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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.10.2020

Kritisch und äusserst unterhaltsam

Die Ladenhüterin
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Inhalt:
Keiko ist anders. Sie wirkt auf andere Menschen speziell und weiss oft nicht, wie sie sich gegenüber ihren Mitmenschen verhalten soll. Also hat sie sich sorgfältig die Umgangsformen ihrer Mitarbeiter:innen ...

Inhalt:
Keiko ist anders. Sie wirkt auf andere Menschen speziell und weiss oft nicht, wie sie sich gegenüber ihren Mitmenschen verhalten soll. Also hat sie sich sorgfältig die Umgangsformen ihrer Mitarbeiter:innen angeeignet, deren Körpersprache, Stimmlage und Wortwahl kopiert und schafft es so, sich perfekt in ihre Position als Aushilfsverkäuferin in einem kleinen Supermarkt einzugliedern. Die Arbeitsabläufe, die festgelegten Höflichkeitsformen und die immer gleichen Tätigkeiten und Floskeln geben ihrem Alltag Struktur. Sie ist vielleicht sogar glücklich und sieht einen Sinn in ihrem Leben. Doch die anhaltenden Fragen nach einem Mann und Kindern sowie einem "richtigen Beruf" ihres Umfeldes bringen sie ins Zweifeln und sie beschliesst, sich einen Mann ins Leben zu holen, der ihr schönes, über Jahre hinweg aufgebautes System, sich in der Gesellschaft zu bewegen, durcheinander bringt.

Meine Geschichte als Verkäuferin:
Schon wieder habe ich durch Marias Lesekreis einen buchigen Schatz entdecken dürfen und ich habe das Buch auch noch rechtzeitig gelesen, heute nämlich findet unter diesem Post die (spoilerfreie) Schlussdiskussion statt. Schaut da also gerne vorbei.
Gleich die ersten Sätze haben mich total in ihren Bann gezogen und ich habe mich an meine Zeit als Verkäuferin in der Bäckerei zurückerinnert. Drei Jahre lang habe ich während des Gymnasiums und den ersten zwei Studienjahre dort gejobbt, immer mehr Verantwortung übernommen und vor allem in den Semesterferien im Sommer fast Vollzeit und ansonsten an jedem Wochenende und Feiertag dort gearbeitet und so die dem Geschäft eigenen Abläufe verinnerlicht und die aberwitzigsten Erfahrungen mit Kund:innen und Mitarbeiter:innen gemacht. Eine Szene in Muratas Buch - die Szene, in der Keiko noch von der Arbeit träumt und von ihrer eigenen Stimme, die "herzlich willkommen" ruft, erwacht - hat mich so sehr an mich selber erinnert. Gerade in den Semesterferien, wenn ich manchmal zehn oder zwölf Wochen fast oder ganz Vollzeit in der Bäckerei gearbeitet (und daneben unterrichtet, geübt, Konzerte gespielt, für Prüfungen gelernt, Nachhilfe gegeben, gebabysittet und Arbeiten geschrieben) habe, bin ich irgendwann komplett am Ende meiner Kräfte davon erwacht, wie ich massenweise Croissants (in der Schweiz natürlich "Gipfeli") in zahlreiche Tüten gepackt habe. Ich sass im Bett und habe mit meinen Händen die Bewegungen des Einpackens gemacht. Dann wusste ich jeweils, dass es wieder Zeit für eine Pause war und habe mein Pensum zurückgefahren.

