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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.08.2020

Sehr informativ

Warum es normal ist, dass die Welt untergeht
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„...Wenn Sie einen Archäologen fragen, warum er sich für diesen Beruf entscheiden hat, so wird er ihnen erzählen, das er sich mit der Vergangenheit beschäftigt, um etwas über die Zukunft zu erfahren...“

Diese ...

„...Wenn Sie einen Archäologen fragen, warum er sich für diesen Beruf entscheiden hat, so wird er ihnen erzählen, das er sich mit der Vergangenheit beschäftigt, um etwas über die Zukunft zu erfahren...“

Diese Worte stammen aus dem Vorwort des Autors. Robert L. Kelly ist Anthropologe und Archäologe. Und genauso, wie er es im Eingangszitat beschreibt, geht er in seinem Buch vor. Er nimmt mich als Leser mit in die Vergangenheit und zeigt die Umbrüche, die es in der Menschheitsgeschichte gab. Dann wagt er einen vorsichtigen Blick in die Zukunft.
Im ersten Kapitel beschäftigt sich der Autor mit der Frage des Weltuntergangs. Dabei hat seine Sicht der Dinge nichts mit Verschwörungstheorien zu tun. Ausschlaggebend ist das folgende Zitat:

„...Organismen versuchen stets zu sein, was sie sind, kommen dabei aber irgendwann an einen Wendepunkt, ab dem sie plötzlich zu etwas völlig anders werden….“

Diese Wendepunkte gab es auch im menschlichen Sein – und genau das belegt der Autor.
Im zweiten Kapitel nimmt uns der Autor mit in die Gedankenwelt eines Archäologen.
Danach wendet sich der Autor dem ersten Umbruch in der Geschichte zu. Es war das Aufkommen der Technologie. Es begann die Zeit der Jäger und Sammler.

„...Die ältesten Steinwerkzeuge wurden in Kenia gefunden und sind etwa drei Millionen Jahre alt. […] Diese Steinwerkzeuge setzten eine Entwicklung in Gang, im Zuge derer der Mensch die Welt dramatisch verändern sollte...“

Das nächste Kapitel widmet sich der Kultur. Der Autor wendet sich dabei insbesondere der Bedeutung von Symbolen zu. Warum?

„...Jeder Anthropologe wird Ihnen außerdem sagen, dass ein elementares Kennzeichen menschlicher Kultur die Verwendung von Symbolen ist...“

Er beleuchtet die biologische, aber auch die gesellschaftliche Seite und zeigt Unterschiede zum Tierreich. Die Entstehung der Kultur und damit auch der Sprache ist der Umbruch Nummer 2 in der Geschichte der Menschheit. Das Ganze dauerte etwa 150000 Jahre.
Der nächste Umbruch dauert nur ein Drittel der Zeit. Aus Jägern und Sammler werden Viehzüchter und Ackerbauern. Ausführlich geht er auf die Ursachen der Entwicklung ein. Zwei davon möchte ich erwähnen: Klimawandel und Zunahme der Bevölkerung.
Die nächste Stufe war die Entstehung von Staaten. Das geht einher mit der Abnahme verwandtschaftlicher Bande.

„...Die Abnahme der Verwandtschaftsbeziehungen als gesellschaftliches Leitprinzip war für die Staaten von entscheidender Bedeutung und spielte vor allem bei zwei entscheidenden Neuerungen eine Rolle: fundamentaler sozialer Ungleichheit und organisiertem Krieg..“

Im letzten Kapitel wendet sich der Autor einer möglichen Zukunft zu. Seinen Optimismus kann ich allerdings nicht unbedingt nachvollziehen. Wie sagt er an einer anderen Stelle?

„...Ungleichheit gibt es ja erst, wenn einige etwas haben,dass andere nicht haben und auch niemals haben werden...“

Genau in dieser Ungleichheit liegt der Kern vieler Auseinandersetzungen. Wird es der Menschheit gelingen, dafür eine Lösung zu finden? Der Autor ist optimistisch.
Angefügt ist ein Epilog, der den aktuellen Zeitverhältnissen geschuldet ist, Hier geht der Autor kurz darauf ein, wie Pandemien die Entwicklung auf der Erde vermutlich beeinflusst haben.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Der Autor versteht es, die Zusammenhänge anschaulich darzustellen und verfügt über einen feinen Humor. Ab und an veranschaulichen Karten und Diagramm das Gesagte.
Ein umfangreicher Anhang ergänzt die Ausführungen.
Sehr gut gefallen haben mir die Zitate zu Beginn jedes Kapitels. Mit einem werde ich meine Rezension beenden.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es ist in sich schlüssig und sehr informativ.

