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Veröffentlicht am 29.07.2020

Höhen und Tiefen drei sympathischer Charaktere in dunklen Zeiten

Schatten der Welt
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Im Jahr 1910 wohnt Carl als Schneiderssohn in Thorn in Westpreußen. Dem baldigen Ende der Schulzeit sieht er mit Bedauern entgegen - ganz im Gegensatz zu seinem besten Freund Artur, der bereits große Geschäftspläne ...

Im Jahr 1910 wohnt Carl als Schneiderssohn in Thorn in Westpreußen. Dem baldigen Ende der Schulzeit sieht er mit Bedauern entgegen - ganz im Gegensatz zu seinem besten Freund Artur, der bereits große Geschäftspläne schmiedet. Doch für diese braucht er die Unterstützung von Carl. Zusammen mit der furchlosen Isi verkaufen die beiden der Thorner Bevölkerung Schutzmasken gegen den vorbeiziehenden, völlig harmlosen Halleyschen Kometen. Die drei haben große Pläne und Träume, die sie verwirklichen wollen. Doch durch den Kriegsausbruch kommt alles anders.

Die Geschichte wird dem Leser von Carl erzählt. Er ist ein intelligenter Junge, dem eine weitere Schulbildung aufgrund der ärmlichen Verhältnisse seines Vaters verwehrt bleibt. Auch wenn man als Schneider nicht viel verdient rechnet Carl damit, ebenfalls diesen Beruf zu ergreifen. Sein Freund Artur muss zwar auch in der Wagnerei seines Vaters mithelfen, schmiedet aber bereits anderweitige große Pläne.

Die Dritte im Bunde ist Isi, die Artur in Sachen Gerissenheit noch überbieten kann. Carl lernt sie kennen, weil er von ihr gehörig übers Ohr gehauen wird. Aus einem Zweckbündnis entsteht mit der Zeit eine Freundschaft. Die drei fühlen sich geradezu unbesiegbar und der Erfolg scheint ihnen sicher. Doch es gibt Personen, die das aus ganz unterschiedlichen Gründen verhindern wollen.

Man begleitete die drei Protagonisten in diesem Buch über mehrere Jahre hinweg. Es werden einzelne Episoden beschrieben, in denen oft irgendeine Form der Ungerechtigkeit geschieht oder Hindernisse aus dem Weg geräumt werden müssen. Die historischen Hintergründe sind sorgfältig recherchiert, das Erlebte ist aus dramaturgischen Gründen jedoch stets extremer als das eines Durchschnittsbürgers der Zeit.

Das Buch nimmt sich einer großen Bandbreite an Themen an wie der Macht der Großgrundbesitzer, dem sich verändernden Transportwesen und der in Mode kommenden Fotographie. Antagonisten werden früh in Stellung gebracht und tauchen immer wieder auf. Sie werden als durchweg böse dargestellt, die drei Freunde stehen auf der anderen Seite als Helden - mir persönlich war diese Darstellung zu stereotyp.

Auf der Hälfte des Buches bricht der Krieg aus und reißt die drei Charaktere auseinander. Die Grauen des Krieges und des damit verbundenen Massensterbens werden authentisch dargestellt, ohne das es allzu explizite Schilderungen des Tötens gibt. Die Schilderungen sind sehr bedrückend und als Leser hofft man, dass es wenigstens für die Protagonisten eine Zukunft gibt. Eine Fortsetzung ist bereits in Planung und insbesondere für Carl, dessen jüdische Herkunft häufig erwähnt wurde, schwant mir nichts Gutes.

„Schatten der Welt“ ist ein Reihenauftakt mit drei sympathischen Protagonisten, die man als Leser durch persönliche Höhen und Tiefen in einer dunklen Zeit begleitet. Gerne empfehle ich das Buch an historisch interessierte Leser weiter!

Veröffentlicht am 18.07.2020

Bienen und Geheimnisse in North Carolina

Wenn du zurückkehrst
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Trevor Benson ist erst zweiunddreißig Jahre alt, kann seinen Beruf als Orthopäde aber nicht mehr ausüben. Während seines Einsatzes in Afghanistan wurde er vier Jahre zuvor von einer Mörsergranate getroffen ...

