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Veröffentlicht am 12.08.2020

Großartige Novelle

Der alte Mann und das Meer
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Die Novelle bzw. Kurzgeschichte habe ich jetzt, nach vielen Jahren, zum zweiten Mal gelesen – und bin wieder hellauf von der Erzählweise und dem Schreibstil von Ernest Hemingway begeistert.

„Der alte ...

Die Novelle bzw. Kurzgeschichte habe ich jetzt, nach vielen Jahren, zum zweiten Mal gelesen – und bin wieder hellauf von der Erzählweise und dem Schreibstil von Ernest Hemingway begeistert.

„Der alte Mann und das Meer“ ist und bleibt ein Klassiker. Großartig, wie es Hemingway gelingt den Leser zu fesseln, obwohl eigentlich nicht allzu viel geschieht. Er lässt uns die drei Tage und drei Nächte auf dem offenen Meer vor Kuba zusammen mit dem alten Mann kämpfen und leiden, lässt uns bangen und, auch wenn man die Geschichte schon kennt, hoffen, dass es diesmal für Santiago, den alten Fischer, gut ausgehen mag. Am Schluss bleibt man sehr nachdenklich zurück.

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Veröffentlicht am 03.08.2020

Die letzte Reise …

Der letzte Satz
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Einsam und alleine sitzt Gustav Mahler an Deck der „Amerika“ und schaut aufs Meer. Er fiebert und friert, man hat ihn in Wolldecken gewickelt – er ist krank, todkrank, und er möchte alleine sein. Es ist ...

Einsam und alleine sitzt Gustav Mahler an Deck der „Amerika“ und schaut aufs Meer. Er fiebert und friert, man hat ihn in Wolldecken gewickelt – er ist krank, todkrank, und er möchte alleine sein. Es ist seine letzte Überfahrt von New York nach Europa. Mahlers Frau Alma und seine kleine Tochter Anne sind mit an Bord, sie sind beim Frühstück. Er sollte bei ihnen sein, doch er hat keinen Appetit, kann nichts mehr essen. Während er so sitzt, lässt er Stationen seines Lebens Revue passieren. Er erinnert sich an Höhen und Tiefen, an Freud und Leid …

Es ist ein bedrückendes Stück geschichtlicher Tatsache, das ergreifende Schicksal eines begnadeten Komponisten und berühmtesten Dirigenten seiner Zeit, was der österreichische Schriftsteller Robert Seethaler ( 1966 in Wien) in seinem neuesten Roman „Der letzte Satz“ beschreibt. Er lässt den Leser teilhaben an den Gedanken, die Gustav Mahler auf seiner letzten Reise bewegen. Wir erfahren von seiner schweren Krankheit und von ständig wiederkehrenden Schmerzen, aber auch von glücklichen und triumphalen Ereignissen in seinem Leben. Wir erleben den Tod seiner ersten Tochter Maria, die ihm oft noch in seinen Träumen erscheint und wir lesen von seiner großen Liebe, seiner Frau Alma, die sich ihm längst entfremdet hat.

Der Schreibstil des Autors ist klar und schnörkellos, dennoch einfühlsam mit sehr viel Tiefgang. Er ist angenehm flüssig und vermittelt mit liebevollen und gut recherchierten Details einen guten Einblick in Gustav Mahlers Gedankenwelt. Das Geschehen ist, mit Rückblicken in die Vergangenheit, chronologisch aufbereitet und vermittelt ein atmosphärisch dichtes Bild über Mahlers Leben und Wirken. Robert Seethaler schafft es, trotz der Schwere des Themas eine gewisse Leichtigkeit und Unbeschwertheit durchdringen zu lassen.

Fazit:* Ein außergewöhnlicher Roman, ein eindrucksvolles Stück Literatur, das vorwiegend auf tatsächlichen Geschehnissen basiert.

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Veröffentlicht am 03.08.2020

Flüchtlingsschicksal

Im Meer schwimmen Krokodile -
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Nachdem ich gerade den neuesten Roman des italienischen Schriftstellers Fabio Geda, „Ein Sonntag mit Elena“, gelesen habe, habe ich das bereits 2010 erschienene Buch „Im Meer schwimmen Krokodile“ Eine ...

Nachdem ich gerade den neuesten Roman des italienischen Schriftstellers Fabio Geda, „Ein Sonntag mit Elena“, gelesen habe, habe ich das bereits 2010 erschienene Buch „Im Meer schwimmen Krokodile“ Eine wahre Geschichte, nochmals gelesen. Die Geschichte hat sich der Autor einige Jahre nach seiner Flucht von Enaiat selbst erzählen lassen und für ihn aufgeschrieben:

