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Veröffentlicht am 03.08.2020

Ein gelungene Darstellung einer Epoche

Lernen S' Geschichte, Herr Reporter!
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Autor Ulrich Brunner hat den charismatischen österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky einige Jahrzehnte lang begleitet. Zuerst als Journalist der Parteizeitung „Arbeiterzeitung (AZ)“ und später als ...

Autor Ulrich Brunner hat den charismatischen österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky einige Jahrzehnte lang begleitet. Zuerst als Journalist der Parteizeitung „Arbeiterzeitung (AZ)“ und später als Redakteur des Österr. Rundfunk.

Er schreibt über seine persönlichen Erfahrungen und Begegnungen mit dem Kanzler. Manchmal fließen auch andere Wortmeldungen ein.

Brunner spannt den Bogen von der Kindheit Kreiskys bis hin zu seinem Tod und dessen Auswirkungen auf die österr. Sozialdemokratie. Es scheint, als wäre Kreiskys Leben eine Aneinanderreihung von Kränkungen. Der Antisemitismus der Nazi-Zeit macht(e) auch vor der SPÖ nicht Halt. Und so dauert es nach seinem Exil (1938-1950) in Schweden eine geraume Zeit bis Brunos Kreisky wieder in seiner eigenen Partei Fuß fassen kann. Mit Innenminister Oskar Helmer („Ich wäre dafür, dass man die Sache in die Länge zieht.“ - die Entschädigungen an die überlebenden Juden nämlich) hat Kreisky einen besonderen Gegner in der eigenen Partei.

Dass Bruno Kreisky über keine der üblichen Seilschaften verfügt und eher ein Einzelkämpfer ist, ist manchen Parteikollegen ein Dorn im Auge. Dennoch, der Erfolg gibt im Recht! In vielen Ländern Europas wie in Deutschland mit Willy Brandt und Schweden mit Olaf Palme siegen die Sozialdemokraten. Beide werden zu Freunden und arbeiten gemeinsam am „Nord-Süd-Dialog“.

Für Österreich hat Kreisky einen noch nie dagewesenen Modernisierungsschub vorbereitet: Heiratsbeihilfe, Gratisschulbuch und Schülerfreifahrt erleichtern den Menschen das Leben. Er schafft ein modernes Familien- und Eherecht, das das bisherige aus 1811 stammende ablöst. Er verkürzt den Wehrdienst („Sechs Monate sind genug“). Die Justizreform von Justizminister Christian Broda ist zwar stellenweise umstritten, wird aber durchgezogen.

Kreisky ist ein „Menschenfänger“, der Wähler aus den Teichen der anderen Parteien fischt. Er lädt diese Wähler ein „ein Stück des Weges mit ihm zu gehen“. Dreimal (1971, 1975 und 1979) erhält er die absolute Mehrheit.

Neben seinen Reformen und klugen politischen Schachzügen spart Ulrich Brunner Kreiskys negative Seiten nicht aus, z. B.: Seine Ich-Bezogenheit, die im Laufe seines Lebens immer ausgeprägter wurde. Seine Konflikte mit Hannes Androsch oder mit Simon Wiesenthal, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Nazi-Kriegsverbrecher aufzuspüren und vor Gericht zu bringen. Hier hat Kreisky, auf Wiesenthals Kritik, mind. vier SPÖ-Minister seien Mitglieder der NSDAP gewesen, überzogen reagiert.

Bruno Kreisky setzt wenige Handlungen ohne Kalkül. Er ist Vollblutpolitiker und 24 Stunden im Amt. Da seine Telefonnummer im öffentliche Telefonverzeichnis steht, wird er immer wieder von Hilfe suchenden Bürgern angerufen. Kreisky ist sehr belesen, denn in der Haft 1935/36 hat er jedes Buch verschlungen, dessen er habhaft werden konnte. Sein Lieblingswerk „Der Mann ohne Eigenschaften“ von Robert Musil.

Ulrich Brunner ist jener Journalist, zu dem Kreisky gesagt hat „Lernen’s Geschichte, Herr Reporter“ (siehe S. 123 - 130).

