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Veröffentlicht am 08.10.2020

Zwischen Realität und Aberglaube …

Der Schimmelreiter
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Der Erzähler dieser Geschichte, ein Reisender, ist in Friesland auf dem Weg in die Stadt, als die Dämmerung hereinbricht und ein Unwetter aufzieht. Er sucht Schutz in einem Gasthaus und erwähnt dort, dass ...

Der Erzähler dieser Geschichte, ein Reisender, ist in Friesland auf dem Weg in die Stadt, als die Dämmerung hereinbricht und ein Unwetter aufzieht. Er sucht Schutz in einem Gasthaus und erwähnt dort, dass ihm oben auf dem Deich ein seltsamer Reiter auf einem weißen Pferd begegnet sei. Der anwesende alte Schulmeister warnt daraufhin, dass die Deiche wohl in Gefahr seien, denn bei dem Reiter müsste es sich um Hauke Haien, dem ehemaligen Deichgrafen handeln, dessen Geist immer bei drohender Gefahr erscheine. Er erzählt nun dem interessierten Fremden die alte überlieferte Sage vom Schimmelreiter

Der Husumer Schriftsteller und Dichter Theodor Storm (1817 – 1888) schrieb sein wohl bekanntestes Werk „Der Schimmelreiter“ nur wenige Monate vor seinem Tod. Bald wurde die Novelle zum Nationalepos der Nordfriesen und zu einem Klassiker der deutschen Schulliteratur. Noch heute zeugen die Namen zahlreicher Gaststätten und Pensionen vom „Schimmelreiter“ und der Hauke-Haien-Koog erhielt sogar den Namen der Hauptfigur. Die Geschichte basiert auf alten Volkssagen und zieht noch heute durch seine Dramatik und Mystik die Leser in seinen Bann. Die düstere Beschreibung der Küstenlandschaft, die dramatischen Kämpfe mit den Naturgewalten, die Art und Weise des Deichbaus und das damalige bäuerliche Leben sind so eindringlich geschildert, dass man es mit Fug und Recht als literarische Meisterleistung Storms bezeichnen kann. Die tragische Lebensgeschichte des Deichgrafen Hauke Haien, seine ehrlichen Bemühungen um modernen Deichbau und somit die Sicherheit der ländlichen Bevölkerung sowie sein letztendlich trauriges Scheitern machen bestürzt und nachdenklich.

Fazit: Ein Klassiker, den jeder zumindest einmal gelesen haben sollte – sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 30.09.2020

Ein amerikanischer Traum, tragisch und komisch

Die Königin der Orchard Street
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Kurz vor einem wichtigen Gerichtstermin blickt Mrs Lillian Dunkle, einst gefeierte Eiscreme-Königin Amerikas, auf die vergangenen achtzig Jahre ihres Lebens zurück. Sie war sechs und hieß damals noch Malka, ...

Kurz vor einem wichtigen Gerichtstermin blickt Mrs Lillian Dunkle, einst gefeierte Eiscreme-Königin Amerikas, auf die vergangenen achtzig Jahre ihres Lebens zurück. Sie war sechs und hieß damals noch Malka, als ihre Familie 1913 aus Russland in die USA emigrierte, wo sie zunächst in ärmlichsten Verhältnissen in New Yorks Lower East End in der Orchard Street wohnten. Ihr Leben änderte sich, als sie bei einem Unfall mit dem Pferdewagen des Eisverkäufers Dinello verletzt und für immer behindert wurde. Ihre Familie verstieß das Mädchen, sie war als Arbeitskraft für sie nutzlos geworden. Doch sie hatte Glück im Unglück, die Familie des Eismannes nahm sie bei sich auf, lehrte sie die Kunst der Eisherstellung, lies sie katholisch taufen und gab ihr von nun an den Namen Lillian Maria Dinello. Und wieder war ihr das Schicksal wohlgesonnen, als sie ihren späteren Ehemann Bert Dunkle kennenlernte. Mit viel Erfindungsreichtum, aber auch mit List und Heimtücke, bauen sich Lillian und Bert nach und nach ein Eiscreme-Imperium auf – Lillian Dunkle wird zur „Eiskönigin von Amerika“. Jetzt sind sie ganz oben auf der Erfolgsleiter, doch wieder schlägt das Schicksal zu …

