Profilbild von evaczyk

evaczyk

Lesejury Star
offline

evaczyk ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit evaczyk über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.08.2020

Dramatische Naturschilderungen und eine getriebene Hauptfigur

Zugvögel
0

Der Klappentext klingt nach einem gefühligen Frauenroman, möglicherweise mit ein bißchen Naturkitsch überzuckert: "Nur die Strömung der Meere und der Flügelschlag der Vögel können Franny den Verlust vergessen ...

Der Klappentext klingt nach einem gefühligen Frauenroman, möglicherweise mit ein bißchen Naturkitsch überzuckert: "Nur die Strömung der Meere und der Flügelschlag der Vögel können Franny den Verlust vergessen lassen, der sie verfolgt". heißt es darin. Meiner Erwartungen waren also eher auf ein "ganz nett" eingependelt. Doch weit gefehlt: Mit "Zugvögel" hat die australische Autoriu Charlotte McConaghy ein Buch mit Wow-Effekt geschrieben, voller Wildheit, voller Düsternis, das einen mitnimmt wie die Stürme, denen sich Ich-Erzählerin Franny stellen muss.

Franny ist eine Getriebene, buchstäblich. Schon als Kind hatte sie "Wanderfüße", die in ihrer Familie erblich zu sein scheinen, mit dramatischen Folgen. Immer wieder muss sie aufbrechen, muss die verlassen, die sie eigentlich liebt, ähnlich wie die Zugvögel, die ihrem Instinkt folgen und zu ihren Wanderungen aufbrechen. Ihr Freiheitswille, der innere Ruf zum Weiterziehen ist stärker als ihre Bindungsfähigkeit.

Doch in der Welt, in der Franny lebt, sind Vögel selten geworden, ebenso Fische und die meisten anderen wilden Tiere. Klimawandel und veränderte Umweltveränderungen haben zu einem nie gekannten Artensterben gesorgt. Düstere Vision einer fernen Zukunft? Biologen warnen schon lange vor dem Schneeballeffekt, der durch menschliche Einwirkungen erst eine, dann immer mehr Arten verschwinden lässt.

Mit dem Biologen Niall teilt die mal in Irland, mal in Australien aufgewachsene Franny die Leidenschaft für Vögel. Doch die Beziehung der beiden steht vor etlichen Herausforderungen - Niall ist Professor, Franny arbeitet als Putzfrau an der Universität. Und immer wieder wird sie ihn verlassen - wird er warten? Ganz zu schweigen von ihrer Schlafwandelei, ihren Albträumen, in denen eine wilde, aggressive Seite von ihr die Überhand gewinnt, die für Niall sogar gefährlich werden könnte.

Zu Beginn von "Zugvögel" beginnt Franny in Grönland die lange und riskante Reise, die den Peilsendern der letzten Küstenseeschwalben in die Antarktis folgen soll. Doch Franny ist nicht an Bord eines Forschungsschiffs, sie ist auf einer Ein-Frau-Mission, überredet den Kapitän eines Fischerbootes und seine bunt zusammengewürfelte Mannschaft, sie an Bord zu nehmen und mit ihr den Vögeln zu folgen.

Unterbrochen werden die Schilderungen der gefährlichen Reise voller Stürme, Wetterextreme und anderer Widernisse von Rückblicken in Frannys Vergangenheit, wobei vieles nur angedeutet und erst ganz am Ende aufgelöst wird: Warum war Franny im Gefängnis und ist nun mit einem fremden Pass unterwegs? Warum schickt sie keinen ihrer vielen Briefe an Niall nie ab? Warum denkt sie so viel ans Sterben, hat mit dem Leben eigentlich schon abgeschlossen?

Die vom Artensterben gezeichnete Welt hat etwas Apokalyptisches, das wie ein Echo Frannys innerer Düsternis ist. Und auch die Besatzung des Fischerboots, die mit ihr eine Schicksalsgemeinschaft bilden, allen voran der Kapitän, haben teilweise so manchen inneren Abgrund.

