Der internationale Bestseller über den Umgang mit Schuld und die unerschütterliche Kraft der Liebe
Santiago Amigorena erzählt die bewegende Geschichte seines Großvaters: In den Zwanzigern flüchtet Vicente Rosenberg aus Warschau nach Buenos Aires. Dort verliebt er sich in Rosita, gründet mit ihr eine Familie und betreibt ein Möbelgeschäft. Fernab von dem, was in Europa geschieht. Doch mit jedem neuen Brief seiner Mutter aus dem Warschauer Ghetto wachsen Schuld und Ohnmacht. Bis Vicente verstummt und ins innere Exil geht. Rosita aber kämpft weiter – um ihre Liebe, um ihre Familie, um eine Zukunft. Ein ergreifender Roman von großer Dringlichkeit, plastisch und virtuos erzählt.
„Ein tragisches Schicksal, eine erschütternde Erzählung – überwältigend.“ OLIVIER GUEZ
„Dieses wunderbare Buch erzählt die Geschichte eines Schweigens, das vielleicht die einzige Antwort auf das Undenkbare darstellt. Und die Geschichte der Worte, die ein Mann für dieses Schweigen findet: Jedes einzelne von ihnen ist treffend gewählt, direkt aus dem Kern des Wesens. Genau das vermag auf ebenso seltene wie kostbare Weise die Literatur.“ EMMANUEL CARRERE
"Die ganz eigene Klangfarbe dieses sensationellen Romans hallt nach der Lektüre noch lange nach.“ Le Figaro littéraire
Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen
Vicente flieht aus Warschau nach Buenos Aires und entkommt so dem Holocaust. Er verliebt sich dort und baut sich ein schönes Leben auf. Mit jedem Brief seiner Mutter aus dem Warschauer Ghetto ...
Zum Inhalt:
Vicente flieht aus Warschau nach Buenos Aires und entkommt so dem Holocaust. Er verliebt sich dort und baut sich ein schönes Leben auf. Mit jedem Brief seiner Mutter aus dem Warschauer Ghetto verändert sich seine Sicht bis er schließlich verstummt.
Meine Meinung:
Mir war bis zum Ende des Buches gar nicht bewusst, dass der Autor die Geschichte seines Großvaters erzählt und das machte die Geschichte am Ende des Buches nochmal berührender als es sowieso schon war. Es zeigt in leisen Tönen wie uns das Leben, hier im speziellen die gefühlte Schuld, verändern kann. Man spürt das Leiden des Protagonisten und auch durch den einfühlsamen Schreibstil des des Autoren. Der Schreibstil hat mir ausgesprochen gut gefallen. Und ich finde es toll, dass der Autor so seinem Großvater im Nachhinein wieder ein Stimme verliehen hat.. Große Kunst und voller Respekt hat dieses Buch 5 Sterne verdient.
Der in Argentinien geborene Schriftsteller Santiago Amigorena ist auch bekannt als Filmproduzent, er lebt in Paris.
Sein Roman „Kein Ort ist fern genug“ spielt in Buenos Aires. Es ist ein nachdenklich ...
Der in Argentinien geborene Schriftsteller Santiago Amigorena ist auch bekannt als Filmproduzent, er lebt in Paris.
Sein Roman „Kein Ort ist fern genug“ spielt in Buenos Aires. Es ist ein nachdenklich machendes Werk.
Der Autor schreibt über seine Großvater Vicente, der in den Zwanzigern nach Buenos Aires auswanderte.
Als der zweite Weltkrieg ausbrach und die Zeitungen von dem Warschauer Ghetto, in dem seine Mutter lebt, beginnt er an Gewissensbissen zu leiden.
Sein Enkel beschreibt die Angst und Schuldbewusstsein zu beschreiben, die Menschen, die um ihre Angehörigen Angst haben. Besonders, da sie nicht helfen konnten.
Allerdings war mir Vicentes Reaktion zu viel, denn er zerstört damit das Leben seiner Frau und seiner Kinder.
Das ganze ist eine bedrückende Geschichte, die leider nicht gut zu machen ist. Mich machen diese Dinge immer ganz fertig. Trotzdem ist es gut das es den Roman gibt.
1928 verlässt Vicente Rosenberg seine Heimat Warschau Richtung Südamerika. In Buenos Aires gründet er mit Rosita eine Familie und eröffnet ein Möbelgeschäft. Sie bekommen drei Kinder und alles entwickelt ...
