Ich habe den Roman auf Englisch gelesen, als gerade Band 2 der Serie erschienen war.
Police Constable in der Probezeit Peter Grant möchte vor allem eines nicht: in die Case Progression Unit versetzt werden, ...
Ich habe den Roman auf Englisch gelesen, als gerade Band 2 der Serie erschienen war.
Police Constable in der Probezeit Peter Grant möchte vor allem eines nicht: in die Case Progression Unit versetzt werden, da ihn dort nur Papierkram erwartet, als er die Bekanntschaft von Chief Inspector Thomas Nightingale macht. Zuvor hatte er an einem Tatort den Augenzeugen eines brutalen Mordes verhört, der eine merkwürdige Besonderheit hat. Dieser Zeuge ist nämlich ein Geist, und Nightingale das bislang einzige Mitglied einer speziellen Ermittlungskommission der Londoner Polizei. Außerdem ist er der letzte Zauberer von England. Grant wird sein Lehrling und zusammen machen sie sich in seinem ersten Fall auf die Suche nach einem unheimlichen Geheimnis im Herzen der Weltstadt, das bis dahin unbescholtene Bürger zu gewaltätigen, blutrünstigen Ausbrüchen zwingt. Nebenbei erlernt er seine ersten Zaubersprüche, muss er einen Unterschlupf von Vampiren niederbrennen, einen Waffenstillstand zwischen der Göttin und dem Gott der Themse vermitteln und Leichen exhumieren.
Der Roman von Ben Aaronovitch ist eine originelle Mischung aus Krimi/Polizeiroman und Urban Fantasy, in der sich Realität und Übersinnliches auf clevere Art verbinden. Es ist fast so als wäre Harry Potter erwachsen geworden und der Mordkommission beigetreten. Trotzdem ist "Rivers of London" kein Kinderbuch! Spannend, witzig und mit faszinierendem Detailreichtum stellt das Buch den großartigen und vielversprechenden Startpunkt einer erfolgreichen Serie dar, von der inzwischen in England neun Folgen erschienen sind, das in Deutschland spielende Spin-off "Der Oktobermann" und die Comics nicht mitgerechnet.
Was ist „The Storm Keeper‘s Island”? Ein phantastischer Jugendroman? Ja, aber die vielschichtige Geschichte überwindet problemlos Altersgrenzen und spricht auch Erwachsene an. Urban Fantasy? Irgendwie ...
Was ist „The Storm Keeper‘s Island”? Ein phantastischer Jugendroman? Ja, aber die vielschichtige Geschichte überwindet problemlos Altersgrenzen und spricht auch Erwachsene an. Urban Fantasy? Irgendwie schon, außer dass die Handlung nicht in einer Großstadt, sondern auf einer entlegenen irische Insel spielt. Eine Coming-of-Age Geschichte? Ja, aber es geht auch um einen Großvater mit Alzheimer und geschwisterliche Beziehungen, um schmerzhafte Verluste und Depressionen, das Überwinden von Ängsten.
Der Roman war bei der britischen Buchhandelskette Waterstone das Buch des Monats im Juli 2018. Zurecht!
Der 11jährige Fionn Boyle fährt in den Sommerferien mit seiner drei Jahre älteren Schwester Tara nach Arranmore, die Heimatinsel seiner Mutter, die wegen Depressionen behandelt werden muss. Er hat seinen Vater nie kennen gelernt, da dieser vor seiner Geburt dort als Seenotretter ertrunken ist. Bereits bei seiner Ankunft spürt er, dass die Insel auf ihn in magischer Weise reagiert. Doch er weiß bisher fast nichts über seine Familengeschichte. Nach und nach erfährt er, dass sein Großvater Malachy der Storm Keeper von Arranmore ist, welcher die Insel vor Unwettern schützen kann und die Welt vor einer dunklen Zauberin, die dort seit Jahrhunderten begraben liegt, und nun sucht die Insel einen Nachfolger. Aber es gibt jemanden, der dieses Amt unbedingt will, doch es zu seinem eigenen Vorteil nutzen will, und jemanden, der die böse Macht wiedererwecken will. Ein spannendes Abenteuer beginnt.
