Ein Stück stiller Literatur
„Vielleicht ist unser Dasein ja nichts weiter als eine geöffnete und dann wieder geschlossene Klammer mit einem bisschen unergründlichem Raum dazwischen?“
Carlo Weiss ist Landschaftsgärtner. Mit seinem ...
„Vielleicht ist unser Dasein ja nichts weiter als eine geöffnete und dann wieder geschlossene Klammer mit einem bisschen unergründlichem Raum dazwischen?“
Carlo Weiss ist Landschaftsgärtner. Mit seinem Hilfsgärtner Agon, der aus dem Kosovo geflohen ist, bebaut und pflegt er die Gärten der betuchten Schweizer Gesellschaft. Seine Frau hat sich von ihm getrennt und seine Tochter lebt ihr eigenes Leben in London. Plötzlich verschwindet auch seine Mutter aus dem Seniorenheim, in dem sie untergebracht war. Und es ist nicht etwa er selbst, sondern Agon, der auf die Idee kommt, dass sie dahin gegangen ist, wo sie einst glücklich war.
In dem Roman „Das Leben ist ein wilder Garten“ begleiten wir die Figur Carlo Weiss ein Stück – es ist nur ein Bruchstück – auf seinem Lebensweg. Ganz lernen wir ihn nicht kennen, nur einen Teil von ihm, so wie auch im wahren Leben, wenn wir jemanden kennenlernen, dessen Vergangenheit und Zukunft wir nicht kennen. Wir begleiten ihn in einer kurzen Lebensphase von einigen Monaten. In einer Zeit, in der er sich intensiver mit dem Leben seiner Mutter auseinandersetzt und so einiges über ihr Leben in Erfahrung bringt, das sie vor seiner Geburt geführt hat – über eine erfüllende und für ihren weiteren Werdegang prägende Lebensphase. Und doch muss er am Ende feststellen: „Ich habe mir nie die Frage gestellt, ob Mama eigentlich ein glückliches Leben geführt hat.“
„Das Leben ist ein wilder Garten“ ist ein Roman über die fragilen Formen menschlicher Beziehungen. Roland Buti beleuchtet die Beschaffenheit dieser Beziehungen, was einzelne Individuen füreinander bedeuten und wie sie es stets versäumen, die wesentlichen Fragen zu stellen. Roland Buti webt zudem gekonnt die Erinnerungsstücke eines politischen Flüchtlings in der Person Agons in die Geschichte mit ein und thematisiert somit auch die Zwiespältigkeit der Schweizer Gesellschaft: Da sind auf der einen Seite die Schweizer Bürger, die stets wohlbehütet und abgeschirmt von jeglichem Kriegsgeschehen gelebt haben, und auf der anderen Seite diejenigen, die ihr Heimatland verlassen mussten und sich eine neue Existenz in der Schweiz aufzubauen versuchen. Klare Linien gibt es nicht, die muss jeder Leser für sich selbst ziehen. Der Autor schreibt in einem leisen, unaufgeregten Stil, in dem aber auch viel leiser Humor mitschwingt. Ein Roman, den man nicht in einem Rutsch runterliest, sondern den man stückweise auf sich wirken lässt. Ein Roman zum Verweilen und Sinnieren.