Wenn man zur Tür hinaus tritt und anderen Menschen begegnet ist es meist unumgänglich sich ein Urteil zu bilden – einen ersten Eindruck, oder eine Ansicht zu vertiefen. Oftmals passiert es sogar, dass deine Mitmenschen einen so starken Einfluss auf dich haben, dass du ein Vorurteil glaubst, dass nicht mehr so leicht zu widerlegen ist.
„Der Himmel in deinen Worten“ ist eine Mischung aus der Summe von Vorurteilen gegenüber einem jungen Mann, der einfach den richtigen Weg noch nicht gefunden hat, und ihn, wenn es nach ein paar Menschen geht, auch nicht finden soll. Der damit zu kämpfen hat, dass ein Tag, eine Entscheidung, ein einziger Fehler den Menschen um ihn herum den Freifahrschein gegeben hat, ihn nach eigenen Maßstäben zu verurteilen und zu behandeln.
Und einem Mädchen, deren Situation es anderen schwer macht mit ihr umzugehen, weil sie nicht so funktioniert, wie sie es gerne hätten. Auch hier werden Urteile gefällt und sie wird einfach nicht verstanden. Ihre Mitmenschen schauen nicht richtig hin, sehen nicht wie sie kämpft, den Schmerz in ihren Augen, fühlen nicht den Verlust, den sie unter einer Maske verborgen hält. Doch auch ihr Blick ist getrübt von den Erzählungen von „Leuten“. Sie schafft es nicht von vornherein unvoreingenommen zu sein und versteckt ihre Unsicherheit hinter abwertenden Floskeln, obwohl in ihr so viel mehr drin steckt.
Als die zwei durch einen Zufall aufeinander treffen und sich unterhalten, ohne zu wissen, wer ihr Gegenüber ist, entsteht etwas Echtes! Eine ehrliche, knallharte Freundschaft, eine Verbindung zwischen zwei Menschen, die vielleicht nicht haargenau den gleichen Schmerz fühlen, die aber beide Verluste erlitten haben und nun nicht in die richtige Bahn zurück finden. Sie schütten einander das Herz aus, werden füreinander der Fels in der Brandung, teilen ihre tiefsten Geheimnisse und finden dann heraus, wer der andere eigentlich ist….
Brigid Kemmerer hat mit „Der Himmel in deinen Worten“ ein Werk erschaffen, dass mich zutiefst erschüttert und berührt hat. Die Geschichte hat mich so stark gefesselt, dass ich es an einem Tag fertig lesen musste. Ich konnte es nicht aus der Hand legen. Sie erzählt von Verlust, Unglücken, Missbilligung und Ausgrenzung bis hin zu tiefer Freundschaft, echter Herzensgüte und einem Beschützerinstinkt so unfassbar groß, dass einem das Herz aufgeht. Es gab so viel zu verarbeiten, dass mir ständig die Tränen gelaufen sind.
Es sind aber nicht nur die Gefühle, die mein Herz mitgenommen haben, sondern auch die Erlebnisse von Declan. Was dieser Kerl durchmacht und verkraften muss, raubt mir die Sprache. Ich würde mich in einer dunklen Ecke unter einer Decke verstecken und nie wieder raus kommen. Aber er bestreitet jeden Tag seinen Alltag und ich bewundere ihn so sehr. Zwar auf seine Art, aber immerhin.
Und auch Juliet gibt nicht auf. Ich habe großen Respekt davor, dass sie sich nicht von Panikattacken oder Erinnerungen klein kriegen lässt. Sie wandelt sich, wird reifer, selbst oder gerade durch diese harte Zeit.
Die Protagonisten sind klar strukturiert, detailliert dargestellt und unfassbar authentisch. Ich finde es richtig toll, wie intelligent beide sind. Declan hat ein Verständnis für Texte, das selbst ich neidisch war auf seine Auffassungsgabe. Und Juliet ist sehr talentiert, was Fotografie angeht. Beide Charaktere besitzen eine Tiefgründigkeit, die in jeder Zeile mitschwingt und dem Leser einfach zeigt, wie aufrichtig die Geschichte der Zwei ist.
Die Nebencharaktere sind auch süss und besitzen die nötige Tiefe, aber am meisten liebe ich Rev – den besten Freund von Declan. Er ist in sich gekehrt, hat selbst einiges durch gemacht, besitzt mit seinen 17 Jahren aber eine Ruhe und Ausgeglichenheit, Stärke und vor allem Weisheit, die man ihm null zutraut. Ich bin total überwältigt von seiner besonnenen Art und seiner selbstbewussten Ausstrahlung, ohne aber ständig auf sich aufmerksam machen zu müssen. Er ist für mich der Berg, an dem ich mich festhalten könnte inmitten eines Tornados und er würde mir Schutz geben, ohne darüber nach zu denken, ob er sich dabei selbst verletzen könnte. Zum Glück wird es am 06. Juni 2018 seine Geschichte beim Harper Collins Verlag zu lesen geben. Der Titel wird „Worte, die leuchten wie Sterne“ heißen und ich kann es kaum erwarten.
„Wir machen doch jetzt auch schon was Wichtiges.“
„Ach ja?“, sage ich.
Er sucht meinen Blick. „Jeder Moment ist wichtig.“ (S. 215)
Die Schreibweise von Brigid Kemmerer hat mich auf eine emotionale Achterbahnfahrt geschickt. Ihre malerischen Beschreibungen ließen mich selbst die Fotos direkt vor meinem inneren Auge sehen. Es war beeindruckend. Leicht und flüssig im Stil, flog ich quasi von Seite zu Seite und laß das Buch in einem weg. Die Autorin hat mich mit ihren versteckten Botschaften zwischen den Zeilen, mit den Gedanken, Eindrücken und Weisheiten, die ihre Worte dem Leser direkt in die Seele transportiert haben, beeindruckt.
„Der Himmel in deinen Worten“ ist aus den beiden Sichten von Juliet und Declan geschrieben. Anfangs sind ihre Unterhaltungen in Brief-, später in Emailform verfasst und das Buch ist in sich abgeschlossen. Ich fand es super angenehm zu lesen und ich hab mich schnell dran gewöhnt.
Das Buch ist eines meiner absoluten Highlights im Jugendbuchbereich. Ich habe so viele Eindrücke und so viele kleine Weisheiten für mich da raus gesammelt. Es bleibt mir sicher noch eine ganze Zeit lang im Kopf und auch mein Herz hat sich noch nicht beruhigt. Ganz klare Empfehlung!