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Veröffentlicht am 11.08.2020

Verliert nach grandiosem Anfang immer mehr an Glaubwürdigkeit, Tiefe und Sympathie1

V is for Virgin
0

Eine erklärte Jungfrau und ein Rockstar-Playboy? Wenn das nicht mal eine absolute Klischee-Kombination ist... Das dachte ich mir zumindest, bevor ich mit dem Lesen angefangen habe. Entgegen meiner Erwartungen ...

Eine erklärte Jungfrau und ein Rockstar-Playboy? Wenn das nicht mal eine absolute Klischee-Kombination ist... Das dachte ich mir zumindest, bevor ich mit dem Lesen angefangen habe. Entgegen meiner Erwartungen zieht Kelly Oram die Geschichte um Val und Kyle jedoch nicht als Good-Girl-Bad-Boy-Lovestory auf, sondern rückt Val, ihre Entwicklung und ihre Enthaltsamkeitskampagne, die bald Wellen in den Medien schlägt, in den Vordergrund. Grundsätzlich war ich von dem Fokus auf ein inhaltliches Thema und eine Message in einem New Adult Roman sehr positiv überrascht, da aber trotzdem viele Unstimmigkeiten auftraten, über die ich nicht hinwegsehen wollte, bleibt dennoch ein gemischter Eindruck zurück.


"Jemand musste für diese armen Mädchen einstehen, für alle, die sich nicht trauten, Sex abzulehnen. Die Angst davor hatten, dass man sich über sie lustig machte und nicht wollten, dass ihr Freund Schluss machte. Wenn ich diese Person sein musste, dann war es eben so."


Das Cover ist mit dem großen weißen "V" auf rosafarbenem Grund und umrahmt von bunten Farbwirbeln definitiv ein Hingucker. Tatsächlich gefällt mir hier aber die englische Originalversion besser, in der der Ausschnitt eines blonden Mädchens zu sehen ist, der von einer V-Kette geziert wird. Dass der Verlag den passenden Titel aus dem Englischen übernommen hat, ist natürlich ein großer Pluspunkt!


Erster Satz: "Ich wusste, dass es so kommen würde."


Das denkt Val, als sie von ihrem Freund abserviert wurde, nachdem sie ihm erklärt hat, dass sie noch Jungfrau ist und das auch noch bis zur Ehe bleiben will. Statt sich jedoch nach seinen verletzenden Verleumdungen heulend aufs Schulklo zu flüchten, geigt sie ihm vor der ganzen versammelten Schülerschaft die Meinung. Über einen filmenden Mitschüler gelangt ihr Statement so in die sozialen Medien, wo sie bald für Aufruhr sorgt und unter dem Namen "Virgin Val" bekannt wird. Bis zu diesem Zeitpunkt in der Handlung war ich schon komplett von dieser spritzigen, inspirierenden, kämpferischen Geschichte mitgerissen, die sich liest wie eine Teenie-Netflix-Produktion in Buchformat. Jungfräulichkeit, Keuschheit und Enthaltsamkeit - das sind (gerade in den USA) ja heiß umstrittene In-Themen, doch statt auf eine Ideologie-Welle aufzuspringen (wie ich insgeheim befürchtet hatte), wird hier kein moralischer Zeigefinger erhoben, sondern die Message lautet einfach nur, dass jeder für sich selbst entscheiden soll und sich nicht durch Druck von außen auf Dinge einlassen soll, wozu man noch nicht bereit ist. Zu sehen, wie Val sich rigoros für ihre Message und sich selbst einsetzt, macht wirklich Spaß und mithilfe von Kelly Orams lockerem Schreibstil und fetzigen Dialogen prescht die Story fröhlich voran.


"Ich erschauerte, aber es war nicht seine Berührung, die mein Innerstes zum Schmelzen brachte. Es war der Blick in seine Augen. Leidenschaft. Leidenschaft mir gegenüber. Leidenschaft für diesen Moment. Leidenschaft für seine Musik. Leidenschaft für das Leben. Die pure Leidenschaft. Es war, als würde Kyle Hamiltons gesamtes Wesen daraus bestehen, und er schickte diese Leidenschaft direkt in mein Herz. Es war überwältigend."


Doch dann kommt leider kommt ein Punkt in der Handlung, an dem die Autorin beginnt, plötzlich große Zeitsprünge von mehreren Monaten zu unternehmen. Statt Entwicklungen auszuerzählen, hetzen wir mit großen Schritten durch Interviews, Präsentationen ihrer neuen Schmuckkollektion, Vorträgen und sehen etwas hilflos zu, wie der Medienrummel um Val langsam entgleist und stark in Richtung "Unrealistisch" abdriftet. Ja klar, die Sozialen Medien können schnell eine Bühne für ein großes Publikum bieten, aber alles in allem war mir die "Berühmt-wie-eine-Kardashian-und-das-über-Nacht"-Entwicklung doch zu übertrieben. Paparazzi, Interviews, Hasskommentare, Fans, ... an vielen Stellen fand ich die Geschichte ein bisschen überzeichnet und das wirkt sich auch auf die Protagonistin und die Grundaussage des Buches aus. Denn wo ich sie zu Beginn noch als stark, beeindruckend und als geborenes Vorbild gesehen habe, da sie mutig für sich selbst einsteht, sehr überzeugend sein kann und schlagfertig vor niemandem den Kopf einzieht, empfand ich sie mit zunehmender Seitenzahl und Berühmtheit immer öfter als starrsinnig, intolerant und egoistisch. Sie hetzt von einem Termin zum nächsten, vernachlässigt ihre Freunde, ist schnell dabei andere, die einen anderen Weg gehen als sie selbst, als "Schlampen" abzustempeln und zeigt keinerlei Verständnis für andere Sichtweisen. Leider wird sie im Laufe der Geschichte immer mehr zu "Virgin Val", also ihrer knallharten Rolle, und man verliert als Leser bald das Gefühl für sie selbst als Person.


"Du hast mir gesagt, dass es gewisse Leute auf der Welt gibt, die einfach alles cool aussehen lassen können." (...)
"Aber Dinge cool aussehen zu lassen, ist eine Sache. Du bist die Art Mensch, die etwas wichtig machen kann."