Trevor Benson ist erst zweiunddreißig Jahre alt, kann seinen Beruf als Orthopäde aber nicht mehr ausüben. Während seines Einsatzes in Afghanistan wurde er vier Jahre zuvor von einer Mörsergranate getroffen und schwer verletzt. Bis in ein paar Monaten seine neue Facharztausbildung als Psychiater beginnt, zieht er in das Haus seines kürzlich verstorbenen Großvaters in New Bern, North Carolina. Dort lernt er die Polizistin Natalie kennen, die auf seine Flirtversuche zunächst zurückhaltend reagiert, einem Date dann aber doch zustimmt. Sie scheint ein Geheimnis zu haben, ebenso wie die junge und wortkarge Callie, die in einer Wohnwagensiedlung in der Nähe wohnt und mit seinem Großvater befreundet war. Weiß sie vielleicht etwas darüber, wohin sein Großvater fahren wollte, als er in South Carolina einen tödlichen Schlaganfall erlitt?

Die Geschichte beginnt im Jahr 2019 mit einer Hochzeit, auf der Trevor zu Gast ist. Er denkt daran zurück, wie er die Braut fünf Jahre zuvor kennenlernte und nimmt den Leser mit auf diese Zeitreise. Sie führt nach North Carolina, wo Trevor sich gerade in dem Haus einlebt, das er von seinem Großvater geerbt hat. Seit seiner Verletzung vor vier Jahren hat er sich Schritt für Schritt zurück ins Leben gekämpft und seine Posttraumatische Belastungsstörung unter Kontrolle gebracht. Nun steht dem baldigen Beginn seiner neuen Facharztausbildung als Psychiater nichts mehr im Wege und er möchte die verbleibende Zeit nutzen, um sich um das Haus und die Honigbienen im Garten zu kümmern.

Schon bei ihrer ersten Begegnung flirtet Trevor offensiv mit Natalie, die jedoch abblockt. Ich fand ihn zu Beginn recht aufdringlich, mit der Zeit wurde er mir aber sympathischer. Natalie interessiert sich sehr für die Bienen, sodass sie schließlich einwilligt, sich diese von Trevor zeigen zu lassen. Seine Erklärungen sind ausführlich, sodass auch der Leser hier noch Neues über Bienen und Honig lernen kann.

Trevor versucht gleichzeitig, herauszufinden, was sein Großvater in South Carolina gemacht hat. Doch das wenige, das er in Erfahrung bringen kann, ist nicht sonderlich aufschlussreich. Die Geschichte schreitet in ruhigem Tempo voran und bietet schöne und nachdenklich stimmende Szenen, von denen für mich aber keine besonders herausstach.

Im letzten Drittel kommt es zu einem dramatischen Zwischenfall, der die Lüftung der drei großen Geheimnisse des Buchs einläutet. Da es zuvor schon einige Hinweise gab, hatte ich mir das meiste bis dahin bereits zusammengereimt. Dennoch fand ich es interessant zu sehen, wie die Charaktere auf die Neuigkeiten reagieren. Es kommt zu emotionalen Szenen, bevor die Geschichte zur Anfangsszene zurückspringt und ziemlich rasch ein Ende findet.

„Wenn du zurückkehrst“ ist ein Buch für alle, die Bienen mögen und Lust auf einen romantischen und schicksalbehafteten, amerikanischen Roman haben!

Veröffentlicht am 11.07.2020

Rückkehr nach Panem - Die zehnten Hungerspiele

Die Tribute von Panem X. Das Lied von Vogel und Schlange
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Coriolanus Snow kannte man bisher nur als bösen Präsidenten und Nemesis von Katniss Everdeen. Hier lernt man ihn als beinahe mittellosen Studenten der Akademie kennen. Sein Familienname bedeutet noch etwas ...

Coriolanus Snow kannte man bisher nur als bösen Präsidenten und Nemesis von Katniss Everdeen. Hier lernt man ihn als beinahe mittellosen Studenten der Akademie kennen. Sein Familienname bedeutet noch etwas im Kapitol, doch er macht nicht satt und zahlt auch nicht die Kosten der Universität, die er im folgenden Herbst besuchen will. Wenn er sich jedoch als Mentor eines Tributs bei den Hungerspielen gut anstellt, dann hat er Chancen auf ein Stipendium. Die Nachricht, dass er das Mädchen aus Distrikt 12 betreuen soll, macht seine Hoffnungen beinahe zunichte. Doch Lucy Grey Baird ist ein außergewöhnliches Mädchen, und Coriolanus ein ehrgeiziger junger Mann.

