Cover-Bild Jenseits der Erwartungen
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: DuMont Buchverlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: Klassisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 432
  • Ersterscheinung: 19.05.2020
  • ISBN: 9783832181154
Richard Russo

Jenseits der Erwartungen

Roman
Monika Köpfer (Übersetzer)

An einem Spätsommertag auf Martha’s Vineyard treffen sie sich wieder: Lincoln, Teddy und Mickey. Die drei Männer planen, das Wochenende in einem Ferienhaus auf der Insel zu verbringen – um der alten Zeiten willen. Seit dem Studium zu Vietnamkriegszeiten sind sie miteinander befreundet. Sie sind sehr unterschiedliche Wege gegangen, doch alle waren sie einst in dasselbe Mädchen verliebt, Jacy Calloway.
Kurz nach ihrem Abschluss verschwand Jacy spurlos. Aber keiner von ihnen hat die Freundin vergessen – oder die Frage, wen von ihnen Jacy eigentlich liebte. Schließlich beginnt Lincoln, sich erneut mit den Umständen ihres rätselhaften Verschwindens zu beschäftigen. Was ist damals wirklich passiert?
Richard Russo erzählt von drei Menschen,
die sich fremd geworden sind, und vom Umgang mit der Unsicherheit, ob die eigenen Lebensentscheidungen die richtigen waren. Wie nebenbei ergibt sich daraus das Porträt eines Landes, das sich selbst nicht mehr ganz versteht. Mit ›Jenseits der Erwartungen‹ zeigt Russo seine ganze Könnerschaft – als großer Erzähler und als Menschenkenner.

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Lesejury-Facts

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.07.2020

Man bleibt als Leser nachdenklich zurück

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REZENSION – Ein angenehmes, sogar fröhliches Wiedersehen alter Jugendfreunde könnte es im Spätsommer 2015 werden, zu dem der inzwischen 66-jährige Immobilienmakler Lincoln seine beiden Studienkollegen, ...

REZENSION – Ein angenehmes, sogar fröhliches Wiedersehen alter Jugendfreunde könnte es im Spätsommer 2015 werden, zu dem der inzwischen 66-jährige Immobilienmakler Lincoln seine beiden Studienkollegen, den Verleger Teddy und den Musiker Mickey, „um der alten Zeiten willen“ in sein altes Sommerhaus auf der kleinen Ferieninsel Martha’s Vineyard vor der Südküste von Cape Cod im Bundesstaat Massachusetts einlädt. So beginnt auch der im Mai auf Deutsch erschienene Roman „Jenseits der Erwartungen“ des amerikanischen Pulitzer-Preisträgers Richard Russo (70) noch recht beschaulich, nimmt aber immer mehr Tempo auf, um schließlich dramatisch zu enden. Nichts ist mehr so, wie anfangs erwartet.
Auf dem College waren die drei jungen Männer, alle aus kleinbürgerlichem Elternhaus, zu Freunden geworden. Die Studiengebühren mussten sie sich in einem Restaurant hart erarbeiten. Sie fühlten sich wie die drei Musketiere und waren alle gleichermaßen in die Elite-Studentin Jacy Calloway verliebt. Nach dem Abschluss im Jahr 1971 trafen sie sich zu viert ein letztes Mal im Sommerhaus, das damals noch Lincolns Mutter gehörte, bevor Mickey als Soldat nach Vietnam gehen und die anderen ins Berufsleben einsteigen sollten. Doch kurz vor dem gemeinsamen Abschied verschwand Jacy spurlos und blieb verschollen. Bis zum jetzigen Wiedersehen, 44 Jahre später, hat keiner der drei Männer die Freundin vergessen, und die Frage, ob und wen von ihnen Jacy geliebt haben mochte, blieb unbeantwortet. Jacys rätselhaftes Verschwinden beherrscht die Gespräche der alt gewordenen Männer. In Rückblenden erfahren wir vom damaligen Wochenende, von der familiären Herkunft und dem weiteren Leben der drei Freunde, zunächst erzählt jeweils aus Lincolns und Teddys persönlicher Sicht. Erst zum Schluss erzählt Mickey seine eigene Geschichte und löst das Rätsel um diesen ungelösten Kriminalfall.
"Chances are", so der Titel der amerikanischen Romanausgabe, heißt auch ein alter Hit von Popsänger Johnny Mathis (84), den die jungen College-Absolventen an ihrem Abschiedsabend vor über vier Jahrzehnten auf der Insel gemeinsam und voller Erwartungen gesungen hatten. Und so handelt auch Russos Roman von den Chancen, die sich die vier vom künftigen Leben erhoffen. Doch die Träume zerplatzen und auch von der Freundschaft der drei Musketiere bleibt nur noch der Schein. Man ist sich nach jahrzehntelanger Trennung fremd geworden.
Der schildert mit der Erfahrung und Menschenkenntnis eines 70-Jährigen und mit der Kunst eines großartigen Erzählers in persönlichen Rückblenden der drei Männer deren weiteren Lebensweg, ihre teils krampfhaften Versuche, sich von den spießbürgerlichen Erwartungen der Eltern zu lösen und dank eigener Entscheidungskraft ein eigenständiges, ein besseres Leben zu führen, um dann doch als Erwachsene ähnliche Fehler wie die Eltern zu machen. Im fast zwanghaften Kampf, das Unabänderliche zu ändern, versäumen sie, die wenigen wirklichen Chancen für ein selbstbestimmtes Handeln zu ergreifen, um ihr Leben selbst zu bestimmen. Nach 44 Jahren zeigt jeder nur noch ein Wunschbild seiner selbst, ohne sich so anzuerkennen, wie er „jenseits der Erwartungen“ geworden ist.
Russos empfehlenswerter Roman „Jenseits der Erwartungen“ ist eine von Seite zu Seite immer spannender sich entwickelnde Geschichte, die schließlich in einem erschreckenden Finale endet und den Leser nachdenklich zurücklässt – nachdenklich über die eigene Person, den eigenen Lebensweg, die eigenen Erwartungen aus Jugendzeiten.

