Platzhalter für Profilbild

Venatrix

Lesejury Star
offline

Venatrix ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Venatrix über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.08.2020

Vom Aufstieg und Fall der Diktatoren

Diktator werden
0

Frank Dikötter ist Zeithistoriker und lehrt chinesische Geschichte an der Universität von Hongkong.

Anhand der (Kurz)Biografien von

Mussolini
Hitler
Stalin
Mao
Kim Il-Sung
Ceauşescu
Mengistu
Duvalier

Schildert ...

Frank Dikötter ist Zeithistoriker und lehrt chinesische Geschichte an der Universität von Hongkong.

Anhand der (Kurz)Biografien von

Mussolini
Hitler
Stalin
Mao
Kim Il-Sung
Ceauşescu
Mengistu
Duvalier

Schildert er den Aufstieg der Diktatoren und die Mechanismen, die dazu führten, dass ein Einzelner so viel Macht über Millionen Menschen erreichen konnte.

Über die drei Erstgenannten braucht man wohl nicht mehr viele Worte verlieren. Deren Aufstieg und Fall ist doch durch zahlreiche Bücher bekannt.

Über Mao habe ich dann doch einige Neuigkeiten erfahren. Dass es einen Kriterienkatalog gab, nachdem Belohnungen verteilt wurden, überrascht mich jetzt nicht wirklich. Interessant finde ich, dass aufgrund des hohen Materialverbrauchs für Anstecker (Aluminium), die „Mao-Bibel“ (Kunststoff), rote Farbe etc. Dinge des täglichen Gebrauchs wie Schuhe oder Kochtöpfe nicht in ausreichender Menge produziert werden konnten.

Über Kim Il-Sung (Nordkorea), Ceauşescu (Rumänien), Mengistu (Äthiopien) und Duvalier (Haiti) hätte ich noch gerne mehr erfahren.

Als Leserin, die sich mit Propaganda und deren Mechanismen schon mehrfach auseinandergesetzt hat, sind viele Begriffe bekannt. Für Leser, die solche Vorkenntnisse nicht aufweisen, wäre eine Zusammenfassung wünschenswert. Vor allem im Hinblick darauf, diesen Psychotricks etwas entgegenzuhalten.

Diktatoren fallen ja nicht vom Himmel, sondern - wie das eine oder andere Beispiel aus der Gegenwart zeigt, ist die Verwandlung vom „liberalen“ Politiker zum alles kontrollierenden Staatschef ein langsamer, aber stetiger Prozess.

Wie sagte schon „Papa Doc“ François Duvalier?
„Als Führer braucht man eine Doktrin. Ohne Doktrin kann man Menschen nicht leiten.“ Das allein genügt allerdings meist nicht.
Einschränkung der Pressefreiheit, Aufrüsten des Militärs bzw. der Polizei, Aufhebung der Gewaltentrennung, Austausch von unabhängigen Richtern etc. sind so die sichtbaren Zeichen, dass die Demokratie ausgehebelt wird.
Und natürlich das Verbreiten von Angst ist ein probates Mittel, die Bevölkerung klein und duckmäuserisch zu halten.

Fazit:

Eine gelungene Zusammenfassung vom Aufstieg und Ende von acht Diktatoren, die Appetit macht, sich mit den einzelnen Personen zu beschäftigen. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
Veröffentlicht am 15.08.2020

Eine gelungene Fortsetzung

Die Nordseefalle
0

Theodor Storm ist nach wie vor ein eher erfolgloser Anwalt und ein noch weniger erfolgreicher Dichter. Er schmachtet zwar die holde Weiblichkeit in seinen Versen an, aber erhören will ihn keine.

Nun hat ...

Theodor Storm ist nach wie vor ein eher erfolgloser Anwalt und ein noch weniger erfolgreicher Dichter. Er schmachtet zwar die holde Weiblichkeit in seinen Versen an, aber erhören will ihn keine.

