Optisch ein Highlight, literarisch ausbaufähig
Wer sich mit dem neuen Roman von Karine Lambert beschäftigt, wird die überaus gelungene Gestaltung des Buches nicht ignorieren können. Ich bin immer erfreut, wenn ein Verlag dem Leser ein hochwertiges ...
Wer sich mit dem neuen Roman von Karine Lambert beschäftigt, wird die überaus gelungene Gestaltung des Buches nicht ignorieren können. Ich bin immer erfreut, wenn ein Verlag dem Leser ein hochwertiges Hardcover mit Lesebändchen gönnt. Das ist beim unsichtbaren Garten nur der Anfang. Perfekt passend zu den Ereignissen im Roman wird das von bunten Blüten und Blättern wunderbar gezierte Hardcover durch einen milchigen Papierumschlag verschleiert. Schön sind auch die Listen und Gedanken des Protagonisten, die mit anwachsendem Schriftgrad den Fließtext unterbrechen und somit den Leser kurz innehalten lassen.
Die Hauptfigur, Vincent, wird durch eine seltene Krankheit innerhalb kürzester Zeit das Augenlicht verlieren. Wie ein Irrer stellt er nun Listen auf, was unbedingt noch sehend erledigt werden muss. Die Erkenntnis, dass er sich dabei längst verzettelt hat, kommt Vincent erst kurz bevor es zu spät ist.
So wie Vincent von Erlebnis zu Erlebnis hetzt, eilt auch der Leser durch den Roman, angetrieben durch die verkürzte Sprache. Gebremst wird man nur durch die bereits erwähnten handschriftlichen Listen, welche mir vom Stil her sehr gefallen haben, oder durch den Wechsel in die Sichtweise eines anderen Charakters. Da die Lesegeschwindigkeit durch den eher einfachen Satzbau extrem hoch war, bin ich bei den Perspektivwechseln regelmäßig ins Stolpern geraten.
Von den Hauptcharakteren Vincent, seinen Eltern, Émilie, Coline und Arnaud mochte ich letzteren am liebsten. Er hilft und unterstützt einfach nur, weil er es kann und Lust drauf hat. In seiner Gefühlslage Vincent gegenüber ist weder eine lästige Pflicht, noch irgendeine Scham zu erkennen. Arnaud ist auch einer der wenigen, die noch normal mit Vincent umgehen.
Vincent selbst mochte ich zunächst gar nicht. Natürlich konnte ich sein inneres Chaos nach der Diagnose nachvollziehen. Trotzdem handelt er mir zu sprunghaft und unüberlegt. Doch selbst das kann ich ihm noch zugestehen. Was ihn für mich in ein eher negatives Licht stellt, ist das unnötig lange Für-sich-Behalten seiner Krankheit, dann das impulsive Herausplatzen damit und die fehlende Akzeptanz, zumindest anfangs Hilfe zu brauchen.
Für mich war „Der unsichtbare Garten“ ein eingeschränktes Lesevergnügen. Vermutlich habe ich mit meiner Vorliebe für französischsprachige Autoren eine zu hohe Erwartungshaltung an diesen Roman gehabt. Neben der aus meiner Sicht zu einfachen Sprache haben mich die holprigen Perspektivwechsel und die zeitlichen Lücken in der Geschichte gestört. Etwas überrumpelt wurde ich von dem Ende. Wie es ausgeht, werde ich hier selbstverständlich nicht verraten, aber es kam mir so vor, als ob am Ende wirklich Jeder für sein Handeln die Rechnung bekommt. Das wirkte auf mich irgendwie aufgesetzt, nicht natürlich. Schade. Dennoch gab es einige angenehme Szenen, zumeist mit Randfiguren, die mir sehr gefallen haben.
Wer gern Bücher liest, die schnell zu Ende sind, und sich nicht so gern in detail- und facettenreicher Sprache verliert, dem wird Karine Lambert sicherlich Vergnügen bereiten. Ich konnte mit ihrem Einsatz von Sprache letztlich doch nicht warm werden.