Das wirkt sich auch auf die Message aus, die plötzlich nicht mehr ganz so offen wirkt und einen negativen Beigeschmack erhält. Statt eine wirkliche Diskussion einzugehen und verschiedene Meinungen zu beleuchten, bleibt es hier bei sehr einfachen Plattitüden, weshalb alles in allem doch wieder eine Ideologie verkauft wird. Zwar stimmt die Richtung und gegen die "Tu nur was du willst und lasse dir von anderen keinen Druck machen"-Message ist nichts einzuwenden, aber das ganze Schwarz-Weiß-Denken hier hat mich mit der Zeit schon ein bisschen genervt. An mehreren Stellen dachte ich mir "Ja gut Mädel, du bist 17 und noch Jungfrau, wen interessiert es?", dadurch dass ihre Jungfräulichkeit so aufgebauscht und übertrieben thematisiert wird, wirkt es fast schon wieder unnötig problematisiert, wobei die Autorin ja gerade vermitteln wollte, dass es gar kein Problem ist, noch kein Sex haben zu wollen. Alles in allem war mir der Fokus auf das Thema, Vals Hineinsteigern und der plötzliche Medienrummel also etwas "too much", wodurch die ganze Geschichte stark unrealistisch wirkt.


"Mutig?" Meinte er das etwa ernst?
"Als du in der Kantine vor der gesamten Schule auf den Tisch gestiegen bist?" Er lachte wieder. "Das war der Hammer."
"Das" widersprach ich ihm, während ich versuchte, nicht selbst zu lachen, "war vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit. Nach der Sache mit Zach bin ich echt bis knapp an den Abgrund gedrängt worden."
"Aber du bist nicht gesprungen. Du hast dich durch die Menge zu neuen Höhen gekämpft. Du hast die Leute dazu gezwungen, es aus deiner Sicht zu sehen - dich zu respektieren. Du hast praktisch eine Revolution begonnen."


Ein weiterer negativer Nebeneffekt, der sich durch die Zeitsprünge und den starken Fokus auf Vals Jungfräulichkeits-Kampagne ergibt, ist dass Nebenhandlungsstränge und Nebenfiguren sehr blass bleiben, wenn nicht sogar völlig untergehen. Der Hauptfokus der Geschichte liegt klar auf dem ganzen Trubel und den plötzlichen Veränderungen in Vals Leben, also ihre plötzliche Beliebtheit und Zugehörigkeit zu "A-List" in der Schule, neue Freunde, eine neue Verantwortung etc., und das ist zwar auch alles durchaus interessant, doch leider geht das, was im Klapptext als Herzstück der Geschichte verkauft wurde, nämlich die Liebesgeschichte, dadurch unter. Mit "untergehen" meine ich hier genauer gesagt: Die Liebesgeschichte ist eigentlich nicht vorhanden und besteht aus einigen kurzen Begegnungen, bei denen zwar ein bisschen oberflächlich Funken sprühen, aber keinerlei tiefe Gefühle aufkommen.


"Es sind Leute wie du, die V is for Virgin und die Abstinenz-Challenge erst notwendig machen. Weißt du, was eine echte Schande ist, Kyle? Irgendwo tief in dir steckt dieser unglaubliche Kerl, aber er ist so besessen von Sex, dass er überhaupt nicht verstehen kann, was echte Intimität ist."


Leider zeichnet sich hier auch keine wirkliche Entwicklung ab, da Kyle nur ab und an einen für Wirbel sorgenden Medienauftritt hat, die beiden sich aber nie wirklich kennenlernen und wir deshalb von Kyle auch nur ein sehr eingeschränktes, unsympathisches Bild haben. Und nicht nur das: Der Zusatz mit Kyle, dem sexy Rockstar, der Val unbedingt ins Bett bekommen will, wirkt hier mit zunehmender Seitenzahl wie eigentlich sein ganzer Charakter fast wie eine Parodie und wäre nicht unbedingt notwendig gewesen, da er die Geschichte nicht voranbringt. Nicht nur dass er sehr blass bleibt, nur alle 50 Seiten mal kurz auftaucht und man seine Beweggründe abseits von "Männlichem Jagdtrieb" nicht wirklich verstehen kann - leider wird auch sein aufdringliches und teilweise übergriffiges Verhalten stark verharmlost und romantisiert. Ab und an musste ich über seine machohaften und überaus plumpen Annäherungsversuche lachen, allgemein ist aber schon schade, dass er durch sein unsanktioniertes "Egal ob du mich nicht willst, ich dränge mich dir trotzdem immer wieder auf"-Verhalten die Glaubwürdigkeit der Message weiterhin sabotiert. Ich weiß, zu seinem Charakter und auch zu der Entwicklung von Val gibt es ganz unterschiedliche Meinungen, die sich auch in der weiteren Range an Bewertungen abzeichnen. Alles in allem habe ich den Eindruck, dass ob einem das Buch gefällt oder nicht, stark davon abhängt, ob man sich mit Val identifiziert und wie sehr einem Kyle mit seinem Verhalten auf die Nerven geht.


"Was ich in Kyle Hamilton inspiriert hatte, war offenbar eine Persönlichkeitsstörung."


Auch andere Figuren rund um Val bleiben leider ziemlich blass und es ist zum Beispiel seltsam, dass
kaum erwachsene Autoritätspersonen auftreten, die Stellung zu Vals Kampagne und ihrer Berühmtheit nehmen. Wie um meinen immer weiter enttäuschten Erwartungen den Todesstoß zu setzen, legt Kelly Oram kurz vor dem Ende noch mal ordentlich einen Zahn zu. Val ist plötzlich eine Ewigkeit mit Isaac zusammen, der plötzlich langweilig geworden ist, sie gewöhnt sich an ihre Berühmtheit, Kyle ist der Retter in der Not, in den sie unsterblich verliebt ist (wann ist das denn passiert?), sie entfremdet von Cara und, ...?
Und dann...?
Ja und dann... ist das Buch mitten im Chaos einfach vorbei und die Autorin wagt einen Zeitsprung von 4 Jahren, um uns im Prolog eine gescheiterte Verlobung, den Tod eines Bandmitglieds und ihr Wiedersehen mit Kyle vor die Nase zu setzen. Puh, ich hoffe, das wird im nächsten Teil noch genauer ausgeführt.



Fazit:


Insgesamt hat "V is for Virgin" gut angefangen, dann aber durch starke Überzeichungen, Zeitsprünge und zu gewollter Charakterentwicklung immer mehr an Glaubwürdigkeit, Tiefe und Sympathie verloren, bis man nach einem sehr unbefriedigenden Ende gar nicht mehr weiß, was man von der Geschichte halten soll.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.08.2020

Verliert nach grandiosem Anfang immer mehr an Glaubwürdigkeit, Tiefe und Sympathie1

V is for Virgin
0

Eine erklärte Jungfrau und ein Rockstar-Playboy? Wenn das nicht mal eine absolute Klischee-Kombination ist... Das dachte ich mir zumindest, bevor ich mit dem Lesen angefangen habe. Entgegen meiner Erwartungen ...

