Ein Märchen der besonderen Art
Die Gefangene von GolvaharMärchenadaptionen sind ja immer so eine Sache - irgendwie hat jeder sein "geheimes" Favoritenmärchen und eine bestimmte Vorstellung in welche Richtung es gehen soll. Meist ist es darüber hinaus auch schwierig ...
Märchenadaptionen sind ja immer so eine Sache - irgendwie hat jeder sein "geheimes" Favoritenmärchen und eine bestimmte Vorstellung in welche Richtung es gehen soll. Meist ist es darüber hinaus auch schwierig mal etwas neues zu finden, was dennoch den typischen Märchencharakter nicht verloren hat.
Melissa Bashardoust hat hier eine interessante Möglichkeit gefunden, das scheinbar unmöglich doch möglich zu machen. Das waren jetzt viele "möglich" in einem Satz ;)
Die Autorin hat hier Elemente des klassischen Dornröschen mit persischen Mythen und Sagen kombiniert und so etwas wirklich spannendes und einzigartiges geschaffen. Im Nachwort erklärt sie, wie sie auf die Idee gekommen ist und wie sie die einzelnen Elemente zusammen gesetzt hat, was ich im Übrigen auch ziemlich interessant fand.
Um ein bisschen genauer erklären zu können, wieso mich das Buch so begeistert hat, muss ich leider ein bisschen spoilern - nicht was die Story angeht aber durch manche Ausführungen kann man sich einen Teil der Geschichte eventuell zusammen reimen. Am Ende wird es eine kleine Spoilerfreie Zusammenfassung geben.
SPOILER
Das klassische Märchen ist ja nun mal, dass die arme und verlorene Prinzessin unbedingt einen Prinzen braucht um gerettet zu werden, da sie ja dazu nunmal allein nicht in der Lage ist. Melissa Bashardoust dachte sich also, sie erschafft eine Prinzessin, die gleichzeitig das Monster und dazu in der Lage ist, sich selbst zu retten. Selbstverständlich in Zeiten von Emanzipation und Feminismus sollte man meinen aber nein. Schaut man sich viele Romane an, ist die weibliche Figur zumeist auf eine starke Männliche angewiesen, die sie retten und ihrem Leben erst einen Sinn gibt. Versteht mich nicht falsch, ich mag starke Männer aber genauso finde ich starke weibliche Charaktere in Büchern gut. Eine Frau benötigt keinen Mann um sich zu retten, sie kann es allein. Und genau das zeigt die Autorin hier auf wirklich tolle Weise. Unsere Protagonistin Soraya macht eine weitreichende Entwicklung durch um am Ende endlich zu sich selbst zu finden und mit sich im reinen zu sein. Wir dürfen sie auf dieser Reise begleiten und an ihrer Seite sein, wenn sie lernt was Liebe, Vertrauens, Verrat und Rachsucht sind.
Ein weitere Punkt, den ich bei diesem Buch wirklich gut fand: wir haben keine perfekte Protagonistin. Normalerweise sind die weiblichen Charaktere in Märchen und Märchenadaptionen vollkommen. Sie haben vielleicht kleine Fehler oder Makel doch an sich sind sie ein Bild der vollkommenen Reinheit. Zumeist! Ausnahmen bestätigen die Regel wie es so schön heißt.
Soraya hingegen ist alles andere als perfekt. Sie hat dunkle Gedanken, ist rachsüchtig, empfindet Liebe, Hass und Eifersucht. Kurz gesagt: sie ist menschlich!
Ebenfalls gut gefallen hat mir die eingebundene Liebesgeschichte, die anders als vermutet nicht zwischen "Prinz" und Prinzessin sondern, wenn man so will zwischen Prinzessin und "dunkler Fee" stattfindet. Der Begriff "Dunkle Fee" ist hierbei eher eine Interpretation meinerseits, wenn man das Thema Dornröschen aufgreifen möchte.
Man könnte nun also meinen Melissa Bashardoust verknüpft einfach mal andere Kulturen mit den allseits beliebten Themen Diversität und gleichgeschlechtliche Liebe und nennt das ganze dann Märchenadaption und tada es wird ein Bestseller weil es ja um gleichgeschlechtliche Liebe und Diversität geht. Aber weit gefehlt. Das Buch allein auf diese Themen zu beschränken fänd ich gradezu beleidigend, denn gleichgeschlechtliche Liebe und Diversität in Büchern sollten etwas selbstverständliches sein und nichts, was ein Buch zu etwas Besonderem macht. In manchen Roman wirkt die Liebe zwischen zwei Frauen oder zwei Männern fast schon gezwungen und verpflichtend eingebunden um der aktuellen Zeit gerecht zu werden doch Melissa Bashardoust hat es geschafft dem Ganzen eine absolute Natürlichkeit zu verleihen. Also so, wie es sein muss. Jedes Puzzleteil (starke Protagonistin, gleichgeschlechtliche Liebe, Märchen, persische Mythen und und und) fügt sich perfekt in seinen vorherbestimmten Platz und bildet ein fantastisches großes Ganzes.
SPOILER ENDE
Zusammen genommen haben wir also eine unperfekte, starke weibliche Hauptfigur, eine wunderschöne aber dennoch nicht zentral gelagerte Liebesgeschichte und eine spannende und überraschende Geschichte. Für mich ist dieses Märchen bzw diese Märchenadaption eine der schönsten, die ich dieses Jahr gelesen habe. Die Geschichte war spannend und fesselnd, die Charaktere vielschichtig und der Schreibstil fantastisch.
Ich kann "Die Gefangene von Golvahar" nur empfehlen und hoffe dass wir bald noch viel mehr von Melissa Bashardoust auf dem deutschen Buchmarkt haben werden.
Von mir gibts volle 5 Sterne und eine klare Leseempfehlung!