Informativ, aber nicht dem Klappentext entsprechend...
Caribou„Caribou“ ist die literarische Auseinandersetzung mit dem verheerendsten Schiffs-Desaster Neufundlands während des 2. Weltkriegs. Autor Kevin Major, selbst Neufundländer, arbeitet im 3. Teil seiner Heimat-Trilogie ...
„Caribou“ ist die literarische Auseinandersetzung mit dem verheerendsten Schiffs-Desaster Neufundlands während des 2. Weltkriegs. Autor Kevin Major, selbst Neufundländer, arbeitet im 3. Teil seiner Heimat-Trilogie die Versenkung des Fähr-Dampfschiffs „Caribou“ durch ein deutsches U-Boot, die U96, unter dem 26-jährigen Kapitänleutnant Ulrich Gräfs in der Cabotstraße (der Seeweg zwischen Neufundland und Nova Scotia) auf. Nicht ausschließlich mit Fracht beladen, diente die „Caribou“ auch als Transportmittel für Passagiere. Konkret bedeutet dies am 14. Oktober 1942 237 Menschen, darunter allein 118 Angehörige des kanadischen und US-amerikanischen Militärs, 72 zivile Passagiere (darunter viele Frauen und Kinder) sowie 47 Besatzungsmitglieder. Nur 100 Menschen überleben und können vom Begleitschiff des Konvois am Morgen nach dem Abschuss aus den Rettungsbooten, die nicht gekentert oder vollgelaufen sind, geborgen werden.
In seinem Roman verknüpft der Autor das Schicksal fiktiver mit dem realer historischer Personen (konkret des U-Boot Kapitäns Ulrich Gräfs vom Zeitpunkt seiner Ausbildung in der Marine bis hin zu seinen Einsätzen wie auch des fiktiven John Gilbert, der einer Tätigkeit als Steward auf der „Caribou“ nachgeht, aber der Royal Air Force beitreten möchte). Major erzählt ihr Schicksal in verschiedenen Zeitsträngen vor, während und nach dem Abschuss und bemüht sich, den Einfluss der Katastrophe und das daraus resultierende Trauma auf ihr weiteres Leben und ihre weiteren Entscheidungen sichtbar zu machen.
Die detail- und kenntnisreiche Beschreibung des U-Bootkriegs, der Strategien, Schiffstypen und Kapitäne, Mannschaften und Ladungen, Abschüsse und Bruttoregistertonnen über weite Strecken des Buches verrät die Recherchearbeit des Autors und entpuppt sich gleichzeitig als größte Schwäche der Lektüre. So informativ gerade dieser Teil des Romans ist, so hinderlich ist er im Hinblick auf eine empathische Darstellung der erzählten Personen. Einem Roman, der das Unmenschliche und Inhumane eines Krieges deutlich machen und für keine Seite Partei ergreifen will, muss es trotzdem möglich sein, auch in einer distanzierten Erzählweise Empathie und Mitgefühl zu wecken. Das ist Kevin Major nach meinem Dafürhalten nur ansatzweise, ganz selten aber wirklich intensiv gelungen. Die Personen bleiben „fern“, wenig greif- und nachvollziehbar in ihrem Denken und Handeln.
Hinzu kommt ein permanenter Wechsel in der erzählenden Zeitform, von der ich nicht erkennen konnte, ob sie gewollt oder einer etwas holperigen Übersetzung aus dem englischen Original geschuldet ist.
Vielleicht wäre der Autor besser beraten gewesen, eine Biographie der historischen Personen zu schreiben, die nicht zwingend mit Emotionen, Charaktereigenschaften, Träumen und Gedanken gefüllt werden muss, zumindest nicht auf eine Art, die den Leser mitreißen, zumindest aber mit Empathie füllen soll.
Wirklich stark sind die letzten Seiten des Romans, in denen ein Tag der Bombenangriffe auf Dresden kurz vor Kriegsende 1945 geschildert wird und man sich unweigerlich an heutige unbemannte Drohnenangriffe erinnert fühlt, in denen der Gegner gesichts- und stimmlos bleibt.
So ist der Roman nicht Fleisch noch Fisch, als reine Dokumentation nicht gedacht, als Statement gegen den Krieg zu technik- und detailverliebt.