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Veröffentlicht am 15.09.2016

Ifemelu

Americanah
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Ifemelu ist vor vielen Jahren zum Studieren aus ihrer Heimat Nigeria in die USA gekommen. Sie hat ihre Familie und ihren Partner Obinze hinter sich gelassen, sich in Philadelphia ein erfolgreiches Berufsleben ...

Ifemelu ist vor vielen Jahren zum Studieren aus ihrer Heimat Nigeria in die USA gekommen. Sie hat ihre Familie und ihren Partner Obinze hinter sich gelassen, sich in Philadelphia ein erfolgreiches Berufsleben aufgebaut, Freunde gefunden. Jetzt möchte sie in ihre Heimat zurückkehren und nutzt diesen Anlass um ihr Leben Revue passieren zu lassen.

Dieser Roman hat mich wirklich gefesselt. Ja, es geht um die Liebe zweier Menschen, aber das bedeutet nicht automatisch, dass es sich hierbei um eine kitschige Lovestory handelt. Ifemelus Leben ist sehr spannend, gerade weil es so normal ist. An ihrem Beispiel verdeutlicht die Autorin was es bedeutet alleine in ein fremdes Land zu kommen, ein Land, in dem die Hautfarbe auf einmal wichtig ist. Ein Land, in dem der positive Rassismus die seltsamsten Blüten treibt und gleichzeitig zum unüberwindlichen Hindernis wird. Ein Land, in dem die eigene Identität plötzlich auf dem Prüfstand steht. Ifemelu ruft einen Blog ins Leben, schreibt sich die alltäglichen Betrachtungen von der Seele; ihre Einträge haben mich oft zum Nachdenken gebracht, denn sie bringt viele Dinge ungeschönt auf den Punkt. Ich mochte sie quasi von der ersten Seite an, man kann sich sehr gut in sie hineinversetzen und ihre Probleme nachfühlen. Die Geschichte ist toll erzählt, sehr flüssig geschrieben, sprachlich sehr ansprechend. Chimamanda Ngozi Adichie spricht in ihrem Roman viele heikle Themen an, trotzdem ist Americanah kein belehrendes Buch, sondern ein kluger und eindringlicher Roman, der mir viel Freude bereitet hat.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Von Ameisen und Menschen

Nachruf auf den Mond
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„Ich bin neunzehn Jahre alt, und das Einzige, worüber ich in meinem Leben frei bestimmen kann, ist diese Geschichte und wie ich sie erzähle. Allein schon deswegen will ich es nicht vermasseln. Es wäre ...

