Profilbild von Wordworld_Sophia

Wordworld_Sophia

Lesejury Star
offline

Wordworld_Sophia ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Wordworld_Sophia über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.08.2020

Ein innovativer, liebenswürdiger, spritziger Jugendroman, den ich gerne weiterempfehle!

Wenn zwei sich texten
0

"Wenn zwei sich texten" ist eines der Bücher, die ich Ende Juli gelesen habe, deren Rezension sich aber aufgrund meiner Klausuren etwas verspätet hat. Knapp eine Woche nach dem Erscheinungstermin will ...

"Wenn zwei sich texten" ist eines der Bücher, die ich Ende Juli gelesen habe, deren Rezension sich aber aufgrund meiner Klausuren etwas verspätet hat. Knapp eine Woche nach dem Erscheinungstermin will ich also auch mal meine Meinung zu dieser zuckersüßen Verwechslungsgeschichte sagen.

Schon das Cover macht mit dem eigenwilligen Format der unten-oben-Gegenüberstellung und dem schiefen Titel auf sich aufmerksam. Zu sehen sind zwei Jugendliche, die jeweils in ihrem Bett liegen und über das Smartphone miteinander texten. Der Lila-Orange Zwischenraum ist mit weißen Federn gefüllt und wird von dem schräg stehenden Titel ausgefüllt. Tatsächlich (auch wenn ich nicht gedacht hätte, das jemals sagen zu können) finde ich den deutschen Titel "Wenn zwei sich texten" sogar treffender als der Originaltitel "Technically, you started it", da es hier nicht nur inhaltlich, sondern auch im Format grundlegend um zwei Jugendliche geht, die sich schreiben. Der Verlag hat also in puncto optischer Gestaltung meiner Meinung nach einen Volltreffer gelandet.

Auch inhaltlich hat mich der Roman sofort angesprochen. Der Klapptext verspricht eine spaßige Verwechslungsgeschichte, bei der die Protagonistin Haley automatisch annimmt, dass der Martin Munroe, der sie anschreibt und mit dem sie schnell tiefgründige Gespräche führt und eine emotionale Beziehung aufbaut, der Martin der beiden aus ihrer Klasse ist, den sie nicht nervig findet. Während sie sich mit jeder Textnachricht ein bisschen mehr verliebt, schmerzt es umso mehr, dass ihr Martin sie in der Wirklichkeit konsequent ignoriert. Dafür beginnt, der andere Martin, den sie noch nie leiden konnte, sie auf der Arbeit zu besuchen und sie beginnt zu zweifeln, mit welchem der Martins sie eigentlich schreibt...

"Wenn zwei sich texten" lebt nicht nur inhaltlich von dem, was unausgesprochen bleibt, sondern auch im Szenenaufbau. Denn was die Geschichte ganz deutlich von anderen abhebt ist: die ganze Story ist komplett in Textnachrichten zwischen den beiden Protagonisten verfasst. Das ist ein spannendes, neues Konzept und definitiv mal was anderes, aber leider auf Dauer etwas anstrengend zu lesen, da Zeitsprünge, Entwicklungen, Gedanken und Gefühle sowie die eigentliche Handlung zwischen den Zeilen stattfinden und dort manchmal auch gesucht werden müssen. In jedem Gespräch sind viele Anspielungen versteckt, die man verstehen muss und wenn die Protagonisten sich über gerade stattfindende Dinge schreiben, muss man sich einiges dazu denken. Es ist schade, dass wir bei allen wirklich wichtigen Szenen im "echten Leben" nicht dabei sein können und oft nur bröckchenweise erfahren, was gerade passiert.
Wir können beim Lesen nur indirekt und aus zweiter Hand bei wichtigen Entwicklungen oder Treffen dabei sein und müssen, was hinter den Nachrichten steckt und was sich zwischen den beiden aufbaut zwischen den Zeilen suchen. Mit zunehmendem Handlungsverlauf fiel mir das auch immer leichter, doch eine reine Textdialog-Form ganz ohne Einblick in die Gefühle und Gedanken der Protagonisten ist für eine Liebesgeschichte schon ein sehr gewöhnungsbedürftiges Format.

Dabei hat der Verlag die Innovation optisch so gelungen umgesetzt, dass sich die Nachrichten leicht lesen lassen. Anders als durch den Alltagsgebrauch erwartet, verwenden Haley und Martin keine Emojis, keine GIFs und halten sich auch an Grammatikregeln, sodass wir in den Genuss von korrektem Satzbau und Zeichensetzung kommen. Warum die beiden sehr verschriftlicht miteinander kommunizieren baut die Autorin zwar in die Geschichte ein, dennoch wirkt das bei Teenagern ein kleines bisschen unauthentisch. Außerdem ist auffällig, dass durch das typische Nachrichtenformat auf gegenüberliegenden Seiten nicht so viele Wörter auf eine Seite passen, wie in einem Fließtext und fliegen die Seiten so rasend schnell dahinfliegen. Was zuvor wie eine seitenstarke Geschichte gewirkt hat, lässt sich problemlos an einem Nachmittag durchlesen.

