Da staunt ihr! Ja, der Sandmann bekommt endlich einen Helfer. Das kleine Nickerchen bringt nicht nur den Menschen-, sondern auch den Tierkindern den Schlaf. Denn diese haben manchmal ebenfalls ihre Probleme ...
Da staunt ihr! Ja, der Sandmann bekommt endlich einen Helfer. Das kleine Nickerchen bringt nicht nur den Menschen-, sondern auch den Tierkindern den Schlaf. Denn diese haben manchmal ebenfalls ihre Probleme damit, zur Ruhe zu kommen.
Wenn es Zeit ist, loszudüsen, zieht sich das kleine Nickerchen sein Bommelmützchen fest über die Ohren, trinkt zur Stärkung ein Tässchen Mondtee und nascht eine Handvoll Himmelsflöckchen, greift sich seinen Beutel Sternenstaub, hüpft auf seine Traumwolke und saust durch die Wolken zur Erde. Und er hat einiges zu tun: Die Igelgeschwister Pips und Pünktchen sind so müde, dass sie sich schon streiten. Der kleine Spatz Matz kann das Schnäbelchen gar nicht still halten. Die vielen Hasenkinder toben herum, weil das Kleinste sein Schnuffeltuch vermisst. Dann gibt es ein wenig Wirbel im Wald, muss doch das Zuhause von Füchslein Toto gefunden werden. Und zu guter Letzt brauchen auch die Eichhörnchen noch eine Prise Sternenstaub.
Am Ende liegen alle schlummernd in ihren Betten, und das kleine Nickerchen kehrt zufrieden mit seiner Traumwolke ins Schlummerland zurück...
Mein erster Gedanke beim Anblick des Covers: Das ist ja allerliebst. Dieser Eindruck hat sich während des Lesens und Anschauens verfestigt.
„Das kleine Nickerchen“ von Katja Reider und Sabine Straub ist ein mit viel Liebe und Hingabe gestaltetes Kinderbuch, das eine Gute-Nacht-Geschichte für die Kleinen ab zwei Jahre erzählt und nicht allein bei diesen Begeisterung hervorrufen dürfte, vielmehr Erwachsene gleichermaßen entzückt.
Mit der ihnen eigenen Fantasie werden sich die Kleinen in den Tierkindern wiedererkennen und das knuffige kleine Nickerchen ins Herz schließen.
Das Buch hat eine angenehme Größe und bietet eine absolut altersgerechte fröhliche Handlung, die nicht nur Freude, sondern zudem etwas Aufregung parat hält, aber auf jeden Fall immer ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Dabei fällt die vielfache zarte und detaillierte Lebendigkeit der Bilder auf, mit der die Illustratorin Sabine Straub den Text ihrer Autorin Katja Reider hervorragend unterstützt.
„Das kleine Nickerchen“ hat einen hohen Kuschelfaktor, von dem sich die Jüngsten sicher immer wieder gern in den Schlaf wiegen lassen.
Manchmal finde ich es erstaunlich, wie viel ein Bilderbuch mit wenig Text doch aussagen kann. „Ich lieb dich, bis die Kühe fliegen“ von Kathryn Cristaldi ist ein herausragendes, zugleich ungewöhnliches ...
Manchmal finde ich es erstaunlich, wie viel ein Bilderbuch mit wenig Text doch aussagen kann. „Ich lieb dich, bis die Kühe fliegen“ von Kathryn Cristaldi ist ein herausragendes, zugleich ungewöhnliches Beispiel dafür, dass es funktioniert.
Denn „Ich lieb dich, bis die Kühe fliegen“ beglückt, ohne eine Geschichte zu erzählen, die einer stringenten Handlung folgt, mittels einer Reihe von einzelnen fröhlichen und abgedrehten Erlebnissen, auf eine besondere, sanfte, fantasievoll-verträumte Weise und transportiert damit eine deutliche Botschaft: Die Liebe, die wir insbesondere zu einem Kind empfinden, wird niemals endet. Es ist das Versprechen immer da zu sein, einerlei was geschieht.
"Ich lieb dich, bis die Kühe fliegen,
auf den Mond zu fremden Sternen
und in unerreichte Fernen."
Schon beim Vorlesen bereitet das Buch mehrfaches Vergnügen. Denn im Grunde ist das Geschehen in den einzelnen Szenen völlig unrealistisch: Da fliegen Kühe, verreisen Yaks, segeln Schafe, schweben Wölfe, tauchen Frösche, steppen Hirsche, backen Gänse und feiern Ameisen. Am Ende finden sich alle Tiere zum gemeinsam Schlaf, begleitet von musizierenden Fröschen ein. Deshalb ist das Buch ausgezeichnet als Gute-Nacht-Geschichte geeignet.
