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Veröffentlicht am 18.07.2020

Zeitzeugnis

Als wär's ein Stück von mir
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Carl Zuckmayer war mir lange Zeit nur als der Autor des Hauptmann von Köpenick bekannt, den ich in der Schule lesen durfte. Über ihn und sein Leben habe ich mich lange keine Gedanken gemacht, obwohl ich ...

Carl Zuckmayer war mir lange Zeit nur als der Autor des Hauptmann von Köpenick bekannt, den ich in der Schule lesen durfte. Über ihn und sein Leben habe ich mich lange keine Gedanken gemacht, obwohl ich die Autobiographie seiner Frau „Die Farm in den grünen Bergen“ bereits als Teenager begeistert gelesen hatte. Als ich letztens nun „Die Schule am Meer“ von Sandra Lüpkes gelesen habe, tauchte er in einer kurzen Nebenrolle auf, spielt doch sein großer Bruder eine wichtige Rolle in diesem Buch. Das brachte mich dazu Die Farm in den grünen Bergen noch einmal zu lesen und dann nach einer Biographie seines Lebens Ausschau zu halten.


Als wär’s ein Stück von mir ist seine Autobiographie, die er 1966 verfasst hat, als er mit seiner Frau bereits zurück in Europa war und in Saas Fee seine letzten Jahre verbrachte. Das Buch beginnt mit den Jahren, die er mit seiner Frau in Henndorf verbracht, bis sie durch die Nazis von dort vertrieben wurden und in die Schweiz flüchten mussten. Erst danach setzt eine chronologische Erzählweise ein, in der die Jahre der Jugendzeit, der Erlebnisse im 1. Weltkrieg und den Jahren bis zu den ersten Erfolgen folgen. Es folgen die Jahre der Emigration in den USA und die Rückkehr nach dem Krieg.


Interessant wird es immer dann, wenn Zuckmayer von seinen direkten Erlebnissen erzählt. Da ist man mitten im Geschehen und spürt die Angst, bzw. die Lebensfreude. Etwas schwieriger zu Lesen fand ich das Buch wenn es sich um Ortsbeschreibungen oder charakterliche Darstellungen von Zeitgenossen handelte. Was vermutlich auch daran liegt, dass viele der Namen heute kein Begriff mehr sind.


Trotz allem war es ein gut zu lesendes Buch und mich hat überrascht wie reflektiert Zuckmayer das Verhalten der Deutschen und besonders der Intellektuellen in der Weimarer Republik beurteilt. Dass man hier zu blauäugig war und zu wenig unternommen hat. Auch dass der erste Weltkrieg herbeigesehnt wurde kann er aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. In seinem Umfeld glaubte niemand an den Krieg, bis er wirklich ausbrach.

Ich habe Carl Zuckmayer in diesem Buch als einen interessanten und sehr nachdenklichen Menschen kennenglernt, der eine ungewöhnliche Lebensgeschichte zu erzählen hat.


Von mir daher eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 14.07.2020

Die Schatten der Vergangenheit

Die Frauen von der Purpurküste – Isabelles Geheimnis (Die Purpurküsten-Reihe 1)
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mélies Leben ist komplett aus den Fugen geraten. Sie kann nach einem Schicksalsschlag nicht zurück ins Leben finden. Daraufhin beschließt sie nach Collioure zu fahren und im Haus ihrer Großmutter eine ...

mélies Leben ist komplett aus den Fugen geraten. Sie kann nach einem Schicksalsschlag nicht zurück ins Leben finden. Daraufhin beschließt sie nach Collioure zu fahren und im Haus ihrer Großmutter eine Auszeit zu nehmen. Bei einem Besuch bei ihrer Großmutter im Seniorenheim drückt diese ihr ein altes Tagebuch in die Hand, mit dem Auftrag es zu lesen. Bei der Lektüre stellt sich heraus, dass ihre Großmutter ihr Leben lang ein Geheimnis gewahrt hat, das nun gelüftet werden soll.

Am Anfang fiel es mir etwas schwer ins Buch zu kommen, weil mir Amélie in ihrem Jammertal ein wenig auf den Keks ging. Sie scheint unter einer Depression zu leiden und lässt niemanden an sich heran. Umso erstaunlicher ist dann allerdings die Veränderung, die dann in Collioure vor sich geht. Hier schafft sie es, sich wildfremden Menschen zu öffnen und relativ schnell ins Leben zurück zu finden. Das ist aber auch der einzige Kritikpunkt, den ich an dem Buch habe.