Wenn McConnaghy über das Meer schreibt, über Eis und Wind, über die letzte Ahnung von Wildnis, dann ist das ebenso poetisch wie dramatisch. Vielleicht liegt es an ihrem Studium zur Drehbuchautorin, dass ihre Erzählweise mitunter Bilder für die große Leinwand zaubert. Ich jedenfalls konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Ein großartiges Debüt, das mich jetzt schon neugierig auf mehr macht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.08.2020

Beeindruckendes Mosaik eines schrecklichen Tages

Und auf einmal diese Stille
0

Das Datum kennt wohl jeder, Bilder und Geschichten haben sich eingebrannt in das kollektive Gedächtnis nicht nur, aber ganz besonders der Amerikaner. Der 11. September oder "nine eleven" - das ist ein ...

Das Datum kennt wohl jeder, Bilder und Geschichten haben sich eingebrannt in das kollektive Gedächtnis nicht nur, aber ganz besonders der Amerikaner. Der 11. September oder "nine eleven" - das ist ein Synonym für den Terror, für den Tag, an dem die Welt ein großes Stück Unbekümmerheit verlor, der Tag, der Sicherheit auf Flughäfen für immer veränderte. Alles schon gesagt? Mit "Und auf einmal diese Stille" greift der Historiker und Journalist Garrett M. Graff auf die Tradition der "oral history", also der mündlichen Geschichtsüberlieferung zurück.

Die Menschen erzählen lassen - Bekannte und Unbekannte, Entscheider und solche, die sich als Spielball der Ereignisse erfahren, damit schließt Graff an die Tradition etwa von Studs Terkel an, der Weltkriegssoldaten und Zivilisten eine Stimme gab. Hier nun sind es Banker und Angestellte der Firmen in den Türmen des World Trade Centers, Feuerwehrleute, Ärzte, Polizisten, Überlebende und die Angehörigen der Toten, Piloten oder die Frau vom Bodenpersonal, die Mohammed Atta und die mit ihm fliegenden Terroristen für ihren Flug eingecheckt hatte.

Von einem Tag, an dem das einzig Ungewöhnlich der extrem blaue, wolkenlose Himmel war, bis zu den Wolken aus Staub und den Bergen von Trümmern, Leichenteilen und weiterhin flackernden Bränden zieht der Bogen der Schilderung. Die Zitate nehmen den Leser mit zu Krisensitzungen und improvisierten Kommandoständen, zu Feuerwachen und in die brennenden Türme, an Bord der Air Force One und in Schulen, in denen die Lehrer versuchen, ihren Schülern das Unerklärliche zu erklären. In Abschriften von Funksprüchen und Telefonaufnahmen kommen auch die Toten zu Wort.

Der deutsche Titel des Buches stammt aus einem Zitat eines Feuerwehroffiziers, der von der Lobby im Erdgeschoss des Nordturms zu einer Rettungsmission aufbrach "Wie man sich denken kann, war die Akustik in der Lobby des World Trade Center nicht gerade besonders gut, es hallte sehr stark. Und auf einmal diese Stille. Einer der Feuerwehrmänner von Rescue 1 schaute nach oben und sagte: Vielleicht werden wir diesen Tag nicht überleben."

Anders als in Mitchell Zuckoffs Buch "9/11 - Der Tag, an dem die Welt stehen blieb", das ebenfalls vor ein paar Monaten erschien und das ich hier rezensiert habe: https://nimm-ein-buch.blogspot.com/2020/04/911-der-tag-dem-die-welt-stehen-blieb.html , geht Graff nicht allzu ausführlich auf Einzelschicksale als dramatische Schilderung des Tages ein. Sein Buch ist eher wie ein Mosaik von Stimmen und Zitaten aus unterschiedlichen Perspektiven, wobei einige der zitierten und beschriebenen Akteure in beiden Büchern berücksichtigt werden. Die ganze Dramatik des Tages, das quälende Warten auf Rettung, auf Nachricht von den Liebsten, auf neue Hiobsbotschaften ist auf nahezu jeder Seite spürbar. Am eindringlichsten sind dabei nicht die Stimmen der Polit- und Medienprofis, unter ihnen der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der damalige New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani oder der einstige Vizepräsident Dick Cheney, sondern die der Menschen, für die seit dem 11. September nichts mehr so ist wie früher. Es gibt Schilderungen, die tun weh, andere lassen den Leser mitzittern oder staunen über den Mut von Menschen, die in einer Krise über sich selbst herauswachsen. "Und auf einmal diese Stille" berührt.

