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Veröffentlicht am 08.08.2020

Beeindruckendes Buch

Riviera - Der Traum vom Meer
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Der Traum vom Meer erzählt die Geschichte Salomes, die 1922 als achtjährige das erste Mal vom Meer hört und es kurz darauf auch kennen lernen darf. Ihr Vater hat in Frankfurt ein Reisebureau und wird nach ...

Der Traum vom Meer erzählt die Geschichte Salomes, die 1922 als achtjährige das erste Mal vom Meer hört und es kurz darauf auch kennen lernen darf. Ihr Vater hat in Frankfurt ein Reisebureau und wird nach dem Tod der Großmutter vom italienischen Hausmädchen Paola dazu gebracht, an die Riviera nach San Remo zu fahren und dort Reisen für deutsche Touristen zu organisieren, zusammen mit dem Hotelier Renzo Barbera. In dessen Tochter Ornella findet Salome eine Schwester und Verbündete. In den kommenden Jahren verbringt die Familie die Sommer an der Riviera. Aber der aufziehende Faschismus und später auch die Nazi-Herrschaft in Deutschland machen das Geschäft mit den Reisen immer schwieriger. Und auch die Freundschaft der Mädchen wird durch einen Mann auf die Probe gestellt.

Julia Kröhn liefert mit diesem ersten Band einer Dilogie ein wortgewaltiges Buch ab. Die Charaktere kann man, muss man aber nicht mögen. Anfangs fiel es mir tatsächlich schwer mich auf die Eigenarten der Handelnden einzulassen. Aber ab der zweiten Hälfte des Buches nimmt die Geschichte an Fahrt auf und auch die Charaktere werden vertrauter. Besonders die Szenen, in denen Salome, Felix und Ornella gemeinsam unterwegs sind fand ich sehr beeindruckend, lief doch gerade hier das Kopfkino sehr intensiv.

Am Ende fiel es mir dann auch schwer das Buch zuzuklappen und es hallt immer noch nach. .
Von daher möchte ich hier durchaus eine Leseempfehlung aussprechen, auch wenn es mir Anfangs etwas schwer fiel, ins Buch zu finden. Auf den zweiten Band, den ich hier bereits liegen habe bin ich schon sehr gespannt.

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Veröffentlicht am 29.07.2020

Start der Wunderfrauen

Die Wunderfrauen
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Starnberg im Jahr 1953. Die Wunderfrauen sind vier Frauen, die versuchen in den Zeiten des Wirtschaftswunders ihre Träume zu leben, ihre Ängste zu besiegen und in die Zukunft zu schauen. Louise überredet ...

Starnberg im Jahr 1953. Die Wunderfrauen sind vier Frauen, die versuchen in den Zeiten des Wirtschaftswunders ihre Träume zu leben, ihre Ängste zu besiegen und in die Zukunft zu schauen. Louise überredet ihren Mann sie einen kleinen Gemischtwarenladen eröffnen zu lassen. Helga bricht mit ihren Eltern und beginnt eine Ausbildung zur Krankenschwester, Marie kommt auf ihrer Stellensuche auf dem Hof von Louises Brüdern unter und Annabel fürchtet um ihre Ehe.

Abwechselnd begleiten wir die vier Frauen durch die Jahre 1953 und 54 bis zum WM-Sieg der deutschen Fußballer. Dadurch, dass die Vier ganz unterschiedliche Charaktere haben und jede mit anderen Problemen zu kämpfen hat, zeichnet die Autorin ein breit gefächertes Bild der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Auch die Vergangenheit spielt immer wieder eine Rolle, Marie ist aus Schlesien vertrieben worden, Helgas Eltern waren wohl in Nazigeschäfte und Judenvertreibungen verwickelt und Louise hat eine Zeitlang als Köchen in einem Lager für Displaced Persons gearbeitet.

Aufgelockert wird das Ganze immer wieder durch die Notizen Louises in ihre diversen Merkhefte, die sie zum Führen ihres Ladens anlegt.

Mir hat das Buch gut gefallen, am liebsten waren mir Marie und Louise. Helga war mir teilweise zu egoistisch und Annabell zu unsicher. Aber im Laufe der Geschichte lernt man alle so gut kennen, dass die Defizite hinter den liebenswerteren Eigenschaften verschwinden. Schade fand ich, dass Annabelle am Ende eigentlich zur Nebenfigur verkommen ist und nur noch aus der Sicht von Helga und Louise auftaucht. Was manch norddeutschen Leser etwas verwirren dürfte, sind die Passagen in denen breit bayerisch „gesprochen“ wird. Für Leser, die den Dialekt nicht kennen oder gar beherrschen mag sich das wohl wie eine Fremdsprache lesen. Selbst ich habe gelegentlich mit geschriebenem Dialekt Probleme, obwohl ich ihn mündlich gut verstehe, da ich ja selbst in München aufgewachsen bin.