Die US-amerikanischen Schriftstellerin Susan Jane Gilman, die 1964 in New York geboren wurde, besuchte dort die High School und die University, war Schülerin von Frank McCourt und erhielt 1993 in Michigan den Master in Fine Arts in Creative Writing. Sie veröffentlichte drei Sachbücher und schrieb für diverse Zeitungen und Magazine, bevor sie sich an „Die Königin der Orchard Street“ wagte. 2019 veröffentlichte sie ihren zweiten Roman „Donna Has Left the Building“, der bisher noch nicht in Deutsch erhältlich ist. Die Autorin lebt heute in ihrer Heimatstadt New York und in Genf/Schweiz.

Kaum zu glauben, dass dies der Debütroman der Autorin ist, so ausgefeilt und sprachlich anspruchsvoll ist ihr Schreibstil, dabei jedoch sehr unterhaltsam und informativ. Die gute bildhafte Wiedergabe vom Amerika des frühen 20. Jahrhunderts bis in die 80er Jahre sowie die angedeuteten politischen Probleme der neueren Zeit zeugen von ausgezeichneter Recherchearbeit. Mit Lillian schuf Gilman eine Protagonistin, die man lieben und hassen muss – eine taffe, sehr einfühlsame Frau, die jedoch im Geschäftsleben über Leichen gehen kann und immer dominanter wird, je mehr Reichtum sie ansammelt. Sie gibt ein gutes Beispiel, wie man durch harte Arbeit Geld verdienen kann und wie schwer es dann ist, mit dem Reichtum vernünftig umzugehen.

Tragik und Komik liegen in der Geschichte nahe beieinander, die mit einigen gut verständlichen jiddischen und italienischen Begriffen gewürzt ist, welche die Protagonistin hin und wieder benutzt. Unsere Heldin ist keine Schönheit und dazu noch behindert, weiß sich aber in allen Lebenslagen zu behaupten. Im fortgeschrittenen Alter genehmigt sie sich gerne vor Verhandlungen oder Fernsehauftritten einen Schluck, oder zwei oder drei, was nicht immer folgenlos bleibt. Da Lillian ihre Lebensgeschichte rückwirkend selbst erzählt und bisweilen den Leser direkt anspricht, hat man oft das Gefühl, sie persönlich zu kennen, bei ihr zu sitzen und ihr zuzuhören.

Fazit: Ein Buch das gut unterhält und das vor Witz und Zynismus förmlich sprüht – in dem aber auch viel Lebensweisheit versteckt ist. Sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 17.08.2020

Nur wer sät, wird auch ernten …

Die gute Erde
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Es ist nur ein kleines Stück Land, das Wang Lung bewirtschaftet, und von dessen Ertrag er und sein alter Vater leben. Als seine Zeit zu heiraten gekommen ist, kann sich der Vater für ihn nur die unansehnliche ...

Es ist nur ein kleines Stück Land, das Wang Lung bewirtschaftet, und von dessen Ertrag er und sein alter Vater leben. Als seine Zeit zu heiraten gekommen ist, kann sich der Vater für ihn nur die unansehnliche O-Lan, die bisher als Sklavin bei der reichen Familie Hwang gedient hat, leisten. Doch O-Lan ist tüchtig und packt mit an, so dass die junge Familie bald neues Land dazu kaufen kann. Drei Kinder haben sie, als die große Dürre im Land ausbricht und die hungernde Familie in den Süden ziehen muss, wo sie sich durch Betteln und Hilfsarbeiten über Wasser halten. Eine Rückkehr in die Heimat ist aus Geldmangel nicht möglich, bis es ihnen gelingt, auf unehrenhafte Weise während der Wirren des Bürgerkrieges eine große Menge Schmuck, Edelsteine und Gold zu erbeuten. Sie kehren zurück und kaufen der inzwischen verarmten Familie Hwang ihr Land ab. Wang Lung ist nun Großgrundbesitzer und seine Ehe längst schon freudlos, als ihm O-Lan noch Zwillinge gebiert. Das Schicksal nimmt seinen Lauf als Wang Lung sich entschließt, das Mädchen Lotus aus dem Freudenhaus als Zweitfrau ins Haus zu holen …

