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Veröffentlicht am 07.08.2020

Enttäuschende Liebesbeziehung

Wildflower Summer – In deinen Armen
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Olivia führt die weitläufige Wildflower Ranch, während ihr Bruder Justin hingegen zum Militär ging. Bevor er gestorben ist, hat er seinen Kollegen und Freund Nathan gebeten, auf seine Schwester aufzupassen. ...

Olivia führt die weitläufige Wildflower Ranch, während ihr Bruder Justin hingegen zum Militär ging. Bevor er gestorben ist, hat er seinen Kollegen und Freund Nathan gebeten, auf seine Schwester aufzupassen. Somit kommt Nathan zur Wildflower Ranch, auf der er bald einen Job findet und von Anfang an von Olivia begeistert ist.

Als Olivia und Nathan sich zum ersten Mal begegnen, sind sie direkt angetan voneinander und auch alle anderen spüren ihre intensive Anziehungskraft. Jedes Mal, wenn sie sich begegnen, geht es in ihren Gedanken eigentlich nur um die Schönheit des anderen und darum, dass sie sich berühren und Küssen möchten. Irgendwann hab ich nur noch mit den Augen gerollt und gehofft, dass sie bald miteinander schlafen. Aber so extrem und nervig wie der Anfang auch für mich auch war, genauso schön wurde der Mittelteil, als sich die beiden endlich näher kennenlernten. Man hat viel mehr aus Nathans Leben erfahren, warum er einsam ist und kaum Nähe zulässt. Olivia, die sich sonst nur für andere aufopferte, übernahm die Initiative, damit es zwischen den beiden endlich mal vorangeht. Als sie sich endlich gefunden hatten, reihte sich aber eine Sexzene nach der anderen. Ebenfalls etwas zu extrem war eine Szene eher zu Beginn, als Nakos Olivia am Arm berührte und Nathan völlig austickte. Dafür, dass er in seinem Leben eher wenig enge Kontakte hatte, war er nach wenigen Tagen schon sehr besitzergreifend.

Eine Stärke von Kelly Moran ist es, dass sie ein tolles Setting mit vielen liebenswürdigen Charakteren schaffen kann. Die Ranch selbst ist mit ihren weitläufigen Feldern, blühenden Wildblumen und dem gemütlichen Haupthaus eine angenehme Kulisse für die Geschichte. Und auch Olivias herzensgute Tante und begnadete Köchin schafft mit dem Arbeiter und engen Freund Nakos von Olivia eine vertraute Gemeinschaft aus Charakteren, die ebenfalls zu einer traumhaften Atmosphäre beitragen. Außerdem hat die Autorin einen sehr flüssigen Schreibstil, wodurch man die Geschichte sehr schnell lesen kann, auch wenn es Szenen gibt, die einem nicht hundertprozentig zusagen.

Das Ende empfand ich als zu einfach gelöst und sehr unglaubwürdig. Von Anfang an möchte Nate keine Beziehung zu Olivia aufbauen, aus diesem einen Grund - der dann einfach verpufft. Wenn man als Autorin schon ein Problem einführt, dann muss man es auch lösen, statt mit einem Fingerschnippen zu beseitigen.


Fazit:
Nach Redwood Love ist „Wildflower Summer – In deinen Armen” leider eine kleine Enttäuschung. Zu Beginn haben mir die Charaktere und deren Beziehung gar nicht zugesagt, doch der Mittelteil entschädigte mich dafür und hatte viel zu bieten. Leider konnte Kelly Moran das nicht bis zum Ende durchhalten und hat ein klischeebehaftetes Happy End kreiert. Obwohl manches in der Geschichte nicht ganz Rund ist, hat die Autorin mit der weitläufigen Ranch wieder eine tolle Kulisse geschaffen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.09.2024

Leider überraschend übernatürlich und spirituell

Die Unmöglichkeit des Lebens
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Die pensionierte Mathematiklehrerin Grace ist einsam und blickt kritisch auf ihr Leben und ihre Handlungen zurück, als sie überraschend ein Haus auf Ibiza erbt. Eine ehemalige Kollegin, die sie nur kurz ...

Die pensionierte Mathematiklehrerin Grace ist einsam und blickt kritisch auf ihr Leben und ihre Handlungen zurück, als sie überraschend ein Haus auf Ibiza erbt. Eine ehemalige Kollegin, die sie nur kurz kannte, vererbt das Haus an Grace anstatt ihrer eigenen Tochter. Doch warum? Und warum ist ihr Tod so mysteriös? Was Grace herausfindet ist so viel größer, als sie sich vorstellen kann.

