Unglaublich wichtiges Thema - Umsetzung leider nicht wie erhofft...
Someone NewMit "Someone New" erschien ein neuer Roman als Einzelband von der deutschen Bestseller-Autorin Laura Kneidl.
Was Euch erwarten wird:
Als Micah auf ihren neuen Nachbarn trifft, kann sie es nicht glauben: ...
Mit "Someone New" erschien ein neuer Roman als Einzelband von der deutschen Bestseller-Autorin Laura Kneidl.
Was Euch erwarten wird:
Als Micah auf ihren neuen Nachbarn trifft, kann sie es nicht glauben: Es ist ausgerechnet Julian, der wenige Wochen zuvor ihretwegen seinen Job verloren hat. Micah fühlt sich schrecklich, vor allem, weil Julian kühl und abweisend zu ihr ist und ihr nicht mal die Gelegenheit gibt, sich zu entschuldigen. Doch gleichzeitig fasziniert Micah seine undurchdringliche Art, und sie will ihn unbedingt näher kennenlernen. Dabei findet sie heraus, dass Julian nicht nur sie, sondern alle Menschen auf Abstand hält. Denn er hat ein Geheimnis, das die Art, wie sie ihn sieht, für immer verändern könnte ...
Zu den Protagonisten:
Micah ist in einer "High-Society" aufgewachsen und kennt daher auch keine Geldprobleme.
Sie hat einen recht bodenständigen und selbstbewussten Eindruck auf mich gemacht.
Die Kunst ist ihre Leidenschaft und ihr großes Talent im Gegensatz zur Selbstversorgung.
Tatsächlich gab es einige Stellen, in denen ich sie einfach nur wachrütteln wollte.
Micah scheut sich vor Konflikten und Problemen.
Für sie muss es immer einfach sein.
Klar, sie hat familiäre Probleme und studiert ein Fach, dass sie nicht einmal studieren will.
Es schien mir, als würde sie einfach nur versuchen Ablenkung zu finden.
Anstatt ihren Plan der totalen Selbstständigkeit umzusetzen, bleibt sie nicht nur finanziell, sondern auch emotional bis fast zum Ende des Romans von ihren Eltern mehr oder weniger abhängig.
Auch ihr Auftreten hat mich desöfteren gestört.
Ihre Handlungen und Reaktionen sind für mich hier und da einfach zu unsensibel und zu naiv gewesen.
Andererseits konnte ich sie in ihrer misslichen Lage nachvollziehen.
Ich glaube, dass ich mir von ihr einfach mehr Entwicklung und mehr Initiative im Laufe der Handlung gewünscht hätte.
Julian ist mir bereits zu Beginn total ans Herz gewachsen.
Seine kühle und gleichzeitig doch gefühlvolle Art konnte mich in seinen Bann ziehen.
Er ist durchaus diszipliniert und ein kleiner "Workaholic".
Seine Eltern hatten ihn nach seinem Outing verstoßen und verunsichert, vielleicht sogar eingeschüchtert. Dadurch und durch seine missglückte Beziehung fühlte er sich nicht mehr wertvoll.
Er sah in sich selbst das Monster.
Alles was er je wollte, ist Akzeptanz der anderen; seiner Familie und Freunde.
Und Micah akzeptiert ihn so wie er ist; sie sieht ihn als die Person, die er heute ist und die er auch von Herzen sein möchte.
Zur Geschichte:
Zuerst möchte ich sagen, dass mich die Geschichte sehr wohl berührt und mitgerissen hat, auch wenn das sehr wichtige Thema erst zum Schluss richtig aufgefasst wurde.
Die Geschichte an sich ist rein aus Micahs Sicht geschrieben.
Dadurch konnte ich sehr tief in ihre Gefühls- und Gedankenwelt eintauchen, aber auch einige charakterliche "Schwächen" entdecken.
Aber nicht nur ihr Handeln musste ich teils in Frage stellen, auch das ihres Zwillingbruders Adrian kam mir nicht wirklich gerechtfertigt vor.
Ich verstehe, warum er keinen Kontakt mehr mit seinen Eltern haben möchte.
Sie möchten ja auch keinen Kontakt mit ihrem eigenen leiblichen Sohn und haben ihn sogar rausgeschmissen, nur weil er eben nicht hetero ist.
(Zum Mars mit diesen Eltern...)
Aber warum meldet er sich über vier Monate lang nicht ein einziges Mal bei seiner Zwillingsschwester, die vor sich hintrauert.
Sein Verhalten kann natürlich damit begründet werden, dass er Angst hatte und einfach mehr Zeit zum Klarkommen benötigte.
Trotzdem ist seine Erklärung, dass sie ja immer noch die Tochter seiner homophoben Eltern sei, mehr als nur inakzeptabel für mich gewesen.
Damit hat er seine Schwester, die sich durchaus als tolerant und verständnisvoll erwiesen hat, in dieselbe Schublade mit seinen Horroreltern gesteckt.
Verletzender geht es doch kaum...
Während die "auf-der-Suche-nach-Adrian"-Geschichte bzw. Nebenhandlung immer präsent und aktuell gewesen ist, kam die Liebesgeschichte der Protagonisten nur stockend voran.
Es hat so viele schöne und tiefsinnige Momente gegeben, wenn auch erst gegen Ende des Buches.