Meine Meinung:
Aber auch abgesehen von meinem persönlichen Wiedererkennungswert habe ich dieses äusserst gesellschaftskritische Buch sehr gerne und heute innerhalb von kürzester Zeit verschlungen. In "Die Ladenhüterin" wird vor allem der von aussen forcierte Drang, sich sowohl im beruflichen als auch privaten Bereich nahtlos in die Gesellschaft einzugliedern, thematisiert. Es scheint mir, wenn ich mir andere Kritiken und vor allem auch andere Literatur aus Japan anschaue, ein Drang zu sein, der in Japan noch mehr vorherrscht, als hier. Die Haltung, dass man der Gesellschaft - vor allem als Frau - nur dienlich ist, wenn man sich entweder fortpflanzt und/oder einem wichtigen Beruf nachgeht, lässt sich natürlich auch in der Schweiz und den umliegenden Ländern finden, aber es scheint mir so, als würde diese fast schon zwanghafte Eingliederung eines jeden Individuums in das vorherrschende einheitlich machende System in Japan noch einmal ganz andere Züge annehmen.
Und hier kommt Keiko ins Spiel. Keiko, die nicht versteht, warum man um einen verstorbenen Vogel trauern muss, wenn man ihn doch auch einfach essen kann und Keiko, die schon wüsste, wie sie ihren schreienden Neffen zum Verstummen bringen würde und dabei wäre nicht endloses Schaukeln, sondern vielmehr ein Messer die Lösung. Aber Keiko ist nicht grausam, vielmehr ist sie über alle Massen praktisch veranlagt. Und diese Veranlagung lässt sie auch zur logischen Überlegung kommen, dass ein Mann im Haus die Fragen nach einem Mann im Haus würde verstummen lassen. Dass dies natürlich nicht aufgeht und vor allem ihr sorgsam und seit Jahren bewährtes System durcheinander bringt, stellt sie vor neue Herausforderungen, welchen sie mit dem ihr eigenen Pragmatismus, Verstand und ihrer Leidenschaft für den Beruf begegnet.

Schreibstil:
Kurze, prägnante Sätze, die dennoch genau beschreiben, was vor sich geht und auch viel zwischen den Zeilen lesen lassen, machen den Schreibstil dieses Buches aus. Sayaka Murata trifft mit ihrer Sprache mitten ins Herz und schafft eine Protagonistin, die man - ein wenig schrullig hin oder her - einfach lieben muss. Die Übersetzerin Ursula Gräfe, die ja auch für ihre Murakami-Übersetzungen bekannt ist, hat ganze Arbeit geleistet und wundervolle Worte für dieses erfrischende und kritische Buch gefunden.

Meine Empfehlung:
Ich empfehle euch dieses herzerwärmende, zum Schmunzeln und Nachdenken bringende Buch, das so liebenswert erzählt, wie sich das Leben als eigentlich glückliche Aussenseiterin in einer nach Vereinheitlichung schreienden Gesellschaft anfühlt, sehr gerne weiter.

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Veröffentlicht am 27.09.2020

Sehr eindringlich und entdeckenswert

„So träume und verschwinde ich“
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Meine Meinung:
Zuerst einmal muss ich erwähnen, wie schön und liebevoll aufgemacht diese kleine und feine, zweisprachige Ausgabe daherkommt. Ob man gerade Deutsch oder Türkisch lernt, beide Sprachen spricht ...

Meine Meinung:
Zuerst einmal muss ich erwähnen, wie schön und liebevoll aufgemacht diese kleine und feine, zweisprachige Ausgabe daherkommt. Ob man gerade Deutsch oder Türkisch lernt, beide Sprachen spricht oder auch nur eine davon, dieses Buch ist perfekt als Geschenk oder auch für die heimische Bibliothek geeignet. Ich persönlich spreche nur Deutsch und habe trotzdem die Türkischen Seiten überflogen, nach Regelmässigkeiten gesucht, nach vertrauten oder ähnlichen Wörtern...
Besonders gerne habe ich übrigens die ausführliche Einleitung gelesen. Darin wird erklärt, wie beim Übersetzen vorgegangen worden ist und welche Schwierigkeiten und Lösungen sich dabei ergeben haben. Das fand ich unglaublich spannend. Auch sind einige Hintergrundinformationen zu den Gedichten, sowie die Biografien von Turgut Uyar, Edip Cansever und Cemal Süreya im Buch zu finden, was zusätzlich beim Einordnen dieser sorgfältig zusammengetragenen Auswahl hilft.

