Erlebbare Geschichte
Die goldenen Jahre des Franz Tausend1924. Die Gier der Menschen beflügelt den Hochstapler Franz Tausend, der selbstsicher und überzeugend bei konspirativen Treffen vor seinem Publikum als Alchemist auftritt und ihnen verspricht, Gold herstellen ...
1924. Die Gier der Menschen beflügelt den Hochstapler Franz Tausend, der selbstsicher und überzeugend bei konspirativen Treffen vor seinem Publikum als Alchemist auftritt und ihnen verspricht, Gold herstellen zu können, um ihnen damit das Geld aus der Tasche zu ziehen, was ihm hervorragend gelingt. Doch es dauert nicht lange, dass die ersten Investoren nervös werden und ausgerechnet eine Frau aus ärmlichen Verhältnissen rückt seine Scharlatanerie in den Blickpunkt der Polizei vertreten durch Kommissar Heinrich Ahrndt. Dem wird von der Obrigkeit auf die Finger geklopft und schon bald entlassen. Ein Wink des Schicksals führt ihn von München nach Berlin, wo er den Auftrag hat, den aufrührerischen Journalisten Carl von Ossietzky zu beobachten, der dem deutschen Volk die Augen öffnen will über das, was hinter ihrem Rücken von den Regierenden bereits in Vorbereitung ist und daher der politischen Elite ein Dorn im Auge ist ebenso wie der Schriftsteller Thomas Mann…
Titus Müller hat mit „Die goldenen Jahre des Franz Tausend“ einen sehr anspruchsvollen und informativen historischen Roman vorgelegt, der nicht nur die letzten Jahre der Weimarer Republik und das Erstarken der Nationalsozialisten exzellent recherchiert an den Leser bringt, sondern ihn auch durch das Wirken von eindrucksvollen Persönlichkeiten zu faszinieren weiß, die er in seiner Geschichte lebendig werden lässt. Der flüssige und atmosphärische Schreibstil versetzt den Leser schnell ins vergangene Jahrhundert in eine Zeit des Aufbruchs, in der die Demokratie durch die verqueren Ideologien erst einmal in der Versenkung verschwindet und die Tyrannei der Nazis Einzug hält, die von Meinungsfreiheit nichts hält und hart durchgreift. Müller lässt die „Goldenen Zwanziger“ vor dem inneren Auge des Lesers wieder lebendig werden. Durch wechselnde Perspektiven lernt der Leser die Hauptprotagonisten bestehend aus Carl von Ossietzky, Thomas Mann, Heinrich Arndt und Franz Tausend kennen, wobei Müller gerade mit den Nobelpreisträgern Mann und Ossietzky die Lage in Deutschland sehr gut wiederspiegelt. Während der Autor seine Geschichte spannend erzählt, versteht er es brillant, dem Leser die damalige Zeit vor Augen zu führen, die Zerrissenheit einer gebeutelten Nation, die nach einem verlorenen Krieg wirtschaftlich am Boden liegt und sich nach besseren Zeiten sehnt. Gerade die Verknüpfung mit belegten historischen Personen macht die Handlung dadurch noch authentischer.
Die Charaktere sind so feinsinnig und detailliert ausgestaltet, dass der Leser sich mitten unter ihnen wähnt und sie bei der Lektüre genau vor Augen hat. Franz Tausend spielt in diesem Roman zwar eher eine Nebenrolle, doch mit seiner Cleverness, Charme und einer gewissen Raffinesse Betrug im großen Stil betreibt. Carl von Ossietzky hat sich dem kritischen Journalismus verschrieben, er war überzeugter Pazifist und den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge, was ihn schlussendlich auch ins KZ gebracht hat. Ossietzky ließ sich nicht verbiegen, war mutig und entschlossen, Missstände aufzudecken und der Bevölkerung die Augen zu öffnen. Thomas Mann war ebenso ein Kritiker, der allerdings vor allem an sich selbst zweifelte. Heinrich Ahrndt ist ein integrer Mann, dem Betrug und Falschheit ein Graus ist. Er besitzt eine gute Spürnase und folgt seinen Instinkten. Die Vermischung von fiktiven und belegten historischen Persönlichkeiten ist in diesem Roman besonders gut gelungen und unterstützt das Miterleben der Handlung.
„Die goldenen Jahre des Franz Tausend“ ist spannend von der ersten bis zur letzten Seite, denn die historischen Fakten sind ausgezeichnet recherchiert und mit dem Leben von vier interessanten Protagonisten verknüpft. Für alle, die gerne in die Vergangenheit reisen und Geschichte hautnah miterleben wollen. Absolute Leseempfehlung!