Sprachgewaltig und ohne unnötige Längen erzählt, hat dieses Buch das Potential ein moderner Klassiker zu werden. Eine Fortsetzung ist für den Sommer 2019 geplant. Man darf freudig gespannt sein.
Wie kontrolliert man das Bevölkerungswachstum in einer scheinbar vollkommenen Welt mit endlichen Ressourcen, wenn niemand mehr sterben muss, weil es keine Krankheiten mehr gibt, jeder sich nach Belieben ...
Wie kontrolliert man das Bevölkerungswachstum in einer scheinbar vollkommenen Welt mit endlichen Ressourcen, wenn niemand mehr sterben muss, weil es keine Krankheiten mehr gibt, jeder sich nach Belieben verjüngen kann und der Tod in der Regel umkehrbar ist?
Diese Frage ist der Ausgangspunkt von „Scythe”. Die Antwort, die der Roman gibt, ist eine elitäre, letztlich abseits der Gesellschaft lebende Kaste von sanktionierten Mördern, den sogenannten Scythes (also Sensen), welche die Aufgabe haben, jedes Jahr eine bestimmte Anzahl Menschen permanent zu töten, euphemistisch Nachlese genannt, wobei jedes Mitglied selbst darüber entscheiden kann, wen und wie er umbringt, solange es ohne Vorurteil und unter höchsten moralischen Ansprüchen geschieht.
Das Buch verfolgt den Weg von Citra Terranova und Rowen Damish, zwei Teenagern, die vom ehrenwerten Scythe Farraday als Lehrlinge ausgewählt werden. Im Verlauf der Geschichte wird klar, dass nicht alle Scythes gegen die Versuchungen gefeit sind, die ihre einzigartige Machtposition ausübt, und die beiden Hauptpersonen geraten zwischen die gegensätzlichen Lager aus den Bewahrern der Tradition und denen, die nach einer neuen Ordnung streben. Repräsentiert werden diese Positionen durch Scythe Farraday, einem bescheidenen, nachdenklichen Mann mit höchsten moralischen und philosphischen Standards, sowie auf der Gegenseite Scythe Goddard, einem eitlen und blutdürstigen Killer, der das Töten genießt und für Massennachlesen bekannt ist.
Der Roman ist spannend geschrieben, die Grundidee faszinierend und die beschriebene Welt vielschichtig. Das Konzept potientieller Unsterblichkeit, ein Traum vieler Menschen, wird mit Licht und Schatten geschildert. Wie geht man mit seinem Leben um, wenn jedermanns Wohlergehen von der Gesellschaft, in der man lebt, garantiert wird, alles mehr oder weniger risikofrei ist und man quasi endlos Zeit hat? In der Welt von „Scythe“ bedeutet es unter anderem den weitgehenden Untergang von Religion, denn wer unsterblich ist, braucht keine Götter mehr, die ein Leben nach dem Tod versprechen. Manche suchen den letzten möglichen Nervenkitzel, indem sie sich selbst umbringen, nur um wiederbelebt zu werden.
Der Autor beschreibt aber auch eine – zwar friedliche – Welt der totalen Überwachung durch eine künstliche Intelligenz, die jeden Aspekt wohlwollend, logisch und neutral regelt, nachdem die Menschheit ihr die absolute Kontrolle übertragen hat. Lediglich in die Belange der Scythes mischt sich der sogenannte Thunderhead grundsätzlich nicht ein. Befinden wir uns mit Alexa, Siri & Co. auf dem Weg dorthin?
Ein höchst lesenswerter Roman, auf dessen Fortsetzung man gespannt sein darf.
Dieser Sammelband enthält die Kapitel #1-9 der Vertigo-Originalserie: Im Himmel ist Genesis entkommen, ein Kind das ein Engel mit einem Dämon gezeugt hat und daher Gut und Böse in sich vereint und über ...
Dieser Sammelband enthält die Kapitel #1-9 der Vertigo-Originalserie: Im Himmel ist Genesis entkommen, ein Kind das ein Engel mit einem Dämon gezeugt hat und daher Gut und Böse in sich vereint und über ungeahnte Kräfte verfügt. Im Angesicht dieses neuen Konzepts hat sich Gott kurzerhand verabschiedet, während Genesis sich während einer Messe mit der Seele des texanischen Predigers Jesse Custer vereinigt, dabei die versammelte Gemeinde tötet und Jesse erstaunliche Fähigkeiten verleiht. Daraufhin macht sich der Preacher zusammen mit seiner Ex-Freundin Tulip, einer Auftragsmörderin, und dem irischen Vampir Cassidy auf die Suche nach Gott, um ihn zur Rede zu stellen.