Nun hat er einen neuen Fall: Einen hoffnungslosen, wie es scheint und Geld wird er auch keines hereinbringen. Denn sein Mandant Dahl wurde stocktrunken mit einem Messer in der Hand über der Leiche eines Saufkumpanen gefunden. Alles scheint klar und Dahl ist der Mörder. Es wäre nicht Theodor Storm, wenn der nicht an die Unschuld seines Mandanten glaubte. Gemeinsam mit Schreiber Peter Söt, der diesen Krimi aus seiner Perspektive erzählt, versucht der Anwalt, die Unschuld seines Mandanten zu beweisen. Es scheint, als hätte das Mordopfer etwas mit dem geheimnisvollen Schatz und der Sage rund um die versunkene Stadt Rungholt zu tun, zumal es nun zwei weitere Morde gibt.

Da Dahl die Auslieferung nach Kopenhagen droht, begeben sich Storm und Söt auf die Insel Föhr, um den zuständigen Amtmann zu sprechen, der gerade in der Entourage des dänischen Königs auf der Insel weilt.

Ebenfalls mit im Gefolge des Königs: Hans Christian Anderson, der immer wieder merkwürdige Unfälle erleidet. Oder sind das Mordanschläge?

Bis Theodor Storm und sein treuer Schreiber Söt den Drahtzieher hinter den Verbrechen finden, dauert es eine geraume Zeit.

Meine Meinung:

Wie schon in den drei Vorgängern gestalten sich die Ermittlungen auch diesmal schwierig. Zum einem weil es zu dieser Zeit üblich ist, potenzielle Täter so lange zu „befragen“ (= verprügeln), bis sie ein Geständnis ablegen, denn nur ein Geständnis zählt, und zum anderen, weil Sachbeweise meistens nicht anerkannt werden. Die Ermittlungen, wie wir sie heute kennen, kriminaltechnische Untersuchungen mit DNA-Spuren, Fingerabdrücken etc. Sind noch unbekannt.

Tilman Spreckelsen gelingt es sehr gut, das historische Umfeld einzubauen. Schleswig-Holstein ist damals dem dänischen König untertan.

Schmunzeln musste ich über das Lamentieren der Einwohner von Föhr, die gegen die Erschließung der Insel für den Tourismus sind. Diese Leute sollten die Seebäder und die Touristenmassen heute sehen!

Geschickt baut der Autor die eine oder andere Sackgasse ein, in der sich der Leser manchmal verirrt.

Der Krimi ist eher ruhig und dennoch nicht langweilig. Mir gefällt das historische Ambiente in Husum und die leicht unbeholfene Art, die den jungen Theodor Storm auszeichnet.


Fazit:

Zum nunmehr vierten Mal, überzeugt der Autor Tilman Spreckelsen mit seinem ruhigen Schreibstil und der Darstellung des historischen Umfeldes. Gerne gebe ich wieder 4 Sterne.

Veröffentlicht am 15.08.2020

Eine interessante Lektüre

Die vier Toten von Tibet
0

Dieser Krimi ist der 10. Band einer Reihe rund um den tibetischen Inspektor Shan und seinem Vorgesetzten, dem chinesischen Oberst Tan. Für mich ist das Buch das erste Zusammentreffen mit den beiden ungleichen ...

Dieser Krimi ist der 10. Band einer Reihe rund um den tibetischen Inspektor Shan und seinem Vorgesetzten, dem chinesischen Oberst Tan. Für mich ist das Buch das erste Zusammentreffen mit den beiden ungleichen Ermittlern und der tibetischen Kultur, die von den Chinesen brutal unterdrückt wird.

Und genau diese Auslöschung der tibetischen Kultur zieht sich durch das ganze Buch. So schrecken korrupte Parteikader weder vor Mord noch vor Zerstörung von tibetischen Heiligtümern zurück. Die Machenschaften sind grandios in einen Krimi verpackt.

