Beklemmende Verdachtsmomente
Wenn das Licht gefriertSeptember 1997: Anna wird ermordet aufgefunden, vom Täter findet sich allerdings keine Spur. Mehr als zwanzig Jahre später berichtet die Fernsehsendung „Mörder im Visier“ von der ungeklärten Tat und Friedrich, ...
September 1997: Anna wird ermordet aufgefunden, vom Täter findet sich allerdings keine Spur. Mehr als zwanzig Jahre später berichtet die Fernsehsendung „Mörder im Visier“ von der ungeklärten Tat und Friedrich, Nachbar und Vater von Anna bester Freundin, wird unruhig und murmelt sonderbare Dinge vor sich hin. Da er an Alzheimer erkrankt ist, ist seine Ehefrau Elisabeth unsicher, ob er nur wirres Zeug plappert oder ob er tatsächlich mehr weiß, mehr als er wissen kann.
An einem unbestimmten Ort, in einer langsam aber sicher aussterbenden Kleinstadt siedelt Roman Klementovic seinen Thriller an, nur ein zeitlicher Rahmen begleitet das ungeklärte Verbrechen und die erfolglose Suche nach dem Täter. Spannend wird die Handlung im Jahre 1997 eingeleitet, um nach dem Prolog ins Jetzt zu wechseln, wobei hier ein raffinierter Schachzug anfangs ein wenig Verwirrung stiftet, bevor sich alles in ein zeitliches Schema einordnen lässt. Mit einer stimmungsvollen Atmosphäre im Herbst, düsterem Himmel und schweren Regenschauern untermalt der Autor Elisabeths Nachforschungen zum Verdacht, dass Friedrich vielleicht irgendwie in die Mordsache verstrickt sein könnte. Welches Motiv hätte er als Täter gehabt? Erinnerungen und Bilder regen sich in ihrem Gedächtnis.
Kurze, effektvolle Sätze im klassischen und flüssig zu lesenden Präteritum skizzieren das Bild zweier Familien, die auch nach 22 Jahren nicht mit Annas Tod abschließen können. Die Spannung, der innere Konflikt Elisabeths wird deutlich spürbar: einerseits hat sie sich viel Wissen angeeignet, um Friedrich fürsorglich in seiner Krankheit zu begleiten – ihre Liebe zu ihm ist auch heute noch, trotz so manchen Schicksalsschlages, ungebrochen –, andererseits besteht doch der berechtigte Verdacht, dass Friedrich ihr die ganze Zeit über etwas verheimlicht hat. Ohne viel Blutvergießen und Brutalität lebt dieser Thriller von psychologischen Effekten, Geheimnissen unter Verwandten und Bekannten, die plötzlich jeden Einzelnen bis hin zum mürrischen Polizisten verdächtig werden lassen. Indizien tauchen auf, die rasch verifiziert werden sollen, dabei wartet schon die nächste Wende, die alles Bisherige in neuem Licht erscheinen lässt. Geschickt lenkt Klementovic den Leser auf kleinste Details, verwischt Spuren, während schon die nächsten auftauchen und erschafft somit einen überaus spannenden Handlungsverlauf, dem man ohne Pause direkt bis zum Ende folgen muss.
Die Themen Alzheimer und ungeklärter Fall sind sehr eindrucksvoll miteinander verflochten und bescheren unterschwelligen Nervenkitzel von der ersten bis zur letzten Seite. An einer Leseempfehlung führt kein Weg vorbei.