Es ist die beinahe unglaubliche Fluchtgeschichte des anfangs 9jährigen afghanischen Jungen Enaiat, der nach einer acht Jahre dauernden dramatischen Irrfahrt nun endlich in Italien eine neue Heimat gefunden hat. Es war die Hoffnung auf ein besseres Leben, auf eine Zukunft ohne Krieg, die seine Mutter veranlasste, ihn heimlich von Afghanistan nach Pakistan zu schmuggeln. Auf seinen weiteren Weg gab sie ihm drei Gebote mit: nie Drogen zu nehmen, nie Waffen zu benutzen und nicht zu stehlen. Vollkommen auf sich allein gestellt, sucht sich der Junge zunächst eine Unterkunft und Arbeit, um seine weitere Flucht in den Iran finanzieren zu können. Es gelingt ihm in den Iran zu kommen, von dort in die Türkei und über Griechenland dann nach Italien. Dass ihm dies letztendlich gelang ist außer großem Glück auch seinem Fleiß und seiner Zähigkeit zu verdanken. Zwischen den einzelnen Stationen liegen oft mehrere Jahre, in denen er arbeitete, Schmuggler bezahlte, über schneebedeckte Berge wanderte, eingepfercht im Lastwagen weiterfuhr und im Schlauchboot übers Meer ruderte. Er erlebte Brutalität und Rücksichtslosigkeit, war dem Tod oft näher als dem Leben – erfuhr aber auch Hilfsbereitschaft, menschliche Wärme und Freundschaft.

Das Buch ist mehr als die reine Erzählung eines Flüchtlingsschicksals, es zeigt einfühlsam, warum Menschen solche Strapazen auf sich nehmen. Es ist auch eine versteckte Anklage gegen korrupte Polizei und Ordnungshüter und prangert die Tätigkeit der Schmuggler an, die aus dem Elend der Menschen ein Geschäft machen und Unternehmer, die ihre Großbaustellen mit billigen „Illegalen“ betreiben. Es sind abenteuerliche Begegnungen und oft sehr gefährliche Erlebnisse die dem Jungen bis zu seinem Happy End in Italien widerfahren sind. Dass das nicht allen Flüchtlingen gelingt, viele werden inhaftiert, kommen in Lager oder sterben, auch davon erzählt dieses Buch.

Fazit: Ein einfühlsam geschriebenes Buch über die abenteuerliche Flucht eines jungen Afghanen nach Italien. Es rüttelt auf und stimmt nachdenklich, denn es ist heute aktueller denn je.

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Veröffentlicht am 08.07.2020

Freud und Leid, Aufstieg und Fall einer Familie in Kenia (1918-1988)

Rote Sonne, schwarzes Land
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1918 erwirbt der englische Lord Valentine Treverton im damaligen Britisch-Ostafrika in der Nähe von Nairobi eine Farm, auf der er eine Kaffeeplantage errichtet - später kommen seine schwangere Frau Rose ...

1918 erwirbt der englische Lord Valentine Treverton im damaligen Britisch-Ostafrika in der Nähe von Nairobi eine Farm, auf der er eine Kaffeeplantage errichtet - später kommen seine schwangere Frau Rose und seine Schwester, die Ärztin Dr. Grace Treverton, nach. Rose entbindet in Nairobi ein Mädchen, das den Namen Mona erhält und Grace beginnt eine Kranken- und Missionsstation für die Eingeborenen vom Stamme der Kikuju aufzubauen. Valentines drei Millionen Kaffeebäume wachsen gut an und bald wird ein prächtiges Farmhaus errichtet, das den Namen „Bellatu“ erhält und zu dessen Einweihung die Prominenz Kenias geladen wurde. Da Valentine in seiner Gier immer mehr Land beansprucht, und dafür die Hütten der Kikujus weichen mussten und sogar ein heiliger Feigenbaum gefällt wurde, zieht er sich den Zorn des Häuptlings Mathenge und dessen Hauptfrau Wachera zu. Wachera ist die Medizinfrau und Schamanin des Stammes und steht mit ihrem Gott Ngai, dem Herren des Mount Kenia, in direkter Verbindung. Sie belegt Valentine, seine Familie und alle Nachkommen, mit einem Fluch – und tatsächlich beginnen sich die Probleme und Schicksalsschläge zu häufen …

Die US-amerikanische Schriftstellerin Barbara Wood wurde 1947 in England geboren und lebt seit 1954, als ihre Familie auswanderte, in den USA. Sie ist international als Bestsellerautorin bekannt, zu Recherchen reist sie mit ihrem Mann George meist um die ganze Welt. Ihre Romane, deren Heldin oft eine emanzipierte Frau ist, wurden in über 30 Sprachen übersetzt, einige davon verfilmt, und erreichten alleine im deutschsprachigen Raum eine Gesamtauflage von weit mehr als 13 Millionen Exemplaren. Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann in den USA in Kalifornien.

„Rote Sonne, schwarzes Land“ ist ein großartiges, drei Generationen umspannendes Familienepos und gleichzeitig ein ausgezeichnetes Lehrstück der Geschichte Kenias von der britischen Kolonialzeit zur heutigen Republik. Macht und Intrigen, Unterdrückung und Aufstand, Reichtum und bittere Armut, heimliche Liebe und verbotene Gefühle sind die großen Themen dieses einzigartigen, dramatischen, mitreißenden und spannenden Romans. Breiten Raum nimmt auch der Unterschied zwischen der Mentalität britischer Kolonialisten und der afrikanischen Bevölkerung mit ihren überlieferten Traditionen ein. Der Schreibstil ist angenehm flüssig zu lesen und das Geschehen bleibt trotz ca. 750 Buchseiten durchweg interessant. Unerwartete Wendungen und überraschende Verwicklungen halten die Spannung aufrecht. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, den Figuren Leben einzuhauchen, alle Personen einprägsam und unverwechselbar zu präsentieren und den Handlungsablauf flüssig zu gestalten, so dass man als Leser nie den Überblick verliert. Eine Aufstellung mit Kurzbeschreibung der Protagonisten, ein Stammbaum der Familien und eine Chronologie der wichtigsten Ereignisse in Kenia von 1824 bis 1987 findet man am Schluss des Buches.