Die Geschichte von Isabelle, Amélies Großmutter, ist wirklich tragisch und zeigt, dass man Menschen nicht nach ihrem Äußerem oder ihrer Nationalität beurteilen sollte. Die Nebenfigur des Benjamin, dem unerwarteten Mitbewohner Amélies, bleibt lange im Dunkeln und löst sich erst spät auf.

Der Schreibstil ist spannend und das Kopfkino läuft auch von Anfang an. So hat man sowohl die Geschichte in der Gegenwart, als auch die in der Vergangenheit sofort vor Augen. Und die Baguettes und die Dips, die Amélie kreiert, würde ich gerne mal probieren. Auch die Gegend um Collioure muss wunderschön sein, ein Platz, an dem man auch gerne Urlaub machen würde.

So kann ich dieses Buch durchaus empfehlen und auch die folgenden Bände werde ich im Auge behalten.

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Veröffentlicht am 09.07.2020

Paulas Traum vom Leben

Obstblütenträume
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Paula hat den Hof ihrer Großeltern übernommen und möchte daraus einen Biobauernhof mit Urlaubsbetrieb aufbauen. Dafür hat sie alle investiert, was sie hatte und sich verschuldet. Eigentlich läuft alles ...

Paula hat den Hof ihrer Großeltern übernommen und möchte daraus einen Biobauernhof mit Urlaubsbetrieb aufbauen. Dafür hat sie alle investiert, was sie hatte und sich verschuldet. Eigentlich läuft alles gut, allerdings darf nichts passieren. Nur wie es im Leben so ist, klappt genau das nicht. Mehrere Unfälle treiben Paula kurz vor die Insolvenz. Sie ist kurz davor zu verzweifeln, aber sie kann auf ihre Freunde zählen, die ihr beistehen und mit Ideen und Tatkraft helfen. Und nicht nur die Freunde sind für sie da, auch Theo, der Schreiner, ist für sie da. Allerdings ist die Gefühlslage schwierige, tragen beiden doch allerlei Päckchen aus der Vergangenheit mit sich herum, die eine Beziehung erst einmal schwierig machen.

Obstblütenträume ist das erste Buch von Cordula Gravensteiner, das bei einem Verlag veröffentlicht wurde. Mir hat die Geschichte um Paula richtig gut gefallen, sie steht mit beiden Beinen im Leben und hat klare Vorstellungen von ihrer Zukunft. Nur in Sachen Beziehung ist sie sehr unsicher. Das konnte ich anhand ihrer Vorgeschichte gut nachvollziehen. Auch Theo fand ich gut beschrieben und seine Verhaltensweisen nachvollziehbar. Die Nebenfiguren fand ich toll beschrieben und gut integriert. Besonders Paulas Mutter hat mir gut gefallen, mit ihrer liebenswürdigen und bestimmenden Art, der sich keiner entziehen kann.

Der einzige Kritikpunkt ist, dass die Unfälle eigentlich etwas zu glimpflich ablaufen. Bei dem was passiert müssten die Konsequenzen eigentlich schwerer sein. Aber das ist eigentlich meckern auf hohem Niveau. Mir hat das Buch viel Spaß gemacht und es hat mich gut unterhalten.

Von mir daher eine Leseempfehlung .

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Veröffentlicht am 29.06.2020

eher unbekannte Zeitgeschichte

Ich bleibe hier
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"Ich bleibe hier“ erzählt die Geschichte von Trina, die Graun im Vinschgau lebt. Ihr Vater ist Schreiner, das Leben ist einfach. Trina wird Lehrerin, doch bevor sie auch nur einen Tag unterrichten kann, ...

"Ich bleibe hier“ erzählt die Geschichte von Trina, die Graun im Vinschgau lebt. Ihr Vater ist Schreiner, das Leben ist einfach. Trina wird Lehrerin, doch bevor sie auch nur einen Tag unterrichten kann, nimmt ihr Mussolinis Faschismus diese Möglichkeit. In Südtirol wird alles verboten was deutsch ist, Trina kann zwar Kinder heimlich auf Deutsch unterrichten, allerdings ist das mit großen Gefahren verbunden. 1939 müssen die Südtiroler wählen, entweder bleiben und endgültig italienisch werden, oder die Heimat verlassen und ins Deutsche Reich ziehen. Im Laufe des zweiten Weltkriegs wird auch Südtirol von den Deutschen besetzt, doch auch das bringt keine Freiheit. Und als der Krieg zu Ende ist, gibt es speziell in Graun und in Reschen keinen Frieden. Die italienische Regierung setzt nun die jahrelangen Pläne eines Stausees um.