Eine erklärte Jungfrau und ein Rockstar-Playboy? Wenn das nicht mal eine absolute Klischee-Kombination ist... Das dachte ich mir zumindest, bevor ich mit dem Lesen angefangen habe. Entgegen meiner Erwartungen zieht Kelly Oram die Geschichte um Val und Kyle jedoch nicht als Good-Girl-Bad-Boy-Lovestory auf, sondern rückt Val, ihre Entwicklung und ihre Enthaltsamkeitskampagne, die bald Wellen in den Medien schlägt, in den Vordergrund. Grundsätzlich war ich von dem Fokus auf ein inhaltliches Thema und eine Message in einem New Adult Roman sehr positiv überrascht, da aber trotzdem viele Unstimmigkeiten auftraten, über die ich nicht hinwegsehen wollte, bleibt dennoch ein gemischter Eindruck zurück.


"Jemand musste für diese armen Mädchen einstehen, für alle, die sich nicht trauten, Sex abzulehnen. Die Angst davor hatten, dass man sich über sie lustig machte und nicht wollten, dass ihr Freund Schluss machte. Wenn ich diese Person sein musste, dann war es eben so."


Das Cover ist mit dem großen weißen "V" auf rosafarbenem Grund und umrahmt von bunten Farbwirbeln definitiv ein Hingucker. Tatsächlich gefällt mir hier aber die englische Originalversion besser, in der der Ausschnitt eines blonden Mädchens zu sehen ist, der von einer V-Kette geziert wird. Dass der Verlag den passenden Titel aus dem Englischen übernommen hat, ist natürlich ein großer Pluspunkt!


Erster Satz: "Ich wusste, dass es so kommen würde."


Das denkt Val, als sie von ihrem Freund abserviert wurde, nachdem sie ihm erklärt hat, dass sie noch Jungfrau ist und das auch noch bis zur Ehe bleiben will. Statt sich jedoch nach seinen verletzenden Verleumdungen heulend aufs Schulklo zu flüchten, geigt sie ihm vor der ganzen versammelten Schülerschaft die Meinung. Über einen filmenden Mitschüler gelangt ihr Statement so in die sozialen Medien, wo sie bald für Aufruhr sorgt und unter dem Namen "Virgin Val" bekannt wird. Bis zu diesem Zeitpunkt in der Handlung war ich schon komplett von dieser spritzigen, inspirierenden, kämpferischen Geschichte mitgerissen, die sich liest wie eine Teenie-Netflix-Produktion in Buchformat. Jungfräulichkeit, Keuschheit und Enthaltsamkeit - das sind (gerade in den USA) ja heiß umstrittene In-Themen, doch statt auf eine Ideologie-Welle aufzuspringen (wie ich insgeheim befürchtet hatte), wird hier kein moralischer Zeigefinger erhoben, sondern die Message lautet einfach nur, dass jeder für sich selbst entscheiden soll und sich nicht durch Druck von außen auf Dinge einlassen soll, wozu man noch nicht bereit ist. Zu sehen, wie Val sich rigoros für ihre Message und sich selbst einsetzt, macht wirklich Spaß und mithilfe von Kelly Orams lockerem Schreibstil und fetzigen Dialogen prescht die Story fröhlich voran.


"Ich erschauerte, aber es war nicht seine Berührung, die mein Innerstes zum Schmelzen brachte. Es war der Blick in seine Augen. Leidenschaft. Leidenschaft mir gegenüber. Leidenschaft für diesen Moment. Leidenschaft für seine Musik. Leidenschaft für das Leben. Die pure Leidenschaft. Es war, als würde Kyle Hamiltons gesamtes Wesen daraus bestehen, und er schickte diese Leidenschaft direkt in mein Herz. Es war überwältigend."


Doch dann kommt leider kommt ein Punkt in der Handlung, an dem die Autorin beginnt, plötzlich große Zeitsprünge von mehreren Monaten zu unternehmen. Statt Entwicklungen auszuerzählen, hetzen wir mit großen Schritten durch Interviews, Präsentationen ihrer neuen Schmuckkollektion, Vorträgen und sehen etwas hilflos zu, wie der Medienrummel um Val langsam entgleist und stark in Richtung "Unrealistisch" abdriftet. Ja klar, die Sozialen Medien können schnell eine Bühne für ein großes Publikum bieten, aber alles in allem war mir die "Berühmt-wie-eine-Kardashian-und-das-über-Nacht"-Entwicklung doch zu übertrieben. Paparazzi, Interviews, Hasskommentare, Fans, ... an vielen Stellen fand ich die Geschichte ein bisschen überzeichnet und das wirkt sich auch auf die Protagonistin und die Grundaussage des Buches aus. Denn wo ich sie zu Beginn noch als stark, beeindruckend und als geborenes Vorbild gesehen habe, da sie mutig für sich selbst einsteht, sehr überzeugend sein kann und schlagfertig vor niemandem den Kopf einzieht, empfand ich sie mit zunehmender Seitenzahl und Berühmtheit immer öfter als starrsinnig, intolerant und egoistisch. Sie hetzt von einem Termin zum nächsten, vernachlässigt ihre Freunde, ist schnell dabei andere, die einen anderen Weg gehen als sie selbst, als "Schlampen" abzustempeln und zeigt keinerlei Verständnis für andere Sichtweisen. Leider wird sie im Laufe der Geschichte immer mehr zu "Virgin Val", also ihrer knallharten Rolle, und man verliert als Leser bald das Gefühl für sie selbst als Person.


"Du hast mir gesagt, dass es gewisse Leute auf der Welt gibt, die einfach alles cool aussehen lassen können." (...)
"Aber Dinge cool aussehen zu lassen, ist eine Sache. Du bist die Art Mensch, die etwas wichtig machen kann."


Das wirkt sich auch auf die Message aus, die plötzlich nicht mehr ganz so offen wirkt und einen negativen Beigeschmack erhält. Statt eine wirkliche Diskussion einzugehen und verschiedene Meinungen zu beleuchten, bleibt es hier bei sehr einfachen Plattitüden, weshalb alles in allem doch wieder eine Ideologie verkauft wird. Zwar stimmt die Richtung und gegen die "Tu nur was du willst und lasse dir von anderen keinen Druck machen"-Message ist nichts einzuwenden, aber das ganze Schwarz-Weiß-Denken hier hat mich mit der Zeit schon ein bisschen genervt. An mehreren Stellen dachte ich mir "Ja gut Mädel, du bist 17 und noch Jungfrau, wen interessiert es?", dadurch dass ihre Jungfräulichkeit so aufgebauscht und übertrieben thematisiert wird, wirkt es fast schon wieder unnötig problematisiert, wobei die Autorin ja gerade vermitteln wollte, dass es gar kein Problem ist, noch kein Sex haben zu wollen. Alles in allem war mir der Fokus auf das Thema, Vals Hineinsteigern und der plötzliche Medienrummel also etwas "too much", wodurch die ganze Geschichte stark unrealistisch wirkt.