Veröffentlicht am 18.08.2020

Außenseiterinnen unter sich - Roman einer Freundschaft

Alte Sorten
0

Es gibt Frauenliteratur über Frauenfreundschaften, die wie unter einer besonders dicken Zuckerschicht begraben scheint. Überraschungen sind dabei eher nicht zu erwarten, und die Protagonistinnen in der ...

Es gibt Frauenliteratur über Frauenfreundschaften, die wie unter einer besonders dicken Zuckerschicht begraben scheint. Überraschungen sind dabei eher nicht zu erwarten, und die Protagonistinnen in der Regel am Happy end nach obligatorischen Problemchen glücklich vereint mit dem Mann ihrer Träume. So ein Buch ist "Alte Sorten" von Ewald Arenz nicht.

Um Frauenfreundschaften geht es aber schon - und zwar nicht um die Freundschaft zwischen seifenopertypischen Schablonen, sondern zwei eher spröden und schwierigen Frauen - die 17-Jährige Sally, ausgerissen aus einer Klinik zur Behandlung von Essstörungen, voller Misstrauen und Aggressionen, und Liss, die ganz alleine ihren Bauernhof bewirtschaftet und von den meisten der Dorfgemeinschaft geschnitten wird. Die Tradition des Dorfes hat sie dennoch geerbt.

Man sollte sich Zeit lassen mit diesem Buch und vor allem einlassen auf Liss und Sally, der ruhigen Erzählweise folgen, die in ein Landleben einführt, wie es auch schon vor 50 oder 100 Jahren existiert hat, nur das mittlerweile Technik und Internet dazugekommen sind. Von einer Zufallsbegegnung im Weinberg über eine Schlafgelegenheit für eine Nacht zu vorsichtiger Annäherung folgen wir so der keimenden Freundschaft der ganz unterschiedlichen Frauen, die aber beide verletzlich und verletzt sind. Jeder hat ihre eigenen Narben - Sally die sichtbaren, die sie sich geritzt hat, die wortkarge Liss die unsichtbaren, die auch nach vielen Jahren nicht verheilt sind.

Die harte Arbeit auf dem Hof scheint ein wenig wie eine Entsprechung der eher rauhen und kantigen Charaktere der beiden Protagonistinnen. Nicht viele Worte machen, sondern anpacken - das ist Liss´ Devise. Und dennoch hatte auch sie einmal Träume und erlebt in Sally in mancher Hinsicht vielleicht noch einmal ihr jüngeres, diesmal allerdings großstädtisches Selbst. Manche Beschreibungen der Feldarbeit, der hügeligen Landschaft, der Weinlese im Morgennebel lesen sich geradezu poetisch, nie aber sentimental. Da meint man den Geruch der aufgebrochenen Erde nach einem Landregen zu riechen, den Geschmack baumfrischer Früchte zu schmecken oder das Gegacker vom Hühnerhof zu hören.

Ähnlich wie das Getreide oder die Weinreben sind auch Vertrauen und Freundschaft etwas, was langsam wachsen muss, was Geduld und Aufmerksamkeit braucht - daran erinnert auch dieses Buch. Alte Sorten - der Titel bezieht sich auf die alten Birnensorten in einem Garten hinter dem Hof, die in Sally erstmals wieder die Lust am Genuss wecken - ist auf angenehme Weise entschleunigt, dabei nicht ohne Drama. Eine sensible Außenseiterstudie, eine Coming of Age-Story, ein Porträt einer Dorfgesellschaft - dieses Buch ist vieles und ist ausgesprochen lesenswert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.08.2020

Wenn 100 Worte reichen müssen

Vox
0

Vox" ist die literarische Stimme zum "Women´s March", zur MeToo-Debatte, zu Pussy
Riot und dem Unbehagen, dass längst überwunden geglaubte Geschlechterbilder und
Gender-Identifikationen plötzlich zurückführen ...