Die Geschehnisse um Grace und Christina werden durch Briefe in eine Rahmenhandlunge eingebettet. Ein ehemaliger Schüler von Grace schreibt ihr und berichtet von seinen Problemen. Da es Grace auch lange nicht gut ging, sie durch die Erbschaft auf Ibiza aber Frieden mit sich und ihrem Leben gefunden hat, berichtet sie davon und schreibt einen langen Brief an ihren Schüler, der quasi dieses Buch ist. Denn Grace hat auf Ibiza unglaubliches erlebt. Und damit sind wir direkt bei meinem Problem mit diesem Buch: Im Verlauf kommt Übernatürliches auf, das immer weiter vertieft wird und alles, was Grace auf Ibizia erlebt und durchlebt, damit zusammenhängt. Matt Haig schreibt stets über das Leben und all seine Facetten, auch oft Romane mit magischem Realismus. Aber hier war es mehr, es ist sehr übersinnlich, was ich überhaupt nicht erwartet hätte und dadurch nicht wusste, wie ich es einordnen soll. Passiert das jetzt echt? Was will Matt Haig uns damit sagen? Wohin will der Autor mit der Geschichte? Dieses Buch beinhaltet Übersinnliches, oft schon Surreales und Spirituelles, worauf ich mich gerne eingelassen hätte, statt unsicher über den Plot des Buches zu sein. Deshalb hatte ich auch eigentlich keine Lust weiterzulesen, weil alles so langwierig wurde, aber durch die kurzen Kapitel konnte ich trotzdem gut in der Geschichte vorankommen. Und auch durch Matt Haigs nachdenklichen und flüssigen Schreibstil und Lebensweisheiten ist diese Geschichte recht schön, obwohl ich mir vergleichsweise nur wenig Zitate markiert habe, weil ich eben nicht wusste, wie ich all das, was Matt Haig beschreibt, einordnen sollte.

>>Wir sind aus dem Nichts geboren, das ganze Universum ist aus dem Nichts geboren, und doch sind wir hier, das unmögliche Etwas, das aus dem Nichts zum Sein gekommen ist. Die Unmöglichkeit des Lebens.<<

Grace ist Mathematikerin, sieht alles rational, und hat mit ihren 72 Jahren schon vieles erlebt, manches hätte sie gerne anders gemacht. Ich finde es schön, welche Entwicklung sie durchmacht und belastende Gedanken immer mehr loslässt. Ihre Gefühlswelt ist sehr anschaulich beschrieben und mir haben auch die vielen mathematischen Vergleiche und Beschreibungen gefallen. Das hat das Besondere des Buches nur noch mehr hervorgehoben. Matt Haig wollte hier die Magie des Lebens zeigen, ich weiß, aber ich konnte es leider nicht aufnehmen und nachempfinden. Vor allem weil dieses Übersinnliche Grace einfach aus ihrer negativen Situation herausgenommen hat. „Die Unmöglichkeit des Lebens“ ist eine lebensbejahende Geschichte, aber in der Realität ist das alles leider nicht so einfach, da muss man es selbst durchleben und wird nicht daraus gerettet. Vor allem weil Matt Haig als Mensch selbst schon viel Schlimmes durchmachen musste und es als Autor wirklich gekonnt in seinen Büchern umsetzt, finde ich es sehr schade, dass es hier für Grace eher so einfach und eben unrealistisch ist.

Jetzt bin ich schon wieder von den positiven Aspekten des Buches in die negativen abgerutscht. Neben dem Schreibstil und der geschickten Einbindung von Mathematik hat mir, trotz Überraschung und meiner Unsicherheit darüber, die Idee von Matt Haig doch recht gut gefallen. Denn diese Gedanken hatte ich oft schon selbst. Ich hab mir vorgestellt, dass und wie es passieren könnte und ehrlicherweise hoffe ich bei unserer momentanen Situation auf Erden, das genau das auch passieren wird. Auch sehr gut gefallen hat mir das Setting auf Ibiza. Ich war noch nie auf der Insel, aber ihre vielen Facetten zwischen Partys und Natur werden sehr anschaulich dargestellt. Dabei wurde auch auf Umweltschutz und Kritik am Massentourismus eingegangen. Ein schönes und überaus passendes Setting für diese Geschichte.