"Mutig?" Meinte er das etwa ernst?
"Als du in der Kantine vor der gesamten Schule auf den Tisch gestiegen bist?" Er lachte wieder. "Das war der Hammer."
"Das" widersprach ich ihm, während ich versuchte, nicht selbst zu lachen, "war vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit. Nach der Sache mit Zach bin ich echt bis knapp an den Abgrund gedrängt worden."
"Aber du bist nicht gesprungen. Du hast dich durch die Menge zu neuen Höhen gekämpft. Du hast die Leute dazu gezwungen, es aus deiner Sicht zu sehen - dich zu respektieren. Du hast praktisch eine Revolution begonnen."


Ein weiterer negativer Nebeneffekt, der sich durch die Zeitsprünge und den starken Fokus auf Vals Jungfräulichkeits-Kampagne ergibt, ist dass Nebenhandlungsstränge und Nebenfiguren sehr blass bleiben, wenn nicht sogar völlig untergehen. Der Hauptfokus der Geschichte liegt klar auf dem ganzen Trubel und den plötzlichen Veränderungen in Vals Leben, also ihre plötzliche Beliebtheit und Zugehörigkeit zu "A-List" in der Schule, neue Freunde, eine neue Verantwortung etc., und das ist zwar auch alles durchaus interessant, doch leider geht das, was im Klapptext als Herzstück der Geschichte verkauft wurde, nämlich die Liebesgeschichte, dadurch unter. Mit "untergehen" meine ich hier genauer gesagt: Die Liebesgeschichte ist eigentlich nicht vorhanden und besteht aus einigen kurzen Begegnungen, bei denen zwar ein bisschen oberflächlich Funken sprühen, aber keinerlei tiefe Gefühle aufkommen.


"Es sind Leute wie du, die V is for Virgin und die Abstinenz-Challenge erst notwendig machen. Weißt du, was eine echte Schande ist, Kyle? Irgendwo tief in dir steckt dieser unglaubliche Kerl, aber er ist so besessen von Sex, dass er überhaupt nicht verstehen kann, was echte Intimität ist."


Leider zeichnet sich hier auch keine wirkliche Entwicklung ab, da Kyle nur ab und an einen für Wirbel sorgenden Medienauftritt hat, die beiden sich aber nie wirklich kennenlernen und wir deshalb von Kyle auch nur ein sehr eingeschränktes, unsympathisches Bild haben. Und nicht nur das: Der Zusatz mit Kyle, dem sexy Rockstar, der Val unbedingt ins Bett bekommen will, wirkt hier mit zunehmender Seitenzahl wie eigentlich sein ganzer Charakter fast wie eine Parodie und wäre nicht unbedingt notwendig gewesen, da er die Geschichte nicht voranbringt. Nicht nur dass er sehr blass bleibt, nur alle 50 Seiten mal kurz auftaucht und man seine Beweggründe abseits von "Männlichem Jagdtrieb" nicht wirklich verstehen kann - leider wird auch sein aufdringliches und teilweise übergriffiges Verhalten stark verharmlost und romantisiert. Ab und an musste ich über seine machohaften und überaus plumpen Annäherungsversuche lachen, allgemein ist aber schon schade, dass er durch sein unsanktioniertes "Egal ob du mich nicht willst, ich dränge mich dir trotzdem immer wieder auf"-Verhalten die Glaubwürdigkeit der Message weiterhin sabotiert. Ich weiß, zu seinem Charakter und auch zu der Entwicklung von Val gibt es ganz unterschiedliche Meinungen, die sich auch in der weiteren Range an Bewertungen abzeichnen. Alles in allem habe ich den Eindruck, dass ob einem das Buch gefällt oder nicht, stark davon abhängt, ob man sich mit Val identifiziert und wie sehr einem Kyle mit seinem Verhalten auf die Nerven geht.


"Was ich in Kyle Hamilton inspiriert hatte, war offenbar eine Persönlichkeitsstörung."


Auch andere Figuren rund um Val bleiben leider ziemlich blass und es ist zum Beispiel seltsam, dass
kaum erwachsene Autoritätspersonen auftreten, die Stellung zu Vals Kampagne und ihrer Berühmtheit nehmen. Wie um meinen immer weiter enttäuschten Erwartungen den Todesstoß zu setzen, legt Kelly Oram kurz vor dem Ende noch mal ordentlich einen Zahn zu. Val ist plötzlich eine Ewigkeit mit Isaac zusammen, der plötzlich langweilig geworden ist, sie gewöhnt sich an ihre Berühmtheit, Kyle ist der Retter in der Not, in den sie unsterblich verliebt ist (wann ist das denn passiert?), sie entfremdet von Cara und, ...?
Und dann...?
Ja und dann... ist das Buch mitten im Chaos einfach vorbei und die Autorin wagt einen Zeitsprung von 4 Jahren, um uns im Prolog eine gescheiterte Verlobung, den Tod eines Bandmitglieds und ihr Wiedersehen mit Kyle vor die Nase zu setzen. Puh, ich hoffe, das wird im nächsten Teil noch genauer ausgeführt.



Fazit:


Insgesamt hat "V is for Virgin" gut angefangen, dann aber durch starke Überzeichungen, Zeitsprünge und zu gewollter Charakterentwicklung immer mehr an Glaubwürdigkeit, Tiefe und Sympathie verloren, bis man nach einem sehr unbefriedigenden Ende gar nicht mehr weiß, was man von der Geschichte halten soll.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.05.2020

Im Sci-Fi-Genre bin ich Besseres gewohnt!

Coldworth City
0

Da ich mittlerweile schon eine Menge von Mona Kastens New Adult Romane (z.B. ihre Again-Reihe oder die Maxton-Hall-Reihe) mit viel Freude gelesen habe, wollte ich ihrem Ausflug ins Science-Fiction-Genre ...

