Big Brother im Gewächshaus
„Die Terranauten“ von T.C. Boyle basiert auf einem wahren Ereignis, wobei die Figuren allerdings frei erfunden sind.
Es ist eine Charakterstudie über ein Forschungsteam, was sich über einen Zeitraum von ...
„Die Terranauten“ von T.C. Boyle basiert auf einem wahren Ereignis, wobei die Figuren allerdings frei erfunden sind.
Es ist eine Charakterstudie über ein Forschungsteam, was sich über einen Zeitraum von zwei Jahren in ein künstliches Biotop einsperren lässt. Man muss sich dabei eine riesige Kuppel vorstellen und in dieser eine Atmosphäre geschaffen wurde. Dort werden viele Tiere angesiedelt und die verschiedenen Klimazonen nachempfunden. So hat man auf diesem beschränkten Raum Wüste, Steppe, Regenwald und Ozean in einem. Es ist quasi eine Miniaturwelt wo nur acht Personen leben. Anlass ist herauszufinden, ob so ein künstlich erschaffenes Biotop sich selbst erhalten kann. Dies ist wichtig, wenn es um das Ansiedeln auf neuen Planeten, wie dem Mars, geht. Im Vordergrund steht zunächst die Wissenschaft, aber dieses Projekt entwickelt sich immer mehr zur voyeuristischen Seifenoper à la Big Brother. Denn die Personen werden natürlich rund um die Uhr durch Kameras überwacht. Dass die anfängliche Euphorie ganz schnell umschwenkt, ist wohl nur klar. Aus geselligem Miteinander wird nervenaufreibende Selbstdarstellung. Man spürt die in jedem Kapitel wie die Luft immer dünner wird und das nicht bloß im übertragenem Sinne. Es gibt Hass, Zwietracht und Neid. Das sind doch die besten Zutaten für einen aufregenden Roman.
Es macht riesigen Spaß die Geschichte aus der Sicht von drei Personen zu erleben. Diese Figuren könnten gar nicht unterschiedlicher sein und erzählen die Ereignisse sehr subjektiv. So wankt man zwischen Zustimmung und Unverständnis. Die Protagonisten sind voller Ecken und Kanten und es kracht oft gewaltig. Das macht die Situation so realistisch und man meint, dass sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen haben.
Ein kleines Manko, ist für mich, das Ende – winzig kleiner Spoiler – es ist für mich nicht ganz abgeschlossen. Es lässt aber enorm viel Spielraum für Interpretationen. Man kommt sich bei diesem Buch ständig wie ein Beobachter vor und genießt es an den inneren Konflikten der Erzähler teilzunehmen. Alles ist geprägt von tiefen Emotionen und genau so etwas möchte ich gern lesen.
„Die Terranauten“ ist für mich ein rundum gelungener Ausflug in eine fremde Welt. Unbedingt lesen!