Vox" ist die literarische Stimme zum "Women´s March", zur

MeToo-Debatte, zu Pussy
Riot und dem Unbehagen, dass längst überwunden geglaubte Geschlechterbilder und
Gender-Identifikationen plötzlich zurückführen könnten in eine Gesellschaft, wie wir sie
seit, sagen wir mal, den 50-er Jahren überwunden glaubten. In eine Gesellschaft, in der
Frauen vor allem Ehefrauen und Mütter sein sollen, eine Gesellschaft, in der Mädchen
buchstäblich mit der Gewisseheit aufwachsen, dass sie nichts zu sagen haben.

Jean McClellan, die Hauptfigur dieses Romans in einer womöglich nicht zu fernen
Zukunft, war einmal Linguistin, arbeitete in einem bedeutenden wissenschaftlichen
Projekt. Doch all das zählt nicht mehr, seit die "Reinen" das Sagen in Amerika übernahmen,
gesteuert von einem fundamentalistischem Geistlichen, der einen unheilvollen Einfluss auf
den US-Präsidenten ausübt. Jetzt ist Jean nur noch die Ehefrau von Patrick, Mutter von vier
Kindern, darunter einer sechsjährigen Tochter, die zu verstummen droht.

Denn Frauen und Mädchen in dieser gar nicht schönen neuen Welt dürfen nur noch bis zu
100 'Wörter täglich über die Lippen bringen. In der neuen Geschlechter-Apartheid besuchen
Jungen und Mädchen unterschiedliche Schulen - denn wozu sollen Mädchen lesen, wozu
ihren Intellekt schulen, wenn sie sowieso nur Ehefrau und Mutter sein sollen? Ein
"Wortzähler", am Handgelenk achtet darauf, dass Frauen sich nicht zu oft zu Wort melden -
wird das tägliche 100 Worte-Limit überschritten, sind schmerzhafte Stromschläge die
Konsequenz.

Zugleich ist die neue Welt ein perfekter Überwachungsstaat, der alle Fluchtmöglichkeiten
wie etwa den Gebrauch von Zeichensprache ausschließt. Für vorehelichen Sex, für
Homosexualität gibt es Umerziehungs- und Zwangsarbeitslager. Jean hatte die Zeichen der
Zeit verkannt, als ihre lesbische Freundin Jacko Protestmärsche organisierte. Nun muss sie
hilflos beobachten, wie die Spaltung der Gesellschaft in der eigenen Familie Einzug hält.
Doch dann tut sich plötzliche eine Chance auf, zumindest vorübergehend die Sprache
wieder zu gewinnen...

Ich habe "Vox" innerhalb von 24 Stunden verschlungen - das Thema war einfach packend,
und scheint mittlerweile längst nicht mehr überzeichnet. Ein Roman, der eine Welt schlildert,
die es zum Glück noch nicht gibt. Aber nicht erst seit

MeToo, nicht erst seit den Berichten
über die Entgleisungen eines Donald Trump ("Grab them by the pussy") ist das Thema, wie
Frauen von Männern gesehen und behandelt werden, wo die "gläsernen Decken" sind und
wo trotz aller emanzipatorischer Erfolge noch immer Abgründe zwischen den Möglichkeiten
für Männer und Frauen stehen. Die Charaktere sind glaubwürdig - Jean ist beileibe keine
Kämpferin für Frauenrechte, sondern hat sich lange eingerichtet in der Haltung, dass doch
alles nicht so schlimm sei. Es ist spannend zu lesen, wie sie plötzlich ihre bisherigen
Entscheidungen überdenkt und die Möglichkeiten zum Widerstand nutzt - und lernt, sie
steht nicht allein.