Beeindruckend ist, dass Spannung und Protagonisten nicht wirklich unter diesem besonderen Format leiden, wie ich es eigentlich angenommen hätte. Durch das Verwechslungsthema und die Tatsache, dass uns Viele Face-to-Face-Begegnungen unterschlagen werden, bleibt eine konstante Spannung erhalten und man fragt sich ständig, wo das Ganze hinführen wird. Denn auch wenn die Dialoge manchmal etwas ziellos und zufällig wirken, werden sie doch immer persönlicher und steuern auf einen Höhepunkt hin: der Enthüllung von Martins wahrer Identität und dem ersten Test der zarten Beziehung an der Realität. Außerdem sind Haley und Martin zwei sehr liebevoll gestaltete Charaktere, die für das besondere Format erstaunlich viel Profil erhalten, da durch den Wegfall der Handlung und Beschreibungen viel Zeit und Raum zur Verfügung steht, die beiden, ihre Dynamik und ihre Gefühle, Gedanken, Eigenheiten und Meinungen zu verschiedenen Themen genauer kennenzulernen. Hier geht es viel um Nerd-Shit wie Games, Comics oder Serien, aber auch wer sich dafür nicht interessiert, wird die vielen Gespräche über dies und das, das oftmals witzige und absurde Geplänkel der beiden, das unterschwellige Gefühle offenbart, sowie die spannenden Fakten, die Haley immer wieder aus ihrem Newsfeed mit einfließen lässt, gerne verfolgen.

Die Autorin stellt durch subtile Hinweise und eine leicht unterschiedliche Ausdrucksweise sicher, dass man hinter den Nachrichten tatsächlich zwei unterschiedliche Personen entdecken kann und lässt genügend Humor, Drama und Unsicherheit einfließen, dass man die anderen, tieferliegenden, verborgenen Gefühle auch wahrnimmt. Wenn man also davon ausgeht, dass beide in ihren Nachrichten ehrlich waren und sich unverzerrt dargestellt haben, bekommt man einen umfassenden Eindruck ihrer beiden Persönlichkeiten. Von den Nebencharakteren, die hier ja nicht aktiv auftauchen, sondern von denen nur ab und zu gesprochen wird, war ich leider die größte Zeit über verwirrt, da ich schnell durcheinandergekommen bin, wer nun warum was genau gemacht hat.

Es gibt also Pluspunkte für Idee, Innovation und gutem Aufbau, insgesamt wäre mir aber eine Mischform aus "normaler" Erzählung und Textnachrichten lieber gewesen.



Fazit:


Eine Geschichte bestehend nur aus Textnachrichten? Funktioniert tatsächlich. In "Wenn zwei sich texten" stehen eine hohe Spannung, erstaunlich gut ausgearbeitete Protagonisten und vielseitige Dialoge dem Fehlen von "echten Szenen" und teilweise anstrengendes Hinterdenken von Hinweisen gegenüber, sodass mir insgesamt eine Mischform aus "normaler" Erzählung und Textnachrichten lieber gewesen wäre.
Nichtdestotrotz ein innovativer, liebenswürdiger, spritziger Jugendroman, den ich gerne weiterempfehle!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.08.2020

Ein innovativer, liebenswürdiger, spritziger Jugendroman, den ich gerne weiterempfehle!

Wenn zwei sich texten
0

"Wenn zwei sich texten" ist eines der Bücher, die ich Ende Juli gelesen habe, deren Rezension sich aber aufgrund meiner Klausuren etwas verspätet hat. Knapp eine Woche nach dem Erscheinungstermin will ...

"Wenn zwei sich texten" ist eines der Bücher, die ich Ende Juli gelesen habe, deren Rezension sich aber aufgrund meiner Klausuren etwas verspätet hat. Knapp eine Woche nach dem Erscheinungstermin will ich also auch mal meine Meinung zu dieser zuckersüßen Verwechslungsgeschichte sagen.

Schon das Cover macht mit dem eigenwilligen Format der unten-oben-Gegenüberstellung und dem schiefen Titel auf sich aufmerksam. Zu sehen sind zwei Jugendliche, die jeweils in ihrem Bett liegen und über das Smartphone miteinander texten. Der Lila-Orange Zwischenraum ist mit weißen Federn gefüllt und wird von dem schräg stehenden Titel ausgefüllt. Tatsächlich (auch wenn ich nicht gedacht hätte, das jemals sagen zu können) finde ich den deutschen Titel "Wenn zwei sich texten" sogar treffender als der Originaltitel "Technically, you started it", da es hier nicht nur inhaltlich, sondern auch im Format grundlegend um zwei Jugendliche geht, die sich schreiben. Der Verlag hat also in puncto optischer Gestaltung meiner Meinung nach einen Volltreffer gelandet.

Auch inhaltlich hat mich der Roman sofort angesprochen. Der Klapptext verspricht eine spaßige Verwechslungsgeschichte, bei der die Protagonistin Haley automatisch annimmt, dass der Martin Munroe, der sie anschreibt und mit dem sie schnell tiefgründige Gespräche führt und eine emotionale Beziehung aufbaut, der Martin der beiden aus ihrer Klasse ist, den sie nicht nervig findet. Während sie sich mit jeder Textnachricht ein bisschen mehr verliebt, schmerzt es umso mehr, dass ihr Martin sie in der Wirklichkeit konsequent ignoriert. Dafür beginnt, der andere Martin, den sie noch nie leiden konnte, sie auf der Arbeit zu besuchen und sie beginnt zu zweifeln, mit welchem der Martins sie eigentlich schreibt...