Ein paar Worte zum Lesen von Gedichten:
Beim Lesen dieses Büchleins bin ich tief in die Welt der Lyrik eingetaucht, die ich oft meide, wenn es um Bücher geht, weil ich immer irgendwie das Gefühl habe, den Gedichten nicht gerecht zu werden, weil ich mir nicht immer für jedes einzelne Gedicht viel Zeit nehme, alles analysiere und hinterfrage.
Aber ganz ehrlich? Das ist doch auch gar nicht nötig. An einzelnen Gedichten bin ich lange hängengeblieben, habe sie immer und immer wieder gelesen, habe in der Sprache und Stimmung gebadet und nach dem Lesen eine Pause eingelegt. Andere habe ich gelesen, für in Ordnung befunden und bin weitergegangen. Die Zeit der Gedichtanalysen ist vorbei, es ist nicht mehr nötig, jedes Wort auf die Waagschale zu legen, ich kann ganz nach Lust und Laune die Stimmungen erkennen, die Wörter geniessen und mir das aus dem Gedicht holen, was ich gerade brauche. Schön, nicht wahr?

Meine Empfehlung:
Mir hat sich eine neue Welt eröffnet, die Welt der Türkischen Gedichte. Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich mich in meiner weissen, Westeuropäischen Blase bewege und genau deshalb war dieser Ausflug enorm wichtig und bereichernd und gerade weil dieses Büchlein als so schön aufgemachte und mit vielen Hintergrundinformationen versehene Geschenkausgabe daherkommt, lohnt es sich definitiv, "So träume und verschwinde ich" für einzelne Weihnachtsgeschenke vorzumerken...

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Veröffentlicht am 10.09.2020

Bitterböse, skurril und irrwitzig

Das Palais muss brennen
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Meine Meinung:
Wie sehr habe ich es geliebt, in dieses vor schwarzem Humor triefende, kritische und rasant erzählte Buch und in Luises Welt voller Widersprüche und Reichtum einzutauchen. Als Tochter der ...

Meine Meinung:
Wie sehr habe ich es geliebt, in dieses vor schwarzem Humor triefende, kritische und rasant erzählte Buch und in Luises Welt voller Widersprüche und Reichtum einzutauchen. Als Tochter der rechtskonservativen Bundespräsidentin Österreichs - von Luisa fast nie "Mutter", sondern stets "Bundespräsidentin" genannt - lebt sie im Palais, das nicht nur ihren Reichtum demonstriert, sondern auch eine Metapher für die ziemlich blasphemisch anmutende Ausgangslage dieses kritischen Romans ist.
Was Luise ihren ganzen Protestaktionen, ihrer radikalen Haltung und ihrem exzessiven Lebensstil zum Trotz nämlich nicht realisiert ist, dass sie als reiche Tochter genau so vom System profitiert und sich ihre Ausschweifungen lediglich aufgrund ihrer Privilegien erlauben kann, die sie ohne ihre prominente Mutter und deren Bankkonto gar nicht hätte. Sie lehnt sich also gegen etwas auf, von dem sie genau so Teil ist wie diese Menschen, von denen sie sich distanzieren will, was die Geschichte um so witziger und skurriler macht. Der Palais wird zum goldenen Käfig, die Systemkritik zum Ast, auf dem Luise sitzt, den sie sich aber gleichzeitig selber absägt.
Wer es dann schliesslich ist, der den Palais - auch wieder metaphorisch - zum Brennen bringt, ist letztendlich egal. Die Konsequenzen treten plötzlich und für die unfassbar naiv gebliebenen Protagonisten überraschend auf und an die Stelle des goldenen Käfigs tritt eine Ohnmacht und Ratlosigkeit, welche Luise und ihre Schwester zwingt, sich ihrem Leben bewusst zu stellen und einen eigenen Weg zu finden.

Sprache:
Mercedes Spannagel schafft es, mit wenigen Worten plakative Szenen heraufzubeschören. Ihre expliziten Formulierungen entblössen die Figuren und lassen tief in ein Leben blicken, das mit all seinen Abgründen, Exzessen und Vorteilen einer privilegierten Oberschicht vorenthalten ist. Gleichzeitig wird auch die Geschichte einer Tochter erzählt, die sich radikal von ihrer Mutter lösen will und dies auf die einzige Weise tut, welche sie kennengelernt hat: laut, schrill und kompromisslos. "Das Palais muss brennen" ist urkomisch, fesselnd und lässt dennoch ein paar leise Töne zu, welche feinfühlig eine verletzte Kinderseele und eine zerstörte Familie beleuchten und so für den spannenden Spagat zwischen intensiven Gefühlen und demonstrativ überzogenem polit-Theater sorgen. Die Sprache erinnert ausserdem ein wenig an das ebenfalls sehr empfehlenswerte Buch "Lied über die geeignete Stelle für eine Notunterkunft" von Simone Hirth.