Zu viel sollte hier nicht verraten werden, aber ich finde: Ein wichtiges Thema, gar nicht so
weit hergeholt mit Identifikationsfiguren, denen der Leser einen Ausweg aus dem Dilemma
wünscht - und gleichzeitig fürchtet, dass ein happy end für alle ausgeschlossen ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.08.2020

Brutal-poetische Liebesgeschichte

Uns gehört die Nacht
0

Schon der Anfang von „Uns gehört die Nacht“ wirkt eigentlich wie ein dramatischer Schlussakord wirkt: Ein Mann, eine Frau, ein geladenes Gewehr in einem Motelzimmer. Ein Showdown, ein sich-Belauern. Wie ...

Schon der Anfang von „Uns gehört die Nacht“ wirkt eigentlich wie ein dramatischer Schlussakord wirkt: Ein Mann, eine Frau, ein geladenes Gewehr in einem Motelzimmer. Ein Showdown, ein sich-Belauern. Wie ist es dazu gekommen? Und dann der Szenenwechsel, die Rückblende auf die erste Begegnung. Das hat etwas von einem Film Noir an sich, und auch die Sprache erinnert an das Genre - bildhaft, spröde und doch gleichzeitig sprachgewaltig, ja poetisch. Wie einer der ersten Sätze: "Die Wärme macht aus den Pfützen Parfüm: grasig, medizinisch, überirdisch."

Dem starken Auftakt folgt auch der Rest von Jardine Libaires Roman über die obsessive Beziehung zwischen Elise Peres, der in einer Sozialwohnung, in den „projects“ groß gewordenen Tocher einer Purtoricanerin, die ihren Vater nie kennengelernt hat, und Jamie Hyde, dem „golden boy“ der besseren Ostküstengesellschaft.

Elise ist von zu Hause abgehauen, lebt in einem abbruchreifen Haus. Nebenan wohnt der Yale-Student mit seinem besten Freund aus Kinderzeiten. Die Kontraste könnten nicht größer sein. Wären sie nicht Nachbarn, sie hätten sich nie getroffen. Elise ist fasziniert von dem jungen Mann aus elitärer Familie, der so ganz anders ist als diejenigen, die sie bisher kannte. Jamie fühlt sich fast abgestoßen von der Gewöhnlichkeit der jungen Frau, ihrer Aggressivität, ihrer einfachen Sprache und fehlenden Bildung. Und doch gerät er immer mehr in ihren Bann. Erst ist es der Sex, die einzige Sprache, in der sie zueinander zu finden scheinen. Doch dann erkennt er, dass da mehr ist als eine reine Sommeraffäre. Seine Familie wiederum findet Elise völlig unakzeptabel.

Die Geschichte von Elise und Jamie, sie ist keine ins 21. Jahrhundert gerückte Wiederauflage von „love story“, der Liebenden aus zwei Welten. Zuckersüße Romantik gibt es nicht, wohl aber Begehren, Begierde, ein magnetisches Verhältnis zwischen Anziehung und Abgestoßen werden. Vom schnellen Sex bis zur Erkenntnis „Ich bin nichts ohne Dich.“

Auch der junge Mann aus den besseren Kreisen hat mit seinen Dämonen zu kämpfen, war bislang vor allem Projektionsfläche für die Wünsche und Erwartungen anderer. Elise ist da wie ein Realitätscheck, eine Lebendigkeit, die es für Jamie bisher nie so gab. Statt der stets leicht gedämpften Existenz in Pastelltönen explodiert plötzlich das Leben.

Es macht einfach Spaß, in Libaires Sprache einzutauchen, voller Bilder und dann wieder drastisch, rauh und hart wie ein Rap-Song. Wer auf eine zarte Liebesgeschichte gehofft hat, ist von diesem Buch möglicherweise enttäuscht. Hier wird nichts angedeutet, hier entfaltet sich das Leben in seiner ganzen Intensität, Abgründen und Gier. Geht das Gewehr letztendlich los? Das muss der Leser selbst herausfinden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere