Brutal und grausam
Die Chroniken von Alice - Finsternis im WunderlandIch finde Neuerzählungen immer unheimlich spannend, besonders dann, wenn es in eine dunkle Richtung geht. Und oh man, das tut “Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland” von Christina Henry auf ...
Ich finde Neuerzählungen immer unheimlich spannend, besonders dann, wenn es in eine dunkle Richtung geht. Und oh man, das tut “Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland” von Christina Henry auf jeden Fall. Ihre Geschichte ist nicht nur düster, sondern auch grausam und brutal. [TW: Sexualisierte Gewalt, Gewalt, Menschenhandel, Kannibalismus]
Alice wird seit zehn Jahren in einem Hospital festgehalten, weil alle sie für verrückt halten, während sie sich an nichts erinnert. Jede Nacht suchen Alpträume sie heim, in denen ein Mann mit Kaninchenohren sie quält. Als ein Feuer ausbricht, gelingt es Hatcher, der Axtmörder aus der Nachbarzelle, auszubrechen und er befreit auch Alice. Genau wie Alice hat auch Hatcher die Erinnerung verloren. Zusammen begeben sie sich auf die Flucht, doch auch der Jabberwocky, ein grauenvolles dunkles Wesen, ist entkommen und jagt die beiden.
Für mich war das eine sehr interessante Neuerzählung, auch wenn ich mir eine Triggerwarnung gewünscht hätte, weil ich vollkommen überrascht war, dass Vergewaltigung darin vorkommt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Nachdem ich mich aber darauf eingestellt hatte, dass wirklich sehr viel Gewalt vorkommt, fand ich diese schonungslose Brutalität gut dargestellt. Insbesondere die Schmetterlingsmädchen. Das war einfach krass. Anders kann ich das gar nicht ausdrücken. Toll fand ich, dass man die Charaktere aus dem Original ganz gut wiedererkannt hat und sie waren allesamt unglaublich interessant. In dieser Geschichte kommt Alice ursprünglich aus der Oberschicht und Hatcher aus der Unterschicht. Dieser Unterschied zwischen den beiden wird immer wieder in der Geschichte eingearbeitet und ich fand das genial, wie Alice dadurch ihre eigene Ignoranz bemerkte und reflektierte. Das Ende war mir leider zu antiklimaktisch und zu einfach gelöst.
Außerdem hat mich hin und wieder der Schreibstil gestört, weil so viele Sätze mit Pronomen oder mit den Namen der Charaktere anfangen und das ganze Buch über quasi nur “xy sagt” oder “xy antwortet” benutzt wird. Aber… irgendwie hat das doch auch zu der seltsamen Atmosphäre gepasst, die das Buch für mich geschaffen hat. Ich kann es mir nicht erklären.
Zwei Dinge haben mich am meisten gestört: [S P O I L E R] Wieso musste Henry da unbedingt eine Liebesbeziehung zwischen Alice und Hatcher einbauen… Ich fand das unpassend, auch wenn sie nur hin und wieder erwähnt wird. Das schlimmste war aber, dass geschrieben wurde “his eyes bulged”, obwohl fast das ganze Buch über geschrieben wird, dass Alice ihm ein Auge ausgestochen hat. Da kann doch dann nicht einfach das Plural verwendet werden!