Meine Empfehlung:
Dieses kritische, packende und atemlos erzählte Buch mit der in ihrem eigenen Palais gefangenen aber ihre Privilegien wenigstens sinnvoll nutzenden Protagonistin möchte ich euch sehr gerne ans Herz legen.

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Veröffentlicht am 09.09.2020

Unbedingt lesen

Alte Sorten
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Meine Meinung:
Dieses Buch hat so viele Erinnerungen in mir geweckt. An den Bauernhof meiner Grossmutter und den Duft frischen Heus. Ich habe mich an die beiden heissen Sommer erinnert, in denen ich auf ...

Meine Meinung:
Dieses Buch hat so viele Erinnerungen in mir geweckt. An den Bauernhof meiner Grossmutter und den Duft frischen Heus. Ich habe mich an die beiden heissen Sommer erinnert, in denen ich auf dem Früchtehof im Dorf meiner Eltern bei der Ernte geholfen habe. Gemeinsam mit Gastarbeiter*innen aus Tschechien und Polen bin ich stundenlang durch die Himbeersträucher und Erdbeerfelder gegangen um auch die unscheinbarste Frucht noch zu erwischen und die Blaubeerenernte war das Meditativste und zugleich Langwierigste, das ich je erlebt habe.
"Alte Sorten" hat mich aber auch an mein erstes selber gebackenes Brot, das eigene eingeweckte Apfelmus (mit dem Fallobst des Nachbarn) und den schweren, süssen Geruch, der danach wochenlang in der Küche hing, erinnert, an die erste Ernte aus meinem Balkongarten, an die Kräuter, Kartoffeln, Radieschen und Karotten, welche ich aus der dunklen Erde gezogen oder mit einer stumpfen Schere abgeschnitten und zu einem Festmahl verarbeitet habe.
Aber "Alte Sorten" weckt nicht nur Erinnerungen, sondern beschreibt auch in meditativer Andacht und mit einer respektvollen Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit die Abläufen bei der Ernte von Riesling oder Kartoffeln, beim Brennen von Schnaps und Einsammeln der Eier aus dem Hühnerstall. Es entschleunigt und lässt innehalten und es erzählt die Geschichte zweier Frauen, welche sich von der Gesellschaft nicht verstanden fühlen und deshalb auf einer ganz eigenen Flucht sind, sich aber dennoch treffen und dann in erster Linie einmal gemeinsam schweigen können. Erst nach und nach wird das Schweigen gebrochen und in zahlreichen Rückblenden und inneren Monologen fügt sich ein Puzzleteil zum nächsten, bis sich ein immer noch von Leerstellen gespicktes Ganzes ergibt. Und dies geschieht so kunstvoll und einfühlsam, dass man das Gefühl hat, mit Liss und Sally am Küchentisch zu sitzen, ihren Geschichten zu lauschen und dabei einen Tee zu trinken oder mit ihnen auf dem Feld anzupacken, schweigend aber durch die gemeinsamen Arbeitsabläufe vereint.

Sprache:
Was die beiden Frauen durchgemacht haben, ist keine leichte Kost. Welche Sorgen und Ängste mit sich tragen, kann verstören, aber auch Mut machen und Ewald Arenz schafft es, seine Protagonistinnen mit so wenigen Worten wie möglich und so vielen Worten wie nötig zu beschreiben, dass keine Formulierung zu viel, keine Beschreibung zu aufdringlich oder irgendwie deplatziert wirkt.
Ausserdem zieht sich ein ganz feinsinniger, zarter Humor durch dieses ganze Buch und eine positive Grundhaltung, die dazu einlädt, jeden Tag so zu nehmen, wie er kommt und Schritt für Schritt zu gehen, aber auch immer neue Chancen zu entdecken und diese beim Schopf zu packen.

