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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.08.2020

Ein kompetenter Augenzeugenbericht

Ich rede von der Cholera
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Während seines Parisaufenthaltes im April 1832 bricht in der Stadt die Cholera aus. Heinrich Heine berichtet als Chronist der Augsburger Allgemeinen Zeitung über die Krankheit und das Verhalten von Behörden ...

Während seines Parisaufenthaltes im April 1832 bricht in der Stadt die Cholera aus. Heinrich Heine berichtet als Chronist der Augsburger Allgemeinen Zeitung über die Krankheit und das Verhalten von Behörden und Einwohnern.

Die Cholera ist zuvor schon in London ausgebrochen. Da man um die Art der Ansteckung nichts weiß, wird sie zunächst einmal von der Pariser Stadtverwaltung nicht ernst genommen und als Problem der Londoner angesehen. Erst als es auch in Frankreichs Hauptstadt zum Massensterben kommt, versucht die Stadtregierung mit teilweise untauglichen Mitteln die Seuche einzudämmen. Wer kann, flieht aufs Land und trägt damit zur Weiterverbreitung der Krankheit bei.

Wie bei solchen Seuchen üblich, gibt es jene, die trotz der verhängten Maßnahmen lustig weiterfeiern und solche, die Schuldige suchen. Das Gerücht der „Brunnenvergifter“ macht wieder einmal die Runde und der Aufstand ist nicht weit. Die letzte Revolution ist ja gerade einmal zwei Jahre (1830) her.

Neben den chaotischen Zuständen berichtet Heinrich Heine über alle jene, die in Paris ausharren und unter Einsatz des eigenen Lebens zu helfen versuchen.

Die Ähnlichkeiten zur aktuellen Situation sind verblüffend, wenn auch die beiden Krankheiten nicht miteiiander vergleichbar sind.
Ignoranz, Egoismus, Panik(mache) und falsche Informationen tragen damals wie heute zum Chaos bei. Wie 1832 ergötzen sich auch heute viele Menschen an den täglich veröffentlichen Zahlen der Toten. Wenn man die Bilder von Massengräbern in Italien und/oder Südamerika sieht, kann man sich auch vorstellen, wie es im Paris von 1832 zugegangen sein muss, nur um ein vielfaches unhygienischer.

Heines Bemerkung „Angst ist bei Gefahr das gefährlichste“ hat den Nagel auf den Kopf getroffen und trifft auch heute zu.
Mit seiner genauen Beobachtungsgabe und bissigen Bemerkungen trifft Heinrich Heine den Nerv der Zeit.

Im Anhang ist diese Reportage der Augsburger Allgemeinen Zeitung als Faksimile abgedruckt.

Fazit:

Ein authentischer Augenzeugenbericht aus einer von Krankheit und Tod gekennzeichneten Stadt. Parallelen zu heute sind deutlich erkennbar. Gerne gebe ich diesen Gedanken von Heinrich Heine 4 Sterne.

Veröffentlicht am 26.07.2020

EIne interessante Auseinandersetzung

Wagner, ein ewig deutsches Ärgernis
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„Richard Wagner war kein geistiger Wegbereiter des deutschen Nationalsozialismus“, behauptet der israelische Historiker Moshe Zuckermann.

Wie kommt Zuckermann auf diese Idee?

In acht Kapiteln versucht ...

„Richard Wagner war kein geistiger Wegbereiter des deutschen Nationalsozialismus“, behauptet der israelische Historiker Moshe Zuckermann.

Wie kommt Zuckermann auf diese Idee?

In acht Kapiteln versucht Moshe Zuckermann, seine Thesen zu untermauern:

Richard Wagner - ein deutsches Ärgernis
Revolutionäre Tondichter
Exkurs: Musikalische Gestik
Wagners Antisemitismus
Antisemitismus in Wagners Werk?
Werk und Person
„Dreigestirn ewig verbundener Geister“ und die Folgen
Wagner in Israel oder Die Wonnen der Ignoranz

Schon auf Seite 12 kann man lesen:

„Ein geglücktes 1848 hätte – pauschal ausgedrückt – einen Rückzug in die 'deutsche Innerlichkeit' im Sinne einer Flucht aus dem Leben in die Irrationalität, ins Mystische, in Kunst um der Kunst willen' als Ideologie, hätte Bismarck, vielleicht gar Hitler unwahrscheinlich gemacht. Eine erfolgreiche Revolution 1848 hätte Deutschland vermutlich auf den demokratischen Pfad geführt und einem Heine gehuldigt. Nur ein undemokratisches Deutschland konnte Wagner als Hohepriester deutschen Geistes feiern.“

Da ist wohl etwas Wahres dran, denn eine Monarchie hat wenig Demokratisches an und in sich.

Richard Wagner ist nicht der einzige Antisemit seiner Zeit. Diese Haltung ist sowohl in Europa als auch in den USA weit verbreitet. Man denke nur an Alma Mahler-Werfel, eine glühende Antisemitin, die dennoch zweimal mit jüdischen Männer (Gustav Mahler und Franz Werfel) verheiratet war.