Die US-amerikanische Schriftstellerin Pearl S. Buck lebte vom 26.6.1892 bis 6.3.1973. Sie wuchs in China auf, studierte in Amerika und kehrte 1914 nach China zurück, wo sie den Missionar John Lossing Buck kennen lernte und 1918 heiratete. 1920 gebar sie Tochter Carol und adoptierte 1925 das Mädchen Janice. 1929 trennte sie sich von ihrem Ehemann und ging in die USA zurück, wo sie für immer blieb. Nach ihrer Scheidung 1935 heiratete sie den Verleger Richard J. Walsh. Bereits 1932 erhielt sie für ihren Roman „Die gute Erde“ den Pulitzer-Preis, 1938 wurde sie für ihre Gesamtwerke mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

Ohne politische Hintergründe aufzugreifen schildert die Autorin das bäuerliche Leben in China vor der Revolution. Sie bedient sich dabei einer sehr distanzierten Sprache, effektheischende Höhepunkte sucht man vergebens. Erdverbundenheit, der Kampf ums Überleben, alte Traditionen und dabei authentisch herausgearbeitete Figuren bestimmen das Geschehen. Der Kontrast zwischen arm und reich, die Gier zu besitzen und das Streben nach Reichtum und Ansehen, sind weitere Merkmale der Geschichte. Mit Hochachtung vor der chinesischen Kultur veranschaulicht uns die Autorin die alten Traditionen. Wir erfahren von der Versklavung der Frauen, vom Verkauf der Töchter und vom Bandagieren der Mädchenfüße, aber auch von der Hochachtung gegenüber dem Alter, der Hilfsbereitschaft innerhalb der Verwandtschaft und lernen die Bräuche bei Hochzeiten und Todesfällen kennen. In dem Protagonisten Wang Lung lernen wir einen Mann kennen, der es vom armen Bauern zum achtbaren Patriarchen bringt, was seinen Charaktereigenschaften nicht unbedingt förderlich ist.

Fazit: Ein Klassiker der Weltliteratur, eine interessante Lebensgeschichte, sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 13.08.2020

Abschied ...

Schnee auf dem Kilimandscharo
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Diese Kurzgeschichte habe ich jetzt, nach vielen Jahren, zum zweiten Mal gelesen – und bin wieder sehr begeistert von der Erzählweise und dem Schreibstil von Ernest Hemingway. Dass er Afrika liebte und ...

Diese Kurzgeschichte habe ich jetzt, nach vielen Jahren, zum zweiten Mal gelesen – und bin wieder sehr begeistert von der Erzählweise und dem Schreibstil von Ernest Hemingway. Dass er Afrika liebte und lange Zeit dort lebte, ist der Geschichte anzumerken.

„Schnee auf dem Kilimandscharo“ handelt von dem Schriftsteller Harry, der sich mit seiner Frau in Kenia in der Nähe des Kilimandscharos auf Fotosafari befindet und jetzt im Sterben liegt. Eine kleine Verletzung am Bein vor einigen Tagen ist zum Wundbrand übergegangen. Während sie auf Rettung warten lässt Harry sein Leben Revue passieren, erinnert sich in seinen Fieberschüben an Begebenheiten, über die er noch schreiben wollte und an Orte, an denen er besondere Erlebnisse hatte. Währenddessen steht schon der Tod an Harrys Lager …

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Veröffentlicht am 12.08.2020

Ein Jagdunfall?

Das kurze und glückliche Leben des Francis Macomber
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Diese Kurzgeschichte habe ich jetzt, nach vielen Jahren, zum zweiten Mal gelesen – und bin wieder hellauf begeistert von der Erzählweise und dem Schreibstil von Ernest Hemingway. Dass er ein begeisterter ...

Diese Kurzgeschichte habe ich jetzt, nach vielen Jahren, zum zweiten Mal gelesen – und bin wieder hellauf begeistert von der Erzählweise und dem Schreibstil von Ernest Hemingway. Dass er ein begeisterter Großwildjäger war, merkt man in jedem Satz der Erzählung.

„Das kurze glückliche Leben des Francis Macomber“ findet in Kenia bei der Großwildjagd sein Ende. Nachdem er sich tags zuvor beim Schießen eines Löwen recht unrühmlich und feige verhalten hatte, ist er am nächsten Tag bei der Büffeljagd völlig angstfrei. Macomber stellt sich einem großen Bullen, schießt, und --- der Bulle und er liegen tot am Boden.

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