Seine Nachfolge hat Kreisky leider nicht in der üblichen Eloquenz geregelt. "...Kreisky hatte seine Partei nicht auf die Zeit nach ihm vorbereitet. Wahrscheinlich liegt darin auch eine historische Gesetzmäßigkeit..." (S. 247). Unterrichtsminister Fred Sinowatz wird Bundeskanzler und Parteivorsitzender. Die SPÖ geht mit der FPÖ unter Norbert Steger eine rot-blaue Koalition ein, die Kreisky noch selbst eingefädelt hat. An seinen Nachfolgern lässt Bruno Kreisky kein gutes Haar.

Der Niedergang der Sozialdemokratie (auch in anderen Teilen Europas) ist nicht mehr aufzuhalten. Die heutige Zerrissenheit der Partei, die sich langsam einer Kleinpartei nähert, musste Bruno Kreisky nicht mehr erleben. Kreisky stirbt am 29. Juli 1990.

Fazit:

Ein faszinierendes Porträt eines Ausnahmepolitikers, der seinesgleichen sucht. Gerne gebe ich hierfür eine absolute Leseempfehlung und 5 Sterne.

Veröffentlicht am 03.08.2020

Von Dschingis Khan in die Gegenwart

Die Mongolen
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Es ist immer wieder erstaunlich, wie es gelingt so umfassende Themen auf nur 128 Seiten darzustellen.
Wie Autorin mehrfach anmerkt, ist die Quellenlage über die Mongolen nicht sehr üppig. Obwohl sie über ...

Es ist immer wieder erstaunlich, wie es gelingt so umfassende Themen auf nur 128 Seiten darzustellen.
Wie Autorin mehrfach anmerkt, ist die Quellenlage über die Mongolen nicht sehr üppig. Obwohl sie über eine Schrift und Kenntnisse des Buchdrucks verfügten, ist wenig überliefert. Der bekannteste Vertreter ist natürlich Dschingis Khan, der nicht nur durch seine Heeresreformen und der Einigung der einzelnen Klans besticht. Er hat eine umfassende Verwaltungsreform umgesetzt und die eine Art Schulpflicht für die Kinder eingeführt.

Nach Dschingis Khan gibt es natürlich Streitigkeiten um die Nachfolge, die das Mongolische Reich schwächen.
Wovon der geneigte Leser Abstand nehmen muss, ist das Bild vom mordenden und brandschatzenden Wilden. Die Brutalitäten sind in jener Zeit üblich und unterscheiden sich nur wenig von anderen Heeren.

Die Frauen genießen erstaunlich hohes Ansehen. Man nehme nur Höelün, Dschingis Khans Mutter, oder Börte, seine Ehefrau oder dann später Manduqai Qatun (Ehefrau von Dayan Khan).

Die monoglischen Khans wissen um die Macht der Landkarten und so ist es nicht verwunderlich, dass sie solche erstellten und benutzten. Bekannt sind zwei Karten: Eine, die China, die Mongolei und Mittelasien abbildet und eine aus der Yan-Dynastie (aus dem 15./16.Jahrhundert), die die Afrika als Dreieck und die Mittelmeerküste erstaunlich detailgetreu zeigt. Außerdem verfügt sie über rund 100 Ortsbezeichnungen, darunter das Gebiet „A-lu-man-ni-a“.

Interessant auch, dass im 16. Jahrhundert der Buddhismus Staatsreligion wird und der Titel „Dalai Lama“ auf Altan Khan zurück geht, der ihn erstmals an Sönan Gyatso (1543-1588) verliehen hat.

Fazit:

Die Autorin spannt den Bogen von Dschingis Khan bis in die Gegenwart. Schade, dass nur 128 Seiten für dieses interessante Thema zur Verfügung steht. Das Buch macht jedenfalls Appetit, sich mit Dschingis Khan und seinem Volk weiter zu beschäftigen. Gern gebe ich diesem Buch 5 Sterne.

Veröffentlicht am 03.08.2020

Ein sehr persönlicher Fall für Lena Lorenzen

Der Tote auf Amrum
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Dieser, ihr 6. Fall wird für Lena Lorenzen ihr bislang persönlichster Fall. Wie es dazu kommt?

Auf Amrum wird der erfolgreiche Immobilienmakler Marten Hilmer tot aufgefunden. Es wird zwar zunächst ein ...

Dieser, ihr 6. Fall wird für Lena Lorenzen ihr bislang persönlichster Fall. Wie es dazu kommt?

