Eine sehr spezielle, tabulose Erinnerung an die Nachkriegszeit
OmamaWenn es um die Zeit nach dem Krieg geht, erinnere ich mich an Erzählungen meiner Großeltern, die damals geflüchtet sind, sich vor den Russen versteckt haben und sich auch heute noch über jeden Kriegsfilm ...
Wenn es um die Zeit nach dem Krieg geht, erinnere ich mich an Erzählungen meiner Großeltern, die damals geflüchtet sind, sich vor den Russen versteckt haben und sich auch heute noch über jeden Kriegsfilm aufregen können. Erinnerungen sind da sehr individuell und speziell, manchmal etwas schärfer, gewaltiger, trauriger oder auch traumatischer.
In "Omama" erzählt die Kabarettistin Lisa Eckhart nun leicht biografisch, ganz schön überspitzt von ihrer Großmutter Helga und eben solchen Erinnerungen. Dieser Roman ist dabei so eine Aneinanderreihung verschiedener Anekdoten und Lebensabschnitte, die von ihrer Großmutter und deren Schwester erzählen. Teils moralisch hinterfragend, schmunzelnd, ungläubig oder einfach nur kopfschüttelnd begibt sich der Leser auf einen wahrlichen Ritt durch alle Bereiche, in denen Eckharts Protagonisten von Angst und Russen getrieben, aufreizend um Anerkennung buhlen oder eben auch skurrilen Ideen Folge leisten. In wie weit das nun alles der Wahrheit entspricht oder im Stile Eckharts bewusst polarisierend aufgearbeitet wurde, sei mal dahingestellt. Das was jedoch sicher ist, ihre Omama hatte ein sehr, sehr aufregendes Leben.
"Es mangelt weiß Gott nicht an Autoren, die sich an der eigenen Familie vergehen. Das Leben schreibt nämlich die besten Geschichten, sagen die heillosen Naturalisten, wann immer es ihnen an Einfällen fehlt. Besonders die Kaste der Großeltern ist ein beliebtes Sujet vieler schriftelnder Enkel. Und ganz gleichgültig, welche Epoche - jede Erzählung von Großeltern hebt stets mit einer schweren Zeit an. Eine Zeit der Entbehrung, des Hungers, der Not, welche zu lichten Horizont blickt, dem Horizont des Enkelglücks."
Wer mit Lisa Eckharts Art des Erzählens klar kommt und mal nach etwas anderem sucht wird mit diesem Roman sicherlich ganz gut bedient. Für mich selbst war das Lesen recht schnell sehr anstrengend. Ich habe ständig Frau Eckhart im Ohr gehabt und dachte immer häufiger daran, dass in diesem Fall ein Hörbuch vielleicht sogar die bessere Wahl gewesen wäre. Sie ist speziell und auch ihr Roman ist sehr eigen. Sie verwendet hier und da recht hochgestochene Worte oder haut bitterböse, sarkastische, platte Aussagen heraus. Sie spielt mit den Vorurteilen der Menschen, mit der Geschichte und eigentlich auch dem, was jahrelang im deutschen Raum gang und gebe war. Da brauchen wir jetzt auch Jahre später nicht so tun, als wäre es nicht so gewesen oder wirklich weit hergeholt. Es war so. Und ja, der Ton ist rau, sehr direkt und manchmal auch so ein bisschen drüber. In ihrem Kabarett spielt sie genau mit diesen Archetypen, den überzogenen, diffamierenden und zum Teil auch verachtenden Aussagen, die einen als Zuhörer verstören, im Halse stecken bleiben und eben auch zum Nachdenken bringen. Lisa Eckhart nähert sich auf ihre bekannte polarisierende, überzogene Art in ihrem Roman der Nachkriegsgeschichte an und entweder mag man es dann oder man will sich gerade über ihre gemeine Rotzigkeit, die eben nicht alles schön redet oder abschwächt, aufregen. Die aufgekochte Diskussion und die Reaktionen rund um das Hamburger Harbourfront, über ihr Bühnenprogramm und sie als Person, der Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie ... unterstellt wird, kann ich daher auch nur zum Teil nachvollziehen. Aber irgendwie ist es auch ein Teil der deutschen Verdrängungskultur geworden, gerade gegen solche Überspitzungen vorzugehen. Als Kunst, so wie Satire, Kabarett, Film und Co auch eine Form der geduldeten Kunst ist, finde ich diesen Roman insgesamt recht klug, aufreibend und sehr, sehr böse, aber eben auch sehr direkt. Und gerade durch diese überspitzte Darstellung, von der sie sich im Prolog mit den Worten "Es bleibt dem Leser überlassen, ob er diese Biografie als Hommage oder als Rufmord erachtet. Ich vermag darüber nicht zu urteilen. Wenn ich von meiner Großmutter erzähle, so zeichne ich in jedem Falle keinen von Krieg und Besatzung geprägten, von Ehen enttäuschten, vom Alter gerächten, tätschelnden, verhätschelnden Archetyp des weisen Ahnen." begründet und distanziert, macht diesen Roman aus, lässt den Leser manchmal schlucken, erneut an die damalige Zeit denken oder auch, ich gebe es zu, über einige Äußerungen herzhaft lachen und das zeichnet (auch wenn man nicht immer mit allem einverstanden ist) für mich dann irgendwie auch gute Literatur aus.