Alles in allem war es ein schönes Buch, das bei mir auch Kindheitserinnerungen an Ausflüge zum Starnberger See wachgerufen hat. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie es mit den Vieren denn weitergehen wird. Die Leseprobe zu Band zwei war schon mal ganz vielversprechend.

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Veröffentlicht am 26.07.2020

zurück in Holt

Kostbare Tage
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In Kostbare Tage nimmt uns Kent Haruf wieder mit nach Holt, einer kleinen Stadt mitten in Colorado. Diesmal beleuchtet er das Schicksal von Dad Lewis, und dessen letzten Tage. Dad hat Krebs im Endstadium ...

In Kostbare Tage nimmt uns Kent Haruf wieder mit nach Holt, einer kleinen Stadt mitten in Colorado. Diesmal beleuchtet er das Schicksal von Dad Lewis, und dessen letzten Tage. Dad hat Krebs im Endstadium und seine Tochter Lorraine kommt nach Hause um ihrer Mutter bei der Pflege zu helfen. Wie in Kleinstädten üblich unterstützen auch Nachbarn und Freunde die Familie. So kommen die Johnssons, Mutter und Tochter, immer wieder vorbei und auch die Nachbarin Berta-May und ihr Enkelin Alice helfen wo sie können. Nach und nach erfahren wir auch ihre Geschichten und auch die des Pfarrers Lyle und seiner Familie wird erzählt.

An sich ist es kein aufregendes Buch, der Autor erzählt einfach aus dem Alltag. Und doch kommen immer wieder Themen hoch, die unsere Gesellschaft beleuchten, wie Homophobie, Patriotismus und Sterbebegleitung. Der Schreibstil ist fast emotionslos und da die wörtliche Rede im Text nicht wirklich hervorgehoben wird, hat man manchmal das Gefühl, dass der Text ein wenig mehr Ecken und Kanten vertragen hätte. Trotzdem hat mich gerade die Geschichte Dads sehr berührt, macht er sich am Ende doch noch einmal Gedanken darüber was alles nicht so gut in seinem Leben gelaufen ist.

Als Wohlfühlbuch würde ich es nicht bezeichnen, allerdings bewirkt der ruhige Schreibstil tatsächlich eine gewisse Entschleunigung, sofern man sich drauf einlassen kann.

Von mir bekommt das Buch eine Leseempfehlung. Besonders möchte ich auch die schöne Gestaltung des Buches durch den Verlag hervorheben, der Leinenumschlag unter der schön gestalteten Cover macht auch das haptische Erlebnis zu einem Genuss.

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Veröffentlicht am 24.07.2020

Schöner historischer Krimi

Die Tote in der Sommerfrische
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Viktoria Berg kommt aus gutem Hause, ihr Vater ist Staatsanwalt. Trotzdem hat sie sich bei ihrem Vater durchgesetzt und wird Lehrerin werden. Bevor sie ihre erste Stelle antritt geht sie noch in die Sommerfrische ...

Viktoria Berg kommt aus gutem Hause, ihr Vater ist Staatsanwalt. Trotzdem hat sie sich bei ihrem Vater durchgesetzt und wird Lehrerin werden. Bevor sie ihre erste Stelle antritt geht sie noch in die Sommerfrische nach Norderney. Christian Hinrich ist Journalist und soll für eine Damenzeitschrift einen Artikel über die Sommerfrische auf Norderney schreiben. Eines Abends findet er eine Tote am Strand und Viktoria erkennt diese als ihre Jugendfreundin Henny. Die Polizei geht von einem Selbstmord aus, doch Viktoria und Christan glauben da nicht dran. So machen sie sich gemeinsam auf Spurensuche und geraten zwischen die gesellschaftlichen Fronten.



Das Buch schildert vor allem die gesellschaftlichen Verhältnisse im Kaiserreich kurz vor dem ersten Weltkrieg. Die Hierarchien sind ganz klar geregelt, der Adel hält sich für etwas besonders und schaut auf alle herab. Die zu Geld gekommenen Industriellen, halten den Adel für überflüssig und jeden, der nicht entsprechend Geld verdient für nicht ebenbürtig. Der Mittelstand grenzt sich wiederum von den Arbeitern ab und auch diese hegen und pflegen ihre Vorurteile. Manchmal ist mir die Borniertheit der entsprechenden Vertreter in diesem Buch gewaltig auf den Keks gegangen.