Meine Empfehlung:
"Alte Sorten" ist ein kleiner Schatz und ein Buch, das ich im Herbst an ganz viele Geburtstagskinder aus meinem Freundekreis verschenken und einigen lieben Menschen unter den Christbaum legen werde. Die Sprache ist von einer poetischen Schönheit, die ihresgleichen sucht und die einfühlsam erzählte Geschichte hat mich tief berührt. Von mir gibt es eine sehr, sehr herzliche Empfehlung für dieses Buch.

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Veröffentlicht am 30.07.2020

Unterhaltsam, packend, intelligent

Der Fall des Lemming
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Inhalt:

Ein Lehrermord zieht ja schon genug Aufmerksamkeit auf sich. Dass das Opfer zum Zeitpunkt der Tat aber eigentlich von einem Privatdetektiv überwacht werden sollte und dass dieser Privatdetektiv ...

Inhalt:

Ein Lehrermord zieht ja schon genug Aufmerksamkeit auf sich. Dass das Opfer zum Zeitpunkt der Tat aber eigentlich von einem Privatdetektiv überwacht werden sollte und dass dieser Privatdetektiv niemand geringeres als der ehemalige Mordkommissar Leopold Wallisch mit dem Spitznamen "Lemming" ist, macht die Angelegenheit schon viel komplizierter. Zumal Lemming nun alles daran setzt, den Fall vor der Polizei zu lösen und dabei nicht nur heimlich ermitteln, sondern auch noch die unangenehme Vergangenheit einer ganzen Schulklasse in Erfahrung bringen muss. Wo Gewalt, Angst und Erniedrigung herrschten, finden sich schnell viele Menschen mit einem Motiv. Um so auffälliger ist es daher, dass die meisten dieser ehemaligen Schüler des Opfers aus diversen Gründen nicht mehr Leben oder vom Erdboden verschwunden sind...



Meine Meinung:

Endlich wieder einmal habe ich einen durch und durch intelligenten, unterhaltsamen und spannenden Krimi lesen dürfen und bereue es nun schon, dass ich den vierten Band der Reihe, der ebenfalls gebraucht im Brockenhaus zu finden war, nicht auch in meinen Einkaufskorb gepackt habe. Vielleicht ist er ja bei meinem nächsten Einkauf noch dort? Auf jeden Fall habe ich entschieden, die weiteren Bände der Reihe nach und nach bei mir einziehen zu lassen und freue mich schon darauf.

Besonders angetan hat es mir natürlich der Ermittler dieses Krimis, der aber kein Kommissar mehr ist - nach einer doch eher fragwürdigen und sehr feuchtfröhlichen Aktion ist er nämlich aus der Mordkommission entlassen worden - der aber als Privatdetektiv und ehemaliger Polizist die Methoden und Marotten der Polizei in- und auswendig kennt. Mit viel Wiener Lokalkolorit, der sich auch in der Sprache zeigt, Humor, Feinsinn und diversen skurrilen Fügungen und Dialogen hat dieser Krimi alles, was er braucht und noch mehr. Anders als einige Regionalkrimis, die mich doch auch manchmal enttäuscht haben, wirkt "Der Fall des Lemming" nie plump, ganz im Gegenteil. Sehr einfühlsam werden zum Beispiel die Erinnerungen eines jüdischen Arztes an die Gefangenschaft im zweiten Weltkrieg eingeflochten oder äusserst packend wird der Strudel aus Gewalt und Mobbing beschrieben, der unter Schülern herrschen kann. So klingen stets auch leise, kritische Töne an, welche meiner Meinung nach zur ganz grossen Stärke dieses Krimis gehören und für Auflockerung sorgt dann zum Glück immer wieder der kalbsgrosse Leonberger Castro, der versehentlich als Drogenschmuggler fungiert und kurzfristig zu Lemmings vierbeinigem Begleiter wird.



Meine Empfehlung:

"Der Fall des Lemming" ist ein packender, unterhaltsamer, rasanter und intelligenter Auftakt einer Krimireihe. Von mir gibt es eine herzliche Empfehlung.

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