"Wenn zwei sich texten" lebt nicht nur inhaltlich von dem, was unausgesprochen bleibt, sondern auch im Szenenaufbau. Denn was die Geschichte ganz deutlich von anderen abhebt ist: die ganze Story ist komplett in Textnachrichten zwischen den beiden Protagonisten verfasst. Das ist ein spannendes, neues Konzept und definitiv mal was anderes, aber leider auf Dauer etwas anstrengend zu lesen, da Zeitsprünge, Entwicklungen, Gedanken und Gefühle sowie die eigentliche Handlung zwischen den Zeilen stattfinden und dort manchmal auch gesucht werden müssen. In jedem Gespräch sind viele Anspielungen versteckt, die man verstehen muss und wenn die Protagonisten sich über gerade stattfindende Dinge schreiben, muss man sich einiges dazu denken. Es ist schade, dass wir bei allen wirklich wichtigen Szenen im "echten Leben" nicht dabei sein können und oft nur bröckchenweise erfahren, was gerade passiert.
Wir können beim Lesen nur indirekt und aus zweiter Hand bei wichtigen Entwicklungen oder Treffen dabei sein und müssen, was hinter den Nachrichten steckt und was sich zwischen den beiden aufbaut zwischen den Zeilen suchen. Mit zunehmendem Handlungsverlauf fiel mir das auch immer leichter, doch eine reine Textdialog-Form ganz ohne Einblick in die Gefühle und Gedanken der Protagonisten ist für eine Liebesgeschichte schon ein sehr gewöhnungsbedürftiges Format.

Dabei hat der Verlag die Innovation optisch so gelungen umgesetzt, dass sich die Nachrichten leicht lesen lassen. Anders als durch den Alltagsgebrauch erwartet, verwenden Haley und Martin keine Emojis, keine GIFs und halten sich auch an Grammatikregeln, sodass wir in den Genuss von korrektem Satzbau und Zeichensetzung kommen. Warum die beiden sehr verschriftlicht miteinander kommunizieren baut die Autorin zwar in die Geschichte ein, dennoch wirkt das bei Teenagern ein kleines bisschen unauthentisch. Außerdem ist auffällig, dass durch das typische Nachrichtenformat auf gegenüberliegenden Seiten nicht so viele Wörter auf eine Seite passen, wie in einem Fließtext und fliegen die Seiten so rasend schnell dahinfliegen. Was zuvor wie eine seitenstarke Geschichte gewirkt hat, lässt sich problemlos an einem Nachmittag durchlesen.

Beeindruckend ist, dass Spannung und Protagonisten nicht wirklich unter diesem besonderen Format leiden, wie ich es eigentlich angenommen hätte. Durch das Verwechslungsthema und die Tatsache, dass uns Viele Face-to-Face-Begegnungen unterschlagen werden, bleibt eine konstante Spannung erhalten und man fragt sich ständig, wo das Ganze hinführen wird. Denn auch wenn die Dialoge manchmal etwas ziellos und zufällig wirken, werden sie doch immer persönlicher und steuern auf einen Höhepunkt hin: der Enthüllung von Martins wahrer Identität und dem ersten Test der zarten Beziehung an der Realität. Außerdem sind Haley und Martin zwei sehr liebevoll gestaltete Charaktere, die für das besondere Format erstaunlich viel Profil erhalten, da durch den Wegfall der Handlung und Beschreibungen viel Zeit und Raum zur Verfügung steht, die beiden, ihre Dynamik und ihre Gefühle, Gedanken, Eigenheiten und Meinungen zu verschiedenen Themen genauer kennenzulernen. Hier geht es viel um Nerd-Shit wie Games, Comics oder Serien, aber auch wer sich dafür nicht interessiert, wird die vielen Gespräche über dies und das, das oftmals witzige und absurde Geplänkel der beiden, das unterschwellige Gefühle offenbart, sowie die spannenden Fakten, die Haley immer wieder aus ihrem Newsfeed mit einfließen lässt, gerne verfolgen.

Die Autorin stellt durch subtile Hinweise und eine leicht unterschiedliche Ausdrucksweise sicher, dass man hinter den Nachrichten tatsächlich zwei unterschiedliche Personen entdecken kann und lässt genügend Humor, Drama und Unsicherheit einfließen, dass man die anderen, tieferliegenden, verborgenen Gefühle auch wahrnimmt. Wenn man also davon ausgeht, dass beide in ihren Nachrichten ehrlich waren und sich unverzerrt dargestellt haben, bekommt man einen umfassenden Eindruck ihrer beiden Persönlichkeiten. Von den Nebencharakteren, die hier ja nicht aktiv auftauchen, sondern von denen nur ab und zu gesprochen wird, war ich leider die größte Zeit über verwirrt, da ich schnell durcheinandergekommen bin, wer nun warum was genau gemacht hat.

Es gibt also Pluspunkte für Idee, Innovation und gutem Aufbau, insgesamt wäre mir aber eine Mischform aus "normaler" Erzählung und Textnachrichten lieber gewesen.



Fazit:


Eine Geschichte bestehend nur aus Textnachrichten? Funktioniert tatsächlich. In "Wenn zwei sich texten" stehen eine hohe Spannung, erstaunlich gut ausgearbeitete Protagonisten und vielseitige Dialoge dem Fehlen von "echten Szenen" und teilweise anstrengendes Hinterdenken von Hinweisen gegenüber, sodass mir insgesamt eine Mischform aus "normaler" Erzählung und Textnachrichten lieber gewesen wäre.
Nichtdestotrotz ein innovativer, liebenswürdiger, spritziger Jugendroman, den ich gerne weiterempfehle!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.08.2020

Eine positive Überraschung auf voller Linie

Marked Men: In seinen Armen
0

Die Eindrücke:

Handlung: Der Einstieg in dieses Buch gelang mir nur schwer, da ich die ersten Kapitel als sehr verwirrend, düster und erotiklastig empfand, sodass mein erster Eindruck eher durchwachsen ...

Die Eindrücke:

Handlung:
Der Einstieg in dieses Buch gelang mir nur schwer, da ich die ersten Kapitel als sehr verwirrend, düster und erotiklastig empfand, sodass mein erster Eindruck eher durchwachsen war. Zu meiner großen Überraschung offenbarten sich hinter der eindeutigen Storyline und den einfach gestrickten Figuren aber bald immer mehr Abgründe und Tiefe, sodass die Geschichte mich mit im Verlauf zunehmend emotionaleren Themen und mit immer bunter, eindrücklicher, runder und tiefgründiger werdenden Protagonisten überzeugen konnte.