Der Reschensee mit seinem einsamen Kirchenturm darin, ist mir seit meiner Kindheit ein Begriff, war doch der Reschenpass schon immer die bevorzugte Strecke meiner Eltern um nach Südtirol in den Urlaub zu fahren. Dass für diesen Stausee mehrere Dörfer geflutet wurden, wusste ich schon früh. Durch dieses Buch wurde mir der jahrelange Kampf der Bewohner dagegen, noch einmal näher gebracht. Wobei die Anwohner lange nicht glaubten, dass das Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden würde.

Marco Balzano erzählt hier nicht nur die Geschichte des Stausees, sondern auch die ganz Südtriols. Unter den Faschisten Mussolinis war alles deutsche verboten, Kinder wurden in sogenannten Kellerschulen auf Deutsch unterrichtet. Als dann die Option kam, wurde die Bevölkerung noch einmal zerrissen, in die, die bleiben wollte und die Optionierer, die ihre Heimat verließen. Als diese nach dem Krieg teilweise zurückkamen, wurde der Riss in der Gesellschafft noch einmal deutlich, das Gehen wurde ihnen lange vorgehalten.

Ich fand das Buch sehr gut zu lesen, man hatte das Gefühl mit Trina zusammenzusitzen und ihr zu lauschen. Vielleicht braucht es aber auch eine Verbindung zu dieser Region und ein bisschen Vorkenntnis der Geschichte um das Buch interessant zu finden. Für mich war es ein wirklich interessantes Leseerlebnis, das den Blick auf diesen einsamen Turm im See verändert hat.

8 von 10 Punkte

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Veröffentlicht am 12.06.2020

interessanter Roman mit Schwachstellen

Die Dame vom Versandhandel
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Annie und Kurt betreiben gemeinsam den Versandhandel Eulendorf. Ihre Ideen sind es oft, die das Geschäft florieren lassen. Doch nicht immer läuft alles rund, Annie hat Probleme sich nach der Geburt ihres ...

Annie und Kurt betreiben gemeinsam den Versandhandel Eulendorf. Ihre Ideen sind es oft, die das Geschäft florieren lassen. Doch nicht immer läuft alles rund, Annie hat Probleme sich nach der Geburt ihres Kindes wieder zu sortieren und dann auch Job und Familie unter einen Hut zu bringen. So modern wie Kurt in seiner Geschäftsführung ist, so konservativ ist er in seinem Privatleben.

Mir hat das Buch an sich gut gefallen, allerdings habe ich doch ein, zwei Punkte, die mich ein wenig stören. So tat ich mir schwer mit den Rückblenden ins Jahr 1919, in der Kurts Vorgeschichte teilweise erzählt wird. Irgendwie hat es mich hier aus dem Lesefluß geworfen. Später wird die Vergangenheit dann in die laufende Handlung eingebunden, was mir besser gefallen hat. Allerdings blieben so manche Details, die durchaus von Interesse gewesen wären, seltsam blass. Kurts Anfangsjahre im Versandhandel werden z. B. nur angekratzt. Ich hatte viel Vergnügen beim Lesen, besonders, wenn Annie und Kurt gemeinsam neue Ideen ausgetüftelt haben. Da merkte man den Geist der Zeit, in dem nichts unmöglich schien und man bekam einen Einblick in die Innereien eines Versandhandels.

Die Familiengeschichte der beiden mag etwas wirr sein, klärt sich aber im Laufe des Buches gut auf, auch wenn mir schon viel früher klar war, warum Kurt sich plötzlich seltsam verhalten hat. Was ich etwas unglaubwürdig fand war, dass er sich zeitweilig komplett aus dem Geschäft zurückgezogen hat und seiner Frau die alleinige Führung überlässt.

Alles in allem hatte ich viel Spaß mit dem Buch, es ließ sich flüssig lesen und gegen Ende hin schien sich auch alles zu richten. Was mich aber wirklich irritiert hat, war der Epilog. Den hätte es meines Erachtens nicht gebraucht, mich hat er nur verwirrt und ich habe den Sinn dahinter nicht verstanden.
Trotzdem von mir eine Leseempfehlung. Den Epilog kann man ja auch weglassen 😉

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