Diesmal dreht sich alles um den Bau eines gigantischen Stausees, der (natürlich) ein tibetisches Tal zur Gänze flutet, die Bewohner, so sie sich nicht umsiedeln lassen, tötet und alles zerstört, was in seinem Bereich existiert.

Zahlreiche Tibeter sind trotz drohender Verhaftungen, Folter und Deportation in Arbeitslager bereit, ihre Heimat und Götter nicht ganz kampflos den Chinesen zu überlassen. Sie machen das sehr subtil und schüren auch den Aberglauben so mancher Chinesen. So nützen sie Naturphänomene, die den Eindringlingen nicht bekannt sind, als „Rache der Götter“. Daneben gibt es handfeste Sabotageakte, die Baumaschinen unbrauchbar machen.

Ich habe mich bislang wenig mit Tibet und seiner Kultur beschäftigt. Dieses Buch regt an, mehr mit der brutalen Auslöschung der alten Kultur durch China lesen zu wollen.

Obwohl das Buch ist nicht ganz leicht zu lesen ist, weil sehr viele Personen, deren Rollen nicht immer ganz klar sind, in die Vorkommnisse verstrickt sind, birgt es viele interessante Details.

Üblicherweise lese ich eher Krimis aus Europa, doch diese Reihe hat mir sehr gut gefallen. Ich werde die neun Vorgänger auch noch lesen, denn sowohl Shans als auch Tans Vorgeschichte, die hier nur gestreift werden. Klingen sehr interessant.

Fazit:

Ein sehr interessanter Krimi aus einer Weltgegend, in der ich nicht so häufig zuhause bin. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 06.08.2020

Ein gelungener Reihenauftakt

Das Lichtenstein - Modehaus der Träume
0

Dieser historische Roman ist der Auftakt zu einer Trilogie rund um das fiktive Modehaus „Lichtenstein“ in Berlin.

Schon der Prolog ist fesselnd, denn das Modehaus brennt. Doch danach schwenkt der Roman ...

Dieser historische Roman ist der Auftakt zu einer Trilogie rund um das fiktive Modehaus „Lichtenstein“ in Berlin.

Schon der Prolog ist fesselnd, denn das Modehaus brennt. Doch danach schwenkt der Roman in die Perspektiven der vielen Protagonisten: Da sind zum einem einmal die ungleichen Brüder Jacob und Ludwig Lichtenstein, die gemeinsam mit den Eltern das Modehaus führen. Während Jacob Ideen für die Zukunft hat, ist Ludwig der Bewahrer des Althergebrachten. Konflikte bleiben da natürlich nicht aus. Doch was wäre das Modehaus ohne die Angestellten? Die Vorzimmerdame, die emsig auf ihrer geliebten Schreibmaschine hämmert und alles weiß, oder die zahlreichen Verkäuferinnen und Näherinnen? Hier stechen Thea und Hedi heraus, die bald befördert werden und die neue Linie des Modehauses verkörpern. Und nicht zu vergessen Hannes Hellberg, der als Chefdesigner viele gute Ideen hat.

Der hist. Roman ist in die Jahre 1913-1918 eingebettet. Die Familie Lichtenstein bekommt den aufkeimenden Antisemitismus bereits zu spüren und wird auch von den Auswirkungen des verlorenen Ersten Weltkriegs nicht verschont.

Meine Meinung:

Der Schreibstil der Autorin, die bereits mehrere Bücher unter einem Pseudonym veröffentlicht hat, ist leicht und flüssig zu lesen. Durch bildhafte Darstellungen ersteht ein Bild dieser Zeit. Selbst die Traumata von Hannes Hallberg, der im Krieg ein Bein verliert, sind gut beschrieben.

Die Kapitel sind kurz und beleuchten aus den verschiedenen Perspektiven das Geschehen.

Gut in den Roman ist das historische Umfeld eingeflochten. So erfährt der Leser, wie die Frauen ihre, an den diversen Fronten befindlichen Männer ersetzen, und um das Wahlrecht kämpfen. Allerdings wird eher das Augenmerk auf die Berliner Mittelschicht gelegt. Die wirklich Armen wie ausgebeutete Fabriks- oder Heimarbeiterinnen werden nur am Rande erwähnt.