1928 verlässt Vicente Rosenberg seine Heimat Warschau Richtung Südamerika. In Buenos Aires gründet er mit Rosita eine Familie und eröffnet ein Möbelgeschäft. Sie bekommen drei Kinder und alles entwickelt sich prächtig in der lebendigen Stadt. Doch dann werden die Briefe der Mutter zunehmend besorgniserregend. Juden hatten es schon lange nicht mehr leicht, aber nun scheint sich die Lage doch zu verschlimmern. Während die Nazis in Europa die Endlösung vorbereiten, sitzt Vicente machtlos 12.000 Kilometer entfernt. Nachrichten erreichen ihn nur spärlich und verzögert, bald schon kann und will er diese nicht mehr ertragen und zieht sich zurück in sein inneres Ghetto. Wie die Mauer, die Warschau umschließt, verschließt er sich vor der Welt und seiner Familie. Fragen nach der Identität – was ist er: Pole, Argentinier, Jude? – und Schuld – hätte er mehr tun müssen, um seine Mutter zur Auswanderung zu bewegen, bevor es zu spät war? – plagen ihn bis er nur noch einen einzigen Ausweg für sich sieht.
Santiago Amigorena schildert die Geschichte seines Großvaters, seiner Familie, die Vertreibung auf beide Seiten des Atlantiks erlebt hat. Viele Sprachen fließen in seinen Adern, Vicente wächst mit dem Jiddischen auf, lernt dann Polnisch für die Schule, ist begeistert von der deutschen Sprache und Kultur und eigentlich sich dann das argentinische Spanisch an, sein Enkel muss später im französischen Exil erneut eine andere Sprache erlernen. Doch alle Sprachen der Welt können nicht das Entsetzen zum Ausdruck bringen, dass mit der Shoa verbunden ist und das am Beispiel Vicentes greifbar wird.
Es sind nur wenige Jahre, die Amigorena schildert, von Ende 1940 bis zum Waffenstillstand 1945, diese jedoch sind entscheidend für Vicente Rosenberg und machen aus dem lebendigen und energischen jungen Vater einen gebrochenen Mann. Der kurze Roman ist dicht und voller essentieller Fragen, die nachdenklich stimmen.
„Wie alle Juden hatte Vicente geglaubt, vieles zu sein, bis die Nazis ihm zeigten, dass ihn tatsächlich nur eines charakterisierte: sein Jüdischsein.“
Weder war er besonders religiös, noch war das Jiddische seine Alltagssprache, in verschiedenen Ländern und Sprachen zu Hause wurde plötzlich etwas zum Distinktionsmerkmal, das Hitler und seine Gefolgsleute brauchten, um sich selbst zu rechtfertigen. Die Definition des Ichs obliegt jetzt nicht mehr dem Individuum, sondern ihm wird zugeschrieben, was er/sie ist und trotz der Entfernung merkt auch Vicente, dass er sich zunehmend als Jude identifiziert und Mitglied der Leidensgemeinschaft wird, ohne jedoch unmittelbar selbst Leid zu erfahren.
Genau dieses treibt ihn in den emotionalen Ausnahmezustand. Er fühlt eine Schuld, fühlt sich als Verräter, denn er ist weit entfernt von der Gräuel, muss nicht erleben, was seine Familie und Freunde durchmachen müssen. Dabei verfügt er nur über wenig Belastbares, was das Ausmaß der Schandtaten angeht. Wie alle anderen ahnt er, dass unbegreifliche Dinge geschehen, aber erst nach der Befreiung wird die Welt begreifen und einen Begriff dafür finden, was die Nazis in Europa angerichtet haben. Doch das wenige Wissen reicht schon, um Vicente zur inneren Migration zu veranlassen und das Reden einzustellen. Nicht dass er nicht wollte, er kann nicht mehr. Das, was er durchlebt, ist sinnbildlich für das, was sich in den Lagern abspielte, und was nicht in Worte zu fassen ist.
Amigorenas Roman war nach Erscheinen 2019 für alle großen französischen Literaturpreise nominiert, was einem nach der Lektüre nicht verwundert. Die Geschichte ist intensiv, jedes Wort passt hier und lässt den Ausnahmezustand des Protagonisten greifbar werden. Der Aufbau in der Parallelität zwischen den inneren und äußeren Vorgängen ist schlicht genial. „Kein Ort ist fern genug“ ist eines dieser ganz wenigen Bücher, die man liest und denkt: so geht große Literatur.
Manches ist geschrieben worden über die „survivors guilt“, das Schuldgefühl derjenigen, die den Holocaust überlebt hatten, während so viele andere sterben mussten, das Gefühl, gewissermaßen ohne eigenen ...
