Einblicke in eine faszinierende Wissenschaft
Sprachprofiling – Grundlagen und Fallanalysen zur Forensischen LinguistikKönnen aus einem (anonymen) Text Eigenschaften seines Verfassers abgeleitet werden? Gibt es gar so etwas wie einen Individualstil, der einem Schreiber relativ unveränderlich anhaftet? Und wenn ja, welches ...
Können aus einem (anonymen) Text Eigenschaften seines Verfassers abgeleitet werden? Gibt es gar so etwas wie einen Individualstil, der einem Schreiber relativ unveränderlich anhaftet? Und wenn ja, welches ist die beste Vorgehensweise, um beispielsweise den Autor eines Drohbriefs aus einer Reihe von Verdächtigen herauszufiltern?
Derartige Fragen sind ebenso interessant wie umstritten. Nichtsdestotrotz konnte das darauf aufbauende Sprachprofiling bereits beeindruckende Erfolge erzielen, sieht sich aber auch immer wieder Kritik ausgesetzt.
Raimund Drommel gibt hier Einblicke in dieses Fachgebiet. Am Anfang, auf den ersten ca 120 Seiten, widmet er sich jedoch zunächst der Vergangenheit, lässt ältere Kontroversen wiederaufleben, indem er teilweise über 30 Jahre alte Artikel nachdruckt, die oftmals inhaltlich nicht sonderlich fundiert, dafür umso polemischer sind und öfters auch ein etwas übersteigertes Selbstbewusstsein des Autors erahnen lassen.
Letzteres scheint auch im Rest des Buches regelmäßig durch, Drommel wirkt sehr überzeugt davon, zumindest im deutschsprachigen Raum der einzige ernstzunehmende Experte auf seinem Gebiet zu sein, und kann sich gelegentliche Seitenhebe auf „Kollegen“ nicht verkneifen. (Vor allem gegenüber Mathematikern dürfte er eine gewisse Abneigung hegen.)
Dennoch ist sein Beharren auf Professionalität und Unparteilichkeit sowie auf der Einhaltung gewisser Standards sicher sinnvoll und wichtig, weswegen ich auch über etwas unsachliche Aussagen leichter hinwegsehen kann.
Von einigen Schwächen abgesehen sind seine Ausführungen dann auch hochinteressant und decken ein breites Spektrum spannender Themen ab. Nach einer eher theoretischen Einführung in Herangehensweisen und Methoden von Sprachprofilern sorgen zahlreiche praktische Anwendungsbeispiele für Anschaulichkeit und zeigen gleichzeitig, wie vielfältig der Aufgabenbereich sein kann – von „simplen“ Nachbarschaftsstreitigkeiten bis zu Fällen von Schwerkriminalität.
Es ist faszinierend, was aus scheinbar nebensächlichen Wörtern oder kleinen Unterschieden in der Schreibweise so alles abgeleitet werden kann.
Alles in allem ist dieses Buch also sehr informativ und regt auch zum Nachdenken an. Eine gewisse Bereitschaft, sich mit ein paar linguistischen Fachbegriffen auseinander zu setzen, ist zwar schon nötig, großteils ist es aber allgemein verständlich geschrieben.
Ich kann es allen empfehlen, die sich für Sprache, Psychologie und/oder Kriminalistik begeistern.