„Ich bin neunzehn Jahre alt, und das Einzige, worüber ich in meinem Leben frei bestimmen kann, ist diese Geschichte und wie ich sie erzähle. Allein schon deswegen will ich es nicht vermasseln. Es wäre nett von Ihnen, wenigstens zu versuchen, mir zu vertrauen.“ (S. 95)
Matthew Homes hat mit nur 9 Jahren seinen älteren Bruder Simon verloren. Als wäre diese Tragödie nicht schon groß genug, wird bald klar, dass Matt noch anderweitige psychische Probleme hat. Jahre später wird er endlich in einer psychiatrischen Klinik behandelt und beginnt dort Simons und v.a. seine Lebensgeschichte zu erzählen.
Nathan Filer hat ein zu Recht hochgelobtes Buch geschrieben, auch mich hat er völlig überzeugt. Nachruf auf den Mond ist kein einfaches Buch, denn Matthew erzählt seine Geschichte nicht chronologisch und nachvollziehbar, sondern in Bruchstücken und scheinbar zusammenhangslosen Gedanken, die zudem durch Zeitsprünge unterbrochen werden. Diese wirre Erzählweise macht es aber gerade umso authentischer, ist Matts Schizophrenie doch inzwischen manifest. Er erzählt manchmal regelrecht flappsig, schildert tragische Ereignisse in so leichtem Ton, dass der Leser erst recht betroffen ist. Durch die direkte Ansprache fühlt man sich ihm noch näher. Die Geschichte lebt neben ihrer dramatischen Entwicklung auch von ihren starken Charakteren, die allesamt hervorragend gelungen sind. Natürlich Matt, der mit einer Trauer und vermeintlichen Schuld durchs Leben geht, die jeden noch so gesunden Menschen zerrüttet hätten. Der Simons Begeisterung für Ameisen für sich übernimmt, seinen Bruder im Wind, Wasser, ja sogar im verschütteten Salz entdeckt; und der seine Medikamente vielleicht auch deswegen verweigert, weil so sein Bruder endgültig zu verschwinden droht. Seine Mutter, die nach dem Tod ihres Kindes das andere völlig vereinnahmt, es vor der großen bösen Welt beschützen will und quasi täglich zum Arzt bringt, sollte sich doch mal ein Bakterium in seine Nähe verirrt haben. Der Vater, der seine Trauer ins letzte Kämmerlein verbannt. Die Großmutter, die ihrem Enkel ziemlich hilflos zur Seite steht und hofft, dass mit einer guten Mahlzeit schon alles ins Reine zu bringen ist. Sie alle haben Tiefgang, sind sehr plastisch und realistisch.
Erwähnen möchte ich auch die tolle optische Aufarbeitung, verschiedene Schriftarten, Briefe, Zeichnungen u.ä. vergrößern den Lesegenuss zusätzlich.
Fazit: Es ist eine tragische Geschichte, aber auch eine wundervolle, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Familie

Was ich euch nicht erzählte
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„Lydia ist tot. Aber das wissen sie noch nicht… Lydia – der unfreiwillige Mittelpunkt ihrer Familie – hielt jeden Tag die Welt zusammen.“

Celeste Ng erzählt zart und feinsinnig aus den Tagen um Lydias ...

„Lydia ist tot. Aber das wissen sie noch nicht… Lydia – der unfreiwillige Mittelpunkt ihrer Familie – hielt jeden Tag die Welt zusammen.“

Celeste Ng erzählt zart und feinsinnig aus den Tagen um Lydias Tod. In beachtenswerter Art und Weise rollt sie das Geschehen auf, gewährt dem Leser tiefe Einblicke in die Köpfe der Lees. Die Tragödie hinterlässt tiefe Risse im zerbrechlichen Familienleben, denn mit der Tochter sind auch langgehegte Träume begraben worden. Die Zukunftspläne der Mutter, der soziale Erfolg, die endgültig gelungene Integration des Vaters, der unter seiner chinesischen Abstammung leidet. Auf Lydias Schultern lastete hoher Druck, das wird dem Leser schnell klar. Zu viel Ungesagtes, zu hohe gesellschaftliche Erwartungen. Und so kann man den Strudel der Ereignisse nachvollziehen, jedoch nicht aufhalten. Die Autorin hat einen wunderbaren Weg gefunden verschiedene Perspektiven und Zeitachsen zu einem großen Ganzen zu verweben, das mich einfach mitgerissen hat. Ihre Geschichte ist bedrückend, traurig, hilflos und trotzdem wunderschön.

Fazit: toll geschriebener, sehr berührender Roman ohne Kitsch.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Spurensuche

Wer ist Mr Satoshi?
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Foss hat es nicht leicht: seine Frau ist vor einiger Zeit gestorben, er leidet sehr darunter und hat so einige psychische Probleme entwickelt. Dazu kommt noch die Demenz seiner Mutter, die immer bedrohlichere ...

