Profilbild von Havers

Havers

Lesejury Star
offline

Havers ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Havers über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.07.2020

Italienische Nudelküche...di buon gusto

Pasta Mia!
0

Nudeln kochen kann jeder. Ob Groß oder Klein, alle lieben Pasta. Und damit Abwechslung auf den Teller kommt und es nicht immer die gleiche Tomatensoße sein muss, sollte man einen Blick in Gennaro Contaldos ...

Nudeln kochen kann jeder. Ob Groß oder Klein, alle lieben Pasta. Und damit Abwechslung auf den Teller kommt und es nicht immer die gleiche Tomatensoße sein muss, sollte man einen Blick in Gennaro Contaldos „Pasta Mia!“ werfen. Der in Italien geboren und aufgewachsene Wahlengländer – wir kennen ihn als Mentor von Jamie Oliver – greift hier auf die traditionellen Nudelgerichte seiner italienischen Heimat zurück und zeigt uns, dass neben Spaghetti und Penne noch unzählige Sorten beachtenswert sind, vor allem dann, wenn sie mit der passenden Begleitung in Form leckerer Soßen serviert werden. Nicht zu vergessen die Oberflächenbeschaffenheit der Nudeln (perfekt bei Herstellung in Bronzeformen), damit man die passenden Sugos kombinieren kann.

Aber lassen wir keine Zweifel aufkommen, im Mittelpunkt der Rezepte steht IMMER die Pasta. Sechzig Seiten „Getrocknete Pasta“, fünfunddreißig Seiten „Frische Pasta“. Zwanzig Seiten „Gefüllte Pasta“, dreißig Seiten „Gebackene Pasta“ – jeweils mit unterschiedlichen Soßen, Ragús, Fisch und Gemüsen. Ansprechend bebildert, für jeden Geschmack etwas, oft abgerundet mit dem Saft der Amalfi-Zitrone (kann man problemlos durch eine gute Zitrone aus dem Bioladen ersetzen). Dazu noch zehn Seiten Grundsaucen, sowie ein ausführliches Register. Alle Zubereitungen ausführlich beschrieben (leider ohne Nährwert-Angaben), sodass auch ein Kochanfänger kein Problem damit haben wird.

Neben diesen unzähligen Rezepten, selbstverständlich auch für Pasta aus dem vollen Korn, gibt es einen leicht verständlichen Grundkurs für die Herstellung frischer Pasta. Und dafür ist noch nicht einmal eine Nudelmaschine zwingend erforderlich.

Wohl demjenigen – wir zählen zu den Glücklichen, obwohl wir nicht in der Stadt leben – der einen gutsortierten italienischen Supermarkt in der Nähe hat, bei dem ca. ein Drittel der Verkaufsfläche für Pasta in allen Variationen reserviert ist, Typo 00 Mehl selbstverständlich im Regal steht und der Wunsch nach Burrata, Taleggio, Guanciale und Salsiccia fresca erfüllt werden kann. Im üblichen Supermarkt wird man sich damit eher schwer tun. Aber keine Angst, man kann diese Zutaten natürlich mit einem bisschen Kreativität durch alternative Produkte ersetzen, so dass dem Pasta-Genuss nichts im Wege steht.

Veröffentlicht am 12.07.2020

Was ist Heimat?

Ich bleibe hier
0

Ein eigentümliches Bild, das der Blick auf den Reschensee bietet. Eine spiegelglatte Oberfläche, aus deren Mitte ein Kirchturm ragt. Was ist hier geschehen? Und was hat es mit den Menschen gemacht, denen ...

Ein eigentümliches Bild, das der Blick auf den Reschensee bietet. Eine spiegelglatte Oberfläche, aus deren Mitte ein Kirchturm ragt. Was ist hier geschehen? Und was hat es mit den Menschen gemacht, denen keine andere Wahl blieb, als ihre Heimat zu verlassen?

Diesen Fragen geht der mehrfach ausgezeichnete Autor Marco Balzano in seinem neuen Roman „Ich bleibe hier“ nach, in dem er aus Sicht von Trina, Lehrerin und Bäuerin, die damaligen Ereignisse rekapituliert und den Leser am Beispiel des Städtchens Graun mit der schmerzhaften Geschichte Südtirols vertraut macht. Italienisch oder Deutsch, Mussolini oder Hitler. Eine Region, die vor dem Zweiten Weltkrieg zum Spielball der Mächte wird.