Da ich mittlerweile schon eine Menge von Mona Kastens New Adult Romane (z.B. ihre Again-Reihe oder die Maxton-Hall-Reihe) mit viel Freude gelesen habe, wollte ich ihrem Ausflug ins Science-Fiction-Genre auch mal eine Chance geben. Das dünne Büchlein lag eine Weile auf meinem SuB, hat es jetzt aber doch geschafft, von mir gelesen zu werden. Leider war mir die Geschichte mir ihren knappen 300 Seiten einfach zu dünn, sodass die Protagonisten, das Setting, die Handlung, die Liebesgeschichte und alle anderen Teile der Story zu oberflächlich blieben und Mona Kasten das Potential ihrer Geschichte nicht ausnutzen konnte.


"Raven hatte immer gedacht, dass sie mit ihrer Gabe wenigstens nachts für Gerechtigkeit sorgen konnte. Aber sie hatte sich versteckt - immer war sie auf der Flucht gewesen, ganze drei Jahre lang. Das, was sie eben erfahren hatte, tat weh, aber gleichzeitig gab es ihr einen neuen Sinn und Zweck.
Die Zeit des Versteckens war vorüber."


Das Cover ist mit der Nahaufnahme eines Mädchengesichts, der angedeuteten Skyline, dem blauen Aquarell-Verlauf, den aufflatternden Raben und dem großen Titel auf jeden Fall ein Hingucker. Auch wenn ich Gesichter auf Cover nicht wirklich leiden kann, da sie nur in den seltensten Fällen mit meiner Vorstellung der Protagonisten übereinstimmen, passt die Gestaltung gut zu Geschichte und macht Lust, zum Buch zu greifen. Innerhalb der Geschichte ist die Gestaltung sehr schlicht und die 320 Seiten werden in 23 kurze Kapitel eingeteilt.


"Ich brauche keine Waffen, Wade. Ich bin eine."


Die Geschichte beginnt mit einer Nacht-und-Nebel-Aktion, bei der die junge Raven Batman-ähnlich mal wieder eine Straftat verhindert, von der sie zufällig bei ihrem Job in einer verruchten Kneipe erfahren hat. Auch wenn sie zusammen mit ihrem kleinen Bruder Knox untergetaucht ist, kann sie ihre nächtlichen Ausflüge nicht lassen, denn neben ihrem schlechten Gewissen helfen die Aktionen auch zum Dampfablassen und als Ventil für ihre mächtige Gabe. Als Psi hat sie nämlich anders als andere Mutanten mehrere Gaben, was sie interessant für die skrupellose Forschungsorganisation AID, aber auch für eine tickende Zeitbombe für sich und andere macht. Als sie eines Nachts auf den geheimnisvollen Wade trifft, bietet sich eine Chance: sie kann endlich lernen, ihre Gabe zu beherrschen, dauerhaften Unterschlupf finden und ihre Flucht beenden und stattdessen zusammen mit dem Untergrund AID bekämpfen. Doch auf einer gemeinsamen Mission stoßen sie auf ein großes Geheimnis, dass die ganze Welt in Gefahr bringt...


"Du bist anders, als ich erwartet habe, Raven Carrigan", sagte er leise.
Sie lächelte schwach. "Gleichfalls, Wade Baxter."


Mutanten mit Superhelden-Fähigkeiten, eine Untergrund-Rebellion, geheime Forschungslabore und ein gefährliche aber schillernde Stadt - all das ist nicht gerade neuer Stoff und Fans des Genres werden an jeder Ecke und Ende Parallelen zu anderen Romanen oder Comics finden (z.B. die X-Men oder DCs Gotham-Universum). Wer also auf der Suche nach neuen, originellen Ideen und unbekannten Konzepten ist, kann sich gleich verabschieden. Wer jedoch auf der Suche nach einem leichten, kurzen Ausflug in die Welt von Superhelden ist, kann mit "Coldworth City" trotzdem Spaß haben. Erwartet man aber mehr als eine lockere Unterhaltung für Zwischendurch wird man aber enttäuscht werden. Die Handlung hier ist eher eindimensional, alles geht sehr glatt und statt in die Tiefe zu gehen und ihre dargestellte Welt zu erklären, präsentiert uns Mona Kasten eine sehr handlungsorientierte Action-Geschichte, die mit einer leisen, im Hintergrund bleibenden Liebesgeschichte gewürzt ist.


"Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Sie ließ sich vom Zorn erfüllen, immer weiter, bis ihr Blut anfing zu kochen. Tief in ihrem Inneren schlummerte das Monster. Und in diesem Moment weckte sie es."



Neben den schon bekannten Ideen und der fehlenden Originalität gibt es noch ein weiteres, großes Problem: die Geschichte ist einfach viel zu kurz. In den 300 Seiten kann die angezeichnete Geschichte nicht ausreichend erzählt und das Potential somit nicht ausgeschöpft werden. Das in groben Zügen an Gotham erinnernde Setting von Coldworth City, das Konzept mit der geheimnisvollen Kraft des Psi, das problembehaftete Zusammenleben von Menschen und Mutanten, die Pläne und Motive von AID, Ravens Vergangenheit, die Struktur des Untergrunds - all das und noch vieles mehr wurde nur grob angedeutet, blieb blass und erschloss sich mir nicht komplett. Vor allem auch das Ende ist total überhastet, Vieles löst sich ohne große Komplikationen auf wenigen Seiten auf und wichtige Fragen bleiben unbeantwortet. Das ist umso ärgerlicher, da die Handlung ja durchaus spannend erzählt und die Charaktere sehr liebeswert waren. Auch an Mona Kastens Schreibstil ist nichts auszusetzen. Sie schreibt gewohnt locker, mitreißend und mit der richtigen Mischung aus Pathos und nüchternen Beschreibungen, um den Leser bei Stange zu halten.




Fazit:


Fehlende Originalität, viele bekannte Ideen, oberflächliches Setting, eindimensionale Handlung, flache Charaktere und ein überhastetes Ende - im Sci-Fi-Genre bin ich wirklich Besseres gewohnt! Wer jedoch auf der Suche nach einem leichten, kurzen Ausflug in die Welt der Superhelden ist, kann mit "Coldworth City" trotzdem Spaß haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.05.2020

Im Sci-Fi-Genre bin ich Besseres gewohnt!

Coldworth City
0

Da ich mittlerweile schon eine Menge von Mona Kastens New Adult Romane (z.B. ihre Again-Reihe oder die Maxton-Hall-Reihe) mit viel Freude gelesen habe, wollte ich ihrem Ausflug ins Science-Fiction-Genre ...