„...Die Vergangenheit sieht immer besser aus, als sie war. Sie scheint nur angenehm, weil sie vorbei ist...“

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Veröffentlicht am 14.08.2020

Schöne Idee

Wortgefecht und Zahlenzauber
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„...Gehirnjogging trainiert den Geist, hält ihn fit und macht dabei auch noch Spaß. Das Gehirn will genauso gefordert werden wie die Muskeln...“

Recht hat sie mit ihren ersten Sätzen, die Autorin dieses ...

„...Gehirnjogging trainiert den Geist, hält ihn fit und macht dabei auch noch Spaß. Das Gehirn will genauso gefordert werden wie die Muskeln...“

Recht hat sie mit ihren ersten Sätzen, die Autorin dieses kleinen Wannenbüchleins. Ein Buch aus einem Material, das ein Lesen und Lösen in der Badewanne erlaubt, ist etwas Besonderes.
Genau zehn Aufgaben fordern den Geist. Die Aufgaben sind von unterschiedlicher Gestalt. Mal stehen Zahlen im Mittelpunkt, mal Wörter, mal wird das räumliche Gedächtnis trainiert, dann wieder die Merkfähigkeit.
Laut Autorin sind alle Aufgaben in 15 Minuten zu schaffen. Dem erlaube ich mir zu widersprechen. Für neun der Aufgaben möge das zutreffen. Bei Aufgabe 4 allerdings geht es darum, aus einem vorgegebenen Wort neue Wörter zu bilden. Damit kann man sich schon allein mindestens fünf Minuten beschäftigen, bei entsprechendem Ehrgeiz auch länger.
Gut gefällt mir, dass eine Skala für die Schwierigkeit angegeben wird. Sie reicht von 1 bis 3. Ich habe alle Aufgaben gelöst und hätte die Schwierigkeitsgrade ebenfalls so verteilt.
Das Büchlein hat mir sehr gut gefallen. Der Schwierigkeitsgrad ist schon von Kinder zu bewältigen.

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Veröffentlicht am 14.08.2020

Bewegender und fesselnder Roman

Der Leutnant und das Mädchen
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„...Colin presste die Lippen zusammen, als er an die nächsten Stunden dachte. Jetzt würde er den ganzen Tag damit zubringen, verschlüsselte Nachrichten von der Front zu decodieren...“

Leutnant Colin Mabry ...

„...Colin presste die Lippen zusammen, als er an die nächsten Stunden dachte. Jetzt würde er den ganzen Tag damit zubringen, verschlüsselte Nachrichten von der Front zu decodieren...“

Leutnant Colin Mabry ist während des Krieges in Frankreich verschüttet und schwer verletzt worden. Dabei hat er eine Hand verloren. Er hat es Lord Walenford, seinem zukünftigen Schwager, zu verdanken, dass er überlebt hat und in Hastings eine neue Aufgabe bei der Armee gefunden hat. Doch sein Kampf mit sich selbst ist noch nicht zu Ende.

„...Er sah auf die leblose behandschuhte Hand hinunter. Ungeachtet all seiner Gebete hatte ein Jahr des Kampfs ihn gelehrt, dass der Friede lediglich ein naives Ideal war, eine unhaltbare optimistische Vorstellung, die den Leidenden Trost bot...“

Dann aber codiert er einen Text, der ganz persönlich an ihn gerichtet war. Es wird ein Treffen in Paris angeboten. Unterschrieben ist mit J. R. Sollte Jewel Reyer noch leben? Sie hat ihn in einer schweren Zeit unter die Arme gegriffen. Dafür hat er ihr versprochen, für sie dazu sein. Dann aber hat der Krieg sie getrennt.
In Absprache mit seinen Vorgesetzten fliegt Colin nach Paris. Wir schreiben das Jahr 1918. Die Stadt liegt unter dem Beschuss der deutschen Armee.
Die Autorin hat einen fesselnden und gut recherchierten historischen Roman geschrieben. Das Buch hat mich schnell in seinen Bann gezogen.
Colin trifft nicht Jewel, sondern deren Halbschwester Johanna. Die sucht ihre Schwester und ihren Vater. Colin soll ihr helfen. Zu dem Zeitpunkt ahnen beide noch nicht, dass sie in ein Wespennest stechen und mit mehreren Geheimdiensten zu tun bekommen werden.
Sehr gekonnt integriert die Autorin eine besondere Art der Nachrichtenübermittlung in das Geschehen. Ich erfahre, wie, wo und warum im Ersten Weltkrieg Brieftauben eingesetzt wurden. Johanna erklärt das so:

