Ein innovativer, liebenswürdiger, spritziger Jugendroman, den ich gerne weiterempfehle!
Wenn zwei sich texten"Wenn zwei sich texten" ist eines der Bücher, die ich Ende Juli gelesen habe, deren Rezension sich aber aufgrund meiner Klausuren etwas verspätet hat. Knapp eine Woche nach dem Erscheinungstermin will ...
"Wenn zwei sich texten" ist eines der Bücher, die ich Ende Juli gelesen habe, deren Rezension sich aber aufgrund meiner Klausuren etwas verspätet hat. Knapp eine Woche nach dem Erscheinungstermin will ich also auch mal meine Meinung zu dieser zuckersüßen Verwechslungsgeschichte sagen.
Schon das Cover macht mit dem eigenwilligen Format der unten-oben-Gegenüberstellung und dem schiefen Titel auf sich aufmerksam. Zu sehen sind zwei Jugendliche, die jeweils in ihrem Bett liegen und über das Smartphone miteinander texten. Der Lila-Orange Zwischenraum ist mit weißen Federn gefüllt und wird von dem schräg stehenden Titel ausgefüllt. Tatsächlich (auch wenn ich nicht gedacht hätte, das jemals sagen zu können) finde ich den deutschen Titel "Wenn zwei sich texten" sogar treffender als der Originaltitel "Technically, you started it", da es hier nicht nur inhaltlich, sondern auch im Format grundlegend um zwei Jugendliche geht, die sich schreiben. Der Verlag hat also in puncto optischer Gestaltung meiner Meinung nach einen Volltreffer gelandet.
Auch inhaltlich hat mich der Roman sofort angesprochen. Der Klapptext verspricht eine spaßige Verwechslungsgeschichte, bei der die Protagonistin Haley automatisch annimmt, dass der Martin Munroe, der sie anschreibt und mit dem sie schnell tiefgründige Gespräche führt und eine emotionale Beziehung aufbaut, der Martin der beiden aus ihrer Klasse ist, den sie nicht nervig findet. Während sie sich mit jeder Textnachricht ein bisschen mehr verliebt, schmerzt es umso mehr, dass ihr Martin sie in der Wirklichkeit konsequent ignoriert. Dafür beginnt, der andere Martin, den sie noch nie leiden konnte, sie auf der Arbeit zu besuchen und sie beginnt zu zweifeln, mit welchem der Martins sie eigentlich schreibt...
"Wenn zwei sich texten" lebt nicht nur inhaltlich von dem, was unausgesprochen bleibt, sondern auch im Szenenaufbau. Denn was die Geschichte ganz deutlich von anderen abhebt ist: die ganze Story ist komplett in Textnachrichten zwischen den beiden Protagonisten verfasst. Das ist ein spannendes, neues Konzept und definitiv mal was anderes, aber leider auf Dauer etwas anstrengend zu lesen, da Zeitsprünge, Entwicklungen, Gedanken und Gefühle sowie die eigentliche Handlung zwischen den Zeilen stattfinden und dort manchmal auch gesucht werden müssen. In jedem Gespräch sind viele Anspielungen versteckt, die man verstehen muss und wenn die Protagonisten sich über gerade stattfindende Dinge schreiben, muss man sich einiges dazu denken. Es ist schade, dass wir bei allen wirklich wichtigen Szenen im "echten Leben" nicht dabei sein können und oft nur bröckchenweise erfahren, was gerade passiert.
Wir können beim Lesen nur indirekt und aus zweiter Hand bei wichtigen Entwicklungen oder Treffen dabei sein und müssen, was hinter den Nachrichten steckt und was sich zwischen den beiden aufbaut zwischen den Zeilen suchen. Mit zunehmendem Handlungsverlauf fiel mir das auch immer leichter, doch eine reine Textdialog-Form ganz ohne Einblick in die Gefühle und Gedanken der Protagonisten ist für eine Liebesgeschichte schon ein sehr gewöhnungsbedürftiges Format.