Da ich mittlerweile schon eine Menge von Mona Kastens New Adult Romane (z.B. ihre Again-Reihe oder die Maxton-Hall-Reihe) mit viel Freude gelesen habe, wollte ich ihrem Ausflug ins Science-Fiction-Genre auch mal eine Chance geben. Das dünne Büchlein lag eine Weile auf meinem SuB, hat es jetzt aber doch geschafft, von mir gelesen zu werden. Leider war mir die Geschichte mir ihren knappen 300 Seiten einfach zu dünn, sodass die Protagonisten, das Setting, die Handlung, die Liebesgeschichte und alle anderen Teile der Story zu oberflächlich blieben und Mona Kasten das Potential ihrer Geschichte nicht ausnutzen konnte.


"Raven hatte immer gedacht, dass sie mit ihrer Gabe wenigstens nachts für Gerechtigkeit sorgen konnte. Aber sie hatte sich versteckt - immer war sie auf der Flucht gewesen, ganze drei Jahre lang. Das, was sie eben erfahren hatte, tat weh, aber gleichzeitig gab es ihr einen neuen Sinn und Zweck.
Die Zeit des Versteckens war vorüber."


Das Cover ist mit der Nahaufnahme eines Mädchengesichts, der angedeuteten Skyline, dem blauen Aquarell-Verlauf, den aufflatternden Raben und dem großen Titel auf jeden Fall ein Hingucker. Auch wenn ich Gesichter auf Cover nicht wirklich leiden kann, da sie nur in den seltensten Fällen mit meiner Vorstellung der Protagonisten übereinstimmen, passt die Gestaltung gut zu Geschichte und macht Lust, zum Buch zu greifen. Innerhalb der Geschichte ist die Gestaltung sehr schlicht und die 320 Seiten werden in 23 kurze Kapitel eingeteilt.


"Ich brauche keine Waffen, Wade. Ich bin eine."


Die Geschichte beginnt mit einer Nacht-und-Nebel-Aktion, bei der die junge Raven Batman-ähnlich mal wieder eine Straftat verhindert, von der sie zufällig bei ihrem Job in einer verruchten Kneipe erfahren hat. Auch wenn sie zusammen mit ihrem kleinen Bruder Knox untergetaucht ist, kann sie ihre nächtlichen Ausflüge nicht lassen, denn neben ihrem schlechten Gewissen helfen die Aktionen auch zum Dampfablassen und als Ventil für ihre mächtige Gabe. Als Psi hat sie nämlich anders als andere Mutanten mehrere Gaben, was sie interessant für die skrupellose Forschungsorganisation AID, aber auch für eine tickende Zeitbombe für sich und andere macht. Als sie eines Nachts auf den geheimnisvollen Wade trifft, bietet sich eine Chance: sie kann endlich lernen, ihre Gabe zu beherrschen, dauerhaften Unterschlupf finden und ihre Flucht beenden und stattdessen zusammen mit dem Untergrund AID bekämpfen. Doch auf einer gemeinsamen Mission stoßen sie auf ein großes Geheimnis, dass die ganze Welt in Gefahr bringt...


"Du bist anders, als ich erwartet habe, Raven Carrigan", sagte er leise.
Sie lächelte schwach. "Gleichfalls, Wade Baxter."


Mutanten mit Superhelden-Fähigkeiten, eine Untergrund-Rebellion, geheime Forschungslabore und ein gefährliche aber schillernde Stadt - all das ist nicht gerade neuer Stoff und Fans des Genres werden an jeder Ecke und Ende Parallelen zu anderen Romanen oder Comics finden (z.B. die X-Men oder DCs Gotham-Universum). Wer also auf der Suche nach neuen, originellen Ideen und unbekannten Konzepten ist, kann sich gleich verabschieden. Wer jedoch auf der Suche nach einem leichten, kurzen Ausflug in die Welt von Superhelden ist, kann mit "Coldworth City" trotzdem Spaß haben. Erwartet man aber mehr als eine lockere Unterhaltung für Zwischendurch wird man aber enttäuscht werden. Die Handlung hier ist eher eindimensional, alles geht sehr glatt und statt in die Tiefe zu gehen und ihre dargestellte Welt zu erklären, präsentiert uns Mona Kasten eine sehr handlungsorientierte Action-Geschichte, die mit einer leisen, im Hintergrund bleibenden Liebesgeschichte gewürzt ist.


"Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Sie ließ sich vom Zorn erfüllen, immer weiter, bis ihr Blut anfing zu kochen. Tief in ihrem Inneren schlummerte das Monster. Und in diesem Moment weckte sie es."



Neben den schon bekannten Ideen und der fehlenden Originalität gibt es noch ein weiteres, großes Problem: die Geschichte ist einfach viel zu kurz. In den 300 Seiten kann die angezeichnete Geschichte nicht ausreichend erzählt und das Potential somit nicht ausgeschöpft werden. Das in groben Zügen an Gotham erinnernde Setting von Coldworth City, das Konzept mit der geheimnisvollen Kraft des Psi, das problembehaftete Zusammenleben von Menschen und Mutanten, die Pläne und Motive von AID, Ravens Vergangenheit, die Struktur des Untergrunds - all das und noch vieles mehr wurde nur grob angedeutet, blieb blass und erschloss sich mir nicht komplett. Vor allem auch das Ende ist total überhastet, Vieles löst sich ohne große Komplikationen auf wenigen Seiten auf und wichtige Fragen bleiben unbeantwortet. Das ist umso ärgerlicher, da die Handlung ja durchaus spannend erzählt und die Charaktere sehr liebeswert waren. Auch an Mona Kastens Schreibstil ist nichts auszusetzen. Sie schreibt gewohnt locker, mitreißend und mit der richtigen Mischung aus Pathos und nüchternen Beschreibungen, um den Leser bei Stange zu halten.




Fazit:


Fehlende Originalität, viele bekannte Ideen, oberflächliches Setting, eindimensionale Handlung, flache Charaktere und ein überhastetes Ende - im Sci-Fi-Genre bin ich wirklich Besseres gewohnt! Wer jedoch auf der Suche nach einem leichten, kurzen Ausflug in die Welt der Superhelden ist, kann mit "Coldworth City" trotzdem Spaß haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.03.2020

Spannende Idee, viel Potential aber mangelhafte Umsetzung!

The Plus One - Sie baut sich Mr. Right einfach selbst
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In "The Plus One" hatte ich nach dem Lesen des Klapptexts hohe Erwartungen gesetzt (ja ich weiß, diese stellen sich nur in den wenigstens Fällen als hilfreich heraus, aber diese Idee klang einfach so vielversprechend), ...