Charaktere: Das Buch ist der vierte Band der erfolgreichen, sechsbändigen "Marked Men"-Reihe der amerikanischen Autorin Jay Crownover und als solcher grundsätzlich unabhängig von der Reihe lesbar, die schiere Flut von Namen und Hintergrundgeschichten von Nashs Clique verwirrend aber ab und zu wenn man die anderen Bände nicht gelesen hat. Nichtsdestotrotz sind Nashs Freunde eine so süße, bunte Truppe, dass ich wenn ich dazu komme, auf jeden Fall mal noch einen Blick in einen der anderen Bände werfen werde. Auch die beiden Hauptprotagonisten konnten mich auf den zweiten Blick super überzeugen. Saint ist klug, schön und liebenswert, aber einsam, da ihre Komplexe und ihre Selbstzweifel ihr in fast allen Lebensbereichen im Weg stehen. Vor allem aber behindern sie ihre Beziehung zu Nash und dass sie immer drei Schritte zurück geht, wenn er einen auf sie zu macht, lässt die Liebesgeschichte nicht nur für ihr zu einem frustrierenden Unterfangen werden. Dass Nash sich von Saints Problemen nicht abschrecken lässt, sondern beständig um sie kämpft und fürsorglich für sie sorgt, obwohl er eigentlich genügend eigene Probleme hat, hat mich sehr beeindruckt. Allgemein ist er ein klarer Fall von "harte Schale, weicher Kern" und soweit von meinem ersten Eindruck von ihm entfernt, wie es überhaupt nur geht

Schreibstil:
Neben der Entwicklung der Handlung und den Protagonisten hat mich auch Jay Crownovers Schreibstil positiv überrascht. Auch wenn für meinen Geschmack die Erotik doch ein bisschen sehr im Vordergrund steht, kommen auch die Gefühle und andere Themen nicht zu kurz und die Geschichte erhält eine Tiefe, die ich nicht erwartet hätte. Neben der Tatsache, dass die Geschichte ein einziges Plädoyer für mehr Selbstliebe ist, geht hier sehr viel um Liebe, Freundschaft, Abschied, Vergangenheit, Familie, Zugehörigkeit, Lebenssinn und Wurzeln.

__________________________
Das Urteil:

Eine positive Überraschung auf voller Linie: die Handlung weiß trotz vieler Rückschläge und Wiederholungen mitzureißen, die Protagonisten entwickeln sich und strafen den ersten Eindruck Lügen und der Schreibstil wartet mit ungeahnter Emotionalität und Tiefe auf.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.07.2020

Temporeich, komplex und spannend!

Elbendunkel 1: Kein Weg zurück
0

Schon mit ihrer magischen, komplexen Erstlingsreihe "Chosen - Das Erwachen" und "Chosen - Die Bestimmte" hat Rena Fischer mich überzeugt und auch der Auftakt zu ihrer neuen Serie "Elbendunkel - Kein Weg ...

Schon mit ihrer magischen, komplexen Erstlingsreihe "Chosen - Das Erwachen" und "Chosen - Die Bestimmte" hat Rena Fischer mich überzeugt und auch der Auftakt zu ihrer neuen Serie "Elbendunkel - Kein Weg zurück" hat es ganz schön in sich. Der komplexe Plot, das hohe Erzähltempo, viele Wendungen, Gefühlschaos, liebenswerte Protagonisten, der magische Schreibstil und nicht zuletzt die hübsche äußerliche Gestaltung machen diesen Roman zu einem Buchhighlight, das sich kein Fan von dystopischen Jugendbüchern oder Fantasy entgehen lassen sollte!

Das Cover ist ganz hinreißend gestaltet. Auf weiß-grauem Hintergrund ist ein blau-grün-schwarzer haptisch hervorgehobener Nebelstreifen zu sehen, in dem die Silhouette eines Paares, die Golden Gate Bridge, die Lichter von San Francisco und weiße Vögel zu sehen sind. Auch der Titel nimmt gekonnt die Hell-Dunkel-Kontraste auf. Ohne den Einband ist die gebundene Ausgabe weiß mit dem Titel in Hellblau auf dem Buchrücken, innerhalb der Buchdeckel ist jeder Kapitelanfang mit einer grauen Wolke verziert. Ganz besonders hilfreich fand ich aber das sehr ausführliche Glossar mit Namen und Fachbegriffen, ohne das ich wohl bald aufgegeben hätte.


Erster Satz: "Man sollte sie alle eliminieren."


Denn auch wenn die Geschichte ganz unschuldig beginnt - mit einem ersten Date -, werden wir schnell in ein Wirr-Warr aus politischen Intrigen, rasant wechselnden Einzelinteressen, spannenden Verfolgungsjagden, plötzlichen Entführungen, phantastischen Prophezeiungen und alten Geheimnissen verstrickt. Rein von der Idee her, ist die Geschichte nicht sonderlich komplex und beinhaltet einige Klischees aus dem Jugendbuchbereich. So ist die Protagonistin ein einzigartiges Mischwesen, kommt hinter die Lüge ihrer Identität durch einen rebellischen Jungen, steht im Mittelpunkt einer Prophezeiung, in der sie das Volk der Menschen, der Lichtelben und der Dunkelelben versöhnen muss und wird so zur Bad-Ass-Heldin. Doch auch wenn diese nicht ganz neuen Grundideen die Story in Teilen wie zum Beispiel der Liebesgeschichte vorhersehbar machen, hat Rena Fischer doch die besten Elemente aus Liebesgeschichten, Dystopien, Fantasy und Abenteuerroman genutzt, um eine Geschichte zu schaffen, die so noch nicht dagewesen ist. Eingewanderte Licht- und Dunkelelben, die nach der Verseuchung ihrer Welt in unserer Schutz suchen, aber mit Ausgrenzung, Anfeindung und Rassismus konfrontiert werden und sich auflehnen...? Darauf wäre ich nie gekommen


