Hatte etwas ganz anderes erwartet
Das Verschwinden der ErdeDer Roman von Julia Philipps ist mir bereits in der Vorschau aufgefallen. Bei Lovelybooks hatte ich diesmal Glück und durfte das Buch vorablesen. Leider hat sich meine Hoffnung nicht ganz erfüllt. Dabei ...
Der Roman von Julia Philipps ist mir bereits in der Vorschau aufgefallen. Bei Lovelybooks hatte ich diesmal Glück und durfte das Buch vorablesen. Leider hat sich meine Hoffnung nicht ganz erfüllt. Dabei liegt es nicht daran, dass die meisten Leser einen Thriller erwartet haben, wie die Geschichte auf der Rückseite angekündigt wird, sondern an den vielen verschiedenen Handlungssträngen, die hier ziemlich zusammenhanglos aneinander gereiht werden.
Dabei beginnt der Roman vielversprechend. Wir befinden uns in Kamtschatka, Russland. Ein Setting, das alleine meine Neugier geweckt hat, denn die Halbinsel ist erst seit 1990 für Touristen zugängig.
Die US-amerikanische Autorin hat zu Beginn ihres Romans in einem Interview fünf Fragen zur Geschichte beantwortet und die Region zweimal besucht.
Auf den ersten Seiten begleiten wir die beiden russischen Schwestern Sofija und Aljona Golosowskaja, die sich in der Bucht von Petropawlosk die Zeit vertreiben. Es sind Sommerferien und ihre Mutter muss den ganzen Tag arbeiten. Die beiden Mädchen kommen allerdings am Abend zu Hause nicht mehr an. Sie bleiben verschwunden und die Suche nach den Kindern ist monatelang in den Medien präsent.
Das erste Kapitel wird aus der Sicht von Aljona erzählt, bis sie erkennt, dass sie und ihre Schwester entführt worden sind. Danach begleiten wir in jedem Kapitel eine andere Frau, die irgendwie in Verbindung zu den Mädchen oder zu jemanden, der sie kannte, steht. Viele Handlungsstränge werden somit nur angerissen, aber selten zu Ende geführt. Das ist bereits ein wesentlicher Punkt, der mich am Roman gestört hat. Oft ergibt sich erst am Ende des Kapitels der Aha-Effekt, wie die erzählende Frau zu der Familie der verschwundenen Kinder steht. Nach einigen Kapiteln kam bei mir Langeweile auf. Immer wieder musste man sich auf eine neue Figur einstellen, die später nicht mehr auftauchte oder in einem anderen Kapitel höchstens erwähnt wird. Was eigentlich weiter mit den Kindern passiert ist, wird erst im letzten Kapitel angerissen, aber nicht richtig aufgelöst.
Es geht der Autorin in ihrem Roman viel mehr um das Leben der Frauen auf Kamtschatka und den Unterschied zwischen der Hauptstadt Petropawlowsk-Kamtschatski, wo großteils die "weißen" Russen leben, die die Ureinwohner, die Korjaken, Itelmenen, Ewenen, Tschuktschen und Aleuten damals blutig unterworfen haben und die noch heute zur "Unterschicht" gehören. Als Beispiele führt die Autorin ein weiteres Verschwinden eines älteren Mädchens aus dem Norden an, welches zum damaligen Zeitpunkt nur auf wenig Medieninteresse gestoßen ist und die Polizei den Fall als typisches Ausreißen eines Teenagers behandelt hat. Der Fokus der Autorin liegt beim Zusammenleben der Russen mit den indigenen Ureinwohnern und den Lebensumständen der Frauen in dieser Region. Durch den raschen Perspektivenwechsel baut man jedoch zu den Figuren keinerlei Verbindung auf. Manche Geschichten mochte ich lieber als andere, aber als Nicht-Kurzgeschichtenfreund tat ich mir etwas schwer.
Gefallen haben mir die bildhaften Beschreibungen der Landschaft, die mich an Island erinnert haben, wie die Vulkane, der Schnee und das Eis. Auch die ausdrucksvolle und feinfühlige Sprache der Autorin hat mir gefallen.
Im Endeffekt ist der Roman eine Episodenerzählung, die das Verschwinden der Golosowskaja Schwestern als Rahmenhandlung benutzt. Leider hat das Buch meinen Geschmack nur teilweise getroffen und offene Enden mag ich leider auch nicht wirklich...
Fazit:
Ein Roman, der mich leider unzufrieden zurücklässt. Die Geschichte ist atmosphärisch und bietet interessante Einblicke in die Landschaft und die Menschen der Halbinsel Kamtschatka. Die einzelnen Episoden und Handlungsstränge, die nur entfernt mit der Rahmenhandlung zu tun haben, waren nicht meins. Und auch das eher offene Ende ist für mich ein weiterer Kritikpunkt - schade!