Ich fand es interessant, das Kapitol zur Zeit der Zehnten Hungerspiele zu erleben. Der vergangene Krieg ist in den Köpfen der Menschen noch ziemlich präsent und die Hungerspiele noch nicht jenes ausgeklügelte Spektakel, das sie einmal werden sollen. Ganz im Gegenteil, es schaut kaum jemand zu. Die Idee, den Tributen Studenten als Mentoren an die Seite zu stellen, wird hier zum ersten Mal verprobt. Wie auch in der Trilogie macht die Zeit in der Arena nur einen Teil des Buches aus. Stattdessen erfährt man viel über die Vorbereitungen und das gefährliche Terrain, auf dem Coriolanus sich bewegt. Zu Beginn wirkt er zielstrebig, aber nett. Im Laufe der Geschichte trifft er dann Entscheidungen, mit denen er die Sympathien verspielt und die den Weg zu seinem älteren, bösen Ich aufzeigen. Das Buch hatte ein paar Längen, vor allem nach dem Ende der Hungerspiele, aber auch viele spanennde Abschnitte, in denen ich es nicht aus der Hand legen konnte. Insgesamt ist die Geschichte für mich eine würdige Ergänzung der Trilogie und ein Must Read für alle Panem-Fans!

Veröffentlicht am 20.05.2020

Ein Liebesroman für gemütliche Lesestunden mit Fernweh-Potenzial

Das kleine Hotel auf Island
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Lucy sucht verzweifelt nach einem neuen Job, denn seit sie gefeuert wurde will niemand die Hotelmanagerin mit der Lücke im Lebenslauf einstellen. Zumindest niemand in England - ein kleines Hotel auf Island ...

Lucy sucht verzweifelt nach einem neuen Job, denn seit sie gefeuert wurde will niemand die Hotelmanagerin mit der Lücke im Lebenslauf einstellen. Zumindest niemand in England - ein kleines Hotel auf Island gibt ihr eine Chance. Der Job ist zwar eigentlich weit unter ihrem Niveau und die Zahl verschlissener Manager in den Monaten zuvor bedenklich hoch, doch Lucy nimmt an und stürzt sich ins Abenteuer. Das Hotel hat viel Potenzial, muss aber in Sachen Gemütlichkeit und Struktur zulegen. Außerdem kommt es immer wieder zu ärgerlichen Zwischenfällen, die eigentlich kein Zufall sein können. Lucy fällt es zunächst schwer, Fuß zu fassen. Mit dem Barmann Alex, der ursprünglich aus Schottland kommt, erkundet sie die Insel, um auf andere Gedanken zu kommen. Sie findet ihn bald mehr als nur sympathisch, doch sollte sie die Gefühle als seine Chefin zulassen? Alex selbst hat zudem ein Geheimnis, von dem Lucy nichts ahnt...

Zu Beginn des Buches lernt der Leser die Protagonistin Lucy kennen, die ihr Leben dringend ändern möchte. Im letzten Jahr war sie noch stellvertretende Direktorin eines Vorzeige-Hotels in Manchester, jetzt lebt sie in der winzigen Wohnung ihrer Freundin Daisy und findet keinen Job. Was vorgefallen ist erfährt man zunächst nicht, stattdessen ist eine letzte Idee der Jobvermittlerin erfolgreich und Lucy findet sich kurz darauf in Island wieder.

Lucys Start im Hotel ist reichlich chaotisch und der mysteriöse Anruf, der ihre richtige Ankunftszeit verändert hat, scheint wie weitere kleine Sabotageakte laut Personal auf das Konto des Huldufólks zu gehen. An Lucys Seite erkundet man das Hotel und lernt die vorwiegend sympathischen Angestellten kennen, die ihren Job mit Leidenschaft machen und Lucy die isländische Lebensart näher bringen. Ich hätte mir allerdings eine differenziertere Ausarbeitung der Nebencharaktere gewünscht, denn bis auf Hekla konnte ich diese bis zum Schluss ehrlich gesagt nicht auseinander halten.

Dass Alex ein Geheimnis hat erfährt man als Leser gleich zu Beginn, weshalb man sich beständig fragt, wann es wohl ans Licht kommen wird und was die Konsequenzen sein werden. Weil einige Kapitel aus seiner Sicht erzählt werden weiß man aber ebenso, dass seine Gefühle für Lucy echt sind. Durch die touristischen Ausflüge der beiden erhält man Einblicke, was das Land alles zu bieten hat. Das machte mir Lust darauf, Island eines Tages selbst zu erkunden.