"Ich habe wie in einer Schneekugel gelebt, dachte Luz bitter. Mit ein paar winzigen Flöckchen Wirklichkeit, die mich ab und an streiften, bis das Date mit Niall meine kleine, schöne Welt ins Rollen gebracht hat und sie an der Wahrheit zerschellt ist."


Dass dieser Mix hochspannend ist, wird durch die vielen Fragezeichen garantiert, mit denen wir in die Geschichte starten. Gleich von der ersten Seite war ich einfach an dieses Buch gefesselt und bin nicht mehr losgekommen, bis nicht auch das aller letzte Wort noch verschlungen war. Während man im ersten Teil der Story zusammen mit Luz hilflos in alle Ereignisse hineinstolpert und verzweifelt versucht, alle Zusammenhänge zu verstehen, Fragmenten der Wahrheit hinterherzurennen und die Motive der Handelnden zu durchschauen, bekommt man im Laufe der Geschichte zusammen mit ihr einen immer besseren Einblick in die Hintergründe der Story. Langsam klären sich dann die ersten Nebenfetzen auf, doch genau dieses perfekte Maß an Undurchsichtigkeit und Verwirrung, das die Spannung wahrt und gerade noch verstehbar ist, zieht sich durch das ganze Buch hindurch. Die ständig schwankenden Einzelinteresse und Motive machen es fast unmöglich genau zu sagen, wer gerade was für wen tut.


"Während sie auf der Treppe ihre Arme und Beine fest um ihn geschlungen hatte, klopfte ihr Herzschlag zart wie Schmetterlingsflügel gegen seine Brust und schlug dennoch wie mit einem Vorschlaghammer Risse in den Panzer darunter. Wie konnte es nur so weit kommen? Einerlei, ob Hernández´ Tochter (...), Ash war vor allem eines: Tabu. Tabu, aus so vielen Gründen, dass Darel eine tragische Ballade darüber hätte schreiben können"


Und das ist wirklich das Genialste an dieser Story - die Autorin schafft es immer wieder, einen hinters Licht zu führen! Wenn man denkt, man hat das Ganze durchschaut, passiert etwas Neues und man weiß wieder so viel wie am Anfang. Nämlich nichts. Ich muss zugeben, dass die Fragenzeichen über meinem Kopf im Laufe der Seiten immer mehr wurden, denn der Plot ist recht komplex und verstrickt, doch alles in allem konnte ich einen guten Überblick behalten. Ja, die Autorin setzt ein recht hohes Aufmerksamkeitspotential voraus, indem sie neben nebulösen Rückblenden den Leser oft übergangslos in neue Situationen wirft, immer neue Figuren erscheinen lässt und die Handlung zunehmend rasanter auf ein sich überschlagendes Ende zu peitscht, doch wenn man sich ein bisschen anstrengt, wird man mit einem logischen und extrem spannenden Gesamtkonstrukt belohnt!!!


"Nicht lange. Was hieß das schon? Fünf Minuten, eine halbe Stunde? Zeit war ein eigenartiges Gewand. Manchmal rutschte sie einem durch die Finger wie Seide. Oder wärmte einen wie Wolle. Gerade schnürte sie sich um ihren Körper wie eine Zwangsjacke."


Ganz große Klasse ist auch der Schreibstil. Man glaubt einfach nicht, dass das erst die zweite Reihe von Rena Fischer ist - zu erfahren und abgeklärt wirkt ihre Schreibweise. Gleichzeitig locker, leicht und einfach, aber dennoch ausführlich, magisch und gut durchdacht. Ihr Satzbau ist dabei abwechslungsreich und umgangssprachlich genug, um gut gelesen werden zu können, dabei aber nicht zu schlampig und ungalant formuliert. Dieser Hochseilakt meistert die Autorin wirklich super, was ich, genau wie ihre Fähigkeit, an den richtigen Stellen gefühlvoll, eiskalt, rasant oder ruhig zu schreiben, sehr bewundere. Es werden durch malerische Beschreibungen wunderschöne Bilder im Kopf erzeugt und die vielen faszinierenden Dialoge sowie die Protest-Poetry-Slams von Darel setzten der Story noch mal ein Sahnehäubchen auf.


"Darel sah ohne Zweifel gut aus. Nicht gut im Sinne von "Ich bin der Junge, dem du vertrauen kannst, der dich zum Lachen bringt und mit dir bis ans Ende der Welt geht", sondern gut wie "Ich bin die Inkarnation all dessen, wovor dein Vater dich beschützen will, am Ende meines bittersüßen Weges wartet auf dich ein Abgrund und wenn ich springe, werde ich dich umarmen und mit mir nach unten reißen."


Gerade auch die Verbindung von brutaler Dystopie mit einigen gesellschaftskritischen, politischen Parallelen zu Einwanderung und Rassismus und den Elben der nordischen Mythologie gelingt ihr gut. Zwar werden die Welten der Elben und die Vorgeschichte um die Mythen in Irland nur grob angerissen und auch die Magie der Elben ist nur andeutungsweise ein Thema, doch durch die vielen kleinen Details wie zum Beispiel die gälischen Namen, fließt die Mythologische Komponente flüssig in die dystopische mit ein. Auch der Rest des Setting wie die Zukunftstechnologien aus dem Jahr 2044 oder die Stadt San Francisco und ihre Umgebung sind schlüssig und authentisch geschildert.