Trotzdem hat mir die grundlegende Kommunikation zwischen Micah und Julian an manchen Stellen noch etwas gefehlt.
Und dann hat es Boom gemacht und innerhalb von nur einem Satz wurde das große Geheimnis um Julian gelüftet.
Es war nur leider kein Geheimnis mehr, weil ich es bis dahin schon erraten hatte.
So richtig spannend ist es also erst auf den letzten hundert Seiten geworden und wenn man mich fragt, hätte man so viel mehr aus dem Thema herausholen können.
Denn das Konzept und einige Stellen sind schon richtig genial gewesen, nur leider ist für mich das "Wichtigste" eher nebensächlich und zu kurz so richtig intensiv angesprochen worden.
Auch das Ende hat die eine oder andere Frage unbeantwortet gelassen, aber wer weiß, vielleicht gibt es dazu in "Someone Else" mehr zu erfahren.
Zur Authentizität der Charaktere:
Die Charaktere sind durchaus authentisch gewesen und es wurden keine "toxischen Ideale" vermittelt.
Einige der Charaktere, auch wenn es eher die Nebencharaktere (die Eltern von Micah und Julian, aber auch Rachelle) betrifft, sind ungeschönt echt und hässlich hart dargestellt worden. Dabei sind sie (leider) immer noch realistisch gewesen.
Auch, wenn ich so manche Handlung nicht nachvollziehen konnte oder wollte, haben mich die Charaktere irgendwie dann doch begeistern können.
Vorsicht Spoilergefahr
Zum Thema und dessen Umsetzung:
Ja zum Thema, jain zu der Umsetzung...
Das Thema der Transexualität oder auch im allgemeinen die Thematisierung von LGBTQ+ sehe ich als unglaublich wichtig an.
Daher konnte mich das Nachwort wirklich sehr berühren.
Hier geht es hauptsächlich um den Prozess zur Akzeptanz und dabei nicht nur zur Selbstakzeptanz, sondern viel mehr zur Akzeptanz in der Gesellschaft und als Teil dieser.
Julian hat bis jetzt nur die Ablehnung anderer erfahren.
Er kannte das Gefühl akzeptiert zu werden nicht und hatte daher große Angst vor seinem Outing vor seinen Mitbewohnern, aber vor allem vor Micah.
Diese Angst und die ganzen Sorgen sind gut umgesetzt und in Szene gesetzt worden.
Leider hat mir die Sensibilität im allgemeinen gefehlt.
Meiner Meinung nach ist es komplett egal, zu wem sich wer hingezogen fühlt oder ob sie oder er denkt, im falschen Körper zu leben.
Trotzdem ist das Thema für viele noch nicht zu etwas selbstverständlichem gar normalen geworden.
Und gerade deswegen sollte man rücksichtsvoll und vor allem vorsichtig an das Thema herangehen.
Ich finde, dass es schlicht und ergreifend zu umfangreich ist, um nach ein paar Seiten einen Haken dahinter setzen zu können.
Man hätte das Thema umfangreicher bedienen können, gerade da es noch so viele Fragen aufwerfen könnte.
Wie gesagt, dass Thema ist unglaublich wichtig und auch, wenn ich mich nicht selbst in die Lage einer Person, die sich outen möchte bzw. geoutet hat oder einfach noch mitten im Selbstfindungsprozess steckt (obwohl ich glaube, dass jede Person in einem Selbsfindungsprozess steckt...), hereinversetzen kann, liegt das Thema mir sehr am Herzen.
Für mich gehört es zur Allgemeinbildung dazu und ich finde es einfach wichtig, dass jeder jeden respektiert und akzeptiert, denn wir sind alle Menschen und einzigartig. Keiner von uns ist "normal" und ganz ehrlich, das ist auch gut so.
Nur die Umsetzung hat mich leider nicht voll und ganz überzeugen können.
Schreibstil und Cover:
Da "Someone New" mein erstes Buch von Laura Kneidl war, wusste ich zuvor noch nicht so richtig, was ich bezüglich des Schreibstils hätte erwarten sollen.
Ihr Schreibstil hat mir jedoch recht gut gefallen.
Grundsätzlich ist er unterhaltsam; bewegend und einfach gut lesbar gewesen. Leider haben sich manche Stellen total gezogen, während meine persönlichen Highlights zu kurz und nur mit wenig Tiefe bestückt waren.
Das Cover ist einfach nur wunderschön.
Die Farben harmonieren perfekt und passen auch sehr gut zu der Thematik des Buches. Pink und Blau die Klischeefarben von Mädchen und Jungs.
Mein Fazit:
Das Thema verleiht dem Buch einige Pluspunkte.
Es ist super wichtig und immer aktuell.
Zum Ende des Romans konnte ich immerhin die meisten Charaktere in mein Herz schließen und das ein oder andere von ihnen lernen.
Ein eigentlich toller Roman, dem nur die in meinen Augen "perfekte" Umsetzung gefehlt hat.
Mal schauen, wie es um die Umsetzung des Hauptthemas in "Someone Else" steht.
Aurie und Cassie wären ja schon ein süßes Pärchen ...
<3
Empfehlen kann ich das Buch an alle, denen wichtige Themen wie dieses hier am Herz liegen und die sich einfach ein eigenes Bild von dem Buch machen möchten.
Geschmäcker und Wahrnehmungen sind immerhin bei jedem anders, also traut Euch!