Allerdings war mir auch immer bewusst, dass es tatsächlich genau so war und auch die Behandlung der Frau war damals ja noch sehr heftig. So muss sich Viktoria zwischen einer beruflichen Laufbahn als Lehrerin und einer Heirat entscheiden. Wobei sie sich für die Entscheidung zu arbeiten massiv rechtfertigen muss.



Der Kriminalfall entwickelt sich tatsächlich als ziemlich verwickelt und die Auflösung ist doch recht überraschend.

Das Buch ließ sich sehr gut lesen, man hatte das Geschehen direkt vor Augen. Durch den Wechsel der Perspektive zwischen Viktoria und Christian bekommt der Leser einen guten Einblick in das Innenleben der beiden und kann ihre Zweifel und Unsicherheiten gut nachvollziehen. Außerdem entstehen so immer wieder kleine Brüche, die den Leser dazu bringen, weiterlesen zu wollen, um zu erfahren, wie es weitergeht.



Das Buch ist der Auftakt einer Reihe. Ich bin gespannt, wie Viktoria und Christian sich wiedersehen und wie sich die Beziehung der beiden zueinander weiter entwickelt.

Von mir daher eine Leseempfehlung für diesen schönen historischen Krimi.

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Veröffentlicht am 18.07.2020

Zeitzeugnis

Als wär's ein Stück von mir
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Carl Zuckmayer war mir lange Zeit nur als der Autor des Hauptmann von Köpenick bekannt, den ich in der Schule lesen durfte. Über ihn und sein Leben habe ich mich lange keine Gedanken gemacht, obwohl ich ...

Carl Zuckmayer war mir lange Zeit nur als der Autor des Hauptmann von Köpenick bekannt, den ich in der Schule lesen durfte. Über ihn und sein Leben habe ich mich lange keine Gedanken gemacht, obwohl ich die Autobiographie seiner Frau „Die Farm in den grünen Bergen“ bereits als Teenager begeistert gelesen hatte. Als ich letztens nun „Die Schule am Meer“ von Sandra Lüpkes gelesen habe, tauchte er in einer kurzen Nebenrolle auf, spielt doch sein großer Bruder eine wichtige Rolle in diesem Buch. Das brachte mich dazu Die Farm in den grünen Bergen noch einmal zu lesen und dann nach einer Biographie seines Lebens Ausschau zu halten.


Als wär’s ein Stück von mir ist seine Autobiographie, die er 1966 verfasst hat, als er mit seiner Frau bereits zurück in Europa war und in Saas Fee seine letzten Jahre verbrachte. Das Buch beginnt mit den Jahren, die er mit seiner Frau in Henndorf verbracht, bis sie durch die Nazis von dort vertrieben wurden und in die Schweiz flüchten mussten. Erst danach setzt eine chronologische Erzählweise ein, in der die Jahre der Jugendzeit, der Erlebnisse im 1. Weltkrieg und den Jahren bis zu den ersten Erfolgen folgen. Es folgen die Jahre der Emigration in den USA und die Rückkehr nach dem Krieg.


Interessant wird es immer dann, wenn Zuckmayer von seinen direkten Erlebnissen erzählt. Da ist man mitten im Geschehen und spürt die Angst, bzw. die Lebensfreude. Etwas schwieriger zu Lesen fand ich das Buch wenn es sich um Ortsbeschreibungen oder charakterliche Darstellungen von Zeitgenossen handelte. Was vermutlich auch daran liegt, dass viele der Namen heute kein Begriff mehr sind.


Trotz allem war es ein gut zu lesendes Buch und mich hat überrascht wie reflektiert Zuckmayer das Verhalten der Deutschen und besonders der Intellektuellen in der Weimarer Republik beurteilt. Dass man hier zu blauäugig war und zu wenig unternommen hat. Auch dass der erste Weltkrieg herbeigesehnt wurde kann er aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. In seinem Umfeld glaubte niemand an den Krieg, bis er wirklich ausbrach.

Ich habe Carl Zuckmayer in diesem Buch als einen interessanten und sehr nachdenklichen Menschen kennenglernt, der eine ungewöhnliche Lebensgeschichte zu erzählen hat.


Von mir daher eine Leseempfehlung.

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