Ebenso erschreckend wie typisch, ist die Meinung vieler Menschen, dass Richard Wagner (1813-1883) ein Weggefährte des Massenmörders Adolf Hitler (1889-1975) gewesen sei. Wagner war bei Hitlers Geburt schon sechs Jahre tot (S. 140).

Im Kapitel „Wagner in Israel oder Die Wonnen der Ignoranz“ geht Moshe Zuckermann auf das Aufführungsverbot von Richard Wagner ein, der zur Unperson ernannt wurde, während die israelischen Politiker schon längst wieder beste Beziehungen zu Deutschland (und seinem Kapital) pflegen. Wagner wird von den konservativen Kräften in Israel weiterhin als Feindbild gepflegt, obwohl er bei den meisten der Shoa-Überlebenden, wenig bis keinen Stellenwert hat (S. 129). So verhängt der Staat Israel einen Boykott über einen Komponisten, den man mögen oder nicht mögen kann.

Wichtiger wäre die Auseinandersetzung Israels mit seiner Geschichte, als es von der Rolle als Opfer (die in keiner Weise bestritten werden soll) zum Täter wird, wenn man an die eigenen Verbrechen wie z.B. die illegale Besetzung(en) in Palästina denkt, Doch darüber kann und will man in Israel nicht diskutieren.

„Heute sei Wagner kein deutsches Ärgernis mehr, meint Zuckermann: Die einzigen, die sich noch um ihn kümmerten und ihn hin und wieder als Ärgernis inszenierten, seien die Regisseure; sie würden dafür zumeist ausgebuht werden.“ Zu recht, wenn sie ihrerseits Wagners Opern mit Hakenkreuzen und sonstige NS-Symbolen ausstatten und damit verunzieren.


Fazit:

Man muss Wagners Werke immer im Rahmen des historischen Kontexts betrachten und sich nicht die, eigenwillige oft falsche, Interpretation eines ebenso eigenwilligen Regisseurs aufdrängen lassen. 4 Sterne.

Veröffentlicht am 21.07.2020

Sommersonnenwende im Teutoburgerwald

Velmerstot
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Dieser Krimi ist der vierte rund um Kriminalkommissar Jan Oldinghaus, der nun nach einem Jahr Auszeit wieder an seine Dienststelle in Bielefeld zurückkehrt.

Der aktuelle Fall verlangt Jan und seinem Team ...

Dieser Krimi ist der vierte rund um Kriminalkommissar Jan Oldinghaus, der nun nach einem Jahr Auszeit wieder an seine Dienststelle in Bielefeld zurückkehrt.

Der aktuelle Fall verlangt Jan und seinem Team einiges ab, den den Auftakt macht gleich einmal das Auffinden von drei Leichen, die wie es scheint, einem Ritualmord zum Opfer gefallen sein könnten. Immerhin sind bei den Externsteinen im Teutoburger Wald besonders drapiert und Sommersonnenwende ist auch.

Es steht zu befürchten, dass die drei Toten nicht die einzigen Opfer bleiben werden.

Jan und sein Team arbeiten sich mühsam durch das Umfeld der Toten und finden nicht immer hilfreiche Verwandte, dafür eine direkte Beziehung zu einem der Kollegen.

Meine Meinung:

Vom dunkelblauen Cover mit dem Vollmond, der sich in einem Gewässer spiegelt, bin ich zutiefst beeindruckt - ja, der Emons-Verlag hat ein gutes Händchen für eindrucksvolle Titelbilder.

Obwohl ich die drei Vorgänger nicht kenne, habe ich mich gut zurecht gefunden. Es schadet allerdings nicht, die anderen Bücher zu lesen.

Die Leser erfahren einiges aus den Familiengeschichten der Teammitglieder und die überraschenden Wendungen lassen diesen Krimi bis zu Ende spannend belieben.

Mir waren die einzelnen Kapitel fast zu kurz. Kaum im Lesen drinnen, schon wieder eine neue Überschrift.

Fazit:

Ein interessanter Krimi aus dem Teutoburger Wald. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 11.07.2020

Regt zum Nachdenken

Zieht euch warm an, es wird heiß!
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Sven Plöger ist studierter Meteorologe und versucht mit diesem Buch, das komplexe Thema Klimaveränderung seinen Lesern näher zu bringen.

In folgenden Kapiteln stellt er uns seine Ideen vor, wie man den ...

Sven Plöger ist studierter Meteorologe und versucht mit diesem Buch, das komplexe Thema Klimaveränderung seinen Lesern näher zu bringen.

In folgenden Kapiteln stellt er uns seine Ideen vor, wie man den Klimawandel verstehen und aus der Krise für die Welt von morgen lernen kann:

Eine ehrliche Bestandsaufnahme
Den Klimawandel verstehen
Den Klimawandel vermitteln
Die Folgen des Klimawandels
Der Wettlauf zum Klimaziel - was jetzt zu tun ist
Klima und Gesundheit - ein Gastbeitrag von Eckart von Hirschhausen
Wie wollen wir die Welt?

Meine Meinung:

Das Buch ist in einem populärwissenschaftlichen Schreibstil gehalten und kann daher auch von interessierten Laien gelesen werden.