Als Hotelmanagerin muss sich Lucy allerhand großer und kleiner Herausforderungen stellen. Ich fand die Beschreibungen sehr kurzweilig. Daneben gibt es viele amüsante, schöne und romantische Momente, die mich unterhalten konnten. Zum Ende hin schöpft die Geschichte ihr Potenzial aus meiner Sicht allerdings nicht voll aus und die Auflösung konnte mich nicht ganz zufriedenstellen.

„Das kleine Hotel auf Island“ bietet eine romantische Wohlfühl-Geschichte, bei der die Protagonistin Lucy sich als Hotelmanagerin beweisen muss und gleichzeitig dem Barmann Alex näher kommt. Trotz kleinerer Kritikpunkte bekam ich hier einen unterhaltsamen Liebesroman, der Lust auf die nächste Reise macht. Ein Buch für gemütliche, leichte Lesestunden!

Veröffentlicht am 09.05.2020

Ein Mädchen, das kein Opfer sein will

Das wirkliche Leben
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In einem Fertigbauhaus am Waldrand wohnt die Ich-Erzählerin der Geschichte, ein zehnjähriges Mädchen, zusammen mit ihren Eltern und ihrem Bruder Gilles. Das liebste Hobby ihres Vaters ist die Großwildjagd ...

In einem Fertigbauhaus am Waldrand wohnt die Ich-Erzählerin der Geschichte, ein zehnjähriges Mädchen, zusammen mit ihren Eltern und ihrem Bruder Gilles. Das liebste Hobby ihres Vaters ist die Großwildjagd und das Zimmer mit den Trophäen für die Kinder streng tabu. Die meiste Zeit verbringt er mit Whisky vor dem Fernseher. Doch es brodelt beständig in ihm, bis er wieder explodiert und seiner Frau Gewalt antut, während die Kinder auf ihre Zimmer fliehen. Als sich vor den Augen der Geschwister ein schrecklicher Unfall ereignet, zieht sich Gilles gänzlich zurück. Seine Schwester ist fest entschlossen, in die Vergangenheit zu reisen und alles wieder gut zu machen, damit er wieder lachen kann. Doch über die Jahre spitzt sich die Situation im Haus immer weiter zu.

Das Cover des Buches zeigt einen Hasen, der Raum für Interpretation lässt. Er könnte die Protagonistin symbolisieren, die clever und flink ist und versucht, nicht als Beute zu enden. Zu Beginn des Buches ist sie zehn Jahre alt und hat eine enge Beziehung zu ihrem Bruder. Deshalb ist sie wild entschlossen, ihn zu retten, als er sich nach einer gemeinsam erlebten Tragödie verändert. Sein Verhalten wirkt auf sie, als hätte die unheimliche Hyäne aus dem Trophäenzimmer sich in seinem Inneren eingenistet.

Die Geschichte hat ein hohes Tempo und zog mich schnell in seinen Bann. Die Versuche des Mädchens, ihren kleinen Bruder wieder zu dem zu machen, der er früher wahr, fand ich berührend. Doch die Erkenntnis, dass man die Zeit nicht einfach zurückdrehen kann, lässt sie allmählich erwachsen werden. Ihre Mutter ist für das Mädchen wie eine Amöbe. Sie bleibt passiv und wird immer wieder das Opfer der Gewalt ihres Mannes. Die Beschreibungen seiner Gewaltausbrüche sind explizit und schockierend. Die Protagonistin selbst versucht, ihrem Vater möglichst aus dem Weg zu gehen und beginnt, Dinge bewusst vor ihm geheim zu halten.

Ich habe mitgehofft, dass die Erzählerin ihren Weg gehen kann und sich nicht in die Opferrolle drängen lässt. Die Situation spitzt sich über die Jahre immer weiter zu. Die Beziehung ihres Vaters zu ihrem Bruder rückt dabei immer weiter in den Fokus und sorgt für bedrückende Momente. Schließlich kommt es zu einer Schlüsselszene rund um das Thema Jäger und Beute, die von der Autorin sprachgewaltig erzählt wird. Die Nebenhandlung rund um einen Nachbarn der Erzählerin fand ich hingegen nicht ganz stimmig. Das Ende des Buches lässt mich mit gemischten Gefühlen zurück.

„Das wirkliche Leben“ erzählt die Geschichte eines Mädchens, das kein Opfer sein will. Es setzt auf starke Szenen, die schockieren und berühren. Insgesamt ein wirklich lesenswertes Buch!

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