Atemberaubender Psychothriller
Dabei ist es ein Thriller der leisen Art. Ort des Geschehens ist nicht die Welt und touristisch anziehende Orte, wie in einem James Bond oder Jason Bourne Film, sondern ein kleines, halb verlassenes Provinzkaff ...
Dabei ist es ein Thriller der leisen Art. Ort des Geschehens ist nicht die Welt und touristisch anziehende Orte, wie in einem James Bond oder Jason Bourne Film, sondern ein kleines, halb verlassenes Provinzkaff Ormberg.
Die Polizisten die den Fall aufklären sind keine glamourösen Ermittler oder CSI-Spezialisten sondern eine der Demenz verfallende Polizistin, eine junge Polizistin die ihrem biederen engstirnigen Verlobten den Laufpass gibt, ein dicker Polizist der Wert auf sein Äußeres legt, ein Polizist der seine Scheu und Bewunderung für die junge Kollegin hinter dummen Aufreißersprüchen versteckt. Es wäre schön, noch andere Fälle von diesem Team lösen zu lassen, gell Frau Grebe?
In diesem Buch fließt das Blut nicht in Strömen, es explodieren weder Brücken noch Autos, es sterben insgesamt „nur“ 3 Menschen, und das in einem Zeitraum von mehreren Jahren. Die Täter sind nicht Superschurken, die die Welt erobern wollen, sondern Bürger, die, wenn sie nicht gerade ihre Mitmenschen umbringen, den anderen hilfsbereit und freundlich entgegenkommen. Und doch ist das Buch so spannend, dass man es kaum aus der Hand legen mag.
Immer wieder taucht das Flüchtlingsheim in Ormberg im Roman auf. In den Neunzigern war es ein Heim für Kriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien, nun, in der Gegenwart sind es muslimische Flüchtlinge aus Syrien. Damals wie jetzt sehen sich die Flüchtlinge den Schikanen der ansässigen Bevölkerung ausgesetzt. In den Augen vieler Ormberger sind sie schuld an der Tristesse und Misere, dabei waren die Fabriken lange bevor die Flüchtlinge ankamen, schon geschlossen, in Billiglohnländer abgewandert. Aber es ist doch so einfach einen Sündenbock für die eigene Trostlosigkeit zu finden. Und dann vergisst so mancher, dass er aus eigenem Verschulden lange vor der Fabrikschließung entlassen wurde; oder weil keine Arbeit im Ort ist, wird eine Bohrinsel im Atlantik erfunden, wo der Vater arbeitet, dabei sitzt der im Gefängnis wegen Pädophilie. Wenn man genauer hinsieht, entdeckt man überall in Ormberg Zeichen und Spuren des Zerfalls, der Gewalt, die alle bedroht. Sanas Mutter hat einen Freund, der schonmal wegen Gewalt verurteilt war. Bloß Margareta und ihr Sohn, Magnus, der harmlose Dorftrottel Magnus, helfen und leben für die Gemeinschaft. Margareta verteilt Elchfleisch, setzt sich für Verbesserung der Straßen und der öffentlichen Beleuchtung ein, auch für das Flüchtlingsheim.
Ich frage mich, ob Ormberg nicht überall ist? Überall dort wo Unzufriedenheit, Neid, Existenzangst, Missgunst vergessen lassen, wie gut es uns geht. Uns vergessen lassen, dass wir ein Dach über dem Kopf haben, jeden Abend satt zu Bett gehen, wir nicht verfolgt, getötet oder deportiert werden wegen unseres Glaubens, unserer Hautfarbe.
Ein paar Worte über die Aufmachung des Buches: spannendes Titelbild, der Zusammenhang zwischen Bild, Titel und Buchinhalt erschließt sich im Verlauf. Das Klappeninnenbild unterstreicht die Abgeschiedenheit und Verlorenheit Ormbergs, irgendwo in und hinter dichten dunklen Fichtenwäldern.