Dies ist die Grundprämisse für eine wilde 66-teilige Serie (plus 5 einteilige Specials und einem 4-teiligen Spin off), welche Elemente aus Western, Roadmovie, Urban Fantasy, Gangsterkrimi, Splatter und Satire in bester Quentin-Tarantino-Tradition à la "From Dusk Till Dawn" in sich vereint. Brutale und perverse Rednecks spielen darin genauso eine Rolle wie gefallene Engel, der Saint of Killers, ein unglücklicher Junge mit dem Spitznamen Arseface, ein Serienmörder und diverse Gangster. Die dargestellte Gewalt ist teilweise so plakativ, dass sie selbst die Macher der "Saw"-Filme schockieren dürfte, und die lästernde Sprache Nils Ruf die Schamesröte ins Gesicht treibt.
Die skurrilen Gestalten und Geschichten, die dem (Anti-)Helden auf seinem Weg begegnen und widerfahren sind höchst unterhaltsam und haben durchaus Tiefgang. Denn bei aller Brutalität, Sex und Gotteslästerung ist die Serie zutiefst moralisch. Sind doch Jesse Custer und seine Gefährten immer wieder aufs Neue überrascht, erzürnt und angewidert über die Tatsache, wie tief Menschen sinken können. Fast alles, was Jesse unternimmt, ist nobel und motiviert durch Gefühle wie Liebe, Freundschaft und Selbstlosigkeit. Das macht ihn zu einer zutiefst romantischen Figur. Und die physische Suche nach Gott ist auch eine spirituelle: Jesse packt die Wut über das erkannte Wesen Gottes und sieht letztlich in ihm einen eitlen Heuchler, der die Welt und die Menschen nur erschaffen hat, um sie leiden zu lassen, und trotzdem erwartet, dass sie seinen Namen preisen, ohne auch nur einen Finger zu rühren, um ihnen zu helfen. Darin stecken zynische Gesellschaftsanalyse und harsche Religionskritik.
Auch grafisch kann ich nichts aussetzen. Die Erzählung hat fast filmischen Charakter und verzichtet weitgehend auf erzählende Kästchen, sondern setzt vor allem auf Dialoge. Die düsteren Ideen des Autors werden zeichnerisch angemessen realistisch umgesetzt. Die Farben sind eher gedeckt. Die Hauptfiguren haben einen hohen Wiedererkennungscharakter: Jesse wirkt wie James Morrison in einer Sutane. Dadurch, dass ein einziger Zeichner die Serie realisiert hat, wurde das Konzept konsequent fortgeführt.
Die komplette Serie wird in den neun Bänden gesammelt, von denen dies der erste ist. Einer der besten Erwachsenen-Comics, die ich kenne.
Man mag es angesichts des englischsprachigen Titels und der ebenfalls englischen Kapitelüberschriften kaum glauben, aber der Science-Fiction-Roman »Neon Birds« von Marie Graßhoff, erschienen 2019 als Originalausgabe ...
Man mag es angesichts des englischsprachigen Titels und der ebenfalls englischen Kapitelüberschriften kaum glauben, aber der Science-Fiction-Roman »Neon Birds« von Marie Graßhoff, erschienen 2019 als Originalausgabe im Lübbe-Verlag, stammt aus Deutschland. Er ist der Auftakt zu einer gleichnamigen Trilogie, deren zweiter Teil »Cyber Trips« bereits erhältlich ist und der dritte Band »Beta Hearts« im Herbst 2020 erscheinen soll. Die am ehesten dem Cyberpunk zuzuordnende Geschichte handelt von einer Welt, die durch eine außer Kontrolle geratene Nanotechnologie bedroht wird.
