. Als Meister Gerhard mit seiner Frau und seinen Gesellen ...

Im 13. Jahrhundert beschließt der Graf von Freiburg den Bau des Münsters fortzusetzen. Ein Baumeister aus dem nahen Straßburg soll seine Kunst beweisen. Als Meister Gerhard mit seiner Frau und seinen Gesellen in die Stadt einzieht, wird er leider nicht mit der gebührenden Aufmerksamkeit empfangen. Im Laufe der Zeit stellt sich heraus, dass der erste Eidruck nicht ganz falsch war. Nachdem der Bau zunächst flott vorangeht, beginnen die Geldgeber also hauptsächlich die gräfliche Familie mit den Finanzmitteln zu knausern. Immer häufiger kommt in Meister Gerhard der Gedanke auf, er könne in Straßburg besser aufgehoben sein.

So ein monumentaler Kirchenbau ist wahrscheinlich nie komplett fertig. Irgendetwas gibt es immer zu tun. Die Autorin beleuchtet mit ihrem Roman die Hauptbauphase des Freiburger Münsters über ungefähr 60 Jahre. Indem sie das Wachsen der Kirche mit den Schicksalen der beteiligten Menschen verbindet, glückt es Astrid Fritz sehr gut, die Zeit lebendig werden zu lassen. Wenn man vielleicht selbst schon mal ein altertümliches Bauwerk besucht hat, auch wenn es nicht das Freiburger Münster war, und sich bei einer Führung erklären ließ, dass die in Stein gehauenen Kerben die Zeichen der Steinmetze und Baumeister waren, wurde einem da schon sehr deutlich vor Augen geführt, dass es echte Menschen waren, die Stein auf Stein gelegt und verziert haben. Und so könnten sich auch Meister Gerhard und seine Kollegen verewigt haben.

Die Geschichten um Menschen und Kirche, das Bestreben, das Bauwerk schließlich der Vollendung entgegen zu treiben - daraus webt die Autorin ein fesselndes Altartuch. Welchen Erfindungsreichtum die Baumeister hatten, um die Konstruktion vor dem Einsturz zu bewahren, welche Schicksale sich um die Beteiligten ranken. Da der Roman einen recht langen Zeitraum umspannt, muss man von einigen Abschied nehmen. Doch auch das gehört zur Authentizität des Buches, ebenso wie das Verhandeln um Gelddinge, Familienfehden und Liebesränke. Bei den fast 800 Seiten wird einem nie langweilig und der Kirchenbau um seine Menschen sind einem ein ganzes Stück näher gerückt.

Veröffentlicht am 13.06.2020

Der Gute

Morenga
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Beworben hat sich der Oberveterinär Gottschalk nicht für den Einsatz in den deutschen Kolonien. Doch mit seinem Kollegen Wenstrup versteht er sich und gemeinsam lernen sie von ihrem Laufburschen die Nama-Sprache. ...

Beworben hat sich der Oberveterinär Gottschalk nicht für den Einsatz in den deutschen Kolonien. Doch mit seinem Kollegen Wenstrup versteht er sich und gemeinsam lernen sie von ihrem Laufburschen die Nama-Sprache. Die Idylle trügt, denn die Einheimischen werden rebellisch. Verständlicherweise wollen sie ihr Land behalten und ihre eigenen Herren bleiben. Besonders Jakobus Morenga bereitet dem deutschen Militär Schwierigkeiten. Strategisch geschickt plant er seine Scharmützel und schlägt die Deutschen mehr als einmal in die Flucht. Je mehr sich Gottschalk mit Land und Leuten im damaligen Deutsch Südwestafrika beschäftigt, desto weniger kann er verstehen, wieso gegen die einheimische Bevölkerung ein solcher Krieg geführt wird.

Zum 80. Geburtstag des Autors wurde dieser bereits 1983 erstmals erschienene Roman erneut herausgebracht. Genau aus historischen Quellen und auch im heutigen Namibia recherchiert zeichnet Uwe Timm ein beeindruckendes Bild von den Aufständen der Herero und Nama und dem darauf folgenden Krieg. Sein Veterinär Gottschalk ist dabei das Abbild einer traurigen Hoffnung auf einen guten Deutschen. Er ist einer der Wenigen, die klar sehen, dass hier ein Volk vernichtet wird und der es dennoch erst nach den Ereignissen schafft, um seine Entlassung aus der Armee nachzusuchen. Wenn Gottschalk meint, die Lage verbessern zu können, verkehrt sich die Wirkung gerade ins Gegenteil.

Erschütternd, mit welcher dummdreisten Leichtigkeit die Militäroberen über die Vernichtung von Menschen entscheiden. Kleinste Anlässe werden als Entschuldigung für schärfste Strafen genommen. Und tödliche Erkrankungen werden billigend in Kauf genommen. Wenn man bedenkt, dass es eines ganzen Heeres bedurfte, um ein paar Hundert Aufständische zu besiegen, zeigt dies, dass die Deutschen wohl doch keine so guten Strategen waren. Wie bedauerlich ist es, dass die sogenannten Sieger die verbleibenden Herero und Nama nach ihrem Gutdünken niedermachen konnten. Nicht das erste Mal steht man fassungslos vor der Schlechtigkeit der sogenannten Herren und fragt sich, wieso die Welt nicht besser ist. Im Übrigen ist dieser zwar etwas sperrige, aber sehr beeindruckende Roman auch verfilmt worden.