Fazit:
„Die Unmöglichkeit des Lebens“ spielt auf Ibiza und handelt von Graces Leben, aber überraschenderweise auch von Übersinnlichem und Spirituellem. Ich wusste einfach lange nicht, wie ich mit den Geschehnissen umgehen soll, was mir Matt Haig damit sagen will. Wenn der Droemer Verlag im Klappentext erwähnt hätte, dass die Geschichte auch übersinnlich wird, wäre ich mit dieser Erwartung ans Lesen gegangen und hätte dies von Anfang an mit einfließen und somit bestimmt auch genießen können. Denn bisher habe ich alle Bücher von Matt Haig geliebt.

Veröffentlicht am 24.07.2024

Hätte am liebsten abgebrochen

Broken Heart Summer – Sunset Days
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Rea und Maya reisen gemeinsam nach Hawaii um dort Mayas Vater zu finden. Direkt am Flughafen treffen sie auf eine Gruppe junger Männer, bei der Cam dabei ist und Rea sogleich beeindrucken kann. Nachdem ...

Rea und Maya reisen gemeinsam nach Hawaii um dort Mayas Vater zu finden. Direkt am Flughafen treffen sie auf eine Gruppe junger Männer, bei der Cam dabei ist und Rea sogleich beeindrucken kann. Nachdem Rea Mayas vermeintlichen Vater überraschend schnell gefunden hat, verbringt sie ihre freie Zeit nur noch mit Cam, anstatt ihren Medizinbüchern. Und so nimmt die Liebesgeschichte ihren Lauf…

Die Geschichte ist aus wechselnden Perspektiven der Freudinnen Rea und Maya geschrieben, was mir sehr gut gefallen hat um beide nachvollziehen zu können und auch zum sonst üblichen wechselnden Kapitel des Liebespaars überraschend erfrischend ist. Allerdings wurde mir Rea direkt zu Beginn sehr unsympathisch: Sie schießt sich als angehende Medizinstudentin mit Pillen ab um ihrer Flugangst zu umgehen, ist eine absolute Streberin, die sich neben ihrer extrovertierten Freundin Maya versteckt und hat vor allem Angst und Unwohlsein (Angst vorm Fliegen & Meer, Reiseübelkeit in jedem Transportmittel usw.). Obwohl ich ihr charakterlich näher bin als Maya, habe ich diese lebenslustige junge Frau hingegen viel sympathischer empfunden, weil sie Freude sucht, aber auch Unsicherheit verspüren kann, z. B. über das Kennenlernen ihres Vaters. Cam, der Loveinterest von Rea, mag ich auch sehr, weil er sehr einfühlsam und bodenständig ist. Da ich aber nur einen Teil des Pärchens mag, konnte mich die Liebesgeschichte leider nicht berühren, obwohl sie angenehm langsam und gefühlvoll verläuft und ich slow burn am liebsten lese.

Der Geschichte fehlen meiner Meinung nach Höhepunkte. Es geschieht zwar auch mal etwas Unvorhergesehenes, aber es fehlt die Romantik und Besonderheit. Rea, die mit ihrer Mutter eine typisch amerikanische Abmachung hat und als Streberin (ohne Hobby) durch ihre großen Liebe vor Augen geführt bekommt, dass es viel mehr im Leben gibt, ist so typisch und klischeehaft. Und Mayas Geständnis ist für die meisten Leser/innen schon von Beginn an klar. Am Ende gibt es auch seltsame Aussagen, die es für mich in dem Konflikt nicht gebraucht hätten. Die Beziehung und deren Zukunft von Rea und Cam hat mich überraschen können – negativ. Ich habe immer in der Hoffnung weitergelesen, dass die Liebesgeschichte vielleicht romantisch wird; und auch die Leseprobe zum zweiten Teil, sodass ich Rea doch noch verstehen könnte, aber mein Lesegefühl wurde immer negativer. Hätte ich das Buch doch abgebrochen.

Positiv an dem Buch finde ich die Einbindung des Handlungsorts Hawaii. Über Surfen und Schnorcheln hinaus wird auch viel Augenmerk auf die Landschaft und Tierwelt gelegt – sogar von Hawaiis Geschichte erfährt man das ein oder andere beim Lesen. Ein wunderschönes Setting, das ich sehr genossen habe!




Fazit:
„Sunset Days“ hat mich leider sehr enttäuscht. Eine unsympathische Protagonistin, typische Klischees und ein offensichtliche angedeutetes „unerwartetes Geständnis“ haben mir einfach keine Freude beim Lesen bereitet. Aber das Setting auf Hawaii, das war gut!