Die Muttersprache ist ein zentrales Thema, das sich wie ein roter Faden durch das gesamte Buch zieht. Sie stiftet Identität, dient aber gleichzeitig auch als Kontrollmechanismus der Herrschenden und ist auch dafür verantwortlich, dass nach der Zwangsitalienisierung Südtirols unter Mussolini viele Grauner ein strammes Deutschtum entwickeln und empfänglich für Hitlers „Heim ins Reich-Ruf“ werden. Es sind nicht viel, die bleiben, die weder dem einen noch dem anderen trauen, sondern misstrauisch sowohl gegenüber dem Duce als auch dem Führer sind. Die an ihrer Heimat hängen, sich ihre Skepsis bewahren, diese aber dennoch verlassen müssen. Trotz aller Widerstände lassen die Italiener von dem Staudamm-Projekt nicht ab, siedeln die Übriggebliebenen um, die sie mit lächerlichen Ausgleichszahlungen für den Verlust ihrer Heimat entschädigt haben. Wie es endet, ist bekannt. Das Tal wird 1950 geflutet.

„Ich bleibe hier“ ist eine Geschichte des Untergangs. Sie klagt nicht an, aber rüttelt auf, denn Balzano gibt in diesem dicht erzählten Roman den Vertriebenen eine Stimme. Er taucht in seine Figuren ein, schildert deren Gefühlswelt ohne überflüssige Sentimentalität und beeindruckt mit seiner klaren Sprache gerade deshalb den Leser. Jedenfalls werde ich beim nächsten Urlaub in Südtirol die zweisprachigen Hinweisschilder mit anderen Augen sehen.

Veröffentlicht am 08.07.2020

Basics vom Küchenprofi

Hausgemacht & eingekocht
0

Konservierungsmittel, Farbstoffe, künstliche Aromen – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, und das ist nur die Speerspitze der Inhaltsstoffe, ohne die mittlerweile kaum noch ein Nahrungsmittel aus ...

Konservierungsmittel, Farbstoffe, künstliche Aromen – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, und das ist nur die Speerspitze der Inhaltsstoffe, ohne die mittlerweile kaum noch ein Nahrungsmittel aus der Lebensmittelindustrie auskommt. Als Folge davon kämpfen viele Menschen mit Unverträglichkeiten und Allergien. Aber Abhilfe ist mit dem neuen Kochbuch von Alfons Schuhbeck „Hausgemacht & Eingekocht“ in Sicht. Und die Ausrede, dass man keine Zeit zum Kochen hat, greift hier nur bedingt, denn kaum ein Rezept liegt in der Zubereitungszeit bei über 30 Minuten.

In erster Linie werden hier Basics vermittelt, Das beginnt mit einem Crash-Kurs zum Einkochen und detaillierten Informationen zur alternativen Methoden des Haltbarmachens. Es folgen die „Klassiker fürs ganze Jahr“: Soßen und Dressings, aber auch Rezepte für Granola und Ketchup und – meine Favoriten – Gemüsebrühpulver und Salzzitronen. Die nachfolgende Gliederung orientiert sich an den Jahreszeiten, wobei hier von Limonaden, Likören, Kräutern, Rillette, Pickles, Kuchen und Gebäck so ziemlich alles dabei ist, was man sich vorstellen kann. Am informativsten sind meiner Meinung nach die Rezepte für Herbst/Winter, bei denen Schuhbeck auch die Technik des Fermentierens im Detail beschreibt. Hinweise zur Resteverwertung sowie ein Saisonkalender runden den positiven Eindruck dieses auch optisch sehr ansprechenden Kochbuchs ab, das sich gleichermaßen für erfahrene Hobbyköche als auch für blutige Anfänger eignet.

Die benötigten Zutaten sind nicht exotisch sondern überall erhältlich und werden im Idealfall dann verarbeitet, wenn sie Saison haben. Und natürlich sollte man Wert auf regionale Produkte legen, die man im Idealfall direkt beim Erzeuger z.B. im Hofladen einkauft.

Eine Anmerkung habe ich aber noch für das Lektorat: Das Remouladenrezept ist mit „Remoulade ohne Ei“ überschrieben. Und was findet man in der Zutatenliste? Richtig, ein hart gekochtes Ei.

Veröffentlicht am 06.07.2020

Da sage noch einer, die Briten könnten nicht kochen

Greenfeast: Frühling / Sommer
0

Dass täglicher Fleischverzehr zum einen der Ökobilanz schadet und zum anderen der Gesundheit auf Dauer nicht zuträglich ist, wissen wir mittlerweile alle und haben (hoffentlich) daraus Konsequenzen gezogen. ...

Dass täglicher Fleischverzehr zum einen der Ökobilanz schadet und zum anderen der Gesundheit auf Dauer nicht zuträglich ist, wissen wir mittlerweile alle und haben (hoffentlich) daraus Konsequenzen gezogen. Salat, Gemüse und Obst gehören täglich auf den Tisch, und zwar nicht nur als dekorative Beilage.

Diesem geänderten Essverhalten trägt der Frühling/Sommer-Band „Greenfeast. Das kleine Buch der grünen Küche“ Rechnung. Der britische Food-Journalist Nigel Slater hat darin über 110 vegetarische Rezepte gesammelt, die für Abwechslung auf dem Teller sorgen, schnell zubereitet sind – ein nicht zu unterschätzender Faktor - und keine Konzessionen hinsichtlich Optik und Geschmack machen. Manche Kombinationen mögen auf den ersten Blick gewagt erscheinen z.B. überbackener Feta mit Honig, aber genau das macht den Reiz für die Geschmacksnerven aus. Und es funktioniert!