Manches ist geschrieben worden über die „survivors guilt“, das Schuldgefühl derjenigen, die den Holocaust überlebt hatten, während so viele andere sterben mussten, das Gefühl, gewissermaßen ohne eigenen Verdienst davongekommen zu sein mit so viel anderen Verlusten. Der Protagonist von „Kein Ort ist fern genug“ entwickelt dieses Schuldgefühl aus weiter Ferne in Argentinien, wenn er auf die Situation in Warschau im Zweiten Weltkrieg blickt. Von hier ist Vicente, eigentlich Wincenty, ein polnischer Jude, in den späten 20-er Jahren nach Südamerika ausgewandert.
Santiago Amigorena hat seinen Roman im französischen Original „Das innere Ghetto“ genannt, und dieser Titel trifft die Essenz des Buches. Denn während Vicente eigentlich mit seiner europäischen Vergangenheit abgeschlossen hat, in Argentinien eine Familie und eine geschäftliche Existenz gegründet hat, ist seine Mutter mit dem älteren Bruder in Warschau geblieben. Anfangs reagiert Vicente genervt auf die Wünsche der Mutter nach regelmäßigen Briefen, lässt die Schreiben, die ihn erreichen, auch längere Zeit unbeantwortet. Selbst der Beginn des Zweiten Weltkriegs ändert daran zunächst wenig.
Erst nach und nach macht sich Vicente klar, dass die beunruhigenden Zeitungsberichte, die sein ebenfalls aus Polen stammender Freund Ariel im Kaffeehaus diskutiert, für seine Mutter einen ganz persönlichen Bezug haben. Der Mann, der sich längst als Argentinier betrachtet hat, der auch in Polen mit dem orthodoxen Judentum wenig am Hut hatte und sich eher als Pole gefühlt hatte, entwickelt angesichts der Vorgänge in Europa ein Bewusstsein für seine eigene jüdische Identität als Konfrontation mit dem Antisemitismus, wobei dies eine eher schmerzlich-ambivalente Erfahrung ist:
„Mit am schlimmsten am Antisemitismus ist die Tatsache, dass Juden sich zwangsläufig als Juden zu fühlen haben, dass man sie auf eine Identität jenseits ihres Willens festlegt und kurzerhand für sie beschließt, wer sie wirklich sind. … Wie viele Juden verstand Vicente allmählich, dass der Antisemitismus Semiten braucht, um existieren zu können.“
Die Deportationen, die Einrichtungen von Ghettos, die „Sonderaktionen“ – vor Argentinien aus ist das weit weg, sprengt auch die Vorstellungskraft von Vicente, Ariel und ihren Freunden, um so mehr die der argentinischen Nachbarn. Doch mehr noch als die Zeitungsartikel und Wochenschauberichte sind es die immer spärlicher werdenden, die immer sehnsüchtiger erwarteten Schreiben der Mutter, die Vicente die Augen öffnen.
Gewiss, er hatte davon gesprochen, die Mutter nach Argentinien zu holen, war aber doch erleichtert zu wissen, dass sie bestimmt nicht seine Geschwister zurücklassen würde. Hätte er drängen müssen, hätte er die Zeichen der Zeit erkennen müssen? Während seine Mutter aus dem Ghetto von Hunger und dem allgegenwärtigen Tod auf den Straßen berichtet, begibt sich Vicente in das „innere Ghetto“, in eine von der Umgebung abgeschottete Gedankenwelt, in der kein Platz mehr für die Liebe seiner Frau und seiner Kinder, für die Arbeit ist. Glücksspiel, Pferdewetten, Nächte im Kaffeehaus sind einer Flucht aus dieser Realität wie auch aus der Realität in Europa.
Der Brief seiner Mutter hatte Vicente die Augen geöffnet und ihn zum Schweigen gebracht angesichts des Unsagbaren. „Sein Blick ist inzwischen gesprächiger geworden, als es seine Lippen je waren“ konstatiert sein Freund Ariel. Aus dem inneren Ghetto gibt es keinen Ausweg, so wie auch der Weg der Mutter aus dem Warschauer Ghetto nur vom berüchtigten Umschlagplatz in das Vernichtungslager Treblinka gehen konnte.
Auch Vicente ist ein Überlebender, ein Davongekommener, der von Schuldgefühlen niedergedrückt und zum Verstummen gebracht wurde. Es ist sein Enkelsohn Amigorena, der sich sein Bild der Familiengeschichte erschreibt.
„Kein Ort ist fern genug“ ist keine klassische Holocaustliteratur und doch untrennbar mit der Erfahrung der Schoah verbunden. Das Buch erzählt langsam, eher unspektakulär. Es ist sowohl ein Psychogramm wie eine Warnung von Gleichgültigkeit angesichts scheinbar ferner Ereignisse.