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Veröffentlicht am 27.08.2023

Enttäuschend langweilig

Cleopatra und Frankenstein
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Cleo und Frank treffen sich auf einer Silvesterparty, verbringen einen Spaziergang im nächtlichen New York und beginnen danach eine Beziehung. Von dieser Begebenheit springt das Buch direkt 6 Monate in ...

Cleo und Frank treffen sich auf einer Silvesterparty, verbringen einen Spaziergang im nächtlichen New York und beginnen danach eine Beziehung. Von dieser Begebenheit springt das Buch direkt 6 Monate in die Zukunft zur Hochzeit von Cleo und Frank. Da die Mittzwanzigerin für ein Kunststipendium nach Amerika kam, heiraten die beiden unter anderem um ihre Zukunft in New York zu sichern. Und von hier an erfahren wir viel über die Beziehung, die beiden einzeln und ihre Freundschaften.

Obwohl Frank schon Mitte 40 ist und seit Jahren seine eigene Werbeagentur leitet, scheint er nicht viel erwachsener als die 20 Jahre jüngere Cloe. Die beiden und ihr gesamtes Umfeld nehmen Drogen und sind unbeschwert. Von exzessiver Trinkerei, Drogen, Depressionen und Sucht ist alles dabei. Dies macht die Geschichte ungemein düster, weil bald nicht mehr viel von Cleo und Franks Liebeshoch übrig bleibt, und mindert das Lesevergnügen. Ich hab ja keine romantische Liebesgeschichte erwartet, weil man die Kennenlernphase der Protagonisten gar nicht mitbekommt, aber doch mehr als nur lieblose Eheprobleme.

Der Erzählstil geht irgendwann einen Bruch ein, wodurch man sich erst orientieren muss. Aber somit fühlt man sich einem Charakter ungemein näher und es gibt der Geschichte etwas Besonderes. Habe ich so noch nie gelesen und finde die Idee und Umsetzung toll.

Die Wendung zum Ende hin hat mich überhaupt nicht berührt, weil es einfach keine Charaktere in dieser Geschichte gibt, die mir sympathisch und wichtig genug wären. Hier wurde mir bewusst, wie langweilig und gleichförmig die Geschichte verläuft, trotz einiger eher belangloser Ereignisse. Die einzige Protagonistin, die mir sehr sympathisch war, ist Eleonor. Doch am Schluss kommt sie meiner Meinung nach nicht gut weg, weshalb ich noch enttäuschter von der Geschichte bin. Santiago ist ein Charakter, der fast schon untergeht, aber so eine wichtige Botschaft vermittelt und neben den anderen abgefu*ten Figuren etwas Positives ausstrahlt.

"So muss sich Liebe anfühlen. […] Sie erdet dich. Dieser ganze Blödsinn von wegen Liebe ist wie eine Droge und macht dich high – Unsinn. Sie soll dir Halt geben wie die Erde.", S. 466


Fazit:
„Cleopatra und Frankenstein“ hat mich enttäuscht, weil ich mit den Protagonisten nicht mitfühlen konnte und die gesamte Geschichte sehr düster, problembehaftet und auch langweilig daher kommt.

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Veröffentlicht am 11.08.2023

Was ist das Gegenteil von romantischer Liebe?

Eine Nacht mit dir
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Ruby verlässt London nach einer unangenehmen Beziehung um ihr „Jahr für mich“ zu starten: Ganz ohne Männer und mit der Erfüllung ihres großen Traums, dem Filmstudium. Als sie ihr Sofa verkauft, trifft ...

Ruby verlässt London nach einer unangenehmen Beziehung um ihr „Jahr für mich“ zu starten: Ganz ohne Männer und mit der Erfüllung ihres großen Traums, dem Filmstudium. Als sie ihr Sofa verkauft, trifft sie auf Nic, der ebenfalls aus einer Beziehung kommt und in London neu starten möchte. Beide suchen einen Neuanfang, während sich ihr Leben in dieser einen Nacht überlappt. Doch Jackson, Rubys ehemaliger Mitbewohner, freundet sich mit Nic an, wodurch die beiden trotzdem immer mal wieder aufeinander treffen… denn eigentlich haben sie entschieden, dass die eine gemeinsam verbrachte Nacht ein One-Night-Stand bleiben soll…

Schon zu Beginn war ich überrascht, eher überrumpelt, dass die gemeinsame Nacht nicht einmal ein Viertel des Buches umfasst. Anhand Titel, Cover und Klappentext habe ich eher mit 3/4 dieser einen Nacht und 1/4 ob und wie die Beziehung eine Chance hat, gerechnet, stattdessen konzentriert sich das Buch vielmehr auf jeweils das neue Leben von Ruby und Nic, meistens getrennt, manchmal mit Berührungspunkte.