Auf Amrum wird der erfolgreiche Immobilienmakler Marten Hilmer tot aufgefunden. Es wird zwar zunächst ein natürlicher Tod vermutet, doch schnell stellt sich heraus, dass Hilmer vergiftet worden ist. Lena Lorenzen wird nach Amrum abkommandiert, da man von ihr, die ja von der Insel stammt, eine schnelle Aufklärung durch ihr Insiderwissen erhofft.

Doch es kommt anders als erwartet, denn Lena findet ein Foto ihrer verstorbenen Mutter im Büro des Toten. Natürlich kann sie sich vorerst keinen Reim darauf machen, aber die Entdeckung der Rechtsmedizinerin lassen ihre Eltern in einem neuen Licht erscheinen. Hat sie ihrem Vater, den sie für den Unfalltod ihrer Mutter verantwortlich macht, Unrecht getan?

Das und das miese Intrigenspiel des Vorgesetzten Groll, der Lena und weitere Kolleginnen vergewaltigt hat, lenken Lorenzen beinahe vom aktuellen Mordfall ab. Der Verdächtigen, fast ausschließlich Frauen, die mit dem Toten ein Verhältnis hatten, ist recht groß, denn Hilmer galt zu seinen Lebzeiten als Womanizer. Ist eine der verlassenen Frauen die Täterin? Doch auch ein zweites Mordmotiv steht im Raum: das eine oder andere Immobliengeschäft soll nicht sauber abgelaufen sein.

Lena Lorenzen hat alle Hände voll zu zu tun ...

Meine Meinung:

Dies ist mein zweiter Krimi rund um Lena Lorenzen und er hat mir auch sehr gut gefallen. Wie schon im unmittelbaren Vorgänger „Die Frau im Strandkorb“ ist der Krimi unblutig und verzichtet auf Reifenquietschende Verfolgungsjagden. Vielmehr wird auf Teamarbeit im LKA und penible Polizeiarbeit Wert gelegt. Weder ist der Staatsanwalt ein Ekel oder Trottel noch der unmittelbare Vorgesetzte. Die Zusammenarbeit mit der Spusi und anderen Spezialisten ist ebenfalls erfolgreich. Lediglich Groll stört den guten Eindruck. Da allerdings Lena Lorenzen durch ihre sachliche und freundliche Art jede Menge Freunde in der Dienststelle hat, helfen die zusammen, um Groll vor eine Disziplinarkommission zu bringen. Dazu greifen sie auch manchmal zu nicht ganz legalen Hilfsmitteln. Das Thema Vergewaltigung ist nach wie vor mit einem großen Tabu belegt. Viele Frauen, wie auch Lena, scheuen den Gang zur Polizei. Es ist sehr spannend zu lesen, wie sich Lena hier weiterentwickelt hat. Ich denke, der große Showdown diesbezüglich, wird im nächsten Fall passieren.

Fazit:

Eine fesselnde Fortsetzung mit einem spannenden Ausblick auf Fall Nr. 7. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 03.08.2020

Vom Alltagsg'wand zum Modetrend

Mein selbst genähtes Dirndl
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Dieses Buch ist eine Hommage an Dirndl und Tracht. Die beiden Autorinnen sind eifrige Bloggerinnen in Sachen „Dirndl“. Ihre Leidenschaft für dieses Kleidungsstück ist auf jeder Seite zu spüren.

Wir erfahren, ...

Dieses Buch ist eine Hommage an Dirndl und Tracht. Die beiden Autorinnen sind eifrige Bloggerinnen in Sachen „Dirndl“. Ihre Leidenschaft für dieses Kleidungsstück ist auf jeder Seite zu spüren.

Wir erfahren, wie wir unser Traumdirndl zusammenstellen können, welchen Stoff und welche Farben zusammenpassen und - ganz wichtig - das richtige Maß nehmen und ein Probemieder nähen.

Gast-Autorin Uschi Korda erzählt von der Wandlung der Tracht von bäuerlichen Alltagsg’wand zum Modetrend.

Neben zahlreichen zweckdienlichen Hinweisen, Fotos und Anleitungen liegen dem Buch zwei Schnittmusterbögen in den Größen 34-50 bei. Das eine ist ein Dirndl mit sogenanntem Balconette-Ausschnitt, das eher für Mädchen und Frauen mit wenig Busen geeignet ist, da der eher eckige Ausschnitt doch ein wenig aufträgt. Für mich ist diese Ausschnittform nichts, weil ich doch mit einem üppigen Busen gesegnet bin. Ich müsste den Ausschnitt abrunden, was aber mit mit dem Schnittmusterbogen kein Problem für mich darstellt.