All diese wirklichkeitsfremden, bizarren Vergleiche, originell in gereimte Texte gesetzt, zeugen von überschäumender Kreativität, wirken einprägsam und warmherzig, sind wertschätzend und verbreiten zudem gute Laune. Sie ermöglichen ein gewisses Maß an Identifikation mit menschlichen Eigenschaften.
Neben den Reimen lebt das Buch von seinen farbenfrohen Illustrationen von Krystina Litten, die das stimmige Gesamtbild mitbegründen. Nicht nur die mit vielen Einzelheiten versehenen lustigen Tiere, sondern ebenso die Gestaltung der naturalistischen Hintergründe laden zum Entdecken ein, sind dabei aber zu keinem Moment überfrachtet oder überfordern das kindliche Auge.
„Ich lieb dich, bis die Kühe fliegen“ ist eine mit Augenzwinkern erklärte zärtliche Hommage an die Familienliebe, in der es keine Grenzen gibt.
Ein Traum erfüllt sich für die Französin Madeleine Tellier an diesem 15. Juli 1870, denn sie soll endlich die Braut ihrer großen Liebe, Paul von Gerlau, Doktor der Medizin, werden. Doch bevor es dazu kommt, ...
Ein Traum erfüllt sich für die Französin Madeleine Tellier an diesem 15. Juli 1870, denn sie soll endlich die Braut ihrer großen Liebe, Paul von Gerlau, Doktor der Medizin, werden. Doch bevor es dazu kommt, erhält Paul als Angehöriger des preußischen Militärs im zivilen Dienst seine Einberufung. Die Lage hat sich angesichts der Querelen um die Thronfolge in Spanien zugespitzt, und der Norddeutsche Bund, den Preußen seit 1867 anführt, ordnet die Mobilmachung an. Vier Tage später erklärt Frankreich den Krieg. Damit stehen Madeleine und Paul auf gegnerischen Seiten mitten im Herzen eines Konfliktes, der seit Jahren unter der Oberfläche schlummert und nun – vom schwelenden Hass zweier Völker begleitet – ausbricht.
Während Paul sich pflichtgetreu zu seinem Regiment nach Coblenz begibt, reist Madeleine mit ihrem Vater zurück in die Heimat nach Metz. Beide wissen nicht, ob sie sich jemals wiedersehen...
Maria W. Peter erzählt die Ereignisse ihres Romans „Eine Liebe zwischen den Fronten“, die mit zielgerichteten Daten eingegrenzt werden, mittels eines herausragend fundierten Hintergrundwissens. Dabei ist ihr Engagement lobenswert, eine Aufzeichnung der historischen Begebenheiten bis hin zu kleinsten Details zu verwirklichen, das zudem eine Vertiefung in dem sehr ausführlichen Nachwort und Glossar findet. Dadurch erweitert sie nicht nur bereits vorhandenes Wissen, sondern vermittelt ferner ein lebenskräftiges Bild einer dramatischen Zeit, das zu einem hochwertigen mitreißenden Leseerlebnis beiträgt.
Die Anschaulichkeit, mit der die Autorin das Geschehen darbietet, ist von beachtlicher und eindrucksvoller Qualität. Im Grunde lebt Maria W. Peter die Geschichte, was nicht verwunderlich ist, da sie auf Grund örtlicher und familiärer Verbundenheit eine einzigartige Beziehung zu den betroffenen Gebieten und deren Einwohnern pflegt.
In der Handlung ist durch das Wechseln der Perspektive ständig Bewegung, und es werden oft schonungslos schreckliche Kriegsereignisse beschrieben, die ziemlich unter die Haut gehen. Durch die Verwendung vieler Beispiele demonstriert die Autorin, wie inhuman, grausam und blutig Kriege sind. Wie sie das Schicksal der Menschen und der Länder verändern und für die Zukunft prägen. Sowohl direkt auf dem Schlachtfeld als auch in belagerten Städten spielen sich Szenen ab, die im Gedächtnis bleiben und nicht jedermanns Sache sind. Meines Erachtens nach bedarf es einer eindeutigen Sprache, um die Gräuel begreifbar zu machen. Erfreulich indes ist, dass auch in dieser Dunkelheit freundliche, zugewandte Momente nicht fehlen.