„...Die Vögel werden in mobilen Taubenschlägen aufgezogen und kehren zu ihrem Lastwagen zurück, auch wenn er eine weite Strecke zurücklegt. Unsere Vögel […] fliegen häufig sogar hinter die Front...“

Die gemeinsamen Erlebnisse schweißen Johanna und Colin zusammen. Johanna hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Die hat sie geprägt. Ihr Vater und ihre Schwester sind die einzige Familie, die sie noch hat. Colin will sein Versprechen gegenüber Jewel einlösen. Er fühlt sich schuldig, dass er sie einst zurückgelassen hat. Gekonnt werden ihm jedoch Steine in den Weg gelegt. Keiner scheint der zu sein, für den er sich ausgibt. Einem britischen Offizier sagt Colin auf den Kopf zu:

„...Sie haben zugesehen, wie man mit uns gespielt hat. Johanna und ich waren die ganze Zeit nur Schachfiguren in einem ausgeklügelten Plan...“

Es ist wie meist: Wenn es um Krieg oder Frieden geht, ist ein Menschenleben durchaus verzichtbar. Ihr Weg führt sie von Paris über Toulouse nach Spanien. Colin wächst an der Aufgabe. Er überwindet seine Angst vor der Dunkelheit, die auf eine Verschüttung zurück geht, und erkennt, was er trotz Behinderung zu leisten vermag. Gleichzeitig geht es um Vergebung und Neuanfang.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es verfügt über einen hohen Spannungsbogen, gut charakterisierte Protagonisten und gibt die Tiefe der Empfindungen wieder.

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Veröffentlicht am 13.08.2020

Schönes Jugendbuch

Der freie Vogel fliegt, Band 5
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„...Jeder macht in seinem Leben Phasen durch, wo er nicht das tun kann, was er gern tun möchte. Da muss man auch an den unangenehmen dingen etwas Interessantes finden, was einem Freude macht...“

Damit ...

„...Jeder macht in seinem Leben Phasen durch, wo er nicht das tun kann, was er gern tun möchte. Da muss man auch an den unangenehmen dingen etwas Interessantes finden, was einem Freude macht...“

Damit hat Xiaoyue recht. Man könnte auch kurz sagen: Da muss man durch. Und für die jungen Leute ist das als erstes die Hochschulaufnahmeprüfung im Fach Kunst.
Zu Beginn dieses Bandes gibt es eine kurze Zusammenfassung der ersten vier Teile.
Dann bekommt Xiaolu mit, dass der Buchhändler Xu die Stadt verlässt. Sie hilft ihm beim Packen und erfährt die Geschichte seiner unglücklichen Liebe.
Während sich Xiaolu und Xiaoyue jeder auf ihre Art und doch gemeinsam auf die Prüfung vorbereiten, wechselt die Geschichte zu Su Yan. Es geht und Verlust und Trauer, um Abschied und Neubeginn.
Mit der letzten Unterrichtsstunde von Xiaolu und ihrer Freundin endet dieser Band. Sehr berührend und aufbauend fand ich die Abschiedsworte der Lehrerin.
Wie schon zum letzten Band geschrieben, besticht auch dieser Teil durch die fein ausgearbeiteten Zeichnungen. Erstaunlich vielfältig ist die Miene der Lehrerin während ihrer letzten Worte. Trotzdem ist jeden ihrer Gesichtsausdrücke zu entnehmen, wie nah ihr der Abschied geht.
Auch der temperamentmäßige Unterschied zwischen Xiaolu und Xiaoque spiegelt sich in ihren Gesichtern wider. Gleiches gilt für die Trauer und die neue Hoffnung von Su Yan.
Der Affe auf dem Titelbild findet sich im Bild vor einigen Kapiteln wieder. Er steht meiner Meinung nach für eine gewisse jugendliche Leichtigkeit.
Wie gehabt gibt es wieder einen deutschen und einen chinesischen Teil.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

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Veröffentlicht am 13.08.2020

Tobis Krankheit und die Familie

Hanna und die Zauberer
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„...Freunde kannst du dir aussuchen, die Familie hast du am Hals. Ob du willst oder nicht...“

Hannas Stoßseufzer erfolgt nicht ohne Grund. Sie war 17 Jahre alt, als sich ihr Vater als homosexuell outete ...