Das zweite Dirndl ist hoch geschlossen und eignet sich gut für einen schweren Jacquard- oder Brokatstoff.

Die Autorinnen erklären wie der Rock bzw. die Schürze zu nähen ist, entweder in Falten gelegt, gekräuselt („gezogen“) oder gestiftelt. Jedenfalls ist hier Handarbeit angesagt!

Handarbeit ist auch beim Paspoil oder bei den Froschgoscherln von Nöten. Und natürlich auch bei den Knopflöchern.

Was mir persönlich bei einem Dirndl sehr wichtig ist, ist die passende Länge des Rockes - für mich muss er mindestens wadenlang sein, sonst lässt einen das Dirndl pummelig wirken. Vor vielen Jahren habe ich gleich mehrere Dirndl für mich genäht. Die waren sehr stark an Original-Trachten angelehnt. Sei es im Schnitt oder sei es in der Farbkombination.

Gut gefallen mir auch die Tipps zu Upcyclen eines vorhandenen, vielleicht nicht mehr so taufrischen Dirndl. Enger oder weitermachen, die Länge kürzen (einfach) oder den Rock verlängern (nicht so einfach) - das alles lässt sich anhand der Tipps und Tricks ausführen.

Eine kleine Einschränkung muss ich allerdings anmerken: Das Buch ist nichts für Nähanfängerinnen oder Ungeduldige. Außerdem sollte eine nähfeste Person vorhanden sein, die den richtigen Sitz des Mieders (Probemieder!!) begutachtet und nötigenfalls korrigiert. Nichts ist unangenehmer als ein Dirndloberteil das zwickt oder labbrig herum hängt. Dennoch ist dieses Buch rundum gelungen.

Fazit:

Ein gelungenes Buch, um ein Dirndl selbst zu nähen. Wie gesagt, einige Erfahrung im Nähen sollte man schon mitbringen.

Veröffentlicht am 03.08.2020

Ein kluges Buch - eine unbedingte Leseempfehlung

Propaganda. 100 Seiten
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100 Seiten zu „Propaganda“? Reicht das? Kann man dieses schier unerschöpfliche Thema in so wenigen Seiten abhandeln? Ja, man kann es, also Alexandra Bleyer kann es!

Das hat sie schon in ihrem anderen ...

100 Seiten zu „Propaganda“? Reicht das? Kann man dieses schier unerschöpfliche Thema in so wenigen Seiten abhandeln? Ja, man kann es, also Alexandra Bleyer kann es!

Das hat sie schon in ihrem anderen Buch „Napoleon“ aus der Reihe „Reclam - 100 Seiten“ bewiesen. Wie wir ja wissen, ist Napoleon selbst der Meister der Propaganda, dem auch in diesem Buch Platz eingeräumt wird.

In folgenden sieben Kapiteln gibt uns die Autorin und Historikerin einiges an Rüstzeug mit, die allgegenwärtigen Mittel der Propaganda zu durchschauen:

Ein Werkzeug des Bösen?
Von der Propaganda zur PR- und Öffentlichkeitsarbeit
Information und Desinformation
Medien zwischen „Lügenpresse“ und „vierter Gewalt“
Die vielleicht besten Manipulationsstrategien
Propaganda-Krieg
Kein Schweigen der Lämmer

Anhand griffiger Beispiele wird zwischen schwarzer, grauer und weißer Propaganda unterschieden.

Besonders gut gelungen sind die "10 Gebote" und die Check-Liste mit deren Hilfe vom aufmerksamen Leser Propaganda leicht erkannt werden kann, denn "Propaganda wirkt nur, bis man sie als solche entlarvt".

Für alle jene, die sich weiter mit dem Thema auseinander setzen wollen, findet sich im Anhang eine lange Liste ausgewählter Literatur.


Fazit:

Ein kluges, informatives Buch, das zeigt, wie man sich im Dschungel von Propaganda, Fake News und Desinformation zurecht finden kann. Gerne gebe ich diesen 100 Seiten 5 Sterne und eine Leseempfehlung.