Fazit: Ein interessanter, spannender Roman, der bereits 1988 geschrieben wurde, aber wegen der geschilderten Problematik dennoch sehr gut in die heutige Zeit passt. Meine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 29.06.2020

Im Herbst des Lebens …

Die schwedischen Gummistiefel
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Seit dem Arzt Fredrik Welin vor vielen Jahren ein Kunstfehler unterlaufen ist, lebt er zurückgezogen auf einer einsamen schwedischen Schäreninsel. Eines Nachts erwacht er und bemerkt, dass sein Haus in ...

Seit dem Arzt Fredrik Welin vor vielen Jahren ein Kunstfehler unterlaufen ist, lebt er zurückgezogen auf einer einsamen schwedischen Schäreninsel. Eines Nachts erwacht er und bemerkt, dass sein Haus in Flammen steht. Sein Leben kann er zwar retten, aber das Haus brennt vollständig ab und dem Siebzigjährigen bleibt nur noch das, was er am Leibe trägt - und zwei linke Gummistiefel. Ein Glück, dass da noch der alte Wohnwagen ist, den seine Tochter zurückgelassen hat, so hat er wenigstens ein Bett und ein Dach über dem Kopf. Als die Polizei ihn dann der Brandstiftung verdächtigt, verliert er beinahe den Lebensmut – wären da nicht der ehemalige Postbote Jansson, die Journalistin Lisa Modin und seine schwangere Tochter Louise, die seine Hilfe benötigen. Während er Louise aufsucht, die in Paris in Schwierigkeiten geraten ist, brennt auf den Schären ein weiteres Haus …

In Deutschland ist der schwedische Schriftsteller und Theaterregisseur Henning Mankell (1948-2015) hauptsächlich durch seine Krimi-Reihe um Kommissar Wallander bekannt. Er schrieb jedoch auch sehr viele andere Romane und Kriminalgeschichten, die meist sozialkritische Themen behandeln und einen angeschlagenen Protagonisten mit Beziehungsproblemen und Zukunftsängsten zum Hintergrund haben.

„Die schwedischen Gummistiefel“ ist der letzte Roman des 2015 an Krebs verstorbenen Erfolgsautors und ist als eine Art Fortsetzung von „Die italienischen Schuhe“ zu verstehen. Es geht auch hier um Fredrik Welin, der damals völlig unverhofft seine Jugendliebe wieder traf. Neun Jahre sind nun seit ihrem Tod vergangen, und Welins zurückgezogenes Leben auf der einsamen Schäreninsel seiner Großeltern nimmt erneut eine schicksalhafte Wendung. Er ist auch inzwischen nicht zum Menschenfreund geworden und hält nur zu wenigen Leuten Kontakt, die alle ein bisschen sonderbar sind, genauso wie er selbst. Dazu zählt der pensionierte Postbote Jansson, der ihn ab und zu aufsucht und ihn mit seinem Boot gelegentlich aufs Festland übersetzt. Nun, da ihm nichts mehr geblieben ist und er als Brandstifter verdächtigt wird, fragt sich Fredrik Welin ernsthaft, ob er noch einen wirklichen Grund hat, weiter zu leben. Vielleicht seine Tochter Louise, die er erst vor zehn Jahren kennen gelernt hat und die ihm fremd geblieben ist? Er weiß nichts von ihrem Leben – und auch als sie auf seinen Anruf hin auf die Insel kommt erzählt sie ihm nur, dass sie schwanger sei. Dann ist da noch die Journalistin Lisa, die einen Bericht über den Brand schreiben soll, und die in dem alten Mann ungewollt längst vergessene Gefühle weckt.

Ein sehr persönliches Buch über Alter, Einsamkeit und Tod, das der Krebskranke Mankell kurz vor seinem Tod geschrieben hat – und gleichzeitig eines der poetischsten über die schwedische Schärenlandschaft. Anrührend menschlich, wie der alte Welin über das Leben seiner Großeltern nachdenkt, wie er von seinem Vater, der als Kellner die Familie ernährte, erzählt und nicht zuletzt wie ihn beim Zählen der Jahresringe einer entwurzelten Eiche die Furcht vor dem Tod überkommt. Doch trotz aller Schwermut ist es ein hoffnungsvolles Buch, in dem man mit dem Protagonisten beruhigt in die Zukunft blicken kann. Ermutigend und zuversichtlich auch die letzten beiden Sätze: „Bald würde der Herbst kommen. Aber die Dunkelheit schreckte mich nicht mehr.“

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