„...Freunde kannst du dir aussuchen, die Familie hast du am Hals. Ob du willst oder nicht...“

Hannas Stoßseufzer erfolgt nicht ohne Grund. Sie war 17 Jahre alt, als sich ihr Vater als homosexuell outete und die Familie verließ. Damals setzte sich Hanna mit ihren Freund Amand nach Südamerika ab. Seit sechs Jahren ist sie zurück. Da ihr ein Schulabschluss fehlt, arbeitet sie bei Hilde in der Kneipe.
Vor ihr liegt Tobis 18. Geburtstag. Ihr kleiner Bruder bekam nach einer Fahrt mit Freunden plötzlich eine heftige Diagnose. Er mag Routine und Rituale, rastet aber sofort aus, sobald ein falschen Wort fällt.
Die Mutter, die sich als Malerin verwirklicht, ist mit ihm zunehmend überfordert. Die älteren Zwillingsbrüder gehen ihre eigenen Wege und Mike, jünger als Hanna, ist als Musiker kaum in Wien.
Die Autorin hat einen Familienroman geschrieben, der tief berührt, weil er zeigt, dass es eben nicht nur Schwarz und Weiß im Leben gibt. Die Geschichte wird aus Hannas Sicht erzählt.
Trotz seiner Krankheit ist Tobi hochintelligent. Hanna ist bereit, den Bruder bei sich aufzunehmen. Sie möchte ihn ein Heim geben und hofft, dass ihre Liebe ihn heilt. Unterstützung von der Familie? Schwierig!
Die medizinische Behandlung ist anfangs nicht optimal. Die Nebenwirkungen der Tabletten sind heftig, was dazu führt, dass Tobi sie verweigert.
Das führt allerdings nach einem Ausraster zur Einweisung in die Psychiatrie. Die Verhältnisse dort sind irgendwann in der Vorzeit stehen geblieben. Ruhigstellen ist das Mittel der Wahl.
Auch Tobis Verhältnis zur Mutter ist sehr durchwachsen. Einerseits besteht Tobi darauf, sie regelmäßig zu sehen, andererseits eskaliert die Situation meist in ihrer Gegenwart. Hanna lädt zu einem Familientreffen, um ihren Standpunkt darzulegen

„...Die wollen bestimmt nicht hören, was ich alles auf der Psych gesehen habe, ganz gewiss wollen sie das nicht. Wollen nicht haben, dass ein Rädchen in der Familie ihr selbst zusammengestückeltes Bild von Glück und Harmonie zerstört….“

Drei der Protagonisten haben mich in ihrem Auftreten und in ihrer Entwicklung echt überrascht. Das ist zum einen Orlando, der Freund des Vaters. Er möchte nicht abseits stehen, er sehnt sich nach Familie und gibt sich viel Mühe, wenn er mit Tobi zusammen ist.
Zum anderen ist es Bruno, Hannas betagter Nachbar. Er bringt Tobi allein mit Worten dazu, Dinge zu tun, die der nicht möchte, die aber notwendig sind.
Und als dritte möchte ich Hannas Chefin erwähnen, nach außen hart und ruppig, aber innerlich weich wie Butter. Sie vertritt fast Mutterstelle an Hanna.
Es geht durch einige Tiefen, bis Hanna begreift, dass sie nicht das Leben ihres Bruders leben kann, dass er sein Leben in die eigene Hand nehmen und Hilfe akzeptieren muss. Hanna formuliert das so:

„...Was sich nicht aufhalten lässt, muss man loslassen. Jetzt habe ich es geschnallt, fühlt sich gut an...“

Hanna wird immer für Tobi da sein, kann aber nun auch ihr eigenes Leben führen.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt auf zugespitzte Art, wie schwierig es ist, mit mancher Diagnose in der Familie umzugehen. Wegducken ist genauso wenig eine Lösung wie zu viel Fürsorge.

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