Im Jahr 2101 hat sich die Welt durch Umweltzerstörung, Überbevölkerung und Klimawandel geändert. Dreißig Jahre zuvor hat es einen zweiten Kalten Krieg gegeben, in dem eine nicht näher genannte Macht ihre Soldaten durch den Einsatz von injizierten lernfähige Nanocomputern, KAMI genannt, aufrüsten wollte. Das Experiment schlug fehl: Die Betroffenen werden zwar nicht nur physisch übermenschlich stark und hyperintelligent, sondern verlieren auch ihre Emotionen, Individualität und entziehen sich jeglicher Kontrolle. Sie werden zu sogenannten Moja, einer Art mordender Cyborgzombies. Gleichzeitig entwickelt sich KAMI ständig selbständig weiter, kann sich reproduzieren und wie ein Virus mithilfe von Vögeln weltweit verbreiten. Um diese Technoinfektion einzudämmen, müssen ganze Landstriche unter Quarantäne gestellt werden. Sondereinheit bekämpfen rücksichtslos die Infizierten innerhalb und außerhalb der hermetisch abgeriegelten Sperrgebiete. Gleichzeitig ermöglichte diese Krise, die Welt nach einem Militärputsch in einer Art Diktatur zu vereinen. Der Roman folgt vier unterschiedlichen jungen Erwachsenen, die – ausgelöst durch einen Zwischenfall an einer der Sperrzonen – einem Geheimnis auf die Spur kommen.
Als Leser wird man zu Beginn ohne Einleitung in die actionreiche Geschichte geworfen. Sie beginnt mit einem Ausbruch der Moja aus einer Enklave in Nordchina und dessen Niederschlagung durch militärische Eliteeinheiten. Erst nach und nach werden Zusammenhänge und Begriffe, teils in Form von in die Handlung eingestreuten Datenblättern oder Aktennotizen erklärt. Dabei wechselt die Perspektive ständig zwischen den vier Hauptpersonen, deren Innenleben einen großen Raum einnimmt. Da ist zum einen der zum Cyborg aufgerüstete, ehemalige Supersoldat Okijen Van Dire, der des Kämpfens müde ist und mehr oder wenig widerwillig reaktiviert wird. Ferner der Student und Geheimagent Flover Nakamura, der seine Karriere nur verfolgt, um seiner mächtigen Mutter zu gefallen. Sein Freund und Kommilitone Luke Bible, der ein Geheimnis hat. Und schließlich Andra Yun, die einer Gruppe angehört, die fernab der Zivilisation ein naturverbundenes, freies Leben führt. Die Figuren werden anschaulich und sympathisch geschildert. Das Worldbuilding ist schlüssig und bietet ausreichend Sense of Wonder. Nach dem rasanten Beginn folgt ein ruhigerer Mittelteil, in dem die Personen näher vorgestellt werden und der Konflikt herausgearbeitet wird, wobei es der Autorin gelingt, die Spannung aufrecht zu erhalten. Am Ende nimmt der Roman dann wieder Fahrt auf und liefert einen überraschenden Cliffhanger.
»Neon Birds« ist ein höchst unterhaltsamer, fesselnder Roman mit kritischen Untertönen. Der Schreibstil ist flüssig und modern, wobei man sich fragt, ob wirklich sämtliche Anglizismen zwingend erforderlich waren. Andererseits dominieren diese auch heute unsere Alltagssprache, speziell wenn es um Technologie und dergleichen geht, so dass es nicht als störend oder künstlich empfunden wird. (Einen Widerspruch gibt es: Obwohl Englisch die Umgangssprache in der Romanwelt zu sein scheint, wird an einer Stelle von Siezen gesprochen, ohne dass es diese Anredeform im Englischen gibt. Das hätte spätestens dem Lektorat auffallen sollen.) Die Hauptpersonen haben höhere Positionen und agieren teils reifer, als man es in Anbetracht ihres Alters – sie sind sämtlich zwischen 18 und 21 Jahren alt – erwartet hätte. Dies ist jedoch dem Umstand geschuldet, dass eine Generation Menschen im Krieg gegen KAMI zu großen Teils gestorben ist und die jetzige, die zu diesem Zeitpunkt noch Kinder waren, überlebt haben und gezwungen war, früh erwachsen zu werden.
Es bleibt zu hoffen, dass die Fortsetzung sowohl inhaltlich als auch erzählerisch das Niveau halten kann und kein schwächerer Mittelband wird, der nur zum Finale überleitet.