Es könnte durch Skizzen, Abbildungen und Fotos durchaus einprägsamer gestaltet sein. Als Geodätin ist mir die Neigung der Erdachse wohl bekannt, doch vielen Lesern ist diese Tatsache nicht so geläufig. Hier hätte sich ein Skizze zum besseren Verständnis angeboten.

Das Buch ist natürlich etwas zahlenlastig, was vielleicht ein paar potentielle Leser verschrecken könnte.

Immer wieder zitiert der Autor auf andere Wissenschaftler wie Stephen Hawking oder Jane Goodall.

Das umfangreiche Literaturverzeichnis findet sich auf der Verlagsseite online. Das ist ein wenig ungewöhnlich. Immerhin gibt es hierzu gleich am Beginn des Buches einen Hinweis, so dass man die Quellenangabe nicht vergeblich suchen muss.

Der Exkurs in die Vergangenheit hat mir gut gefallen. Denn, ungewöhnliche Wetter- bzw. Klimaphänomene hat es immer schon gegeben. Man denke nur an die „Kleine Eiszeit“ im 14. Jahrhundert.


Fazit:

Ein Sachbuch mit einem anspruchsvollen Schreibstil, vielen Gedanken zum Klimawandel, Klimaschutz, das zum Nachdenken und Handeln anregt, informieren aber nicht missionieren will. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 09.07.2020

Eine ungewöhnliche Erzählperspektive

Rüebliland
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Dieser Krimi ist der erste Fall rund um Samantha Kälin, die als indisches Waisenkind vom Schweizer Ehepaar Kälin adoptiert worden ist.

Samantha findet ihre Adoptiveltern ermordet auf. Die Kriminalpolizei ...

Dieser Krimi ist der erste Fall rund um Samantha Kälin, die als indisches Waisenkind vom Schweizer Ehepaar Kälin adoptiert worden ist.

Samantha findet ihre Adoptiveltern ermordet auf. Die Kriminalpolizei tappt lange Zeit im Dunklen, denn es fehlen keine Wertsachen und auch ein Motiv für das Verbrechen ist nicht auszumachen. Die Polizei nimmt fremdenfeindliche Gründe an und zu Beginn der Ermittlungen scheint sie für die Ermittler selbst verdächtig.

Gleichzeitig erhält sie ein eMail aus Indien, in dem sie erfährt, doch mögliche Verwandte zu haben. Bislang hat man ihr ja erzählt, dass sie die einzige Überlebende eines Brandes in einem Slum war. Als sich die Gelegenheit ergibt, dienstlich nach Indien zu reisen, nimmt sie die Gelegenheit beim Schopf und besucht den eMail-Kontakt.

Was sie dort herausfindet, ändert die Lage in der Schweiz, denn plötzlich sind die Adoptionsurkunde aus dem Haus der Eltern verschwunden und Samantha gerät in große Gefahr.

Ist bei der Adoption alles mit rechten Dingen zugegangen?

Meine Meinung:

Im Mittelpunkt dieses Krimi stehen weder die polizeilichen Ermittlungen noch der Täter, sondern das sekundäre Opfer, wenn man Samantha so bezeichnen will. Die eigentlichen Opfer des Verbrechens, ihre Eltern, spielen auch nur eine Nebenrolle.
Diese Perspektive ist ungewöhnlich und interessant.

Gut gefallen hat mir der kurze Einblick in das Leben der indischen Familie, die zwar nicht zu den ärmsten Menschen zählt, aber dennoch mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpft. Die Autorin berichtet über den geringen Stellenwert von Mädchen, die nicht selten bei ihrer Geburt ermordet werden, weil sie „unnütz sind und nur Geld (für eine Mitgift) kosten“. Diese Haltung dem weiblichen Nachwuchs gegenüber herrscht leider trotz zahlreicher Bemühungen vor. Das eröffnet natürlich bei korrupten Beamten und Betreibern von Waisenhäuser einige Möglichkeiten. So werden abgegebene Babys illegal an adoptionswillige Paare verkauft.

Von den polizeilichen Ermittlungen erfährt der Leser wenig. Die passieren eher im Hintergrund. Im Fokus steht Samantha, die ihrer Herkunft nachgeht.

Leider muss ich ein wenig Kritik üben, denn hier scheint es doch ein paar Zufälle zu viel zu geben. Ausgerechnet als ihre Eltern ermordet werden, meldet sich eine Verwandte aus Indien und genauso zufällig führt ihre Dienstreise Samantha genau dorthin, obwohl der indische Subkontinent riesig ist.

Wie es sich für einen Schweizer Krimi gehört, sind einige Schweizer Ausdrücke - wie Rüebli, Töff oder parkieren - in den Krimi eingeflossen. Aber keine Angst, für Nicht-Schweizer steht am Ende des Buches ein Glossar zur Verfügung. Eine nette Idee und Ergänzung sind die Rezepte einer Aargauer Rüebli-Torte und eines indischen Rüebli-Desserts im Anhang.

Fazit:

Ein Krimi aus ungewöhnlicher Perspektive mit einer sympathischen Hauptfigur und einem ernsten Thema im Hintergrund. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.