Foss hat es nicht leicht: seine Frau ist vor einiger Zeit gestorben, er leidet sehr darunter und hat so einige psychische Probleme entwickelt. Dazu kommt noch die Demenz seiner Mutter, die immer bedrohlichere Züge annimmt. Angesichts ihrer Verwirrtheit nimmt er sie zunächst nicht ernst als sie ein Päckchen an einen gewissen Mr. Satoshi schicken möchte. Könnte ja nur ein Hirngespinst sein. Doch eine alte Freundin bestätigt Satoshis Existenz. Foss lässt sich langsam aber sicher aus seinem Tran reißen und begibt sich auf Spurensuche.
Jonathan Lee hat mich mit seinem Buch völlig eingefangen. Diese subtile Charakterzeichnung und der verquere, aber sympathische Foss haben es mir angetan. Schnell wird man in die Geschichte gezogen, bei der die Frage nach Satoshi manchmal in den Hintergrund rückt. Viel wichtiger erscheint dem Leser die Frage ob und wie Foss wieder Boden unter den Füßen finden wird. Sehr quirlige und liebenswerte Hilfe bekommt er da von ganz unverhoffter Seite, über die ich jetzt gar nicht so viel verraten möchte. An sich ist die Handlung gar nicht so wahnsinnig spektakulär gestrickt, aber weniger ist eben manchmal wirklich mehr.
Besonders hervorheben möchte ich die sprachliche Gestaltung des Romans; selten habe ich ein Buch gelesen, das so leise, poetisch und elegant geschrieben ist ohne verblümt oder abgehoben zu wirken. Das Lob gilt natürlich auch der Übersetzerin, die hier hervorragende Arbeit geleistet hat. Es gibt so einige Passagen, die mir tief unter die Haut gingen und viele Formulierungen, die durch ihre klare Schönheit bestechen.

Fazit: Berührend, einfühlsam und tiefgründig. Lesen!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Grandioser Krimigenuss für Fans der düsteren Atmosphäre

Gun Street Girl
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Belfast, mitten in den 80ern. Als wäre Sean Duffy mit den immer wieder aufflackernden Unruhen und Aufständen nicht schon genug unter Stress, als wäre der Status als katholischer Bulle nicht schon brisant ...

Belfast, mitten in den 80ern. Als wäre Sean Duffy mit den immer wieder aufflackernden Unruhen und Aufständen nicht schon genug unter Stress, als wäre der Status als katholischer Bulle nicht schon brisant genug, führt ihn ein Doppelmord in ganz ungeahnte Tiefen. Ein Ehepaar wurde vor dem heimischen TV eiskalt erschossen. Der zunächst glasklare Fall verzettelt sich mehr und mehr…
Knappe anderthalb Jahre sind seit den Geschehnissen vom vorherigen Band vergangen und doch hat sich für Irland im Allgemeinen und Duffy im Speziellen nicht viel geändert. Auf den ersten Blick zumindest. Mit einer subtilen Leichtigkeit erzählt McKinty von den politischen Entwicklungen dieser Zeit, von den gesellschaftlichen Umbrüchen und Veränderungen und damit meine ich jetzt nicht nur den veränderten Musikgeschmack ; )
Ich mag Duffy einfach, sein staubtrockener Humor und Sarkasmus, seine Liebe zu guter Musik & Literatur machen ihn sympathisch, ebenso seine Fehler und Schwächen, die ihn so schön menschlich machen. Man merkt ihm an, dass er so langsam aber sicher irgendwie den Boden unter den Füßen verliert und drückt ihm fest die Daumen, dass er die Kurve bekommt. Dieses Mitfiebern nicht nur für die Entwicklung des Falles, sondern eben auch für die Entwicklung der Protagonisten macht dieses Buch zu einem wahren Pageturner. McKintys Talent für düstere, raue Atmosphäre versetzt den Leser in die richtige Stimmung für die Story, seine z.T. geradezu poetische Ausdrucksweise (danke natürlich auch an den Übersetzer), ließen mich so schnell nicht wieder los. Irgendwo habe ich munkeln hören, dies solle der letzte Band mit Duffy sein. Wenn ja, hat der Autor der Reihe mit einem fulminanten Ausrufezeichen ein Ende gesetzt. Wegen mir darf er gerne noch weitere Bände nachschieben.

Fazit: einfach ein tolles Buch. Lesen!