Dabei hat der Verlag die Innovation optisch so gelungen umgesetzt, dass sich die Nachrichten leicht lesen lassen. Anders als durch den Alltagsgebrauch erwartet, verwenden Haley und Martin keine Emojis, keine GIFs und halten sich auch an Grammatikregeln, sodass wir in den Genuss von korrektem Satzbau und Zeichensetzung kommen. Warum die beiden sehr verschriftlicht miteinander kommunizieren baut die Autorin zwar in die Geschichte ein, dennoch wirkt das bei Teenagern ein kleines bisschen unauthentisch. Außerdem ist auffällig, dass durch das typische Nachrichtenformat auf gegenüberliegenden Seiten nicht so viele Wörter auf eine Seite passen, wie in einem Fließtext und fliegen die Seiten so rasend schnell dahinfliegen. Was zuvor wie eine seitenstarke Geschichte gewirkt hat, lässt sich problemlos an einem Nachmittag durchlesen.
Beeindruckend ist, dass Spannung und Protagonisten nicht wirklich unter diesem besonderen Format leiden, wie ich es eigentlich angenommen hätte. Durch das Verwechslungsthema und die Tatsache, dass uns Viele Face-to-Face-Begegnungen unterschlagen werden, bleibt eine konstante Spannung erhalten und man fragt sich ständig, wo das Ganze hinführen wird. Denn auch wenn die Dialoge manchmal etwas ziellos und zufällig wirken, werden sie doch immer persönlicher und steuern auf einen Höhepunkt hin: der Enthüllung von Martins wahrer Identität und dem ersten Test der zarten Beziehung an der Realität. Außerdem sind Haley und Martin zwei sehr liebevoll gestaltete Charaktere, die für das besondere Format erstaunlich viel Profil erhalten, da durch den Wegfall der Handlung und Beschreibungen viel Zeit und Raum zur Verfügung steht, die beiden, ihre Dynamik und ihre Gefühle, Gedanken, Eigenheiten und Meinungen zu verschiedenen Themen genauer kennenzulernen. Hier geht es viel um Nerd-Shit wie Games, Comics oder Serien, aber auch wer sich dafür nicht interessiert, wird die vielen Gespräche über dies und das, das oftmals witzige und absurde Geplänkel der beiden, das unterschwellige Gefühle offenbart, sowie die spannenden Fakten, die Haley immer wieder aus ihrem Newsfeed mit einfließen lässt, gerne verfolgen.
Die Autorin stellt durch subtile Hinweise und eine leicht unterschiedliche Ausdrucksweise sicher, dass man hinter den Nachrichten tatsächlich zwei unterschiedliche Personen entdecken kann und lässt genügend Humor, Drama und Unsicherheit einfließen, dass man die anderen, tieferliegenden, verborgenen Gefühle auch wahrnimmt. Wenn man also davon ausgeht, dass beide in ihren Nachrichten ehrlich waren und sich unverzerrt dargestellt haben, bekommt man einen umfassenden Eindruck ihrer beiden Persönlichkeiten. Von den Nebencharakteren, die hier ja nicht aktiv auftauchen, sondern von denen nur ab und zu gesprochen wird, war ich leider die größte Zeit über verwirrt, da ich schnell durcheinandergekommen bin, wer nun warum was genau gemacht hat.
Es gibt also Pluspunkte für Idee, Innovation und gutem Aufbau, insgesamt wäre mir aber eine Mischform aus "normaler" Erzählung und Textnachrichten lieber gewesen.
Fazit:
Eine Geschichte bestehend nur aus Textnachrichten? Funktioniert tatsächlich. In "Wenn zwei sich texten" stehen eine hohe Spannung, erstaunlich gut ausgearbeitete Protagonisten und vielseitige Dialoge dem Fehlen von "echten Szenen" und teilweise anstrengendes Hinterdenken von Hinweisen gegenüber, sodass mir insgesamt eine Mischform aus "normaler" Erzählung und Textnachrichten lieber gewesen wäre.
Nichtdestotrotz ein innovativer, liebenswürdiger, spritziger Jugendroman, den ich gerne weiterempfehle!