Das Los der Bevölkerung – nicht nur das der handelnden Figuren – erschüttert im besonderen Maße. Die Autorin illustriert nachvollziehbar, wie wechselhaft die Menschen auf das Kriegsvorfälle reagieren. Es gibt diejenigen, die unermüdlich und selbstlos helfen und denen es einerlei ist, auf welcher Seite derjenige steht, der Hilfe benötigt. Und es werden jene beschrieben, die ihr eigenes Heil im Auge haben und sich nicht darum scheren, was mit ihren Nachbarn geschieht. Wiederum einen großen Teil, der sich von Hass gegen die jeweils andere Nation leiten lässt, für den Menschlichkeit unbedeutend ist.
Maria W. Peter wertet nicht, allerdings stellt sie gleichwohl einen gesteigerten Anspruch an den Leser, eine eigene Evaluation des Geschehens vorzunehmen, in dem vor allem Fragen wie Vaterlandsliebe, Glauben, Familienbande und kulturelle Aspekte angesprochen werden. Durch ihre ambitionierte Schilderung erreicht sie eine hohe Emotionalität, die sich durch den Roman zieht wie ein roter Faden und sämtliche Begebenheiten und Protagonisten betrifft.
Bei der Gestaltung der Figuren beweist die Autorin ein enorme Vielfältigkeit. Unterschiedliche Charaktere mit differenzierten, von ihrer Herkunft und Vergangenheit geprägten Auffassungen, die oft konträr sind, machen die Geschichte äußerst interessant und aktiv. Sie alle berühren auf die eine oder andere Weise. Besonders hervorzuheben ist hierbei Madeleines Bruder Clément, der wegen seines komplexen schwierigen Wesens reizvoll ist. Der bemerkenswerte junge Mann sucht nach dem Sinn seines Lebens, kann diesen tatsächlich aber nicht benennen. Er steht sich selbst oft im Weg und klammert sich an Meinungen, ohne über den Tellerrand zu sehen. So schwankt der Leser ihm gegenüber zwischen Verständnis und Ablehnung.
Hingegen erhält das im Mittelpunkt stehende Paar von Anfang an einen Sympathiebonus, weil dessen ehrlich empfundene Liebe spürbar wird. Madeleine und Paul stimmen in ihren Werten überein und agieren und kommunizieren miteinander auf Augenhöhe, stärken einander in ihrer Individualität. Außerdem sind sie tapfer, furchtlos und trotzen den Gefahren, obwohl Madeleine mit ihrer Beharrlichkeit durchaus manchmal etwas unbedacht ist. Beide zeigen sich als selbständige Persönlichkeiten voller Hilfsbereitschaft, stehen trotz allem zu ihren Pflichten und Prinzipien, und Entschlüssen. Sie werden gelenkt von ihrem Gewissen, sind nicht frei von Ängsten, verfügen über Vertrauen und geben die Hoffnung nicht auf.
„Du bist wie die zweite Hälfte von mir, die ich so lang ersehnt habe. Der Spiegel meiner eigenen Seele, wie es ihn nur ein einziges Mal auf dieser Welt gibt.“ (Seite 381)
Eigentlich macht es Kirby Matthews nicht aus, dass die meisten ihrer Freundinnen verheiratet oder zumindest verlobt sind und sie mit fast dreißig noch keinen Ring am Finger trägt. Sie nimmt es locker und ...
Eigentlich macht es Kirby Matthews nicht aus, dass die meisten ihrer Freundinnen verheiratet oder zumindest verlobt sind und sie mit fast dreißig noch keinen Ring am Finger trägt. Sie nimmt es locker und mag ihre Freiheit. Schließlich will sie nicht eine dieser bemitleidenswerten, unverheirateten Frauen sein, die bei einer Hochzeit in der ersten Reihe stehen und enthusiastisch den Brautstrauß fangen – immer in der Hoffnung, dass sie als Nächstes an der Reihe sind. Eine entwürdigende Vorstellung. Aber dann stellt ihr Freund Ted Foster auf einer solchen Hochzeit die Fragen aller Fragen. Und Kirby sagt sofort Ja.
Ein kleines Problem gibt es jedoch hinsichtlich der Vorbereitungen: Kirby wohnt in Jersey City, ihr Verlobter lebt im Silicon Valley in Kalifornien. Die beiden lernten sich nämlich online kennen und verbringen derzeit noch wenig Zeit miteinander, weil sie eine Fernbeziehung führen. Die junge Frau stürzt sich trotzdem mit Elan in die Planung ihrer Hochzeit und soll sich auf Bitten von Teds bestem Freund, dem Trauzeugen, unterstützen lassen.
