Bukowski in Reinkultur
Notes on a Dirty Old Man.„Notes on a Dirty Old Man“ ist keine gewöhnliche Biographie. Ich habe mich anfangs gewundert, wo denn die Eckdaten bleiben, habe die Chronologie vermisst. Beginnt das Buch nicht mit Bukowskis Geburt und ...
„Notes on a Dirty Old Man“ ist keine gewöhnliche Biographie. Ich habe mich anfangs gewundert, wo denn die Eckdaten bleiben, habe die Chronologie vermisst. Beginnt das Buch nicht mit Bukowskis Geburt und endet mit seinem Tod? Nein, und das ist gut so, denn so huldigt es dem Querulanten, Quertreiber, dem unberechenbaren Suffkopf, dem bunten Hund, dem Literaturstricher, dem Oppositionsgeist, dem Lyriker, Briefschreiber, Erzähler und Romancier am besten.
Frank Schäfer biographiert Bukowski, indem er seine Literatur interpretiert. Das liefert mir zum einen nach und nach die gewünschten Eckdaten, macht mich aber auch vertraut mit einem Querschnitt seiner Werke, die ich nie gelesen habe. Zugegeben, ohne Vorkenntnisse habe ich mich anfangs mit der Lektüre schwer getan, weil u.a. Personen ohne Einführung genannt werden, aber bald störte mich das nicht mehr. Man muss sich drauf einlassen können. Aber es lohnt sich, mal aus seinen eingefahrenen Lesegewohnheiten auszubrechen. Ich habe einen umfassenden Eindruck über den Menschen Bukowski gewonnen, an den ich mich auch nach Monaten noch erinnern werde können.
Anteil daran hat sicherlich auch der Schreibstil von Frank Schäfer. Wörter wie satifaktionsfähig, splendide Isolation, verbale Libertinage, Spedieren oder defensive Insubordination lassen sich nicht so leicht überlesen, sie bleiben hängen. Aber keine Sorge, die Lektüre geht trotzdem gut von der Hand. Frank Schäfer schreibt auf keinen Fall geschwollen.
Ich habe verstanden, warum Bukowski seine Literatur als Therapie aufgefasst hat, warum er sich in Europa fremd gefühlt hat, warum er sich selbst als einen gebrochenen, desillusionierten, von sich selbst enttäuschten Romantiker bezeichnet hat und warum er kein professioneller Literaturkritiker sein konnte.
„Am besten ist Bukowski, wenn er nicht seine Gefühlswelt ausstellt, sondern einfach eine Situation einfängt, eine Atmosphäre beschreibt oder eine Person mit ein paar treffenden Strichen skizziert.“ Frank Schäfer hat mir diesen streitbaren Menschen näher gebracht. Dafür vergebe ich die volle Punktzahl und eine unbedingte Leseempfehlung.