In "The Plus One" hatte ich nach dem Lesen des Klapptexts hohe Erwartungen gesetzt (ja ich weiß, diese stellen sich nur in den wenigstens Fällen als hilfreich heraus, aber diese Idee klang einfach so vielversprechend), doch leider hielt die Umsetzung für mich bei Weitem nicht, was sie versprach. Wir erfahren weder viel über Robotik, noch erhalten wir eine besondere Liebesgeschichte, stattdessen lesen wir die zeitweise etwas frustrierende Entwicklungsgeschichte einer sozial schwierigen Protagonistin, die durch die problematische Beziehung zu einen Roboter lernt, loszulassen, spontan zu sein und mit anderen zusammenzuarbeiten.

Dass der Verlag das Motiv des Originalcovers übernommen hat, war eine ganz tolle Entscheidung. Die Zeichnung des blonden Mädchens, das einen Mann im Anzug umarmt, umgeben in sanften Pastellfarben umgeben von Werkzeugen, Schrauben und Zahnrädern ist einfach wunderschön und passt super zur Geschichte. Auch der Titel "The Plus One", was auf die weitere Person anspielt, die man häufig zu Events wie zum Beispiel Hochzeiten mitbringen darf, passt perfekt. Denn Kelly fehlt genau dieses Plus-Eins-Anhängsel im Leben - zumindest nach den Maßstäben ihrer Mutter, nach denen sie mit ihren 30 Jahren schon auf dem Besten Weg ist, eine uralte, einsame Katzenlady zu werden. Als sie aus einer spontanen Laune heraus einen perfekten Begleiter aus Teilen im Labor baut, scheint dieses Problem erstmal gelöst zu sein. Ihre Familie ist glücklich, ihre Kollegen sind beeindruckt und sogar Fremde auf der Straße beglückwünschen sie zu ihrem tollen Fang. Und schwups wird von Liebe gesprochen, Heirat steht im Raum, doch kann Kelly wirklich glücklich werden, wenn sie sich nicht sicher sein kann, dass das Objekt ihrer Begierde ein Mensch ist und tatsächliche Gefühle hat...?

Erster Satz: "Von den drei Personen auf der Bühne waren nur zwei echt."

Wir lernen unsere Protagonistin Kelly direkt in einer Situation kennen, in der sie sich alles andere als wohl fühlt: auf einer Bühne, im Rampenlicht, wenn auch nur vor gelangweilten Kindern. Anders als ihre spontane Freundin Priya tut sie sich in allem schwer, was andere Menschen beinhaltet und bekommt deshalb auch schon bald von einem mithelfenden Psychologen die Diagnose: sie ist ein Kontrollfreak mit unsozialen Tendenzen. Das Problem: das bekommen wir von Anfang zu spüren, was es nicht gerade leicht macht, sich mit ihr anzufreunden. Sie belügt sich selbst, zieht sich von anderen zurück, ist in sozialen Situationen schnell überfordert und neigt zu extremen Überreaktionen, wenn sie sich unsicher fühlt. Zwar hat man schnell Mitleid mit der jungen Frau, die ihren eigene Anforderungen und den antiquierten Vorstellungen ihrer Familie nicht gerecht werden kann, egal wie sehr sie sich anstrengt, dennoch haben mich ihre oftmals verzweifelten, sprunghaften Handlungen und ihre naiven oder verbohrten Gedanken ab und zu an ihrer uns immer wieder beteuerten Genialität zweifeln lassen.

Statt uns ihre Gefühle aus erster Hand nachspüren, uns zusammen mit der Protagonistin Fehler machen und wieder ausbügeln und schließlich zu eigenen Schlüssen kommen zu lassen, macht sich es die Autorin ziemlich leicht und platziert den Leser in einer besserwissenden Position. Auch unterstützt durch den allwissenden Erzähler und durch immer wieder eingeschobene selbstkritische Gedanken kann der Leser von Beginn an leicht über Kelly urteilen und es kann keine wirkliche Nähe entstehen. Ich will Sarah Archer keineswegs absprechen, dass sie hier eine beeindruckende Charakterstudie hingelegt und eine Protagonistin abseits von gewöhnlichen Klischees gezeichnet hat, leider konnte ich aber nie eine wirkliche Bindung zur Protagonistin aufbauen und gerade gegen Ende ihr extremes Hineinsteigern in die Situation nicht mehr nachvollziehen.

Die etwas sperrige, schwierige Protagonistin bleibt aber bei Weitem nicht das einzige Problem. Mein größter Kritikpunkt ist, dass die interessante und ungewöhnliche Idee in vielerlei Hinsicht nicht gut genug ausgearbeitet wurde und das große Potential der Geschichte durch kaum Handlung, keine echten Spannungsbögen und nur im Ansatz verfolgte Ideen verschwendet wird. Auch wenn sich die Geschichte grundsätzlich flüssig lesen lässt und Sarah Archer immer wieder durch Wortwitze oder absurde Stellen auflockert, konnte ich mich mit ihrem Erzählstil nicht wirklich anfreunden. Statt uns einfühlsam von einer zarten Liebesgeschichte zu erzählen, zieht sie das Erzähltempo erbarmungslos an und geht über alle (von mir als wichtig erachteten) Szenen so oberflächlich hinweg, dass manche Abschnitte teilweise wie ein grobes Skript wirken, das später nochmal mit Szenen ausgekleidet werden soll. Der Bau von Ethan, ihr Kennenlernen, ihr gemeinsames Zusammenleben, die aufkommenden Gefühle, ihr erster Kuss - schlicht alle Schlüsselszenen, die uns beide Protagonisten und die Handlung hätten näher bringen können, werden im Schnelldurchlauf, mit großen Zeitsprüngen und teilweise Nacherzählungen im Off abgehandelt, sodass sie ohne großes Aufsehen (und vor allem ohne Emotionen hervorzurufen) am Leser vorbei ziehen. Stattdessen vertieft sich die Autorin lieber in Kellys immergleiches und frustrierendes Gedankenkarussell aus Unsicherheit, Fantasien, Notlügen und Unzufriedenheit, weshalb trotz (oder eher wegen) des hohen Tempos im Mittelteil ein paar Längen auftraten.