Die Zutaten sind, auch wenn sie manchmal auf den ersten Blick exotisch erscheinen, den Jahreszeiten angemessen und überall erhältlich, auch wenn man nicht in der Großstadt lebt. Falls nicht, können sie problemlos ausgetauscht bzw. ersetzt werden. Anstelle von Freekeh habe ich polierten Dinkel genommen, Za'atar habe ich mir selbst gemischt, helle Misopaste durch kräftig gewürzte Gemüsebrühe ersetzt – und es hat funktioniert. Die Rezepte sind unkompliziert, der zeitliche Aufwand überschaubar, ebenso das benötigte Equipment. Vieles lässt sich in einem Topf, einer Pfanne, einer Auflaufform zubereiten, sodass man nach dem Kochen nicht stundenlang die Spuren beseitigen muss.

Ich tue mich schwer damit, Nigel Slaters Publikationen auf den Begriff Kochbuch zu reduzieren. Für mich sind sie in erster Linie Inspiration, da ich üblicherweise kein Rezeptkocher bin, sondern eher nach Anregungen suche und mich hier gerne verleiten lasse, Neues auszuprobieren. Und ich schätze seine klugen Gedanken und die kleinen Essays, die die Rezepte begleiten und den einen oder anderen Denkanstoß geben.

Veröffentlicht am 02.07.2020

Huldas letzter Fall

DUNKEL
0

Hulda Hermannsdóttir, Kommissarin bei der Kriminalpolizei von Reykjavik, hat nur noch wenige Wochen bis zum Erreichen des Rentenalters. Eigentlich ein Grund zur Freude, nicht aber für Hulda. Ihr ganzes ...

Hulda Hermannsdóttir, Kommissarin bei der Kriminalpolizei von Reykjavik, hat nur noch wenige Wochen bis zum Erreichen des Rentenalters. Eigentlich ein Grund zur Freude, nicht aber für Hulda. Ihr ganzes Leben hat sie dem Beruf untergeordnet und dafür ihr Privatleben und ihre Familie vernachlässigt. Deshalb trifft es sie umso härter, dass man sie vorzeitig aus dem Dienst entfernen möchte, in den Vorruhestand schickt. Das einzige Zugeständnis ist die Erlaubnis, letztmals einen ungelösten Fall aufzurollen. Zwei Wochen für die Aufklärung, mehr Zeit bleibt ihr nicht. Huldas Wahl ist schnell getroffen, denn der angeblich zufällige Tod der russischen Asylbewerberin Elena hat bereits während der nach ihrem Eindruck schlampigen Ermittlung ihr Misstrauen erregt.

Der Ansatz “ältere Frau in einem von Männern dominierten Berufsfeld“ bietet eine interessante, wenn auch nicht klischeefreie Ausgangslage. Die/der engagierte Kommissarin/Kommissar, die/der zugunsten ihres/seines Jobs das Privatleben gegen die Wand fährt und am Ende der Tage ohne jede Beziehung dasteht und deshalb auf sich selbst zurückgeworfen wird - nun ja, geschenkt. Das kennen wir bereits aus zahlreichen Kriminalromanen. ABER...Jónassons Herangehensweise ist interessant und eher ungewöhnlich. Als Trilogie konzipiert, wird die “Hulda-Story” vom Ende zum Anfang hin erzählt (Band 2 erscheint in Kürze, Band 3 im Herbst) und entwickelt sich sehr behutsam. Die atmosphärischen Schilderungen passen, der Stil fesselt. Kein blutiger Mord zu Beginn, sondern drei zeitlich getrennte Erzählstränge, die auf den ersten Blick keine Verbindung aufweisen. Das weckt das Interesse des Lesers und hält ihn bei der Stange, zumal man davon ausgehen kann, dass der Autor, gerade was seine Protagonistin und deren Leben angeht, bestimmt noch den einen oder anderen Pfeil im Köcher hat. Gerade zu Beginn fragt man sich immer wieder, ob und wie die unterschiedlichen Schilderungen zusammenhängen. Betreffen sie Huldas Vergangenheit oder Elenas Geschichte?

Nun stellt sich natürlich die Frage, ob man die nachfolgenden bzw. vorhergehenden Bände noch lesen sollte/muss, wenn man den Ausgang der Geschichte bereits kennt. Diese Frage beantworte ich für mich mit einem deutlichen JA, denn da sind noch so viele offene Fäden, die es zu verweben gilt. So viele Ungereimtheiten, so viele Andeutungen, so viele Fragen, auf die ich gerne eine Antwort hätte. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung und hoffe, dass ich damit des Rätsels Lösung einen Schritt näher komme.