"Angst ist nur ein Gefühl wie Liebe, Freude, Sehnsucht oder Wut. Sie ist dein Freund, Luz. Sie warnt dich. Ohne Angst wärst du kleiner Wildfang bestimmt schon von den Klippen gesprungen, um zu sehen, ob du einfach davonfliegen kannst."


Die Protagonisten haben mir ebenfalls gut gefallen, hier sehe ich aber die Hauptschwäche der Geschichte. Es erzählen hier abwechselnd Luz, Darel und Niall als personale Er-Erzähler in den zum Teil sehr kurzen Kapiteln und nehmen uns so mit in ihre jeweilige Gedankenwelt und ermöglichen es, dass die Hintergrundgeschichten der einzelnen vorkommenden Personen nach und nach eingeschoben werden. Auch zwischen den dreien sind die Fronten oftmals unklar. Mal ist der Eine der Entführer, dann wieder der Retter in letzter Sekunde, sodass die ständige Unsicherheit, wer wirklich "Gut" und wer "Böse" ist, einen als Leser fast in den Wahnsinn treibt. Fest steht jedoch, dass sich relativ flott ein Liebesdreieck anbahnt, dessen Ausgang mir von der ersten Seite an klar war. Davon abgesehen lief mir Luz´/Ashs Entwicklung ein wenig zu plötzlich ab und ging in den ganzen Ereignissen ein wenig unter. Auch von den beiden männlichen Love-Interests erfahren wir noch nicht allzuviel, was ebenfalls dem starken Fokus auf der Handlung zuzuschreiben ist. Luz´ Freund Niall hinterließ somit einen blassen, eher jämmerlichen Eindruck, während der Vorzeige-Bad-Boy-wie-er-im-Buche-steht Darel genauso spannend wie undurchsichtig erscheint. Tatsächlich waren also Luz´ beste Freundin Kelly und der Dunkelelb Adrasel meine Lieblingsprotagonisten. Ich bin aber sehr gespannt, wie sich die Figuren in den nächsten Bänden noch weiterentwickeln werden!


"Versprich mir lieber nichts. Versprechen sind wie Schulden und keiner von uns weiß im Moment, ob wir sie jemals zurückzahlen können. Schenk mir lieber einen Wunsch zum Abschied." (...)
"Dass du immer neugierig bleibst, wünsche ich dir. Auf die Welt und auf all das, was hinter den Dingen steckt."


Das Ende war -wie zu erwarten- kein richtiges Ende. Mit dem gefühlt miesesten Cliffhanger der Welt wird dieser Geschichte nur ein vorläufiger Schlusspunkt gesetzt und ich muss nun mit einem rauchenden Kopf voller Fragen auf den nächsten Band warten. Ja vielen Dank auch, Rena Fischer!!!



Fazit:


Trotz einiger Jugendbuchklischees und den etwas hinter der Handlung zurücktretenden Protagonisten ist diese Geschichte so temporeich, komplex und spannend, dass ich es nur von Herzen weiterempfehlen kann. "Elbendunkel - Kein Weg zurück" beinhaltet die Intensität der Gefühle eines Jugendbuchs, die Spannung eines Krimis, die Magie eines Fantasyromans, die Gesellschaftskritik einer Dystopie und die Komplexität eines Thrillers.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.07.2020

Ein wahres Meisterwerk der Fantasy!

Muse of Nightmares - Das Geheimnis des Träumers
0

Laini Taylor träumte schon in "Strange the Dreamer - Der Junge der träumte" und "Strange the Dreamer - Ein Traum von Liebe" eine wundervolle Welt voller legendärer Mysterien über wütende Götter, gestohlenen ...

Laini Taylor träumte schon in "Strange the Dreamer - Der Junge der träumte" und "Strange the Dreamer - Ein Traum von Liebe" eine wundervolle Welt voller legendärer Mysterien über wütende Götter, gestohlenen Wörtern, verschwindenden Namen, unzerstörbarer Metalle, schrecklicher Albträume, gequälten Geistern, gefallenen Engeln, wunderschönen Monstern, gewiefter Alchemie und unglaublicher Magie herbei, sodass ich es kaum erwarten konnte, mit der Fortsetzung nach "Weep" zurückzukehren. Nun ging der Traum endlich weiter, ließ mich aufgrund der Zweiteilung des Verlags aber ein wenig unbefriedigt zurück.

Vielleicht ist euch schon aufgefallen, dass die Geschichte, die im Original nur zwei Teile ("Strange the Dreamer" und "Muse of Nightmares") hat, im deutschen in vier Teile aufgeteilt wurde. Dieses Buch ist also die erste Hälfte von "Muse of Nightmares", welches nächsten Monat durch die andere Hälfte fortgesetzt wird. Meiner Meinung nach wäre diese Trennung schlicht nicht nötig gewesen. Bei Fantasy-Reihen ist ein Buch mit über 600 Seiten absolut kein Problem und so sind die zwei Teile der Geschichte wirklich sehr dünn und wirken außerdem alleinstehend unvollständig abgewürgt. Während die ersten beiden Teile noch genügend eigenstehende Handlung hatten, um zwei separate Geschichte zu tragen, leidet dieser dritte Teil sehr unter der Spaltung durch den Verlag. Denn eigentlich läuft sich Laini Taylor in "Muse of Nightmares - Das Geheimnis des Träumers" lediglich warm für das sicherlich zu erwartende große Finale. Die große Wendung des letzten Teils wird verarbeitet, neue Probleme, Charaktere und Hintergründe werden präsentiert und langsam baut sich eine anziehende Hintergrundatmosphäre auf. Doch dann, wenn normalerweise die Geschichte richtig losgehen würde... kommt der Cut und wir müssen noch einen Monat auf den weiteren Verlauf warten.