Auch die Romantik hat mir gefehlt, dafür war die Geschichte sexbezogener. Alles fängt mit dem One-Night-Stand von Ruby an, zu dem ihre beste Freundin sie gedrängt hat, da Ruby ein Jahr ohne plant. Außerdem haben ausnahmslos alle Charaktere einen sehr offenen und flexiblen Standpunkt dazu, wodurch zB Nics Bruder ihm mehr oder minder weiße Ratschläge gibt, dessen Gespräche aber eher ins vulgäre abdriften. Auch dass Ruby mit einem fast 100-jährigen über ihr Sexualleben und verkorkste Beziehung reden kann, ist mir zu übertrieben. Trotzdem kommen auch ernste Themen überraschenderweise nicht zu kurz. Ruby möchte sich aus einem bestimmten Grund das nächste Jahr nur auf sich selbst konzentrieren, was sich auf die gesamte (Liebes)Geschichte auswirkt. Leider sind ihre Gedanken und Gefühle dazu viel zu wenig und selten beschrieben. Es ist der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, aber überhaupt nicht im Fokus. Insgesamt sind auch viel zu viele Themen im Buch, die nur kurz angerissen oder auch mal unnötig aufgebauscht werden. Manches ist auch einfach konstruiert, zum Beispiel vom Zeitpunkt oder Klischee her. Weniger und dafür in die Tiefe gehend ist mehr.

"Das Herz ist ein Muskel – und wir müssen unsere Muskeln trainieren, damit sie stärker werden, sonst verkrampfen sie. Das Herz muss benutzt werden, oder wir riskieren, seine Leistungsfähigkeit zu verlieren." von JP

Auch wenn ich den 96-jährigen JP zu flapsig finde, weil ich mir neben all den ungezwungenen Charakteren mindestens einen bodenständigen gewünscht hätte, hat mich sein Teil der Geschichte am meisten überzeugt, weil sie romantisch und tragisch ist. Die Suche nach seiner alten Liebe wird Rubys Filmprojekt, weshalb er und sein Enkelsohn bald einen großen Teil des Buches einnehmen. In Interviews und informalen Treffen berichtet JP über sein Leben und seine große Liebe, die er nur kurz im Krieg getroffen hat. Die Suche und Auflösung nach dieser Frau hat mich so sehr berührt, dass ich sogar Tränen in den Augen hatte. Dass die Nebenhandlung mehr berührt als die eigentliche Liebesgeschichte, ist wirklich schade!

Der Schreibstil von Laura Williams ist flüssig zu lesen, trotzdem habe ich für die ca. 400 Seiten länger gebraucht als bei anderen Büchern, vielleicht lag es an den vielen Geschehnissen und Themen. Leider wurden nicht alle Gefühle beschrieben, aber wenn, konnte man die Charaktere gut nachvollziehen und mich manchmal auch berühren. Zum Beispiel konnte mich Ruby während der Anfangszeit ihres Studiums in ihrer Begeisterung total mitreißen. Entweder hat der Schreibstil nachgelassen oder die Übersetzung von Nadine Lipp gepatzt, da die gereimten Textnachrichten von Ruby und Nic mit der Zeit eben dies nicht mehr waren und sehr aufgesetzt geklungen haben. Auch einige Wortwiederholungen sind dabei, vulgäre Beschreibungen von Geschlechtsverkehr oder seltsame Umschreibungen des Geschehens, die ich nicht verstehen konnte, glücklicherweise aber für den Fortlauf der Geschichte unwichtig sind.


Fazit:
„Eine Nacht mit dir“ ist leider eine Enttäuschung. Du denkst, meine Rezension ist zu lang? Ohje, ich hab mich so bemüht all meine Kritikpunkte bezüglich Handlung, Charaktere, Schreibstil und Liebesgeschichte kurz und verständlich zu schildern. Die Geschichte handelt schon, anders als erwartet, nur zu einem geringen Teil um diese eine Nacht, ansonsten eher um die Bedeutung, die man der Liebe entgegenbringt: Ist mir die Liebe wichtig genug, um mit Ruby/Nic eine Beziehung einzugehen oder hat mein Ich derzeit mehr Bedeutung? Für den älteren Herrn im Buch ist seine kurze und große Liebe so bedeutsam, dass er sie nach jahrzehntelanger Trennung zu suchen beginnt, was das romantischste und am meisten berührende an diesem Buch ist.