Nachdem hier eine Trilogie vorbereitet wird, werden schon einzelne Hinweise auf die Fortsetzung geliefert. Der Bruderzwist wird vermutlich weiter schwelen, zumal Ludwig und Jacob um die gegenseitigen Geheimnisse wissen. Wer nun welches zur Unzeit ausspielen wird, ist bestimmt im nächsten Band zu lesen.

Einzig mit dem Cover bin ich nicht ganz zufrieden, denn die abgebildete Frau ist für die Zeit zwischen 1913 -1918 zu modern gekleidet.

Fazit:

Ein flüssig geschriebener Auftakt einer Trilogie, auf deren Fortsetzung ich mich freue. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 04.08.2020

Ein etwas anderer Krimi

Helga räumt auf
0

In seinem zweiten Krimi mit Hannelore „Hanni“ Huber tun sich abermals tiefe Abgründe auf. Zuerst wird der Hanni, die wegen ihrer Krampfadern an manchen nur mühsam vorwärts kommt, von der Schweinebauernfamilie ...

In seinem zweiten Krimi mit Hannelore „Hanni“ Huber tun sich abermals tiefe Abgründe auf. Zuerst wird der Hanni, die wegen ihrer Krampfadern an manchen nur mühsam vorwärts kommt, von der Schweinebauernfamilie Grubmüller ein Maisfeld vor die Aussicht gepflanzt. Da kommt es doch einer Genugtuung gleich, als der Altbauer Johann Grubmüller ausgerechnet in der hauseigenen Jauchegrube zu Tode kommt. Und, er wird nicht der einzige Tote bleiben. Denn die beiden Familien Grubmüller und Praxmoser sind seit zwei Generationen bis aufs Blut verfeindet. Der Anlass? Man oder vielmehr Hannelore Huber weiß es nicht ganz genau, hegt aber einen Verdacht. Eigentlich will sie ja nur ihre Ruhe , ist aber plötzlich mitten in den Ermittlungen, denn der Dorfpolizist ist mehr als überfordert.

Meine Meinung:

Ein bisschen Glaubenthal steckt vermutlich in jedem der ländlichen Orte, in denen jeder jeden kennt. Vor allem die chauvinistische Haltung der meisten Männer und die Opferrolle vieler Frauen scheinen aus dem (dörflichen) Leben gegriffen. Lieblose, weil unter anderen Gesichtspunkten geschlossene Ehen werden fortgeführt, die Gewaltbereitschaft vieler Männer, die mit erhöhten Alkoholspiegel steigt und Ehebruch, der auch vor dem Pfarrhaus nicht Halt macht, sprechen eine deutliche Sprache, dass die Hölle eher auf Erden zu suchen ist. Kein Wunder, dass hier zur Selbsthilfe gegriffen wird.

Die Auflösung ist für mich nicht ganz überraschend, deutet ja bereits der Titel das Großreinemachen an. Dennoch ist der Krimi spannend, denn bevor es zum Showdown kommt, müssen die diversen Beziehungen, die wie das Myzel der Pilze unter der Oberfläche dahinwuchern, aufgedröselt und entflochten werden.

Thomas Raubs Schreibstil besticht durch beißende Ironie und eigenwillige Wendungen. Der Krimi ist nicht wie viele andere Regionalkrimis geradlinig durchstrukturiert, sondern schweift durch die Beschreibungen der Dorfbewohner und deren Verhalten immer wieder ab. Immer wieder ist der Leser versucht, innezuhalten und die Ereignisse zu sortieren.

In diesem Krimi gibt es wenige Sympathieträger. Selbst die alte Huberin ist nicht ganz frei von Boshaftigkeit.

Fazit:

Wer einen Krimi mit sprachlich gehobenen Niveau und abseits des üblichen „Whodunit“ lesen möchte, ist hier richtig. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.