Abgesehen von der fragwürdigen Aufspaltung finde ich die sonstige Gestaltung aber einfach wunderschön! Das Cover ist dieses Mal in einem warmen Rot gehalten und wieder von helleren Lichtbahnen und Wolken durchzogen, die einen Hauch von Wissenschaft und Symmetrie hinzufügen. Im Mittelpunkt steht die silberne Form eines Adlers, der wohl Irrlicht verkörpert, welcher in der Geschichte ein zentrales Motiv darstellt. Die Kapitelanfänge werden ebenfalls durch den Adler geziert und die fantasievollen Überschriften zeigen auf, in welche Richtung sich die Geschichte bewegen wird. Eine Protagonistin sagt an einer Stelle der Geschichte, alle wahren Geschichten seien wunderschön und voller Monster und Lazlo solle ihr etwas Wildes und Unglaubliches erträumen. Das hat sich die Autorin wohl auch als Maßstab gesetzt, denn die Geschichte, die Welt die sie für uns herbeiträumt wirkt wirklich wunderschön, monströs, morbide, sanft, farbenfroh und einfach - alles zugleich.

Anders als zuvor beginnt die Geschichte mit einem Ausflug zu einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit, in der die beiden Mädchen Kora und Nora darauf hoffen, durch die Mesarthim ausgewählt zu werden und ihrem elenden Leben entfliehen zu können. Dieser interessante Zusatz wird jeweils zu Beginn der drei großen Abschnitte der Geschichte weitererzählt und scheint zu Beginn in keinem Zusammenhang mit der Haupthandlung in Weep zu stehen. Erst mit der Zeit ergeben sich einige Parallelen und es entstehen Vorahnungen, die wohl aber erst im nächsten Band bestätigt werden. Das Rätsel um das Massaker, um den Vogel Irrlicht, den Verbleib der Götterbrut, die Herkunft der Mesarthim, die Seraphim und die Stadt Weep bleiben also noch für eine weitere Runde unbeantwortet und wir kehren zur Haupthandlung zurück.

Dort steht nach dem Ende des letztes Teils die ganze Welt, wie wir sie kennen Kopf: Lazlo ist ein Gott, Sarai ein Geist, Weep weiß von der Existenz der Götterbrut und Minya will ihren Rachefeldzug starten und die Menschen zerstören. Damit müssen wir Leser und auch die Protagonisten erstmal klarkommen und so konzentrieren wir uns vor allem auf das Innenleben der Protagonisten. Während im ersten Teil eher die Abenteuerkomponente von Lazlos Reise und die Magie des Ergründens des Geheimnisses von Weep im Vordergrund standen und der zweite Teil eher eine Liebesgeschichte war, die in einem spektakulären Showdown gipfelt, liest sich dieser dritte Teil wie eine sich langsam steigernde Vorbereitung für das große Finale. Dabei passiert im Endeffekt auf der reinen Handlungsebene nicht besonders viel: unten in Weep wird aus Sicherheitsgründen die Stadt geräumt, wovon man allerdings nicht besonders viel mitbekommt. Stattdessen legt Laini Taylor einen besonderen Augenmerk auf die alten Mythen und die Geschichte von Weep, deren Aufklärung damit in Gang gesetzt werden, dass die lange verschüttete Bibliothek entdeckt wird. Oben in der Zitadelle ringen Sarai, Lazlo und die anderen mit Minyas Racheplänen. Denn nun da Lazlo das Mesarthium befehligen kann, könnten sie nach Weep herunter gelangen und Rache für das Massaker nehmen. Dass das nicht in Lazlos Interesse ist, stört Minya wenig, denn nur sie steht zwischen Sarai und ihrer endgültigen Auflösung. Also was wird Lazlo wählen: seine große Liebe oder das Leben der Stadt Weep und all ihrer Bewohner...?

Trotz der eher niedrigen Handlungsdichte in diesem dritten Teil ist die atmosphärische Spannung wieder zum Greifen dicht. Wieder einmal scheinen Laini Taylor Genregrenzen und Erzählgrundsätze nicht besonders wichtig zu sein, denn sie tanzt zwischen verschiedenen Genres und schildert unglaubliche Situationen, durch die die Geschichte wie ein einziger skurriler, kunterbunter, wunderschöner Traum, aus dem man gar nicht mehr erwachen will. Ihr unfassbarer Schreibstil, der zu den schönsten gehört, die ich jemals kosten durfte, trägt zur Schaffung dieses Gesamtbildes natürlich auch nicht unwesentlich bei. Legendäre Mysterien über wütende Götter, gestohlenen Wörtern, verschwindenden Namen, unzerstörbare Metalle, schreckliche Albträume, gequälte Geister, gefallene Engel, wunderschöne Monster, gewiefte Alchemie und unglaubliche Magie - sanft und poetisch, eindringlich und voll träumerischer Süße nimmt sie uns mit auf eine ereignisreiche Reise und entführt in die sagenumwobene Stadt Weep. Im Großen wie im Kleinen findet sie dabei großartige und manchmal auch absurde Sprachbilder, die uns ihr Setting oder die Gefühle der Protagonisten näher bringen und als weiteres Alleinstellungsmerkmal hervorstechen. Dabei kommen auch detailreiche, bildhafte Ausschmückungen nicht zu kurz, sodass eine magische Atmosphäre entsteht, die dank der fabelhaften Übersetzung Ulrike Raimer-Noltes nicht leidet. Falls das überhaupt möglich sein sollte, wird ihr Schreibstil hier noch besser - denn diese Geschichte besteht praktisch nur aus diesem gewissen, magischen Etwas, dem fantastischen Prickeln, das man nur in wenigen Büchern findet.