Leider hat Ted vergessen zu erwähnen, dass John Yang im Rollstuhl sitzt und auf Grund dessen der Kontakt in den vergangenen Jahren eher sporadisch gewesen ist. Und tatsächlich, zunächst benimmt sich John wirklich unmöglich und benutzt seine Behinderung, um zu beweisen, dass er die Menschen in seiner Umgebung auf Distanz zu halten trachtet. Doch nach und nach lernt Kirby einen Menschen kennen, mit dem sie mehr Gemeinsamkeiten verbindet als mit ihrem zukünftigen Ehemann.
Was also tun, wenn sich der „beste Mann“ als Seelengefährte entpuppt und die eigene Hochzeit in Frage stellt?
Annabelle Costas „Der Trauzeuge. Liebe und andere Handicaps“ ist eine bemerkenswerte Liebesgeschichte, weil sie jenseits der üblichen Normalität stattfindet und eine ungewöhnliche Thematik aufgreift: John sitzt nach einem Unfall, bei dem sein Genick gebrochen wurde, querschnittsgelähmt im Rollstuhl.
Um es gleich vorweg zu nehmen. In Annabelle Costas Roman geschieht kein Wunder. John kann nicht plötzlich wieder laufen. Seine Behinderung ist dauerhaft. Die Autorin schildert erstaunlich gelöst und bildintensiv und wahrscheinlich deswegen sehr signifikant die Einschränkungen, denen John wegen der Lähmung unterworfen ist. Der Einunddreißigjährige kann viele Tätigkeiten nicht ausführen und ist in seiner Beweglichkeit extrem eingeschränkt. Eines belastet ihn allerdings oft mehr: Die Menschen sehen ihm nicht in die Augen, verhalten sich seltsam und verletzen seine Gefühle. Denn grundsätzlich ist ja sein Kopf völlig in Ordnung, nur sein Körper eben nicht.
Annabelle Costa nimmt kein Blatt vor den Mund und verzichtet zudem nicht auf das Ansprechen unangenehmer Themen. Trotzdem führt sie ihren Helden niemals vor und beschreibt mit enormer Empathie seine Verwundbarkeit.
Vor allem schlägt einen heiteren Ton an, wenn ihre Protagonisten miteinander agieren.
John hat einen trockenen Humor, der extrem bissig und sarkastisch sein kann, wodurch er manchmal gemein klingt, aber zugleich auch unglaublich witzig wirkt. Kirby liebt es, sich mit ihm zu kabbeln. Sie verfügt über eine unerschöpfliche Energie und ist Cupecake-Bäckerin aus Leidenschaft. Während ihrer Arbeit im Laden ihrer Tante Minnie kreiert sie gerne neue Rezepte, die sie nicht allein John, sondern ebenso den Leser „kosten“ lässt. Eines der Dinge, die beide mögen. Das Anschauen von skurrilen Filme ist eine weitere Übereinstimmung.
Kirby und John während der Entwicklung ihrer Emotionen zu beobachten, macht nicht nur während der amüsanten Momente Freude. Dabei ist es von Vorteil, dass die beiden uns aus ihrer jeweiligen Sicht an ihrer Gefühlswelt teilhaben lassen und zu jedem Zeitpunkt Einblicke ermöglichen, wie es ihnen gerade geht. Mit dieser Darstellung beweist Annabelle Costa großes Einfühlungsvermögen.
„Der Trauzeuge. Liebe und andere Handicaps“ beeindruckt mit einer innigen und warmherzigen Geschichte abseits von Kitsch und Klischee.
Commandante Antonio Morales, der viele Jahre bei Europol gearbeitet hat, ist auf seine Heimatinsel Mallorca zurückgekehrt. Zum einen möchte er den seit zwei Jahren ungelösten Mord an seinem Halbbruder ...
Commandante Antonio Morales, der viele Jahre bei Europol gearbeitet hat, ist auf seine Heimatinsel Mallorca zurückgekehrt. Zum einen möchte er den seit zwei Jahren ungelösten Mord an seinem Halbbruder aufklären, zum anderen verspricht er sich von dieser Entscheidung endlich einen ruhigen Arbeitsplatz im Morddezernat und mehr Zeit für seine Frau Melanie, die als Anwältin tätig ist. Dafür nimmt in Kauf, dass seine ehemalige Geliebte Anabel García als seine Chefin bei der Jefatura des Policía Judicial das Sagen hat.
Aber von wegen entspannte Arbeitsbedingungen, Toni Morales täuscht sich gewaltig!