Veröffentlicht am 22.05.2020

Psychologisch tiefer Spannungsroman mit tollem trockenem Humor

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„Die Vier Musketiere,“ so nannten sie sich, nachdem sie sich im College kennenlernten und gemeinsam in einer Studentenverbindung kellnerten. Nach 40 Jahren treffen sich drei von ihnen wieder, um ein paar ...

„Die Vier Musketiere,“ so nannten sie sich, nachdem sie sich im College kennenlernten und gemeinsam in einer Studentenverbindung kellnerten. Nach 40 Jahren treffen sich drei von ihnen wieder, um ein paar gemeinsame Tage zu verbringen: Lincoln, heute Immobilienmakler, glücklich verheiratet und vielfacher Vater; Teddy, der Allround Gelehrte, angestellt an einer Universität und eher Einzelgänger; sowie Mickey, der Rockmusiker, der von ihnen als erster in den Vietnamkrieg hätte gehen müssen, wenn er nicht nach Kanada geflüchtet wäre.

Die vierte im Bunde war Jacy, in die alle drei verliebt waren. Bei ihrem letzten gemeinsamen Ausflug nach dem Collegeabschluss 1971, ist sie verschwunden. Niemand weiß, was mit ihr geschah. Nun brechen alte Erinnerungen auf, zudem sie sich in dem damaligen Ferienhaus treffen. Lincoln beginnt nachzuforschen und trifft sich mit einem alten Detektive...

Es geht um die Suche nach Wahrheit, um direkte und indirekte Ursachen, um Erinnerungen, um das Auseinanderklaffen von Selbst-und Fremdbild. Wie gut kennen wir eigentlich selbst nahestehende Menschen? Es geht um Frauen- und Männerrollen, um Schicksale in den verschiedensten Facetten, um Selbstreflexion und Lebensbilanzen, um Eltern- Kindbeziehungen, um Freundschaft und selbstverständlich um die Liebe.

Nebenbei gibt es ein tolles Setting: USA in den 60ern, mit Rockmusik, aber vor allem auch mit Losverfahren und dem Vietnamkrieg. Gleichzeitig, da auf mehreren Zeitebenen und mit Rückblicken erzählt wird, erhalten man einen kleinen, durchaus satirisch- kritischen Einblick in die heutige US-amerikanische Gesellschaft.

Der Roman liest sich durchweg spannend und es kommt zu unerwarteten Wendungen. Ich geriet in einen richtigen Lesesog. Er ist intelligent erzählt und daneben komisch, mit einem feinen trockenem ironischen Humor. Sehr genial!

Die große Stärke ist vor allem die psychologische Tiefe und Komplexität dieser interessanten Figuren. Sie traten sehr lebendig vor mein inneres Auge und wurden nahbar. Selbst viele Nebenfiguren wurden komplex angelegt. Beziehungen zu den Eltern wurden betrachtet, wie diese die Entwicklung der Kinder beeinflussen und prägen. Der Autor zeigt wirklich ein feines Gespür für menschliches Verhalten und Dynamiken, die er klug und klar darlegt. Großartig fand ich unter anderem die kurzen Einblicke in die Mechanismen häuslicher Gewalt.

Insgesamt wurde eine reiche Lebenserfahrung und tiefe Menschenkenntnis des Autors auf jeder Seite deutlich spürbar!

Fazit: Hier wurde zwar das Rad nicht neu erfunden, trotzdem liest sich der Roman wunderbar. Er ist sehr routiniert geschrieben und unterhält auf hohem Niveau mit interessantem Setting! Psychologisch tief, humorvoll- ironisch und spannend. Mein erster Russo, aber sicher nicht der letzte..:)