Die Tage, die ich dir verspreche:
Nach der erfolgreichen Herztransplantation, darf die 19 jährige Gwen nach vielen Monaten endlich wieder nach Hause. Sie sollte sich freuen, sie ist eine der Glücklichen, die ihr Leben weiter leben können - eigentlich. Denn Gwen ist nicht glücklich, sie fühlt sich schuldig. Ein Mensch ist gestorben, um ihr dieses Herz schenken zu können und sie kann sich nicht darüber freuen. Wieso hat es für sie gepasst und nicht für ihre lebensfrohe Freundin Leni? Gwen möchte nicht mit diesen Schuldgefühlen leben - und entwickelt einen Plan: sie will ihr Herz verschenken. Und als sich Noah aus München meldet, fährt sie kurzerhand zu ihm. Nur weiß sie nicht, dass Noah eigentlich nur aus Schein auf ihr Angebot eingegangen ist...
Meine Meinung:
Kurz gesagt: Lily Oliver hat mit ihrem Debütroman einen kleinen Bestseller geschaffen. Mit ihrem Thema Herztransplantation trifft sie einen Nerv, denn nach all den Skandalen zu illegalem Organhandel in den letzten Jahren, werden überall händeringend Organspender gesucht, die sich aus Angst vor Korruption keinen Organspendeausweis zulegen. Doch sie beschreibt nicht wie viele andere Autoren die Gefühle der Spender, sie dreht den Spieß einfach um und beschreibt in ihrem Roman die Sichtweise der Empfänger - zusammen mit ihrer Dankbarkeit, aber auch mit ihren Schuldgefühlen, dass ein anderer für ihr neues Herz sterben musste.
Gwen, die Hauptperson des Romans, ist eine solche Person: sie hat ein neues Herz bekommen, kann sich aber nicht darüber freuen. Denn wie soll sie auch, wenn jetzt die Angehörigen ihres Spenders, um ihre Lieben trauen? Wieso hat sie ein Herz bekommen und nicht ihre lebensfrohe Freundin Leni?
Ich habe mich selbst noch nie groß mit Organspende befasst, lediglich einige Aufrufe zum Besorgen eines Spenderausweises haben mich auf das Thema aufmerksam gemacht. Doch trotz meiner Wissenslücke, schaffte es Lily Oliver mich mit ihren wundervoll ausgearbeiteten Charakteren mitzureißen. Gegen Anfang vielleicht noch etwas dramatisch erscheinend, so wurden Gwens Schuldgefühle und Ängste immer realistischer. Obwohl der erste Teil des Buches etwas schleppend und mehr Einführung als Inhalt waren, so konnte der zweite Teil mich komplett mitreißen. Man versuchte mit Gwen aus dem Loch der Verzweiflung aufzutauchen, mit Noah um Gwens Leben zu kämpfen und die Situation zu verstehen, obwohl man selbst nicht viel damit zu tun hat. Man konnte langsam aber sicher Gwens Wandlung mit ansehen, wie sie sich aus ihrem Loch kämpfte und versuchte richtig zu leben - auch mit einem fremden Herz in der Brust. Ein einfacher, aber ordentlicher Schreibstil half einem durch die Seiten zu fliegen und die Gedanken hinter Gwen zu verfolgen.
Die Rechnung ging dagegen bei Noah leider nicht ganz auf. Das er, wie im Klappentext angekündigt, auch kaum mehr an das Leben glaubte, war eigentlich kaum zu sehen und wurde erst im 3. Drittel kurz angesprochen. Er blieb ein eher undurchsichtiger Charakter - trotz der vielen Kapitel aus seiner Sicht. Irgendwie konnte ich nicht aus ihm schlau werden, denn die Gedankengänge zu seiner Person blieben eher unklar, wo er sich doch mehr um Gwen sorgte, als um sich selbst. Trotzdem wuchs auch er mir mit der Zeit ans Herz. Er sorgte sich so sehr um Gwen, ohne sie zu kennen und war alles in allem eigentlich ein witziger Charakter. Und auch wenn es zu Anfang noch sehr dramatisch schien, wurde doch schnell die Situation klar. Nicht jeder konnte mit einem fremden Herzen in der Brust glücklich werden, war ja klar. Lily Oliver hat es geschafft mich zum Nachdenken anzuregen und für mich steht fest: Organspende ist nichts wovor man sich fürchten sollte. Vielleicht sehen das noch mehr so wie ich, wenn sie diesen wundervollen Roman gelesen haben.
Fazit:
Trotz einiger kleinerer Schwächen, ist mit Die Tage, die ich dir verspreche ein kleiner Schatz "geboren". Ich gebe 5 von 5 Punkten für das Buch, dass mich sicher nicht so schnell wieder loslassen wird.