Einen Tag vor seinem offiziellen Dienstantritt wird an der Stadtmauer von Palma eine Frau tot aufgefunden. Die alte, fast neunzigjährige Nonne ist ermordet worden. Dieser Fall entpuppt sich von Anfang an als rätselhaft und mysteriös, stellt sich doch die Frage, wer einen Grund haben sollte, eine katholische Schwester zu töten? Schwester Clara lebte noch nicht lange im Konvent auf Mallorca, hatte kurz vor ihrem Tod gebeichtet und eine falsche Identität angenommen und ist beileibe kein Unschuldslamm gewesen. Zudem scheint ihre Personalakte in Madrid verschwunden. Genauso wie jene Frau, mit der die Nonne kurz vor ihrem Tod eine heftige Auseinandersetzung hatte.
Erst durch ein zweites Mordopfer kristallisieren sich erste Zusammenhänge heraus, und Toni Morales und seine Teamkollegen schlagen ein düsteres und undurchsichtiges Kapital der spanischen Geschichte auf, mit der sich zeitgleich auch seine Frau Mel beschäftigt.
„Toni Morales und die Töchter des Zorns“ von Elena Bellmar ist ein solider Kriminalroman, der sich auf Grund seiner angenehmen Erzählweise sehr gut lesen lässt. Vordergründig beschäftigt er natürlich mit den Todesfällen, zudem spricht er allerdings auch einen erschreckenden Abschnitt der spanischen Vergangenheit an. Diesbezüglich gelingt es der Autorin ausgezeichnet, reale Fakten in ein fiktives Geschehen einzubinden. Mit Fingerspitzengefühl und Anteilnahme greift sie den furchtbaren, von der katholischen Kirche gedeckten und betriebenen Kindesraub in den Jahren von 1939 bis 1975 und sogar bis 2001 auf und bewegt damit nicht nur die Gemüter ihrer Protagonisten. Der vorgenommenen Wertung kann auf jeden Fall gefolgt werden, denn etwas anderes als Ablehnung der dargestellten Praktiken und abstrusen Ereignisse während der Franco-Diktatur kann es in diesem Fall auch nicht geben. So entsteht Verständnis, wenn Betroffene illegale Wege beschreiten, um die Geheimnisse ihrer Existenz aufklären zu können.
Weiterhin beschreibt die auf Mallorca lebende Autorin einige Details der kontrastreichen Gegenden der Insel: Raue Berglandschaft im ungewohnten Kontrast zur flachen Ebene, die atemberaubende Bilder und Blicke in die Täler bieten. Andererseits hätte es im Verlauf der Handlung durchaus noch ein wenig mehr von diesem Flair sein können.
Die Figuren sind indes vielfältig, besitzen Individualität und unterschiedliche Charaktereigenschaften, die insbesondere in Tonis neuem Team bislang lediglich vereinzelt in den Mittelpunkt gerückt werden.
Antonio Morales selbst präsentiert sich als sympathische, zugängliche Persönlichkeit. Er möchte wirklich ein ansprechbarer Vorgesetzter sein, zu dem seine Mitarbeiter bei Problemen kommen können. Für ihn zählen Leistungen und der Zusammenhalt im Team. Darauf legt er auch bei den neuen Kollegen, Catarina Pérez, seine rechte Hand, den manchmal etwas übereifrigen David Zapatero, den werdenden Vater Pedro Sanchez, den ältesten Bruno Martín sowie den jüngsten Manuel Sastre, Wert.
Erfreulich ist Tonis Bemühen um seine Ehefrau und ihr Wohlwollen. Sie begegnen sich auf Augenhöhe. Er liebt sie und ihre kleinen Wortgefechte. Und weil er mehr Zeit mit ihr verbringen und seine Ehe trotz ihrer Großzügigkeit und Nachsicht nicht dem Polizeidienst opfern will, hat er seine stressige Tätigkeit bei Europol in Madrid und Deutschland aufgegeben und Melanie überredet, nach Mallorca zu ziehen.
Mit auf die Baleareninsel ausgewandert ist Schwiegermutter Adelheid, eine Hippiebraut der Siebzigerjahre, die ab und an heimlich Gras raucht und auch sonst nicht auf den Kopf gefallen ist. Vielleicht ein wenig schrullig, hält sie sich nicht immer an die Regeln oder befolgt gar stur die Gesetze. Und dann knallt es gewaltig. Aber Toni schätzt ihre eigenwillige Art insgeheim, und Adelheid ist mit ihrem klugen Kopf und ihrer Empathie eine Bereicherung der Geschichte.
Nicht nur aus diesem Grund steht einer baldigen Reise nach Mallorca nichts im Wege. Denn immerhin will Toni Morales noch den Mord an seinem Bruder aufklären...