Was mich ebenfalls enttäuscht hat, ist das das Thema der Robotik sehr stark im Hintergrund bleibt. Klar, ich hatte keine seitenlangen Ausführungen über Hydraulik und Algorithmen erwartet, da wir es ja schließlich mit keinem Science-Fiction-Roman zu tun haben, aber ein paar Informationen hätten dem Objekt "Ethan" schon gut getan. Sobald man als Autor eine Thematik so raumfüllend in die Handlung miteinbaut, erwarte ich zumindest etwas mehr Hintergrundinformationen und ein realistischer Umgang mit der Thematik. Dass Kelly einfach mal so an einem Wochenende einen Roboter baut, der fühlt, lernt, sich flüssig bewegt, isst, verdaut, schläft und ohne Probleme als Person durchgeht ist dabei schon ein bisschen weithergeholt, dafür dass zum Entstehungsprozess nur einmal das Wort 3D-Drucker fällt, ein paar Teile aus dem Lager geholt werden und sie am Rande von einer Software redet. Dabei hat mich noch nicht mal am meisten gestört, dass das stark am Rande der Authentizität herumkrebst (immerhin ist es Fiction und keine Science-Fiction), sondern dass die Tatsache, dass Ethan ein Roboter ist und somit der ganze Kern der Geschichte, der mir so spannend und neu erschienen war, eigentlich keine Rolle spielt. Es geht hier nämlich nicht um die Verliebt-in-einen-Roboter-Thematik sondern eigentlich nur um Ethans Wirkung auf Kelly, die sich in ihrer Unfähigkeit, einen richtigen Partner zu finden, einen zusammenfantasiert, was sie aber in nur noch mehr Probleme stürzt. Es hätte sich hier auch einfach um einen ausgedachten Freund oder einen Schauspieler handeln können und die Tatsache, dass das, was ich für den Kern der Geschichte gehalten hatte, derart auswechselbar ist, hat mich sehr enttäuscht.

Ich fasse nochmal kurz zusammen: die Protagonistin, so interessant wie sie war, ging mir manchmal auf die Nerven, die Erzählweise war mir zu distanziert, zu überhastet und zu oberflächlich, die Handlung weist keinen wirklichen Spannungsbogen auf und die Roboter-Thematik wurde stiefmütterlich vernachlässigt. Was bleibt dann noch? Die Liebesgeschichte - doch auch diese konnte mich nicht überzeugen. Wie schon gesagt, lässt uns die Autorin nicht wirklich am Leben der Beiden teilhaben, wodurch die prickelnde "Beziehung" zu Ethan aus dem Nichts erscheint. Stattdessen sehen wir zu, wie sich die eigentlich intelligente Protagonistin immer weiter in Lügen verstrickt und sich immer mehr verrennt. Dass Ethan eine reine Projektionsfigur für Kellys Wünsche und Sehnsüchte ist und bleibt und weil Kelly das von Beginn an klar ist und sie sich selbst und auch den Leser immer wieder an den Fakt erinnert, dass sie ihn gebaut hat, konnte ich ihn nie wirklich als Person annehmen. Und Liebe setzt für mich nun mal eine gewisse Gegenseitigkeit voraus, die es in dieser Geschichte aber zu keinem Zeitpunkt gibt. Da ist nur Kelly mit ihren Gefühlen, ihrer Unsicherheit, ihrem niedrigen Selbstwertgefühl, die im loyalen, liebevollen, aufmerksamen Ethan eine Bestätigung findet, die sie dringend nötig hatte. Dass sie sich langsam zu verlieben beginnt hat also aber weniger etwas mit Ethan zu tun, sondern mit ihrer Traumvorstellung des perfekten Mr. Right und der besseren Version ihrer selbst, die sie an seiner Seite sein wird.

Dass hier keine abwegige, riesige Romanze auf unmoralischer Basis aufgebaut wird, hat mir zum Einen gut gefallen, zum Anderen hätte ich aber eigentlich weniger düsterer Realismus und mehr eine romantische Liebe erwartet. Denn dadurch dass von Beginn an klar gestellt wird, wie ungesund und unecht diese Beziehung ist und wir Kellys verzweifelte Tat durch den distanzierten Stil als solche erkennen können, können wir uns nicht entspannt fallen lassen und auf uns zukommen lassen, was passiert, sondern sind in lauernder Habachtstellung voller Anspannung weil wir wissen, dass Kelly das alles irgendwann auf die Füße fallen wird. Meiner Meinung nach hätte sich die Autorin hier entscheiden müssen: entweder hätte sie die Beziehung der Beiden tatsächlich zu einer nachvollziehbaren Liebesgeschichte ausgestalten können, die wir mit viel Gefühlen verfolgen, oder sie hätte die plötzliche Romantisierung zur großen Liebe bleiben lassen und Kellys offensichtliche Probleme und ihre Gedanken zu Ethans Persönlichkeit kritisch aufgreifen sollen. Denn diese offene Fragestellung, ob Ethan nun eine Persönlichkeit hat, einen freien Willen, Liebe und andere Gefühle empfinden kann, wird nur am Ende in zwei Sätzen angeschnitten, viel dazu kommt aber nicht. Also entweder eine wirkliche Liebesgeschichte erzählen oder den Leser die Beziehung kritisch hinterfragen lassen - dieses halb-skeptische Zwischendrin in Kombination mit der Vermarktung als Liebesgeschichte führte nämlich bei mir (und nicht nur bei mir, wie ich einigen anderen Rezensionen entnehme) zu einiger Verwirrung und Enttäuschung.

Auch das Ende, das sich dann endlich ein wenig mehr profiliert und sich für einen Weg entscheidet, hatte seine Schwächen. Denn statt das Kartenhaus mit einem Knall in sich zusammenfallen zu lassen und Kelly dazu zu zwingen, sich wirklich mit sich selbst auseinander zu setzen, macht Sarah Archer es sich sehr leicht und löst Kellys Probleme beinahe alle auf einen Schlag. Genau wie beim Rest der Geschichte dürfen wir auch hier nicht auf mehr als oberflächliche Unterhaltung hoffen, auch wenn die Autorin ihren Fokus endlich ein wenig klarer setzt. Insgesamt will ich nochmal klarstellen, dass ich die Geschichte keineswegs grundlegend schlecht fand, sondern einfach nur absolut nicht das erhielt, was ich erwartet hatte. Die Roboter-Thematik und die Liebesgeschichte, also die beiden Aspekte der Geschichte, die mich vorrangig interessiert haben, sind nicht gut ausgearbeitet und spielen nur eine kleine Nebenrolle, da allgemein alles außerhalb von Kellys Ängsten und Hemmungen mit wenig Tiefe und Gefühl gestaltet wurde. Schade!


Fazit:


Spannende Idee, viel Potential aber mangelhafte Umsetzung! Wir erfahren weder viel über Robotik, noch erhalten wir eine besondere Liebesgeschichte, stattdessen lesen wir die zeitweise etwas frustrierende Entwicklungsgeschichte einer sozial schwierigen Protagonistin, die durch die problematische Beziehung zu einen Roboter lernt, loszulassen, spontan zu sein und mit anderen zusammenzuarbeiten. Für mich eher enttäuschend...

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