Fast noch wichtiger als Setting und Schreibstil sind die zwei wundervollen Protagonisten, die wir hier in vollkommen neuem Licht kennenlernen können. Mit feinfühligen Beschreibungen hebt Laini Taylor ihre beiden Protagonisten aus dem bunten Meer aus Träumereien, Göttern, Monstern und Geistern hervor und lässt sie lebendig werden. Dabei ist vor allem Lazlo fern ab von jeglichem Klischee konstruiert und unterscheidet sich drastisch von üblichen oder gar durchschnittlichen Protagonisten einer Fantasy-Serie. Der unscheinbare, unansehnliche Junge besitzt nichts als seine Geschichten, seine Träume, seine Fantasie, welche er tief im Herzen als seinen größten Schatz verwahrt und doch macht ihn das zur reichsten Person des ganzen Landes. Seine kindliche Ehrfurcht, die neugierige Begeisterung und die demütige Höflichkeit, mit der er der Welt begegnet nehmen den Leser sofort für diesen sanftmütigen, jungen Mann ein und garantieren, dass man mit ihm mitfiebert und dieser Figur von Herzen das Beste wünscht. Dass er selbst ein mächtiger Gott ist, das Mesarthium befehlen kann, eine Familie hat, eine Schwester und zugleich durch Sarais Tod so viel verloren hat, setzt ihm natürlich sehr zu und bringt sein Selbstbild durcheinander. Hier nimmt sich die Autorin tatsächlich ausreichend Zeit, sich mit den Auswirkungen der Enthüllung auf seinen Charakter zu beschäftigen, was man bei Fantasy-Romanen auch nicht jeden Tag liest!

Auch Sarai scheint nicht in die Welt zu passen, in der sie lebt - eingesperrt mit Monstern, die ihre Familie sind, in einem Schloss hoch über den Wolken. Genauso sehr wie sich Lazlo nach dem Absonderlichen und Wunderbaren streckt, sehnt sich danach, einfach normal zu sein und dazuzugehören. Durch die täglichen Besuche in den Träumen der Bewohner von Weep hat sie etwas gefunden, dass den schwelenden Hass, der in den Herzen der Götterkinder auch nach Jahren noch glüht, abgekühlt hat: Mitgefühl und Verständnis. Trotz des vielen Leids, Unverständnisses und Schams, von denen ihr Dasein geprägt ist, ist sie in der Lage, mit den Menschen mitzufühlen, die Minya gerne zu ihren Feinden erklärt und so wird auch sie zur zerrissenen, tragischen Heldin, die wie Lazlo auch einfach nur dazugehören will. Durch die unglücklichen Verstrickungen am Ende des letzten Teils hat sie zwar ihr Leben verloren, kann als Geist aber trotzdem noch denen nahe sein, die sie liebt und auch ihre Gabe ist nicht verloren. Leider ist sie aber nun abhängig von Minyas Güte und nur ein Fehler könnte ihr Dasein endgültig beenden...

Die Beziehung zwischen Lazlo und Sarai, die im vergangenen Band so zart entwickelt wurde, blüht hier trotz aller widrigen Umstände weiter auf, tritt jedoch zugunsten eines weiteren Charakters ein wenig in den Hintergrund: Minya. Gerade als ich dachte, dass ich endlich einen ganz eindeutig bösen Protagonisten gefunden habe, den ich hassen kann, wendet die Autorin das Blatt komplett, erzählt ihre Geschichte und nimmt uns mit in ihre Träume, ihren verwirrten, traumatisierten Geist und füllt uns mit Mitgefühl und Verständnis für dieses arme Geschöpf in Gestalt eines alterslosen Mädchens mit kalten Augen...
Neben Minya werden auch eine ganze Menge weiterer Protagonisten vertieft und weiterentwickelt. Zum Beispiel wird die Hintergrundgeschichte von Eryl-Fane und Azareen endlich lückenlos erzählt und auch Lazlos ehemalige Reisegefährten rücken hier wieder ein bisschen mehr in den Vordergrund.


Das "Ende" dieses Bands kommt dann wie schon gesagt relativ plötzlich und lässt mich schockiert, unbefriedigt und sehnsüchtig auf den finalen Band wartend zurück. Viele angefangenen Fäden, vertiefte Protagonisten, langsame Entwicklungen und eine mitreißende, magische Atmosphäre stehen einer eher niedrigen Handlungsdichte gegenüber, was aber weniger die Schuld der Autorin ist und eher auf den Mist des Verlags wächst. Ich tue mich mit der finalen Bewertung also ein wenig schwer, muss aber für die teilungsinduzierten Schwächen schweren Herzens einen Stern abziehen.


„Sie war ein Geist, er war ein Gott, und ihre Küsse fühlten sich an, als hätten sie einen Traum zuerst verloren und dann wiedergefunden.“



Fazit:

Viele angefangenen Handlungsfäden, neue Ideen, vertiefte Protagonisten und eine mitreißende, magische Atmosphäre stehen einer eher niedrigen Handlungsdichte gegenüber, die aus der künstlichen Zweiteilung der Ursprungsreihe durch den deutlichen Verlag resultiert. Lässt man die so entstandenen Makel beiseite, ist auch dieser dritte Teil ein wahres Meisterwerk der Fantasy!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere