Mutig, leichtsinnig, zerrissen...
Wir lernen in dem ca. 220-seitigen Werk Generalkonsul Aristides de Sousa Mendes kennen, einen mutigen Menschenfreund und Katholiken, der sich Regeln, Anweisungen und Verboten der portugiesischen Regierung ...
Wir lernen in dem ca. 220-seitigen Werk Generalkonsul Aristides de Sousa Mendes kennen, einen mutigen Menschenfreund und Katholiken, der sich Regeln, Anweisungen und Verboten der portugiesischen Regierung widersetzt, um Tausenden von Menschen zu helfen.
Diese Hilfe gewährt der aus einer Adelsfamilie stammende verheiratete, kinderreiche, wohlhabende und empathische Mann, indem er zu Beginn des zweiten Weltkrieges trotz oder entgegen der vom Diktator Salazar ausgesprochenen drastisch verschärften Einreisebedingungen vielen überwiegend jüdischen Flüchtlingen und politisch Verfolgten Visa erteilt, damit sie nach Portugal einreisen können.
Doch sein Handeln hat Konsequenzen.
Aristides de Sousa Mendes verliert seine Ämter und muss in einem Disziplinarverfahren Rede und Antwort stehen.
Von da an geht es in allen Beteichen seines Lebens rapide abwärts.
1954 verstarb er.
Rehabilitiert wurde er erst posthum.
Psychologisch nachvollziehbar und stimmig zeichnet Dagmar Fohl die Seelenzustände ihres Protagonisten mit all seinen inneren Konflikten und Beweggründen, wobei es bezüglich seiner inneren Zerrissenheit nicht nur um sein politisches Engagement, sondern auch um private Angelegenheiten ging.
Auffällig und bedeutungsvoll war für mich, dass der Konsul, was die Flüchtlinge betraf, extrem engagiert und verantwortungsbewusst handelte, dass er gleichzeitig aber, was ihn selbst und seine Familie anging, fast schon leichtsinnig, fahrlässig und arglos agierte. Warum hat er potentielle Folgen und Gefahren für sich und seine Familie, Ehefrau und 14 gemeinsame Kinder, ausgeblendet und verleugnet?
Dass die Autorin Geschichte studiert und gründlich recherchiert hat, ist unschwer zu erkennen, denn sie beleuchtet und vermittelt die gesellschaftlichen Verhältnisse, Nöte und Probleme der damaligen Zeit realistisch und glaubhaft.
Ihr recht faktischer, nüchterner, etwas sperriger und steif-hölzerner Schreibstil trägt dazu bei, die bedrohliche und karge Atmosphäre der damaligen Zeit zu vermitteln.
Die lebendig, dynamisch, rasant und eindringlich geschriebene Romanbiographie über den mir bis dahin nicht bekannten, weltoffenen, weitgereisten, beeindruckenden und außergewöhnlichen Generalkonsul Aristides de Sousa Mendes ist ein äußerst interessantes und lesenswertes Werk!