1942 wird die jüdische 16-jährige Tschechin Cecilia Klein zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Magda ins Konzentrationslager Auschwitz verbracht, wo sie aufgrund ihres attraktiven Äußeren schnell von einem SS-Kommandanten des Lagers für sich beansprucht wird. Cecilia „Cilka“ wird von ihm vergewaltigt und als „Belohnung“ zur Aufsicht für Baracke 25 eingeteilt, dem Gebäude, in der die Frauen und Kinder die letzte Nacht vor ihrer Vergasung verbringen. Für viele gilt Cilka als Verräterin an ihren eigenen Leuten, zumal sie sogar ihre eigene Mutter von Baracke 25 aus in den Tod schickt. Nachdem die Russen Auschwitz befreiten, sieht sich Cilka einer erneuten Verhaftung gegenüber, anstatt endlich in Freiheit zu kommen. Die Russen verurteilen sie als Kollaborateurin zu 15 Jahren Zwangsarbeit im sibirischen Lager Workuta. Kaum in dem Gefangenenlager angekommen, muss Cilka erneut ganze 9 Jahre gegen Unterdrückung und Missbrauch kämpfen, bis sie endlich nicht nur die Liebe ihres Lebens trifft, sondern auch ihre Freiheit erhält…
Heather Morris hat mit „Das Mädchen aus dem Lager“ einen sehr anrührenden historischen Roman vorgelegt, der auf tatsächlichen Begebenheiten beruht und den Leser auf Zeitreise schickt, um die furchtbaren Zustände direkt nach Kriegsende mitzuerleben und Menschen kennenzulernen, deren Schicksale die Welt damals anscheinend vergessen hat. Der flüssige, bildgewaltige und gefühlvolle Erzählstil katapultiert den Leser direkt an Cilkas Seite, wo er aus erster Hand erfährt, was ihr widerfahren ist und wie sie Tag für Tag ums Überleben kämpft. Die Autorin spielt geschickt mit den Zeitschienen und verbindet die Gegenwart Cilkas in Workuta mit Rückblenden aus deren Vergangenheit in der Tschechoslowakei bzw. in Auschwitz-Birkenau. Schon die Eindrücke des sibirischen Zwangsarbeiterlagers schicken den Leser durch eine Achterbahn der Gefühle, doch die Erlebnisse aus Auschwitz bringen einen an die Grenzen. Authentisch und ungeschönt lässt Morris ihre Protagonistin von einer Hölle in die andere wandern, ohne jede Aussicht auf Besserung. Die Lagergemeinschaft fängt die Autorin ebenso gut ein, wie die Brutalität und die Aussichtslosigkeit, deren sich Cilka über viele Jahre gegenübersieht, und der sie doch durch ihren unermüdlichen Kampf trotzt. Die bildhaften Beschreibungen lassen die sibirische Lagerhölle direkt vor dem Auge des Lesers erscheinen, dem schon die Gänsehaut über den Rücken läuft ob der weißen Nächte, die die Protagonisten dort durchstehen müssen.
Die Charaktere sind sehr differenziert ausgestaltet und in Szene gesetzt. Sowohl durch ihre Dialoge als auch durch ihre Interaktion miteinander wirken sie nicht nur authentisch, sondern vor allem sehr menschlich. Der Leser findet sich mitten unter ihnen wieder, um mit ihnen zu leiden und zu hoffen. Cilka ist eine außergewöhnliche Frau, von denen es damals mit Sicherheit einige gegeben hat. Sie ist nicht nur unglaublich selbstlos, sondern besitzt eine freundliche und fleißige Natur, die andere für sie einnimmt. Cilka hat ein Kämpferherz, dass ihr in wenigen Momenten mal abhandenkommt, bis sie wieder zur Höchstform aufläuft und sich allem und jedem in den Weg stellt. Jozia ist für Cilka wie eine kleine Schwester, um die sie sich kümmern muss. Hannah erpresst Cilka, um ihren eigenen willen durchzusetzen. Jelena ist eine mitfühlende und tolle Ärztin, die ein großes Herz hat. Alexandr ist ein Poet in Gefangenenmontur, der sich in Schwierigkeiten bringt. Aber auch Protagonisten wie Boris, Rassia oder Kirill spielen wichtige Rollen in Cilkas Lebenslauf.
„Das Mädchen aus dem Lager“ ist ein auf Tatsachen beruhender Roman, der das Leben der Cecilia Klein reflektiert und tiefe Einblicke in geschundene Seelen gibt, der aber auch den Kampfgeist seiner Protagonisten wiederspiegelt, die von einer Hölle in die nächste wandern müssen, um irgendwann doch noch die Freiheit zu erhalten. Sehr tiefgründig, aufreibend und vor allem zu Herzen gehend. Absolute Leseempfehlung!