Spannend, packend, anders
Anwältin Alison hofft, dass ihr erster Mordfall ihr wieder festen Boden unter den Füßen gibt. Sie möchte mehr für ihre kleine Tochter und ihren Mann da sein, will dem Alkohol abschwören und ihre Affäre ...
Anwältin Alison hofft, dass ihr erster Mordfall ihr wieder festen Boden unter den Füßen gibt. Sie möchte mehr für ihre kleine Tochter und ihren Mann da sein, will dem Alkohol abschwören und ihre Affäre beenden. Doch das alles sind und bleiben nur Worte und Gedanken, denn mit Taten hat Alison es nicht so. Ein Grund, weshalb ich sie unglaublich unsympathisch fand. Sie kann nicht nein sagen, wenn ein Kollege nach einem Feierabend-Drink fragt. Sie kann nicht nein sagen, wenn ihre Affäre sie offensichtlich verletzt und ihr danach wieder Honig um den Mund schmiert. Sie will wieder Anfang zwanzig sein, unbeschwert ihr Leben genießen und Partys, Alkohol und Sex genießen können. Stattdessen fühlt sie sich in ihrer Rolle als Ehefrau eingeengt und obwohl sie eine gute Mutter sein möchte, ist ihre Tochter ihr anscheinend nicht wichtig genug. Nicht nur einmal dachte ich in dem Zusammenhang „Aus den Augen, aus dem Sinn“, denn nur wenn Mutter und Tochter gemeinsame Zeit verbracht haben scheinen sich bei Alison die Muttergefühle einzustellen, die ansonsten von der Gier nach Alkohol und hartem Sex verdrängt werden.
Carl, ihr Mann, versucht, die Beziehung zu kitten und seiner Tochter auch die Liebe zu geben, die Alison nicht geben kann. Aber auch der gutmütigste Mensch kommt mal an seine Grenzen, weswegen Carl Alison bald ein Ultimatum stellt. Nachvollziehbar, oder?
Dann wäre da noch der Kern der Geschichte, nämlich Alisons Mordfall. Sie vertritt die vermeintliche Mörderin, ist aber fest von deren Unschuld überzeugt. Diese beharrt jedoch darauf, ihren Mann erstochen zu haben und hält es für sinnlos, auf „unschuldig“ zu plädieren. Die Medien haben sie als Mörderin schon gebrandmarkt, also hat es keinen Sinn zu leugnen. So engagiert, wie Alison ihre Mandantin vertreten hat, hätte ich sie mir auch in anderen Bereichen gewünscht.
Der Prolog hat anfangs nicht allzu viel Sinn gemacht, obwohl es genug Andeutungen gab. Während der Geschichte hatte ich dieses Kapitel dann schon fast wieder vergessen, und als der Schlüssel dann offenbart wurde, passte alles perfekt zusammen. Genau wie Alison konnte ich die Puzzleteile zusammensetzen und das Bild beurteilen, das im Finale dann ausschlaggebend war.
Auch wenn sich bis hierhin alles negativ liest: dieser Thriller hat mir außerordentlich gut gefallen. Normalerweise steht und fällt alles mit den Protagonisten, mit denen sich der Leser normalerweise identifizieren soll. Selten hat ein Autor es geschafft, eine Hauptfigur derart negativ darzustellen und dennoch eine runde Story daraus zu machen, so dass ich hin und weg war. Aber hier ist das definitiv gelungen und die Spannung, die sich dann durch das gesamte Buch gezogen hat, konnte alles auffangen. Für mich eines der Jahreshighlights und ich hoffe, dass von dieser Autorin bald mehr kommt!